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Archiv "GKV-Konzept der Spitzenverbände: Kassen wollen alle Macht auf ihrer Seite" (28.10.1994)

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POLITIK LEITARTIKEL

GKV-Konzept der Spitzenverbände

Kassen wollen alle Macht auf ihrer Seite

Wenn es nach den Krankenkassen geht, ist die nächste Stufe der Gesundheitsreform ebenso einfach wie schnell gemacht: Alle Macht den Kassen, denn mehr braucht es nicht, um

Leistungsge- schehen

und Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung ein für allemal in den Griff zu kriegen. Was wie ein schlechter Trep-

penwitz klingt, ist den vereinigten Gralshütern der GKV jedoch heiliger Ernst — nachzulesen in einem 28 Seiten starken Positi- onspapier. Die Vorstände von Bundesärztekammer und Kas- senärztlicher Bundesvereinigung haben das Papier analysiert und in ersten Stellungnahmen mit scharfer Kritik reagiert.

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as Papier der Kassen kommt sozusagen mit einer Tarn- kappe daher: eine kleinfor- matige, eher unscheinbare Broschüre im gedeckten, dunkelro- ten Einband. Auch der Titel läßt noch nichts Schlimmes vermuten:

„Solidarische Wettbewerbsordnung als Grundlage für eine zukunftsori- entierte Krankenversicherung".

Hier reden die Kassen über ihren Wettbewerb untereinander, also über sich selbst, sollte man meinen.

Weit gefehlt, denn hier reden die Kassen über den Wettbewerb der anderen, hauptsächlich der Ärzte, aber das ganz eindeutig zugunsten der Kassen.

Im Vorwort sagen die Akteure, vom AOK-Bundesverband über die Bundesverbände der Betriebs- und Innungskrankenkassen bis hin zu den Ersatzkassenverbänden, was ihrer Auffassung nach nicht nottut:

weder Leistungsausgrenzungen noch eine wie auch immer geartete Ausweitung der Finanzierungs- grundlage der gesetzlichen Kran- kenversicherung. Selbst die vielzi- tierte demographische Entwick- lung, die wachsende Zahl älterer Menschen bei steigender Lebenser- wartung, zwinge nicht zu derartigen Schritten. Ein ordentlicher Wettbe- werb, der Wirtschaftlichkeitsreser- ven ausschöpfe und die verfügbaren Mittel effizienter steuere, sei der bessere und erfolgversprechendere Weg.

Die Kassen selbst sehen sich dabei in der Rolle eines Wegwei- sers, der zugleich die Verkehrsre- geln aufstellt und deren Einhaltung überwacht. Um den Ärzten von

vornherein zu verdeutlichen, wo die Reise hingehen soll, diagnostizieren die Spitzenverbände ganz ungeniert einen Paradigmenwechsel in der Medizin mit besonderer Note.

Wörtlich heißt es in dem Positions- papier:

„Der sich heute bereits andeu- tende Paradigmenwechsel in der Medizin — weg von der Schulmedi- zin, bei der die Behandlung isolier- ter körperlicher Leiden im Vorder- grund steht, hin zu einer Auffas- sung, bei der der Mensch in seiner Gesamtheit gesehen wird — wird sich zukünftig verstärkt auf das me- dizinische Leistungsgeschehen aus- wirken. So wird auch auf den zur Zeit immer häufiger artikulierten Wunsch der Patienten nach einem verstärkten Einsatz sogenannter unkonventioneller Heilmethoden einzugehen sein ...".

Auf leisen Sohlen zum Einkaufsmodell Die Beratungsfunktion der Kassen, darin sind sich die Autoren des Positionspapiers einig, werde

„angesichts des breiten Leistungs- spektrums in der Medizin und der damit verbundenen Unübersicht- lichkeit aufgrund unterschiedlicher Behandlungsmöglichkeiten für be- stimmte Erkrankungen an Bedeu- tung gewinnen". Die Krankenkas- sen denken daran, ihren Versicher- ten einen „Überblick über das vor- handene Leistungsangebot und die Therapiemöglichkeiten sowie ent- sprechende Empfehlungen zu ge- ben".

