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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 30, 24. Juli 1998 (1)
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nläßlich seiner jüngsten Plenarberatungen am 10.Juli hatte der Bundesrat entgegen den ursprünglichen Ab- sichten den Entwurf einer 8. No- velle zur Approbationsordnung für Ärzte nicht abschließend bera- ten, obwohl der federführende Bundesratsausschuß für Gesund- heit dem Reformprojekt einer durchgreifenden Reform der Aus- bildung zum Arzt zugestimmt hat- te. Statt dessen beriet das Bundes- ratsplenum lediglich einen Antrag des Landes Berlin zur Einführung medizinischer Modellstudiengän- ge. Dies würde darauf hinauslau- fen, eine isolierte Modellklausel für wenige Studierende des Faches Humanmedizin einzuführen, statt die längst überfällige, mit den Hauptbetroffenen einvernehmlich abgestimmte und auch von den Unionsparteien und maßgebenden SPD-Sozial- und Gesundheitspoli- tikern im Bundestag mitgetragene Gesamtreform zu billigen.
Ob die „Hängepartie“ noch in dieser (12.) Legislaturperiode be- endet wird und die Novelle zum Jahresende in Kraft treten kann oder gar scheitert, ist offen. Das Procedere: Am 22. Juni hatte sich der Bundesratsausschuß für Kultur auf Antrag des Landes Nordrhein- Westfalen erneut vertagt. Am 24.
Juni hat der Unterausschuß Finan- zen des Bundesrates die Beratung ebenfalls vertagt, um zunächst das Votum des Kulturausschusses des Bundesrates abzuwarten. Und die- ser mauert mit Hinweis auf die grundgesetzlich garantierte Stu- dierfreiheit aller Studenten. Den Schwarzen Peter als Zulassungs- bremser will man jedenfalls nicht.
Dem Vernehmen nach will nun das Land Nordrhein-West-
falen einen „Aufsetzungsantrag“
stellen, wenn bis zur letzten Ple- narsitzung des Bundesrates in die- ser Legislaturperiode – am 25. Sep- tember 1998 – der Unterausschuß des Bundesrates für Finanzen und der für Kultur ihr Votum immer noch nicht abgegeben haben. Im Bundesratsplenum könnte dann die Approbationsordnung für Ärz- te am 25. September – also zwei Tage vor der Bundestagswahl – auf die Tagesordnung gelangen – eher unwahrscheinlich. Die Bundes- ärztekammer hat an den Bundes- rat appelliert, endlich grünes Licht für die Novellierung zu geben. An- dernfalls gingen weitere Jahre ver- loren, ehe das Medizinstudium praxisgerechter gestaltet werden kann. Dr. Harald Clade
Reform des Medizinstudiums
Hängepartie
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en ambulanten Operateu- ren wird schon einiges zuge- mutet: Erst werden sie von allen Seiten ermuntert, sich (auf ei- gene Kosten und eigenes Risiko) niederzulassen und geeignete Ope- rationen ambulant zu erbringen.Das ist kostengünstig und patien- tenfreundlich, lobt die Politik. Dann aber fällt der Punktwert für ihre Lei- stungen ins Bodenlose, und zu guter Letzt bereiten sich Krankenkassen und Krankenhäuser auch noch dar- auf vor, ein direktes Konkurrenzan- gebot innerhalb der stationären Versorgung zu etablieren.
Eine unterschriftsreife Verein- barung über sogenannte Kurzzeit- behandlungen zwischen den Spit- zenverbänden der Krankenkassen, der privaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhaus- gesellschaft soll den Weg dahin eb- nen – eine „Kampfansage an die Kassenärzte“, wie die Kassenärztli- che Bundesvereinigung meint. Ge- plant sind gesonderte Fallpauscha-
len für chirurgische Eingriffe mit einer zwei- bis dreitägigen Liege- dauer im Krankenhaus.
Tatsächlich läßt sich der ange- strebte Vertrag so oder so deuten.
Die Kassen glauben damit eine Lücke zwischen den ambulanten Operationen und der vollsta- tionären Behandlung mit längerer Verweildauer schließen zu können.
Die KBV sieht dahinter die Ab- sicht, den ohnehin notleidenden niedergelassenen Operateuren das Wasser völlig abzugraben. Bei den ambulanten Operateuren reichen die Honorare in den meisten Fällen kaum mehr zur Deckung der Ko- sten, im Krankenhaus sollen hinge- gen die Vergütungssätze nach Be- rechnungen der KBV um bis zu 85 Prozent über den Sätzen für ambu-
lante Operationen liegen. Wie paßt das zusammen? Gar nicht, meint Dr. med. Winfried Schorre: „Erst mahnen die Krankenkassen Ratio- nalisierungsreserven in Milliarden- höhe an, und nun wollen sie immen- se Beträge bei überteuerten Vergü- tungen für Kurzzeitbehandlungen verpulvern.“
Der KBV-Vorsitzende fordert die Krankenkassen auf, die Ver- einbarung nicht abzuschließen.
Verschiedene KVen haben bereits angekündigt, notfalls vor Gericht zu ziehen, um Wettbewerbsnach- teile abzuwenden.
Der Sprengsatz „Kurzzeitbe- handlung“ ist gelegt – ob er auch explodiert, können die Spit- zenverbände der Krankenkassen entscheiden. Josef Maus