Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 23|
11. Juni 2010 A 1133M
ir ist um unser Land nicht bange, wenn endlich positive Signale ausgesandt werden“, erklärte Bundesarbeitsministerin Dr. med. Ursula von der Ley- en beim 71. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentag (MFT). Zugleich setzte sie sich vehement für die Ver- einbarkeit von Beruf und Familie in der Medizin ein.Adressiert war dieser Aufruf speziell an die medizi- nischen Fakultäten, deren Spitzen sich am 3. und 4. Ju- ni in von der Leyens Studienstadt Hannover versam- melt hatten. „Eltern dürfen an den Kliniken künftig kei- ne Bittsteller mehr sein“, rief die Sozialmedizinerin und siebenfache Mutter den Dekanen, Prodekanen und Studiendekanen der medizinischen Fakultäten zu.
„Schaffen Sie Freiräume, die es jungen Müttern und Vätern ermöglichen, sich neben dem Beruf um ihre Kinder zu kümmern. Kinder sind ein Grund zur Freude und nicht ein Anlass zu Vorwürfen.“ Gleichzeitig warn- te sie, wer sich diesem Thema verschließe, werde bald keine qualifizierten Mitarbeiter mehr halten können.
An diesem Tag sparten die Dekane nicht mit Applaus für von der Leyens kämpferische Rede. Wie viel sie da- von tatsächlich an ihrer Fakultät umsetzen, wird die Zukunft zeigen. Derzeit wird den Bedürfnissen von El- tern gerade an Universitätskliniken noch wenig Ver- ständnis entgegengebracht. Eine Umfrage des Deut- schen Ärzteblattes Studieren.de vom vergangenen Jahr zeigte, dass Medizinstudierende mit Kinderwunsch an Universitätskliniken die wenigsten Chancen sehen, Be- ruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Zum Teil verzichten talentierte junge Ärztinnen und Ärzte des- halb ganz auf Bewerbungen an der Universität.
Ein Umdenken ist dringend notwendig. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, angesichts der hohen Frau- enquote unter den Medizinstudierenden junge Ärztin- nen an den Universitätskliniken zu halten. Der männli- che Medizinernachwuchs ist gleichermaßen betroffen.
Von der Leyen verwies auf Umfragen, die zeigen, dass zwei Drittel aller Männer heutzutage an den kleinen und großen Erfolgen und Sorgen ihrer Kinder direkt teilhaben wollen oder – wenn das nicht möglich ist – lieber ganz auf eigenen Nachwuchs verzichten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat sich zu einer Kernforderung entwickelt, auf die es zu reagieren gilt.
„Es ist entscheidend, wie sich die Leitung einer Klinik und die Leitung einer Fakultät verhalten“, betonte die Bundesministerin beim Medizinischen Fakultätentag.
Die jungen Kolleginnen und Kollegen brauchten dringend positive Signale: Kindertagesstätten an der Klinik, Elternparkplätze, Mentoren und E-Learning- Angebote.
Erreicht hat sie mit ihrem Aufruf zumindest die Mit- glieder des MFT. Spontan verabschiedeten sie am nächsten Tag in einer internen Sitzung eine Resolution zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In ihr setzen sie sich für familienfreundlichere Bedingungen in Stu- dium und Weiterbildung ein und fordern die Universi- tätskliniken auf, für Eltern spezifische Karrieremodelle zu etablieren. Ein positives Signal aus Hannover.
MEDIZINISCHER FAKULTÄTENTAG
Positive Signale aus Hannover
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik