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Archiv "Medizinischer Fakultätentag: Suche nach dem Gleichgewicht" (18.06.2010)

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A 1186 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 24

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18. Juni 2010

MEDIZINISCHER FAKULTÄTENTAG

Suche nach dem Gleichgewicht

Die medizinischen Fakultäten stehen vor einer Herausforderung: Im Rahmen der nationalen Gesundheitsforschungsinitiative kommt es für sie jetzt darauf an, sich gegenüber den außeruniversitären Einrichtungen zu positionieren.

Foto: Fotolia

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icht nur die sommerlichen Temperaturen sorgten für er- hitzte Gemüter beim 71. Ordentli- chen Medizinischen Fakultätentag (MFT). Heftig und kontrovers dis- kutierten Deutschlands Dekane, Prodekane und Studiendekane am 3. und 4. Juni in Hannover die von der Bundesregierung gewünschte Zusammenarbeit der medizinischen Fakultäten mit den außeruniversitä- ren Forschungseinrichtungen. Die Positionen reichten von ehrlicher Kooperationsbereitschaft und der Erwartung von „fruchtbaren Syner- gien“ bis hin zu gänzlicher Ableh- nung und der Befürchtung, es käme zu einem „Ausverkauf“ der Hoch- schulmedizin.

„Die medizinischen Fakultäten sind seit dem Fakultätentag im letz- ten Jahr in ein unruhiges Fahrwas- ser geraten“, erklärte Prof. Dr. med.

Dieter Bitter-Suermann, Präsident des Medizinischen Fakultätentages.

Die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Universitäten und außer- universitären Forschungseinrich- tungen in der nationalen Gesund- heitsforschungsinitiative war des- halb das Hauptthema des diesjähri- gen Treffens. Ziel der Initiative:

Ausgehend von deutschen Zentren der Gesundheitsforschung sollen künftig Volkskrankheiten effektiver bekämpft werden. Demenz, Diabe-

tes mellitus, Krebs, Infektionen und Herz-Kreislauf-

Erkrankungen stehen zunächst im Fokus. Ihre Entstehung und ihr Verlauf sollen im Rahmen einer prospektiven „Nationalen Kohorte“

ab 2012 verfolgt werden.

Den Zielen der Initiative stimmt der MFT vorbehaltlos zu. Mit Sor- ge betrachtet er jedoch die Tat- sache, dass sich die beteiligte Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren (HGF) nicht wie die Universitäten dem Wettbe- werb um öffentliche Fördermittel stellen muss, sondern institutionell durch den Bund gefördert wird.

Kooperation auf Augenhöhe In der Tat hat die Gesundheitsfor- schungsinitiative einen völlig an - deren Charakter als beispielsweise die Exzellenzinitiative. Ein Wettbe- werb zwischen der HGF und den Universitäten ist nicht erforderlich, da als Folge der Föderalismusre- form aus dem Jahr 2006 eine Förde- rung der Universitätsmedizin durch den Bund sowieso nur durch die Partnerschaft mit den Helmholtz- Zentren möglich ist. An Universitä- ten sind nämlich nur projektbezoge- ne Förderungen erlaubt.

„Die HGF befindet sich in einer komfortablen Situation“, räumte auch der Vizepräsident der Hoch-

schulrektorenkonferenz (HRK), Prof.

Dr. Klaus Dicke, ein. Sie benötige keine Zustimmung der Länder und erhalte 90 Prozent der Finanzmittel vom Bund. Eigentlich wären nach Ansicht von Dicke die Universitäts- kliniken prädestiniert, als Herz- stück der Gesundheitsforschungs- initiative zu wirken, „doch auf- grund der Bund-Länder-Kompe- tenzverteilung hat die außeruniver- sitäre Forschung einen Vorteil, und die Universitätskliniken werden zu Juniorpartnern.“

Die HRK wolle sich für eine gleichberechtigte Kooperation ein- setzen und darauf achten, dass den Universitäten keine Wettbewerbs- nachteile entstünden, versprach Di- cke. „Die Selbstorganisation der Hochschulmedizin muss durch den Bund gestärkt werden“, sagte er.

Dazu bedürfe es zwar keiner ge- setzlichen Regelung, aber fairer Verträge zwischen der HGF und den Universitäten. Ferner müssten die Strukturen regelmäßig durch international besetzte Gremien be- gutachtet werden. Auch eine Schließung nichterfolgreicher Zen- tren müsse möglich sein. „Zudem werden wir darauf achten, dass die Einbindung von Universitätsklini- ken in Zentren der Gesundheitsfor- schung nicht dazu führt, dass die projektbezogene Forschung an den

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oder es im Bereich der Grundfinan- zierung zu Kürzungen kommt“, versprach der HRK-Vizepräsident.

Auch der Vorsitzende des Ver- bands der Universitätsklinika in Deutschland (VUD), Prof. Dr. med.

Jörg-Rüdiger Siewert, misst der derzeit anstehenden Ausgestaltung der bilateralen Kooperationsverträ- ge höchste Bedeutung zu. Zwar un- terstütze der VUD prinzipiell die Initiative zur Bildung von Zentren der Gesundheitsforschung, gleich- zeitig befürchte er jedoch, dass die Handlungsfreiheit der Universitäts- kliniken eingeschränkt werden könnte, erklärte Siewert. „Es be- steht die Gefahr, dass die For- schungsschwerpunkte durch die Helmholtz-Gemeinschaft bestimmt werden.“ Allerdings seien die fo- kussierten Themen ohnehin bereits Leitthemen der Universitätsklini- ken. Sicher ist sich der VUD-Vor- sitzende, dass es mit der Initiative zu einem erheblichen Umbruch in der Wissenschaftslandschaft und zu einer Mehrklassengesellschaft un- ter den Universitätskliniken kom- men wird. „Dieser Kulturwandel wird sich für viele Fakultäten zu ei- nem Problem entwickeln“, prophe- zeite Siewert.

