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Archiv "Reform des Medizinstudiums: „Fakultätentag blockiert“" (28.02.1997)

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men sollen für besondere Versor- gungsformen wie etwa notärztliche Versorgung, Wochenenddienste u. a.

vereinbart werden. Dies soll nicht für die zahnärztliche Vergütung gelten.

Offenbar auf Grund lebhafter Pro- teste soll es auch Korrekturen bei den ursprünglich allein dem Gestaltungs- bereich zugewiesenen Leistungen ge- ben: So sollen Leistungen bei Aus- landsaufenthalten, Heilmitteln, häusli- cher Krankenpflege, Kuren und Reha- bilitation sowie bei Fahrkosten unver- ändert im Leistungskatalog bleiben.

Die Verbände der nichtärztlichen Lei- stungserbringer sollen partnerschaftli- che Lösungen für diesen Bereich sowie die Ausgestaltung der Rahmenbedin- gungen vereinbaren. Dazu sollen ein- heitliche Rahmenempfehlungen, rigi- dere Richtlinien formuliert und der neu formierte Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen stärker als bisher beteiligt werden. Bandagen, Einlagen und Hilfsmittel zur Kompres- sionstherapie sollen nunmehr im Lei- stungskatalog verbleiben. Allerdings soll die Eigenbeteiligung für diese Hilfsmittel auf 20 Prozent angehoben werden (Kinder unter 18 Jahren zuzah- lungsfrei; es gilt eine Härtefallklausel).

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung hat inzwischen unbewiesene Prognosen der Krankenkassen, allein die Änderungen bei den Budget- und Honorierungsregelungen würden die Krankenkassenausgaben um vier bis zehn Milliarden DM pro Jahr erhöhen (vier Prozent des bisherigen Beitrags- satzes), als „Totschlagargument“ zu- rückgewiesen. Arztgruppenbezogene Richtgrößen seien sinnvoller als star- re, ungerechte Gesamtbudgets. Sie er- möglichten viel mehr als bisher eine hauptsächlich an der Qualität der Arzneimittelversorgung ausgerichtete Ausgabensteuerung. Nur dann wür- den mehr Aufwendungen der Kran- kenkassen resultieren, wenn tatsäch- lich, wie es wünschenswert wäre, ver- mehrt Behandlungsfälle aus dem teu- ren stationären in den ambulanten Be- reich verlagert würden. Feste Punkt- werte würden wieder mehr Kalkulati- onssicherheit bieten, gleichzeitig die Krankenkassen durch Grenzwerte für den Behandlungsfallwert und die Be- handlungsfallzahl vor finanziellen Be- lastungen infolge einer Mengenaus- weitung schützen. Dr. Harald Clade A-498

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(18) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 9, 28. Februar 1997

N

och ist nicht der längst avisier- te offizielle Referentenent- wurf des Bundesgesundheits- ministeriums fertiggestellt und an die beteiligten Verbände und Grup- pierungen zur Begutachtung über- sandt worden, schon werden Alterna- tiv- und Gegenreformkonzepte prä- sentiert, so unter anderem ein von ei- ner Präsidialkommission des Fakultä- tentages entworfenes und inzwischen gebilligtes Reformkonzept, das bei den Allgemeinmedizin-Hochschulleh- rern und den Medizinstudenten auf wenig Gegenliebe stößt. Namentlich die „Fachtagung Medizin“ kritisiert vor allem die vom Fakultätentag vor- geschlagene Untergliederung des sechs Jahre dauernden Medizinstudi- ums in drei gleich lange Studienab- schnitte. Es sei überdies nicht zu er- kennen, wie der vorklinische mit dem klinischen Studienabschnitt und die theoretischen und klinischen Lehrin- halte im Sinne eines fächerübergrei- fenden Unterrichts verzahnt werden können, eine Reformabsicht, die auch im ersten Entwurf des Bundesgesund- heitsministeriums auf der Basis der Konzeption einer Bund-Länder-Kom- mission (vom Dezember 1995) ange- strebt wird. Die „verfaßten“ Medizin- studenten kritisieren: Bei einer Beibe- haltung der herkömmlichen Gliede- rung in fest umrissene Studienab- schnitte sei es unmöglich, das Studium von Anfang an integrativ auszurichten und den Studenten parallel zu den kli- nisch-theoretischen Lehrinhalten be- reits in der frühen Studienphase eine

praxisorientierte, patientenbezogene Ausbildung zu vermitteln.

