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Archiv "Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen" (29.10.1999)

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Jeder Patient hat ein Recht auf Selbstbestimmung. Das gilt auch für Situationen, in denen der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen Wil- len zu äußern. Für diesen Fall gibt es vorsorgliche Willensbekundungen, die den Arzt darüber informieren, in welchem Umfang bei fehlender Ein- willigungsfähigkeit eine medizinische Behandlung gewünscht wird.

Die umfangreichen Möglichkei- ten der modernen Medizin lassen es sinnvoll erscheinen, daß Patienten sich vorsorglich für den Fall des Verlu- stes ihrer Einwilligungsfähigkeit zu der von ihnen dann gewünschten Be- handlung erklären. Besonders ältere Personen und Patienten mit progno- stisch ungünstigen Leiden sollen er- mutigt werden, die künftige medizini- sche Versorgung mit dem Arzt ihres Vertrauens zu besprechen und ihren Willen hierzu zum Ausdruck zu brin- gen. In den von der Bundesärztekam- mer beschlossenen Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung (Dt Ärz- tebl 1998; 95: A-2365–2367) wird auf die Bedeutung solcher Erklärungen am Ende des Lebens hingewiesen.

Da nach wie vor Unsicherheit darüber besteht, wie solche Erklärun- gen formal und inhaltlich zu gestalten sind und wann beziehungsweise in- wieweit sie Gültigkeit haben, wurden die nachstehenden Hinweise von der Bundesärztekammer erarbeitet. Sie dienen als Handreichung für Ärzte, die um Rat bei der Aufstellung von Patientenverfügungen gefragt werden oder denen eine Patientenverfügung vorgelegt wird.

1. Möglichkeiten der Willensbekundung

Möglichkeiten der vorsorglichen Willensbekundung zur Sicherung der Selbstbestimmung sind Patientenver- fügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen. Sie können

jederzeit vom Patienten geändert oder widerrufen werden.

1.1 Patientenverfügungen

Eine Patientenverfügung (biswei- len Patiententestament genannt) ist eine schriftliche oder mündliche Wil- lensäußerung eines entscheidungs- fähigen Patienten zur zukünftigen Be- handlung für den Fall der Äußerungs- unfähigkeit. Mit ihr kann der Patient unter anderem bestimmen, ob und in welchem Umfang bei ihm in bestimm- ten, näher umrissenen Krankheitssi- tuationen medizinische Maßnahmen eingesetzt werden sollen.

In einer Patientenverfügung kann der Patient auch eine Vertrauensper- son benennen, mit der der Arzt die er- forderlichen medizinischen Maßnah- men besprechen soll und die dem Arzt dann, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen selbst zu äußern, bei der ihm obliegenden Er- mittlung des mutmaßlichen Willens unterstützend zur Verfügung steht.

Es empfiehlt sich, den Arzt ge- genüber dieser Person von seiner Schweigepflicht zu entbinden.

1.2 Vorsorgevollmachten Mit einer Vorsorgevollmacht kann der Patient für den Fall, daß er nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern, eine oder mehrere Personen bevollmächtigen, Entscheidungen mit bindender Wirkung für ihn, unter ande- rem in seinen Gesundheitsangelegen- heiten, zu treffen (§ 1904 Abs. 2 BGB).

Vorsorgevollmachten sollten schriftlich abgefaßt sein und die von

ihnen umfaßten ärztlichen Maßnah- men möglichst benennen. Eine Vor- sorgevollmacht muß schriftlich nie- dergelegt werden, wenn sie sich auf Maßnahmen erstreckt, bei denen die begründete Gefahr besteht, daß der Patient stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitli- chen Schaden erleidet. Die Einwilli- gung des Bevollmächtigten bedarf in diesen Fällen (§ 1904 BGB) der Zu- stimmung des Vormundschaftsgerich- tes, es sei denn, daß mit dem Auf- schub Gefahr verbunden ist.

