Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Strahlenexposition
Bei diagnostischen Maßnahmen in der Nuklearmedizin liegen die Gona- dendosen zwischen 1 mrd und eini- gen hundert mrd. Bei Röntgenunter- suchungen hängt die Höhe der Keimdrüsendosis vor allem davon ab, wie weit die Keimdrüsen vom Nutzstrahlenbündel entfernt sind.
Bei Untersuchungen im Kopf- und Thoraxbereich sind die Keimdrüsen- dosen niedrig (< 10 mrd). Mittlere Keimdrüsendosen in der Größenord- nung von 100 mrd treten vor allem bei Untersuchungen im oberen Ab- dominalbereich auf, hohe Keimdrü- sendosen in der Größenordnung von 1 rd vor allem dann, wenn die Keimdrüsen im Nutzstrahlenbündel liegen, das heißt also bei Untersu- chungen im Beckenbereich.
Die Untersuchungen mit hohen Keimdrüsendosen machen etwa 20 Prozent aller Röntgenuntersuchun- gen aus (niedrige Keimdrüsendo- sen: 65 Prozent; mittlere Keimdrü- sendosen: 15 Prozent); das sind dann bei jährlich 1800 Untersuchun- gen/1000 Einwohner immerhin 360.
Damit wird verständlich, daß der Beitrag zur GSD in der Röntgendia- gnostik fast ausschließlich durch die Untersuchungen im Abdominal- und Beckenbereich bestimmt wird. Die- ser Sachverhalt ist in Darstellung 5 noch einmal veranschaulicht.
Zusammenfassend läßt sich feststel- len, daß der Beitrag zur GSD durch die Anwendung ionisierender Strah- len und radioaktiver Stoffe in der Medizin hauptsächlich durch die Röntgendiagnostik bestimmt wird und insgesamt etwa 50 mrem/a be- trägt (Tabelle 2).
Die radiologische Diagnostik kann als typisches Beispiel für den schon mehrfach erwähnten Sachverhalt gelten, daß die GSD nur einen Teil- aspekt des Strahlenrisikos be- schreibt. Aus Tabelle 9 und 10 ist ersichtlich, daß es eine ganze Reihe von Untersuchungen gibt, bei denen die Keimdrüsendosen klein (< 10 mrd), die Organdosen jedoch relativ hoch sind. Dies gilt insbesondere für die Mammographie; damit wird
auch verständlich, daß gerade um Risiko und Nutzen dieser Untersu- chungsmethode – besonders im Zu- sammenhang mit ihrer Anwendung als Reihenuntersuchung im Rahmen der Früherkennung von Brustkrebs – in den letzten Jahren eine lebhafte Diskussion geführt worden ist (17).
Der in Tabelle 10 angegebene Wert von 4000 mrd (2 Aufnahmen pro Brust) für die mittlere Energiedosis im Drüsenparenchym gilt für die ge- genwärtig in der Bundesrepublik noch überwiegend angewandte Auf- nahmetechnik, bei der ein folienlo- ser Materialprüffilm verwendet wird.
Durch dosissparende Aufnahmever- fahren kann die Strahlenexposition bei der Mammographie jedoch durchaus um den Faktor 10 gesenkt werden.
5. Zusammenfassung und Folgerungen
Die mittlere Strahlenexposition der Bevölkerung – ausgedrückt durch die GSD – liegt in der Bundesrepu- blik gegenwärtig bei etwa 170 mrem/
a (Tabelle 2). Die mittleren Jahres- äquivalentdosen in einzelnen Orga- nen liegen jedoch durchaus höher;
so werden zum Beispiel in (12) für das Knochenmark 257 mrem/a, für die Schilddrüse 707 mrem/a und für die Lunge 1110 mrem/a angegeben.
Mit Hilfe dieser Dosiswerte und der in Tabelle 1 aufgeführten organspe- zifischen Risikofaktoren kann eine grobe Abschätzung des Strahlenrisi- kos vorgenommen werden (siehe zum Beispiel (12, 13) ). Dabei ergibt sich, daß durch die natürliche und künstliche Strahlenexposition etwa 1 Prozent aller vererbbaren Schäden verursacht werden, und daß die An- zahl der Todesfälle durch strahlenin- duzierte maligne Neubildungen in derselben Größenordnung liegt, al- so etwa 1 Prozent der Spontanrate beträgt.
Über andere Umwelteinflüsse, zum Beispiel über die Gefährdung durch chemische Schadstoffe, wissen wir, was die quantitative Abschätzung der Risiken betrifft, sehr viel weni- ger. Wenn jedoch die Vermutung
richtig ist, daß 80 bis 90 Prozent aller Krebserkrankungen durch Umwelt- einflüsse bedingt sind, dann er- scheint das mit der gegenwärtigen mittleren Strahlenexposition der Be- völkerung verbundene Risiko klein im Vergleich zu anderen Umweltri- siken.
Literatur
Bundesminister des Innern (Bundesrepublik Deutschland): Umweltradioaktivität und Strah- lenbelastung, Jahresbericht 1977, Bonn (1980)
— Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP): Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission, ICRP Heft 26, Gu- stav Fischer, Stuttgart (1978) — Mehl, J.: Die natürliche und zivilisatorische Strahlenbela- stung, Kerntechnik 20 (1978) 221-228 — Rausch, L.: Strahlenrisiko!? — Medizin, Kern- energie, Strahlenschutz, 1.-4. Auflage, Piper, München (1979, 1980) — United Nations:
Sources and effects of ionizing radiation, Un- ited Nations Scientific Committee an the Ef- fects of Atomic Radiation (UNSCEAR), 1977 report to the General Assembly, with annexes United Nations, New York (1977)
Anschrift des Verfassers:
Privatdozent Dr. med.
Manfred Säbel
Frauenklinik mit Poliklinik und Hebammenschule
der Universität Erlangen-Nürnberg Universitätsstraße 21/23
8520 Erlangen
—ECHO
Zu: „Zur Mikrobiologie der Tuber- kulose" von Prof. Dr. med. Kurt Friedrich Petersen in Heft 14/1981, Seite 669 ff.
Tuberkulose-Gefahr besteht weiter
„Auf die fortbestehende Ge- fahr von Tuberkuloseerkran- kungen hat das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT in Köln auf- merksam gemacht. Jahr für Jahr erkranken in der Bun- desrepublik immer noch fast 30 000 Menschen an ver- schiedenen Formen der Tu- berkulose, berichtete das Organ der Bundesärztekam- mer." (Mannheimer Morgen)
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 41 vom 8. Oktober 1981 1915