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Archiv "Die Freien Berufe sind keine steuerpolitische Manövriermasse" (04.05.1984)

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Die Freien Berufe sind keine

steuerpolitische Manövriermasse

Dietrich W. Rollmann

Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg ist im Begriff, ein mil- liardenschweres Steuerpaket zu schnüren. Trotz anderslautender Beteuerungen und Versprechungen scheint die steuerliche Gleichbehandlung der Freiberufler mit den Unselbständigen bei den Vorsorgebeiträgen für die Krankheits- und Alterssicherung abermals ausgeklammert zu werden. Im Gegenteil sollen auch die rund 330 000 selbständigen Freiberufler in die „steuerpoliti- sche Manövriermasse" einbezogen werden. Obwohl keine sach- bezogenen Argumente dafür erkennbar sind, allein den Freibe- trag der Freiberufler anzutasten, setzt Finanzminister Stoltenberg mit seinem einseitigen Vorschlag an diesem Punkt an. Der Bun- deskongreß 1984 und die Mitgliederversammlung des Bundesver- bandes der Freien Berufe (BFB) in Bonn am 3. Mai bietet Gele- genheit, die Steuerprobleme der Freien Berufe erneut zu ver- deutlichen (vgl. auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 16/1984, Seite 1241, Leitartikel).

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

Die Angehörigen der Freien Beru- fe stehen mitten im Kampf um die Erhaltung des seit Jahrzehnten bestehenden Freiberuflerfreibe- trages in Höhe von 1200 DM jähr- lich, dessen Streichung Bundesfi- nanzminister Dr. Gerhard Stolten- berg jetzt für die Steuerreform vorgeschlagen hat. Dieser Freibe- ruflerfreibetrag macht nach sei- nen Berechnungen für die 330 000 selbständigen Angehöri- gen der Freien Berufe einen Wert von 210 Millionen DM jährlich aus.

Der Freibetrag ist damit ungleich gewichtiger als die Einbeziehung der Freien Berufe in die steuerli- che Entlastung der Betriebsver- mögen, die im Sommer 1983 so mühsam erreicht wurde. Ur- sprünglich war eine solche Einbe- ziehung der Freien Berufe von der Bundesregierung in ihren Richtli- nien-Beschlüssen zum Steuerent- lastungsgesetz 1984 nicht vorge- sehen, weil „die freiberufliche Tä- tigkeit im Gegensatz zur gewerbli- chen Tätigkeit nicht der Gewerbe- steuer unterliegt".

In zahlreichen Gesprächen und Korrespondenzen mit den zustän-

digen Finanz- und Wirtschaftspoli- tikern hat der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) darauf auf- merksam gemacht, daß eine Ent- lastung der Freien Berufe bei der Vermögensteuer mit der Gewer- besteuerfreiheit der Freien Beru- fe überhaupt nichts zu tun hat.

Der Freiberufler ist gewerbesteu- erfrei, weil er eben kein Gewerbe, sondern einen Freien Beruf aus- übt. Damit hat der Bundesverband der Freien Berufe den Angehöri- gen der Freien Berufe eine Ver- mögensteuerentlastung erkämpft, die nach Schätzungen des Bun- desfinanzministeriums einen jähr- lichen Wert von 50 Millionen DM ausmacht.

Gewerbesteuer-Diskussion noch nicht beendet

Aber auch die Gewerbesteuerfrei- heit der Freien Berufe ist wieder einmal bedroht. Am 26. Oktober 1983 hat die SPD-Bundestagsfrak- tion im Parlament einen Gesetz- entwurf „über Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Gemeinde- finanzen" (Bundestagsdrucksa- che 10/537) eingebracht, der die

„Einbeziehung der größeren Be- triebe von Selbständigen in die Gewerbesteuer" vorsieht, also auch die Gewerbesteuerpflicht der größeren Praxen und Kanzlei- en, Büros und Ateliers der Ange- hörigen der Freien Berufe. Diese Einbeziehung der Freien Berufe in die Gewerbesteuer soll jeden dritten Freiberufler treffen und ei- ne Summe von einer Milliarde DM erbringen. Jeder der betroffenen Selbständigen und Freiberufler würde also mit durchschnittlich 10 000 DM jährlich zusätzlich be- lastet werden.