Dagegen empfiehlt der MFT die patientenzentrierte Lehre und den aktiven Umgang der Studenten mit den Patienten frühestens ab dem drit- ten Studienjahr. Mithin werde an der Theorielastigkeit des Studiums und am zu spät einsetzenden Praxisbezug so gut wie nichts geändert. Dagegen hält die Fachtagung der Studenten den frühzeitigen studienbegleitenden Patientenkontakt und die Ausrich- tung der Ausbildung am „Lehrgegen- stand“ für unverzichtbar, um die Stu- denten zu motivieren und ihnen not- wendige hausärztliche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln. Zu- dem erleichtere dies den Studenten, die Gewichtung der theoretischen Grundlagen besser einzuschätzen.

Interdisziplinär lernen Die Studentenschaft fordert: In- terdisziplinäres Lernen muß erarbei- tet und frühzeitig eingeübt werden.

Ehe die Medizinstudenten zur Ausbil- dung auf einer Klinikstation einge- setzt werden könnten, müßten sie ler- nen, die Patienten als „ganzheitliche Individuen“ unter Berücksichtigung ihres psychosozialen Umfeldes zu be- greifen. Auch der Vorschlag des Fa- kultätentages, das bisher ein Jahr dau- ernde Praktische Jahr künftig auf zwei Jahre auszudehnen, wird von den Stu- denten abgelehnt. Dies könnte zur Folge haben, daß die Famulaturen der

Reform des Medizinstudiums

„Fakultätentag blockiert“

Das Konzept und die Empfehlungen des Medizinischen Fakultätentages (MFT) zur Reform des Medizinstudiums, die bei einem außerordentlichen Fakultätentag am 26. November 1996 beschlossen wurden, stoßen inzwischen auf immer mehr Ablehnung. Sowohl ein Ar- beitskreis aus Hochschullehrern für Allgemeinmedizin als auch die „Fachtagung Medizin“

(die gewählte Vertretung der Medizinstudenten an den 36 Fakultäten) haben das Konzept

des Fakultätentages als „reformblockierend“ kritisiert und als einen „Rückschritt um

30 Jahre“ in toto abgelehnt. Auch der Vorstand der Bundesärztekammer ist inzwischen

auf Distanz zum Ansatz des Fakultätentages gegangen. Das Bundesgesundheitsmini-

sterium hat das Eckpositionenpapier inzwischen erneut überarbeitet und dabei zum

Teil den Forderungen der Fakultäten nach Erweiterung der Autonomiezonen stattgegeben.

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Studenten künftig auf acht Wochen gekürzt werden. Aus der Sicht der Fachtagung hätten sich die Famulatu- ren bewährt. Sie seien sowohl für die betreuenden Ärzte als auch die Stu- denten flexibler als das strikt vorgege- bene, kurrikulär gestaltete Praktische Jahr (PJ), da die Famulaturen frei wählbar seien.

Die Medizinstudenten kritisieren auch die quantitative Überbewertung des Krankenpflege-Praktikums ge- genüber den herkömmlichen Famula- turen durch den Fakultätentag. Ein zweimonatiges Praktikum sei durch- aus ausreichend. Die praktische Aus- bildung und die berufsbezogenen Fer- tigkeiten könnten in Famulaturen eher als in einem Pflegepraktikum vermittelt werden. Die „Fachtagung Medizin“ lehnt auch den Vorschlag ab, die Zulassungszahlen für Studien- beginner ausschließlich an der Bet- tenkapazität der medizinischen Fa- kultäten und der Lehrkrankenhäuser auszurichten und dabei auch die zur Ausbildung geeigneten und bereiten Klinikpatienten zu berücksichtigen (über eine Änderung der „Kapazitäts- verordnung“) – ein Petitum, dem die Bundesärztekammer und der Ent- wurf des Bundesgesundheitsministe- riums sowie die Bund-Länder-Kom- mission beipflichten.