Ob die Einschaltung des Vor- mundschaftsgerichts auch bei der Be- endigung lebenserhaltender Maßnah- men im Vorfeld der Sterbephase er- forderlich ist, ist zur Zeit strittig. Zur rechtlichen Absicherung kann es sich empfehlen, das Vormundschaftsge- richt anzurufen. Die Beendigung le- benserhaltender Maßnahmen wäh- rend des Sterbeprozesses verpflichtet nicht zur Anrufung des Vormund- schaftsgerichtes.

1.3 Betreuungsverfügungen Eine Betreuungsverfügung ist ei- ne für das Vormundschaftsgericht be- stimmte Willensäußerung für den Fall der Anordnung einer Betreuung. In ihr können Vorschläge zur Person ei- nes Betreuers und Wünsche zur Wahrnehmung seiner Aufgaben fi- xiert sein. Eine Betreuung kann vom Gericht für bestimmte Bereiche ange- ordnet werden, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seine Angele- genheiten selbst zu besorgen und eine Vorsorgevollmacht hierfür nicht vor- liegt oder nicht ausreicht. Der Betreu- er entscheidet im Rahmen seines Auf- gabenkreises für den Betreuten. Auch dann dürfen Maßnahmen nicht gegen den erkennbaren Willen des Patien- ten durchgeführt werden.

2. Vertrauensperson, Bevollmächtigter, Betreuer

In der Regel werden nahestehen- de Personen benannt werden. Bei der Benennung ist zu bedenken, daß Na- hestehende in kritischen Situationen besonders schweren Belastungen und Konflikten ausgesetzt sein können. Es sollte niemand bestimmt werden, oh- A-2720

P O L I T I K DOKUMENTATION

(24) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999

Handreichungen für Ärzte zum Umgang

mit Patientenverfügungen

Zu den „Handreichungen für Ärzte“ schrie- ben ein Vorwort der Präsident der Bundes- ärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, und der Vorsitzende des Ausschus- ses für medizinisch-juristische Grundsatzfra- gen der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.

Eggert Beleites („Seite eins“ in diesem Heft)

(2)

ne daß mit ihm rechtzeitig und aus- führlich über die anstehenden Aufga- ben gesprochen wurde. Die benannte Person sollte die getroffenen Rege- lungen – insbesondere eine Patienten- verfügung – kennen.

Wer zu einer Einrichtung, in wel- cher der Betreute untergebracht ist oder wohnt, in einer engen Beziehung steht, darf nicht zum Betreuer bestellt werden (§ 1897 Abs. 3 BGB).

3. Inhalt

3.1 Situationen

Willensbekundungen im Sinne der Ziffer 1 sollen Aussagen zu den Si- tuationen enthalten, für die sie gelten sollen, zum Beispiel:

c Sterbephase

c nicht aufhaltbare schwere Leiden

c dauernder Verlust der Kom- munikationsfähigkeit

c Notwendigkeit andauernder schwerwiegender Eingriffe (zum Beispiel Beatmung, Dia- lyse, künstliche Ernährung, Organersatz)

3.2 Ärztliche Maßnahmen Für die genannten Situationen können Patientenverfügungen auch Aussagen zur Einleitung, zum Um- fang und zur Beendigung ärztlicher Maßnahmen enthalten, etwa

c künstliche Ernährung, Beat- mung oder Dialyse

c Verabreichung von Medika- menten wie zum Beispiel Anti- biotika, Psychopharmaka oder Zytostatika

c Schmerzbehandlung

c Art der Unterbringung und Pflege

c Hinzuziehung eines oder meh- rerer weiterer Ärzte

3.3 Ergänzende persönliche Angaben

Um in Situationen, die in der Ver- fügung nicht erfaßt sind, den mutmaß- lichen Willen besser ermitteln zu kön- nen, empfiehlt es sich auch, Lebens- einstellungen, religiöse Überzeugung sowie die Bewertung von Schmerzen

und schweren Schäden in der verblei- benden Lebenszeit mitzuteilen.

3.4 Ärztliche Beratung

Vor Abfassung einer Patienten- verfügung kann es hilfreich sein, ein ärztliches Gespräch über deren Inhalt und Umfang und Tragweite zu führen.