Zusätzliche Steuern und Abgaben

Wenn man bedenkt, daß Sozialde- mokraten und Gewerkschaften auch die Angehörigen der Freien Berufe noch mit einer Ergän- zungsabgabe der „Besserverdie- nenden" und einer Arbeitsmarkt- abgabe der Selbständigen über- ziehen wollen, dann befindet sich folgendes „Paket" an zusätz- lichen Steuern und Abgaben für die Freien Berufe zumindest in der aktuellen steuerpolitischen Diskussion:

> Abschaffung des Freiberufler- freibetrages: 0,2 Milliarden DM;

> Ausdehnung der Gewerbesteu- er auf weite Teile der Freien Beru- fe: 3,0 Milliarden DM;

> Ergänzungsabgabe der „bes- serverdienenden" Freiberufler:

0,3 Milliarden DM;

> Arbeitsmarktabgabe der selb- ständigen Freiberufler: 0,2 Milliar- den DM;

Dies ergibt eine Gesamtsumme von 1,7 Milliarden DM.

Die Einbeziehung der Freien Be- rufe in die steuerliche Entlastung der Betriebsvermögen wurde mit dem Steuerentlastungsgesetz 1984 von der SPD abgelehnt.

Wenn auch sozialdemokratische Bundesfinanzminister niemals die Abschaffung des Freiberuflerfrei- betrages vorgeschlagen haben, so ist zu vermuten, daß die Sozial- demokraten für die Erhaltung des Freiberufler-Freibetrages nicht Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 18 vom 4. Mai 1984 (27) 1433

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Freie Berufe

auf die Barrikaden gehen werden.

Die Ausdehnung der Gewerbe- steuer auf weite Teile der Freien Berufe wird zwar von der Regie- rungskoalition abgelehnt und hat somit im Deutschen Bundestag keine Chance, aber schon taucht im Hintergrund für die Freien Be- rufe eine neue Bedrohung auf: die

„kommunale Wertschöpfungs- steuer" unter Einbeziehung der Freien Berufe anstelle der Gewer- besteuer!

Eine „kommunale Wertschöp- fungssteuer" würde die Freien Berufe nicht weniger treffen als ihre Einbeziehung in die Gewer- besteuer. Die SPD ist für die

„Wertschöpfungssteuer", die Uni- on hat sich noch nicht entschie- den, die FDP ist entschieden da- gegen. So gesehen sind im Be- reich der Steuern und Abgaben die Aufgaben der Vertreter der Freien Berufe aktueller denn je:

von den Angehörigen der Freien Berufe zusätzlich drohende Steu- ern und Abgaben abzuwenden und ihnen die wenigen angebli- chen „Privilegien" zu erhalten, die sie noch im Steuerrecht ha- ben.

Weiterhin Benachteiligung der Vorsorgeaufwendungen?

Von einem Abbau der Benachteili- gung der Selbständigen gegen- über den Arbeitnehmern etwa nur im Bereich der Besteuerung der Vorsorgeaufwendungen für Alter und Krankheit ist zur Zeit kaum die Rede. Während der Arbeitge- berbeitrag zur Sozialversicherung des Arbeitnehmers jetzt bis zu ei- ner Höhe von jährlich 10 000 DM steuerfrei ist, besitzt demgegen- über der Selbständige in Gestalt des „Vorwegabzuges" von 3000 DM nur ein höchst unzulängliches Äquivalent. Kein Wunder also, daß bei einer steuerlichen Benachtei- ligung der Selbständigen in Höhe von 7000 DM jährlich die Selbstän- digen ihre soziale Sicherung für Alter und Krankheit weithin aus versteuertem Einkommen aufbau- en müssen. Was soll dann das Ho- helied vom Wert der beruflichen

Selbständigkeit, das heute mehr denn je gesungen wird, was soll der Ruf nach mehr Selbständigen, der überall ertönt, wenn trotz vie- ler feierlichen Erklärungen von Bundesregierungen und Bundes- tagen keine Bereitschaft besteht, die Benachteiligung der Selbstän- digen bei der Besteuerung der Vorsorgeaufwendungen abzu- bauen?

