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Archiv "Medizinischer Fakultätentag: Hochschulmedizin unter Druck" (22.06.2012)

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A 1302 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 25

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22. Juni 2012

E

s ist nur ein Gedankenspiel.

Aber was wäre, wenn der kleinere Fisch nicht nur von einem größeren geschluckt wird? Was, wenn die Übernahme der Rhön-Kli- nikum AG durch den Konzern Fre- senius nicht das Ende der Geschich- te ist? Schließlich ist nicht ausge- schlossen, dass irgendwann ein noch größerer Fisch ins Spiel kommt, möglicherweise sogar ein ausländi- scher Großkonzern. Der könnte Fresenius und damit auch das Uni- versitätsklinikum Gießen und Mar- burg (UKGM) schlucken. „Dann wird vielleicht über die Daseinsvor- sorge in Mittelhessen in Wladiwos- tok entschieden“, sagte Prof. Dr.

rer. nat. Heyo K. Kroemer auf dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) Anfang Juni in Göttingen.

Der Greifswalder Pharmakologe wurde auf der Veranstaltung zum neuen MFT-Präsidenten gewählt.

Er trat damit die Nachfolge von Prof. Dr. med. Dieter Bitter-Suer- mann an. Kroemer wies darauf hin, dass die Vorgänge am UKGM zu ei- nem Umdenken beigetragen hätten.

„Die Privatisierungseuphorie, die

es vor zehn Jahren gab, hat sich wieder gelegt“, betonte Kroemer.

Das Modell Gießen/Marburg sei kein Erfolgskonzept.

Die Hochschulmedizin gehört aus Sicht des MFT nicht in die Hände von Aktionären. Die Uni - versitätsmedizin – bestehend aus Krankenversorgung, Forschung und Lehre – sei eine öffentliche Aufga- be. So steht es in einer vom MFT verabschiedeten Resolution. „Der Medizinische Fakultätentag emp- fiehlt dem Land Hessen, die Rück-

übernahme der Universitätskliniken in Gießen und Marburg“, heißt es darin. Ein reiner Betreiberwechsel sei keine Option. Könne das Land Hessen sich nicht zu einem Rück- kauf entschließen, solle es den Be- trieb des Klinikums in öffentlich- privater Partnerschaft prüfen.

Dass das Privatisierungsprojekt in Gießen und Marburg misslungen sei, habe viele Gründe, berichtete Prof.

Dr. med. Matthias Rothmund, Mar- burg. So sei es ein Fehler gewesen, dass Rhön eine Investitionsbeteili- MEDIZINISCHER FAKULTÄTENTAG

Hochschulmedizin unter Druck

Das Land Hessen soll das Universitätsklinikum Gießen und Marburg von der Rhön-Klinikum AG zurückkaufen. Das fordert der Medizinische Fakultätentag und plädiert zugleich für eine ausreichende Finanzierung der Hochschulmedizin.

Protest gegen den Stellenabbau:

Mehr als 1200 Menschen demons-

trierten Mitte März in der Innenstadt von Marburg.

Foto: dpa

2005 wurden die Universitätskliniken in Gießen und Marburg zusammenge- legt und dann für 112 Millionen Euro an die Rhön-Klinikum AG verkauft. Nie zuvor war ein Uniklinikum in Deutsch- land privatisiert worden.

Viele sahen das mit Skepsis. Doch es gab auch Hoffnung: Mit dem Kauf hatte Rhön eine Investitionszusage gegeben. Tatsächlich wurde in die

Standorte investiert. Allerdings berei- tete die Bedienung der Kredite dem Klinikum zunehmend Probleme.

Im Februar wurde bekannt, dass 500 Stellen wegfallen sollten. Die Empörung war groß. Im April machte der Konzern Fresenius, zu dem die Helios Kliniken gehören, den Aktionä- ren ein Kaufangebot. Der Rhön-Vor- stand rät dazu, es anzunehmen.

GIESSEN UND MARBURG

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22. Juni 2012 gung des Landes abgelehnt habe.

Auch sei es nicht klug, Medizinische Versorgungszentren gegen den Wil- len der Niedergelassenen vor Ort zu gründen. Im Endeffekt sei das Pro- jekt allerdings „gescheitert an der Unternehmenskultur von Rhön“. Die Personen in der Geschäftsführung hätten ständig gewechselt. Außerdem habe Rhön nicht begriffen, was es bedeute, ein Uniklinikum zu führen.

„Für die ist das einfach ein großes Krankenhaus“, erläuterte der Dekan.

Verständnis für Forschung und Lehre gebe es nicht. „Da kommen zwei Welten zusammen, die nicht zuein - ander passen“, meinte Rothmund.

Mit einer Verbesserung durch einen neuen Eigentümer rechnet er nicht.

Eine Rücknahme durch das Land Hessen hält er für unwahrscheinlich.