Mit besonderer Sorge sieht Prof.

Dr. med. Josef Pfeilschifter, Dekan der Medizinischen Fakultät Frank- furt am Main, der Zukunft der deut- schen Hochschulmedizin entgegen:

„Da eine anteilige Mitfinanzierung

der Satelliten durch die jeweili - gen Bundesländer vom Bundesfor- schungsministerium gefordert wird, besteht die Gefahr, dass die Gelder für die Universitäten entsprechend gekürzt werden.“ Über das zusätz- liche Geld vom Bund zeigte sich Pfeilschifter zwar erfreut, ent- täuscht ist er jedoch über die einge- schlagene Richtung. „Es droht der Verlust jeder Flexibilität, die Wis- senschaft braucht“, sagte er. „Der Blinde führt den Sehenden in die Zukunft.“

Relativ optimistisch schaut indes Bitter-Suermann der Gesundheits- forschungsinitiative entgegen. „Der MFT wird als Treiber agieren und die entstehenden Konstrukte auf- merksam verfolgen“, versprach der Präsident des MFT und der Medizi- nischen Hochschule Hannover. Er hob in der kontroversen Diskussion die positiven Seiten der Koopera- tion hervor: Erstmals entwickelten

sich Netzwerke zwischen den ein- zelnen Universitäten, durch die eine neue Dimension der Zusammenar- beit entstünde. Die ersten beiden

„Sündenfälle“, wie er die Verträge zu den Forschungsbereichen De- menz und Diabetes mellitus nannte, müssten nachgearbeitet werden.

Positiv bewertet er jedoch die ent- stehenden Verträge zu den For- schungsbereichen Krebs, Infektio- nen und Herz/Kreislauf. „Hier sind wir auf einem guten Weg.“

Eckpfeiler: Nationale Kohorte

„Wir wollen keine Dominanz ein- zelner Akteure, sondern eine gleichberechtigte Zusammenarbeit unter Nutzung der jeweiligen Stärken“, erklärte Brigitte Klempt, Ministerialdirigentin im Wissen- schaftsministerium Rheinland-Pfalz.

So könnten erhebliche Synergien ausgelöst und die Universitäten als Organisationszentren der Wissen- schaft genutzt werden. „In Zukunft wird die Wettbewerbsfähigkeit in der Gesundheitsforschung noch mehr davon abhängen, ob die Pro- zesse standortübergreifend und als strategische Gesamtleistung in Deutschland angegangen werden“, betonte sie.

Ein wichtiger Eckpfeiler inner- halb der Nationalen Gesundheits- forschungsinitiative wird die pro- spektive „Nationale Kohorte“ sein.

Über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren sollen etwa 200 000 ge- sunde Bürger befragt und die Ent- stehung und der Verlauf von chroni- schen Erkrankungen verfolgt wer- den. Ziel ist es, Krankheitsbilder frühzeitiger zu erkennen und effek- tiver zu therapieren. Prof. Dr. med.

Wolfgang Hoffmann, Epidemiologe an der Universität Greifswald, ver- wies dabei auf das Know-how der Universitäten bei der Durchführung von bevölkerungsbezogenen Ko- horten. Die universitären Kohorten seien letztlich die Voraussetzung für die große nationale Kohorte.

„Die Zusammenarbeit auf Augen- höhe mit Helmholtz wird jedoch der zentrale Faktor bei der Koope- ration sein“, sagte er. Diese müsse vor allem von wissenschaftlicher Freiheit geprägt sein. ■

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Nachdrücklich setzte sich beim 71. MFT in Han-

nover Dr. med. Ursula von der Leyen, Bundesmi- nisterin für Arbeit und Soziales, für verbesserte Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte mit Kindern ein. Kinder seien ein Grund zur Freude und nicht für Vorwürfe, rief sie den Dekanen und Prodekanen der medizinischen Fakultäten zu und forderte ein Umdenken an den Universitäten.

Der Medizinische Fakultätentag reagierte auf ih- ren Aufruf und verabschiedete eine Resolution.

Darin empfiehlt er, die strukturellen Rahmenbe- dingungen in Studium und Weiterbildung so zu verbessern, dass eine Familiengründung und eine berufliche Karriereentwicklung vereinbar sind. Re-

formbedarf bestehe bei den Mutterschutzbestim- mungen sowohl im Bundesgesetz wie in den Lan- desgesetzen, erklärt der MFT. Ferner regt das Gremium an, dass studierende Eltern oder Schwangere das Pflegepraktikum und Famulatu- ren auch in der Vorlesungszeit absolvieren kön- nen, um Rückstände zu minimieren. Die mögli- chen maximalen Fehltage im praktischen Jahr sollten für Studierende mit Kind und Schwangere um die im Sozialgesetzbuch (SGB V, § 45) defi- nierten Krankheitstage von Kindern erweitert wer- den. Forschungsförderer und Universitätsklinika fordert der MFT ferner auf, für Familien in Eltern- zeit spezifische Karrieremodelle zu etablieren. ER

RESOLUTION: KINDER UND KARRIERE

Steht der Koope- ration offen ge- genüber: MFT- Präsident Dieter Bitter-Suermann

Foto: MFT

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