Überfüllung der Freien Berufe Nahezu alle Gruppen der Freien.

Berufe sind heute von Überfül- lung bedroht. Die Menschen kön- nen gar nicht so krank werden, daß sich alle jungen Ärzte und Apotheker, Krankengymnasten und physikalischen Therapeuten in eigener Praxis eine auskömm- liche Existenz sichern können.

Gesetze und Vorschriften können gar nicht so kompliziert werden, daß alle jungen Anwälte und Steu- erberater in einer eigenen Kanzlei ihr Heil finden können. So viele Bauten sind gar nicht zu errich- ten, als daß alle jungen Architek- ten und Ingenieure sich auf ein ei- genes Büro einlassen könnten.

Eine Reprivatisierung öffentlicher Dienstleistungen und die von der jetzt amtierenden Bundesregie- rung angekündigte Entstaatli- chung vieler Lebensbereiche könnte hier einen zusätzlichen Ausgleich schaffen. Eine Verlage- rung öffentlicher Dienstleistun- gen auf die Freien Berufe und die Einschränkung der Nebentätig- keit der öffentlich Bediensteten in den Arbeitsfeldern der Freien Be- rufe ist überfällig.

Einer Begrenzung der Nebentä- tigkeit der öffentlich Bediensteten kommen wir jetzt offenbar näher, haben doch sowohl die CDU/CSU- FDP-Koalition als auch die SPD- Opposition im Frühjahr 1984 ent- sprechende Gesetzentwürfe im Deutschen Bundestag einge- bracht. Wir erwarten, daß der Bun- destag bis zum Ende der Legisla- turperiode ein neues Nebentätig- keitsrecht verabschiedet haben wird. Es muß ein Ende haben, daß

gut verdienende und sozial abge- sicherte öffentlich Bedienstete den im täglichen Existenzkampf stehenden Angehörigen der Frei- en Berufe auch noch Konkurrenz zu Dumpingpreisen machen.

Die Tendenz von Bund und Län- dern ist unverkennbar, die Grup- pen der Freien Berufe, die über- haupt eine Honorar- und Gebüh- renordnung haben, so lange wie möglich an die Sätze aus den 70er Jahren zu binden. Das mußten zu-

letzt die Architekten und Inge- nieure erfahren, deren neuer Ho- norarordnung der Bundesrat erst jetzt nach bald vierjähriger Bera- tung zustimmte. Das erfahren jetzt die Sachverständigen, denen seit 1976 eine Erhöhung ihrer Ent- schädigungssätze verwehrt wird.

Die Hebammen sollen sogar eine Senkung ihrer Gebühren hinneh- men.

Die Honorar- und Gebührenord- nung der Freien Berufe müssen in regelmäßigen Abständen über- prüft und gegebenenfalls an die wirtschaftliche Entwicklung ange- paßt werden.

Mehr Ausbildungsplätze bei Freien Berufen

Mit auskömmlichen Honorar- und Gebührenordnungen hat auch die Fähigkeit der Angehörigen der Freien Berufe zu tun, genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Am 31. Dezember 1983' bestanden bei den Angehörigen der Freien Berufe etwa 140 000 Lehrverträge. In diesem Jahr ist die Berufsnot der jungen Genera- tion größer denn je. Noch fehlen 150 000 Lehrstellen. Die Freien Berufe dürfen den letzten gebur- tenstarken Ausbildungsjahrgang, der jetzt in die Berufsausbildung drängt, nicht im Stich lassen.

Anschrift des Verfassers:

Dietrich W. Rollmann Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes

der Freien Berufe Godesberger Allee 54

5300 Bonn 2 (Bad Godesberg) 1434 (28) Heft 18 vom 4. Mai 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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