• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "70. Ordentlicher Medizinischer Fakultätentag: Kooperation statt Konkurrenz" (26.06.2009)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "70. Ordentlicher Medizinischer Fakultätentag: Kooperation statt Konkurrenz" (26.06.2009)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A1350 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 26⏐⏐26. Juni 2009

P O L I T I K

W

ende“ – dieses Wort kann den 70. Ordentlichen Medi- zinischen Fakultätentag gut charak- terisieren. Das hat gleich mehrere Gründe: Zum einen fand das dies- jährige Treffen der Dekane der me- dizinischen Fakultäten Deutsch- lands in Leipzig statt, in der Stadt, in der vor 20 Jahren die friedliche Re- volution und die politische Wende von 1989 ihren Anfang nahmen.

Zum zweiten gibt es einen Führungswechsel an der Spitze des Medizinischen Fakultätentages (MFT). Die Mitgliederversamm- lung verabschiedete unter großem Beifall den langjährigen Präsiden- ten, Prof. Dr. med. Gebhard von Jagow, und wählte den bisherigen Vizepräsidenten des MFT, Prof. Dr.

med. Dieter Bitter-Suermann von der Medizinischen Hochschule Hannover, zu seinem Nachfolger.

Und schließlich zum dritten hat der MFT selbst eine umfassende Umstrukturierung hinter sich. Im Zuge der wesentlich durch von Ja- gow betriebenen Professionalisie- rung schloss er sich 2008 mit dem Verband der Universitätsklinika

Deutschlands (VUD) zum Dachver- band „Deutsche Hochschulmedi- zin“ zusammen.

Plädoyer für „innere Einheit und äußere Geschlossenheit“

„Die frühere Konkurrenz mit dem VUD war kontraproduktiv für unse- re gemeinsamen Ziele“, erklärte Bitter-Suermann in Leipzig. Die deutsche Hochschulmedizin sei seit Jahren einer stärkeren finanziellen Deckelung und einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt. Dies stelle neue Anforderungen an Entschei- dungsprozesse, Leitungsorganisati- on und Führungskräfte. „Wir müs- sen wieder mit einer Stimme spre- chen und brauchen innere Einheit und äußere Geschlossenheit“, be- tonte der neue MFT-Präsident.

Schulterschluss suchen die medi- zinischen Fakultäten jedoch nicht nur innerhalb der Hochschulmedizin, sondern auch mit den konkurrieren- den außeruniversitären Forschungs- einrichtungen. Die Zusammenarbeit mit ihnen stellte einen Themen- schwerpunkt des 70. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentages dar.

Ein Anlass für die gewünschte stärkere Kooperation ist die aktuelle Gesundheitsforschungsinitiative der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF). Im Rahmen einer prospektiven „Natio- nalen Kohorte“ sollen ab 2012 über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jah- ren etwa 200 000 gesunde Bürger be- fragt und die Entstehung und der Ver- lauf von chronischen Erkrankungen verfolgt werden. Krankheitsbilder sollen so frühzeitiger erkannt und ef- fektiver therapiert werden.

Dieses Ziel der Studie wird vom Medizinischen Fakultätentag grund- sätzlich begrüßt. Gleichzeitig sieht sich die Hochschulmedizin als ge- eigneter Partner für dieses Pro- jekt: An ihren Einrichtungen werde trotz sinkender Ressourcen interna- tional wettbewerbsfähige Spitzen- forschung betrieben. Und nur mit ihr sei eine Translation von der Grundlagenforschung bis zum Pa- tienten möglich, heißt es in einer vom 70. Ordentlichen Fakultätentag verabschiedeten Resolution.

An die Politik appellierte der Me- dizinische Fakultätentag, Projekte zu den Volkskrankheiten vermehrt öffentlich auszuschreiben. Die nicht universitären Einrichtungen und die Universitätsmedizin müssten auf dem Gebiet der Spitzenforschung unter Moderation des Wissen- schaftsrates partnerschaftlich ko- operieren. Das Ziel aller sollte dabei eine untrennbare Verbindung der medizinischen Forschung und der ärztlichen Ausbildung an den Uni- versitäten sein.

Kritik übte der Fakultätentag an der Tatsache, dass sich die Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft bei ihren Bemühungen um die Erfor- schung von hochprävalenten Er- krankungen nicht wie die Univer- sitäten dem Wettbewerb um öffent- liche Fördermittel stellen müssen, sondern institutionell durch den Bund gefördert werden. „So ent- steht eine Wettbewerbsverzerrung in der medizinischen Forschung“,

70. ORDENTLICHER MEDIZINISCHER FAKULTÄTENTAG

Kooperation statt Konkurrenz

Der Medizinische Fakultätentag hat sich neu positioniert. Gemeinsam mit dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands vertritt er die Interessen der Hochschulmedizin. Dabei setzt er jetzt verstärkt auf Zusammenarbeit mit außeruniversitären Partnern.

Die wissenschaftliche Zukunft liegt in der Kooperation:Die Universitätsmedizin sieht sich als kompetenter Partner der außer- universitären Forschungseinrichtungen.

Foto:mauritus images

(2)

P O L I T I K

klagte der Fakultätentag. Es könne nicht sein, dass künftig nur noch Lehre und Krankenversorgung bei der Universitätsmedizin im Vorder- grund stünden. Deshalb müssten die Ressourcen für die Universitäten er- höht werden.

Unterstützung erhielten die me- dizinischen Fakultäten vom Wissen- schaftsrat. „Die Universitäten dür- fen nicht zu Nachwuchslieferanten reduziert werden“, unterstrich Tho- mas May, Generalsekretär des Wis- senschaftsrates, in Leipzig. Eine in- tensivere Kooperation zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung sei eines der wesentlichs- ten Ziele der Exzellenzinitiative.

Besonders mit der dritten Förderli- nie, den „Zukunftskonzepten“, habe man die Universitäten als Institution stärken wollen. „Mit den neuen Konzepten wird das Verhältnis von universitärer und außeruniversitärer Forschung grundsätzlich revidiert“, erklärte May. Sie seien ein Ansatz, mit dem sich die beklagte institutio- nelle Trennung im deutschen Wis- senschaftssystem überwinden ließe.

Kooperationsbereit zeigten sich ihrerseits auch die Helmholtz-Zen- tren. „Ziel der Helmholtz-Gemein- schaft ist es, zu langfristig angeleg- ten und durch geeignete Projekt- maßnahmen flankierte Verbünde mit universitären und außeruniver- sitären Partnern zu kommen“, be- tonte der Präsident der Helmholtz- Gemeinschaft, Prof. Dr. Jürgen Mlynek. Als Beispiele für Koope- rationen nannte er die geplante

„Helmholtz-Kohorte“ sowie Pro- jekte auf dem Gebiet der neurodege- nerativen Erkrankungen.

Bologna-Prozess: „Gefahr für das hohe Ausbildungsniveau“

Ein weiterer Schwerpunkt des dies- jährigen Medizinischen Fakultäten- tages war die Strukturierung der Lehre und der ärztlichen Ausbil- dung. Dabei votierte er eindeutig gegen die Einführung des gestuften Bachelor- und Mastersystems in der Medizin. „Ich scheue den Bologna- Prozess wie der Teufel das Weih- wasser“, sagte Prof. Dr. med. Josef Pfeilschifter, Dekan des Fachbe- reichs Medizin der Universität Frank- furt/M. und Mitglied des MFT-

Präsidiums. Innerhalb der Europä- ischen Union sei eine mindestens sechsjährige ärztliche Grundausbil- dung mit 5 500 Stunden Unterricht gesetzlich vorgegeben. „Der Bache- lor als berufsfähiger Abschluss ist somit in der Medizin gar nicht mög- lich“, konstatierte Pfeilschifter.

Zudem seien mit der Umsetzung der Ärztlichen Approbationsord- nung 2002 alle notwendigen Refor- men in Hinsicht auf Flexibilität und Anrechenbarkeit von Studienab- schnitten eingeführt worden. Die bestehende Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates garantiere die uneinge- schränkte Mobilität innerhalb Euro- pas. Auch eine weitere Reduktion der ohnehin sehr geringen Quote von Studienabbrüchen sei durch die Einführung von gestuften Studi- engängen in der Medizin und Zahn- medizin nicht zu erwarten. Durch Quereinstiegsmöglichkeiten habe das humanmedizinische Studium in Deutschland sogar die beste Schwundbilanz von allen Fächern.

„Die derzeitige Hochschulpolitik ist krank“, sagte der Dekan unter dem Applaus vieler seiner Kollegen.

„Wir müssen den Bologna-Prozess als das brandmarken, was er ist: ver- antwortungsloser Unsinn.“

Zustimmung erhielt Pfeilschifter von der Bundesärztekammer: „Der Bologna-Prozess ist wie ein Troja- nisches Pferd in der Hoch- schullandschaft“, sagte Prof.

Dr. med. Jan Schulze, Präsi- dent der Sächsischen Lan- desärztekammer. „Eine Frak- tionierung des Studiums ist für die Medizin ein absolu- ter Fehlweg.“ Bedenken hinsichtlich der Gewinnung des wissenschaftlichen Nach- wuchses äußerte zudem Prof. Dr. med. Joachim Thiery, Dekan der Medizini- schen Fakultät der Univer- sität Leipzig: „Wenn wir Studierende für die For- schung begeistern wollen, müssen wir ihnen Freiräume lassen und dürfen diese nicht durch Bologna zumauern.“

Die Meinung, dass Bologna eine „positive Entwicklung“

sei, vertrat hingegen der

Vorsitzende des Hochschulaus- schusses der Kultusministerkonfe- renz, Dr. Joachim Welz. Für die Umsetzung des Prozesses bis 2010 gäbe es zudem eine eindeutige poli- tische Beschlusslage, erinnerte er.

Einheit von Forschung, Klinik und Lehre betont

In einer weiteren Resolution appel- lierte der Medizinische Fakultäten- tag deshalb an die Politik, dafür zu sorgen, dass die medizinische For- schung, Lehre und Ausbildung nicht durch ungeeignete Ausbildungs- modelle gefährdet würden. Dabei fordert er ein mindestens fünf- jähriges Moratorium: Die Ergebnis- se der Bologna-Reform in den ande- ren Universitätsdisziplinen sowie die Kosten für eine Umstellung müssten sorgfältig geprüft werden, bevor etwaige Strukturänderungen der ärztlichen und zahnärztlichen Ausbildung vorgenommen würden.

Ebenfalls nur wenig kann der MFT einem „Lehrprofessor“ abge- winnen. Damit teilt er die Ansicht des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), dessen Präsident als Gast zum 70. Ordentlichen Medizini- schen Fakultätentag geladen war.

Nur eine Lehre, die sich ständig aus der Forschung erneuere, sei eine universitäre Lehre, betonte der DHV-Präsident, Prof. Dr. Bernhard Kempen. Forschung und Lehre müssten im Grundsatz gleichberechtigt bleiben.

Beide Organisationen unterstützen das Ziel, der Lehrtätigkeit zu einem der Forschung ebenbürtigen Ansehen zu verhelfen. Sie sehen jedoch eine Fehlent- wicklung darin, einige Pro- fessuren mit zwölf bis 16 statt der bisher üblichen acht bis neun Semesterwo- chenstunden Lehrdeputat zu belegen. „Eine for- schungsfreie Lehre ent- wickelt sich schnell zu ei- ner sterilen Lehre“, warnte Kempen. „Künftige Eliten haben nichts von Professo- ren, die nur noch davon er- zählen können, wie andere

forschen.“ I

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Kein Grund zur

Freude für den MFT:Eine Umstellung des Medizinstudiums auf das Bachelor-/

Master-System hält er für „unseriösen Aktionismus“.

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 26⏐⏐26. Juni 2009 A1351

Foto:iStockphoto

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Medizinische Fakultätentag hat mit großer Sorge zur Kenntnis neh- men müssen, daß aus vielschichti- gen Gründen die Erhaltung der Buch- und Zeitschriftenbestände in

weise die Form einer unstrukturierten Prüfung durch einen Einzelprüfer oder die Form einer Kollegialprüfung oder auch eine Aufsummierung studienbe- gleitender Testate

der Initiative ausgestie- gene Verband Physika- lische Therapie hatten Anfang Januar eine bundesweite Informa- tionskampagne ge- startet, mit der Pati- enten für

Die neue Be- zeichnung solle nach Abschluß des Universitätsstudiums verlie- hen werden können, während für die Approbation als Arzt nach dem Studium die zusätzliche Pra-

Die „Fachtagung Medizin“ lehnt auch den Vorschlag ab, die Zulassungszahlen für Studien- beginner ausschließlich an der Bet- tenkapazität der medizinischen Fa- kultäten und

In der Ziel- richtung unterscheiden sich auch nicht die Reformkonzepte der „ver- faßten“ Ärzteschaft und des Medizi- nischen Fakultätentages: nämlich die Intensivierung

D ie Hochschulmedizin ist uns lieb und teuer, und seit wir si- cher sind, daß wir in Berlin weiterhin drei Universitäts-Klinika haben werden, ist sie teurer, als uns lieb

Gegen die Aufnahme des Tier- schutzes als Staatsziel in das Grundge- setz wird in einer einstimmig ange- nommenen Resolution angeführt, daß bereits ausreichende gesetzliche Re-