DRGs decken Kosten nicht Die Entwicklung in Gießen und Marburg ist ein Beispiel dafür, wie ökonomischer Druck sich auf die Hochschulmedizin auswirkt. MFT- Präsident Kroemer sieht aber auch grundsätzliche Schwierigkeiten für alle Standorte. In den Diagnosis Related Groups (DRGs) sind seiner Ansicht nach die Leistungen der universitären Spitzenmedizin nicht angemessen abgebildet. Das Sys- tem berge die Gefahr, wenig lukra- tive Bereiche zurückzufahren, die aber zum Spektrum eines Universi- tätsklinikums gehörten.

Die Hochschulmediziner sehen folgende Probleme: An den Uni - kliniken werden insbesondere Pa- tienten mit schweren Krankheits- verläufen behandelt. Zwar gebe es auch hier eine Normalverteilung

von Schweregraden, die sei aber nach rechts verschoben, also in den teuren Bereich. Die Schere aus Kos- ten und Einnahmen geht auseinan- der. Auch die Besonderheiten von Forschung und Lehre werden nicht abgebildet – wenn also etwa eine OP länger dauert, weil der Eingriff As- sistenzärzten oder Studierenden er- klärt wurde. Kroemer plädierte für einen Zuschlag für universitär er- brachte Leistungen. Dieser solle aber nicht im DRG-System direkt veran- kert werden. Das führe nur dazu, dass die Kassen die Patienten in an- dere Krankenhäuser schickten. Viel- mehr kann er sich einen zusätzlichen Topf aus Bundesmitteln vorstellen.

Die DRGs bilden die Leistungen der Universitätsmedizin nicht aus-

reichend ab. Darin waren sich die Teilnehmer des MFT einig.

Doch nicht nur die Krankenversor- gung ist unterfinanziert. Auch die Landeszuführungsbeträge für For- schung und Lehre sind zu niedrig.

Zudem unterscheiden sie sich von Bundesland zu Bundesland und von Standort zu Standort. Darauf wies Prof. Dr. med. Detlev Michael Albrecht, Dresden, hin. Er stört sich an dem häufig verwendeten Begriff „Landeszuschuss“. Das klinge nach der Subventionierung eines ineffizienten Betriebs. Al- brecht stellte klar: „Es geht um die Bezahlung einer in Auftrag gege- benen Leistung.“

Wirtschaftsfaktor Fakultät Forschung und Lehre sieht die Poli- tik nicht automatisch als einen Wert.

In Dresden wurde deshalb eine Stu- die in Auftrag gegeben, die verdeut- licht, welche regionalen wirtschaft - lichen Impulse die Universitätsmedi- zin hat. Das können Arbeitsplätze in Zulieferfirmen und Steuereinnahmen sein, aber auch die Ausgaben, die Studierende in einer Universitäts- stadt tätigen. Die Ergebnisse zeigen:

Nicht nur das Klinikum ist ein Wirt- schaftsfaktor. Auch die Nettowert- schöpfung der Fakultät übersteigt die laufende Vergütung für Forschung und Lehre sowie Investitionen in die- se Bereiche. Solche Daten sind aus Sicht von Albrecht in der Diskussion mit der Politik äußerst hilfreich. „Das bringt die Akzeptanz auf eine ganz andere Ebene“, berichtete er.

Die medizinischen Fakultäten treten selbstbewusster auf als noch vor einigen Jahren. „Der MFT rea- giert nicht nur, sondern agiert“, be- tonte der scheidende Präsident Bit- ter-Suermann. Zu einem großen Teil dürfte das auch sein Verdienst sein. Während seiner Amtszeit wur- de die Arbeit der MFT-Geschäfts- stelle in Berlin intensiviert, außer- dem mit dem Verband der Univer - sitätsklinika die Dachorganisation

„Deutsche Hochschulmedizin“ ge- gründet. Unter Bitter-Suermann hat sich der MFT professionalisiert.

„Die Fakultäten sind ihm zu tie- fem Dank verpflichtet“, sagte sein Nachfolger Kroemer.

Dr. med. Birgit Hibbeler Prof. Dr. rer. nat. Heyo K. Kroemer (52) ist neuer Präsi-

dent des Medizinischen Fakultätentages (MFT). Kroemer ist kein Arzt, sondern Pharmakologe und derzeit Dekan

sowie Wissenschaftlicher Vorstand der Universitäts- medizin Greifswald. Seit 2009 war er MFT-Vizeprä- sident und tritt die Nach- folge von Prof. Dr. med.

Dieter Bitter-Suermann aus Hannover an.

Kroemer ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärzte- kammer. Im September wechselt er aus Greifswald an die Universität Göttingen. Dort wird er Dekan der Medizini- schen Fakultät sowie Vorstand für Forschung und Lehre der Universitätsmedizin.

DER NEUE PRÄSIDENT

Foto: Universitätsmedizin Greifswald

Stellte sich nicht mehr zur Wahl:

Prof. Dr. med. Dieter Bitter-Suermann (74) war seit 2009 Präsident des Medi- zinischen Fakultä- tentages.

Foto: MFT/Regina Sablotny

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