Die Studenten argumentieren weiter: Durch den verstärkten Klein- gruppenunterricht und die Unterrich- tung der Studenten am Krankenbett seien die Aufnahmekapazitäten seit 1990 ohnedies um 20 Prozent verrin- gert worden. Die vom Fakultätentag vorgeschlagene Regelung führe zu ei- ner Verringerung der Zahl der Studi- enplätze um schätzungsweise 40 Pro- zent (der BMG unterstellt eine Verrin- gerung um 20 Prozent, das heißt von 11 500 auf rund 9 000 Medizinstuden- ten pro Jahr). Dagegen unterstützen die Medizinstudenten einige Teile des MFT-Konzepts, so unter anderem:

1Integration von Blockpraktika in den Studienablauf

1Einführung von studienbeglei- tenden Prüfungen für den klinischen Studienabschnitt anstelle einer staatli- chen Prüfung nach dem 10. Semester

1Aufnahme einer „Experimen- tierklausel“ für Modellstudiengänge

1Abschaffung des Arztes/der Ärztin im Praktikum und

1Festlegung von fächerüber- greifenden Unterrichtsveranstaltun- gen im Praktischen Jahr.

Verfehlter Trend

Die Arbeitsgemeinschaft Medizi- nische Anthropologie e.V. (Vorsitzen- der: Prof. Dr. med. Peter Mitznegg, Leiter der Abteilung Allgemeinmedi- zin und Allgemeinpraxis an der Freien Universität Berlin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin) kritisiert ebenfalls die

„Reformblockade“ des Medizinischen Fakultätentages. In den Vorreferenten- entwurf des Bundesgesundheitsmini- steriums seien im Gegensatz zum Kon- zept des Fakultätentages zumindest ansatzweise die inhaltlichen, struktu- rellen und didaktischen Elemente der

Studienreform einbezogen worden.

Das MFT-Konzept überwinde hinge- gen nicht die viel kritisierte Tatsache, daß das Hochschulstudium zu einer weitgehend einseitigen Spezialisierung anleite und die entstandenen Defizite in Forschung und Lehre in der Allge- meinmedizin nicht abbaue. Den Stu- denten würden nicht ausreichend all- gemeine Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen vermittelt werden, die sie für eine spätere, stärker patienten- zentrierte ärztliche Versorgung benöti- gen. Vor allem kritisiert die Arbeitsge- meinschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin die inhaltliche Aus- sage des MFT, die auf einer Beibehal- tung der medizinischen Fächer und des überholten Fächerkanons abzielt und den theoretischen Unterricht in „Fron- talvorlesungen“ zu vertiefen beabsich- tigt, gleichzeitig das auf zwei Jahre aus-

gedehnte Praktische Jahr auf die Kern- bereiche „Innere Medizin“ und „Chir- urgie“ beschränken will, wovon ein Jahr an Universitätskliniken (also im Bereich der Spezialisierung und Sub- spezialisierung) absolviert werden soll.

Weiterer Kritikpunkt: Statt „integrie- rende, kommunikative und interaktive Fertigkeit“ studienbegleitend einzu- üben, solle der Pflichtunterricht in All- gemeinmedizin auf eine „Frontalvorle- sung“ während eines Semesters be- schränkt werden. Damit könne aber das inzwischen zum „Allgemeingut“

avancierte Ziel einer gleichgewichti- gen Integration des Faches Allgemein- medizin in das Lehrangebot der Fakul- täten nicht erreicht werden. Der MFT- Ansatz fördere dadurch eine kosten- treibende Spezialisierung und Subspe- zialisierung in der Medizin. In den Uni- versitätskliniken wür- den nur 0,5 Prozent und an den übrigen Krankenhäusern fünf Prozent aller Patien- ten diagnostiziert und therapiert, 95 Prozent hingegen würden aus- schließlich und/oder abschließend ambu- lant versorgt werden.

lFalls sich die medizinischen Fakul- täten weigern soll- ten, durchgreifende strukturelle Ände- rungen im Medizin- studium zuzulassen, fordert die Ar- beitsgemeinschaft eine Radikalre- form nach dem sogenannten Osna- brücker Modell: danach soll die Lehre aus dem Fakultätsverbund und dem Klinikum formal herausgelöst und ge- sondert mit Dozenten und der Ver- waltung besetzt werden. Falls dies nicht realisierbar sein sollte, sollten reine Lehrfakultäten gegründet wer- den, die in vorhandene Lehr- und Kreiskrankenhäuser der Region inte- griert werden könnten.

lIn zwei bis drei Bundeslän- dern sollte eine reine „Unterrichts- fakultät“ als Modell errichtet werden.

Sie könnte dann von der subspezia- lisierten hochtechnisierten Forschung und Krankenversorgung abgekoppelt und in kostengünstiger genutzten Einrichtungen und Räumen etabliert werden. Dr. Harald Clade A-499

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 9, 28. Februar 1997 (19) Unabdingbar: Studenten lernen am Modell. Foto: Peter Wirtz, Dormagen

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