Auch in Zukunft soll das primäre Ziel der gesetzlichen Kran- kenversicherung eine bedarfsge- rechte, vollwertige medizinische Versorgung sein, allerdings stärker an den Ergebnissen orientiert. Da- zu heißt es in dem Papier: „Eng ver- bunden damit ist eine verstärkte Beachtung qualitätssichernder Maßnahmen. Dabei kommt Maß- nahmen zur Verbesserung der Pro- zeß- und Ergebnisqualität wachsen- de Bedeutung zu." Will heißen:

Qualitätssicherung als Kontrollin- strument.

In dem Kapitel „Wettbewerbli- che Steuerung im Gesundheitswe- sen" legen die Kassen dann richtig los. Kernbereich des Wettbewerbs ist nach ihrer Auffassung die Ver- tragspolitik, „da hier primär die Be- dingungen der Erbringung von Lei- stungen bestimmt werden". Auf der Suche nach optimalen Vertragslö- sungen sollte jede Kassenart inner- halb eines einheitlichen Leistungs- kataloges eigenständige Wege ver- einbaren. Gemeinsam wollen die Verbände bestimmte Qualitätsstan- dards im Sinne von Mindeststan- dards definieren. Ebenso gemein- sam will man die Zugangsvorausset- zungen zur Berufsausübung für die Leistungserbringer festlegen.

Als ausgesprochen hinderlich auf dem Weg zur „wettbewerbli- chen Steuerung" haben die Spitzen- verbände jedoch „marktbeherr- schende Stellungen im Gesund- heitswesen" ausgemacht. Damit sind in erster Linie die Kassenärztli- chen Vereinigungen gemeint, deren Macht gebrochen werden soll. Die Kassen nennen das „Neudefinition Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 43, 28. Oktober 1994 (19) A-2915

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POLITIK

der Funktion der Kassenärztlichen Vereinigungen".

Daß so etwas nicht von heute auf morgen gelingen kann, räumt das Positionspapier zwar ein. Doch mit Hilfe einer fortgesetzten globa- len Budgetierung ist das aus Sicht der Krankenkassen „nach einer Übergangszeit" durchaus zu schaf- fen — erst recht, wenn die dann be- schriebene Salami-Taktik der Kas- senstrategen Platz greift.

Der Wettbewerb, heißt es näm- lich weiter, müsse auf die Flexibili- sierung der Versorgungsformen und der Leistungserbringung gerichtet sein, was auch unterschiedliche Ver- gütungsstrukturen und Vergütungs- höhen einschließe. Die Kranken- kassen selbst könnten sich dabei durchaus als Träger neuer Versor- gungsformen vorstellen.

Wenn man bis dahin das Ziel

„Einkaufsmodell" nur ahnen konn- te, wird das Papier wenig später deutlicher. Die Kassen wollen nicht ausschließen, „daß — zum Beispiel über Ausschreibungen — die Teil- nahme an besonderen Versorgungs- formen von einzelnen Kassen oder Kassenarten individuell geregelt wird".

Einfluß auf die Krankenhäuser

Beim Wettbewerb, so wie ihn die Kassen sehen möchten, stört momentan nicht nur die starke Stel- lung der Kassenärztlichen Vereini- gungen. Auch der stationäre Sektor ist noch nicht so, wie man ihn gerne hätte. „Um zukünftig eine effizien- tere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Leistungsbereichen si- cherzustellen", führt das Positions- papier aus, „sollten die vollsta- tionären Leistungen im Kranken- haus mehr als bisher auf Maßnah- men der Hochleistungsmedizin konzentriert werden."

Auch bei den Krankenhäusern soll eine neue Form der Vertragspo- litik den Einfluß der Kassen nach- haltig stärken. Gedacht ist einer- seits an eine Verzahnung in dem Sinne, daß niedergelassene Ärzte mit sogenannten „kombinierten Budgets" auch die Verantwortung

LEITARTIKEL

für die von ihnen veranlaßten Kran- kenhauskosten tragen. Anderer- seits will man die Krankenhäuser zu Versorgungszentren umbauen, die vollstationäre, teilstationäre und ambulante Leistungen anbieten können. Dazu das Papier:

„Eine Loslösung vom gemein- samen und einheitlichen Handeln im stationären Sektor brächte auch hier wie in den anderen Leistungs- bereichen die Möglichkeit zur ei- genständigen Gestaltung der Lei- stungs- und Vergütungsstrukturen."