Ein Vermerk darüber, daß eine ärztli- che Beratung stattgefunden hat, kann zusätzlich belegen, daß der Patient sich auch mit dem medizinischen Für und Wider seiner Entscheidung aus- einandergesetzt hat; dies kann die Ernsthaftigkeit unterstreichen und die Verbindlichkeit erhöhen.

3.5 Schweigepflicht

Gegenüber dem Bevollmächtig- ten und dem Betreuer ist der Arzt zur Auskunft verpflichtet, da Vollmacht und Gesetz den Arzt von der Schwei- gepflicht freistellen. In der Patienten- verfügung können weitere Personen benannt werden, gegenüber denen der Arzt von der Schweigepflicht ent- bunden wird und denen Auskunft er- teilt werden soll.

3.6 Aktive Sterbehilfe

Aktive Sterbehilfe darf, auch wenn sie in einer Patientenverfügung verlangt wird, nicht geleistet werden, da sie gesetzwidrig ist.

4. Form

Patientenverfügungen bedürfen keiner besonderen Form. Aus Beweis- gründen sollten sie jedoch schriftlich ab- gefaßt sein. Eine eigenhändige Nieder- schrift der Patientenverfügung ist nicht notwendig. Die Benutzung eines For- mulars ist möglich. Eine Patientenver- fügung soll möglichst persönlich unter- schrieben und mit Datum versehen sein.

Rechtlich ist es weder erforderlich, die Unterschrift durch Zeugen bestätigen zu lassen, noch eine notarielle Beglaubi- gung der Unterschrift herbeizuführen.

Um Zweifeln zu begegnen, kann sich jedoch eine Unterschrift vor Zeu- gen empfehlen, die ihrerseits schrift- lich die Echtheit der Unterschrift so- wie das Vorliegen der Einwilligungs- fähigkeit des Verfassers bestätigen.

5. Einwilligungsfähigkeit

Patientenverfügungen sind nur wirksam, wenn der Patient zur Zeit der Abfassung einwilligungsfähig war.

Sofern keine gegenteiligen Anhalts- punkte vorliegen, kann der Arzt von der Einwilligungsfähigkeit des voll- jährigen Patienten ausgehen. Die Ein- willigungsfähigkeit liegt vor, wenn der Patient Bedeutung, Umfang und Tragweite der Verfügung zu beurtei- len vermag. Das gilt auch für Minder- jährige. Die Umsetzung ihres Willens kann grundsätzlich jedoch nicht gegen den Willen der Sorgeberechtigten er- folgen.

6. Verbindlichkeit

Grundsätzlich gilt der in der Pati- entenverfügung geäußerte Wille des Patienten, es sei denn, es liegen kon- krete Anhaltspunkte vor, die auf eine Veränderung seines Willens schließen lassen. Da Patientenverfügungen je- derzeit formlos widerruflich sind, muß vom behandelnden Arzt geprüft wer- den, ob Anhaltspunkte für eine Wil- lensänderung vorliegen.

Um Zweifel an der Verbindlich- keit älterer Verfügungen zu beseiti- gen, empfiehlt es sich, diese in regel- mäßigen Abständen zu bestätigen oder zu ergänzen.

7. Aufbewahrungs- empfehlung

Um sicherzugehen, daß die be- handelnden Ärzte Patientenverfü- gungen zur Kenntnis nehmen können, sollten diese gemeinsam mit den per- sönlichen Papieren bei sich geführt werden. Auch ein einfacher Hinweis, daß solche Verfügungen verfaßt wur- den und wo sie zu finden sind, kann förderlich sein.

Hilfreich ist es weiterhin, wenn zum Beispiel die Angehörigen oder der Arzt des Vertrauens über das Vor- liegen informiert werden.

Für den Arzt, der gemäß einer Pa- tientenverfügung behandelt, empfiehlt es sich, eine Kopie der Patientenverfü- gung zu den Krankenunterlagen zu nehmen und Äußerungen benannter Personen zu dokumentieren. N A-2721

P O L I T I K DOKUMENTATION

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999 (25)

Referenzen

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