Pflichtfortbildung in Pharmakologie

Abschließend nehmen die Kas- sen zur Weiterentwicklung der Arz- neimittelversorgung Stellung. Sie wollen nicht mehr nur für die Ver- ordnungen zahlen, sondern sehen sich künftig in der Rolle des „akti- veren Nachfragers". Auch hier wie- der das Einkaufsmodell: Im Rah- men der angestrebten Positivliste

„soll der gesetzlichen Krankenver- sicherung die Möglichkeit einge- räumt werden, zum Beispiel in be- sonderen Versorgungsmodellen ei- gene, nach pharmakoökonomi- schen Gesichtspunkten zusammen- gestellte Arzneimittellisten zu ver- einbaren, die sich lediglich auf Teile der Positivliste beziehen".

Ferner sollen die Arzneimittel nach den Kriterien „unverzicht- bar", „unumstritten" und „sonsti- ge" unterteilt werden — und das mit der Absicht, Zuzahlungen zu den

„unumstrittenen" Präparaten ein- zufordern und den Ärzten bei der Verordnung von „sonstigen" Arz- neimitteln eine besondere Begrün- dung abzuverlangen. Alles wohlge- merkt im Rahmen der Positivliste.

Da paßt es schon fast selbstver- ständlich ins Bild, wenn die Kassen obendrein die Verordnungsmög- lichkeit von in hohem Maße spezi- fisch wirkenden Arzneimitteln auf Ärzte „mit einer entsprechenden Weiterbildung" beschränkt sehen wollen. Mehr noch: Die Ärzte sol- len sich künftig einer „institutionali- sieden Pflichtfortbildung" in Sa- chen Pharmakologie und Pharma- kotherapie unterziehen. Daß die

Kassen schließlich weitaus mehr Mitspracherecht bei der Verteilung von Arzneimitteln fordern, kann dann auch nicht mehr verwundern.

Ausgesprochen empört rea- gierten die Spitzenorganisationen der Ärzteschaft auf das Kassenpa- pier. Die Bundesärztekammer be- zeichnete es als unrealistisch, entso- lidarisierend und für die Qualität der medizinischen Versorgung gera- dezu gefährlich.

Nach wie vor, heißt es in einer Erklärung der Bundesärztekammer, beharren die Kassen auf dem Kon- zept der Budgets, wobei sie doch selbst die Grenzen dieser Kosten- dämpfungsidee erkannt haben müßten. Mit absolutem Unver- ständnis begegnen Kammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) der irrationalen Diskreditie- rung der Schulmedizin zugunsten unkonventioneller Behandlungsme- thoden.

Angriffe auf das ärztliche Berufsrecht

In weiten Teilen des Papiers sieht die Bundesärztekammer eine unzumutbare Kompetenzanma- ßung der Kassen — vor allem in den Punkten, die auf eine Veränderung des ärztlichen Berufsrechts zielen.

Insgesamt führe das Kassenkonzept aus Machtstreben zu einer Auflö- sung der stabilen Elemente der Ver- sorgungsstruktur der gesetzlichen Krankenversicherung, unter ande- rem durch den Abbau des Sicher- stellungsauftrages der Kassenärztli- chen Vereinigungen bei gleichzeiti- ger Einführung eines „Einkaufsmo- dells".

Daß sich die Kassen bei einer weiteren Verfolgung ihrer Ziele auf den erbitterten Widerstand der KBV und der KVen einstellen müs- sen, daran ließ die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer ersten Stellungnahme zum Positionspapier keinen Zweifel. Mit der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung sei der durchsichtige Versuch, die eigene Wettbewerbsposition durch eine Entsolidarisierung der Vertragsärz- te auszubauen, auf keinen Fall zu machen. Josef Maus A-2916 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 43, 28. Oktober 1994

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