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Archiv "Integrierte Versorgung: Viele Varianten scheinen möglich" (25.06.2004)

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ie Claims sind bereits abgesteckt – doch noch scheint niemand so recht zu wissen, wo die Goldadern liegen. Integrierte Versorgung (IV) heißt die Zauberformel, mit der die an- geblich verkrusteten Strukturen in der Gesundheitsversorgung aufgebrochen werden sollen. Mit der seit Jahresbe- ginn geltenden gesetzlichen Neurege- lung (§ 140 a–h SGB V) sind größere Gestaltungsfreiräume für Sektoren und Fachbereiche übergreifende integrierte Versorgungsangebote geschaffen wor- den. Das Gesetz ziele darauf ab – so der zuständige Abteilungsleiter im Bundes- ministerium für Gesundheit und Sozia- le Sicherung, Franz Knieps –, neben dem seit vielen Jahrzehnten bestehen- den Versorgungssystem alter Art neue pluralistische Ansätze zu ermöglichen, die bessere, effektive und ressourcen- schonende Versorgungsformen auf den Weg bringen. Um den Abschluss von Integrationsverträgen zu erleichtern, sei für die Startphase der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ausgesetzt wor- den. Zudem könnten die Krankenkas- sen für die Anschubfinanzierung Gel- der in einem Umfang von bis zu einem Prozent der kassenärztlichen Gesamt- vergütung sowie der Krankenhausrech- nungen für voll- und teilstationäre Ver- sorgung einbehalten.

Ob und in welcher Form von diesen Angeboten bereits Gebrauch gemacht wird, war unter anderem Gegenstand einer von der Hildebrandt Gesund- heitsConsult GmbH in Hamburg veran- stalteten Tagung „Integrierte Versor- gung auf dem Prüfstand“. Neben den Chancen, die sich mit den neuen Ver- tragsformen bieten, wurde auch auf mögliche Fehlentwicklungen hingewie- sen. So sei inzwischen unter den Lei-

stungserbringern – nicht zuletzt auf- grund der Anschubfinanzierung aus dem Ein-Prozent-Sonderbudget – ein Wettbewerb im Gang, wer als Erster ei- nen IV-Vertrag mit einer Krankenkasse unter Dach und Fach hat, monierte Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem. Da- durch begünstigt würden simple Kon- struktionen in Form einfacher Kom- plexpauschalverträge, bei denen oft un- klar sei, worin der wirkliche Mehrwert gegenüber dem Status quo besteht.

Umfassendere Vertragsmodelle, mit de- nen eine populationsbezogene Inte- grierte Versorgung angestrebt wird, blieben so von vornherein auf der Strecke. Zudem müsse sorgsam darauf geachtet werden, dass mit den Verträ- gen zur Integrierten Versorgung auch tatsächlich eine Effizienzverbesserung einhergehe und nicht lediglich ein Preisverfall. Keinen Zweifel ließ Wa- sem allerdings daran, dass er die Inte- grierte Versorgung nach § 140 a ff. für einen grundsätzlich richtigen Ansatz hält, werde doch so zwei zentralen Pro- blemen in der Gesetzlichen Kranken- versicherung – der korporatistischen Steuerungsstruktur und der sektoralen Orientierung – mit einer einzelvertrag- lichen und Sektoren übergreifenden Regelungsweise begegnet.

Option für Managed Care

Auf das weite Spektrum der Entfal- tungsmöglichkeiten im Rahmen der In- tegrierten Versorgung verwies Veran- stalter Helmut Hildebrandt. Während es sich zunächst bei den meisten IV- Verträgen um Komplexpauschalen mit Gewährleistung (zum Beispiel in der Endoprothetik oder Herzchirurgie)

handeln werde, sieht er als künftige Herausforderung in der Integrierten Versorgung die Vollversorgungsva- rianten mit definierter Kostenmin- derung gegenüber den bundesweiten Referenzwerten. Mit der gesetzlichen Neuregelung bestehe in Deutschland nun die Option für Managed-Care-Mo- delle nach US-amerikanischem Vor- bild. Zahlreiche Vertragsformen zwi- schen Krankenkassen und „Systeman- bietern“ seien möglich. Die Schnellig- keit der weiteren Entwicklung in die- sem Bereich hänge entscheidend von der Bereitschaft der Krankenkassen ab, „Budgetverantwortungsverträge“

einzugehen und sich aus der Kontrolle des konkreten Einzelgeschehens inner- halb eines solchen Vertrags zurückzu- ziehen.

Noch ungelöste Probleme

Ein wenig ernüchternd wirkte dagegen das Statement von Johann-Magnus von Stackelberg vom AOK-Bundesver- band, die Vollversorgung über Integra- tionsverträge sei derzeit eine völlig un- realistische Vorstellung. Er warnte vor zu großen Erwartungen und nannte eine Reihe von noch ungelösten Pro- blemen, wie zum Beispiel die Unüber- sichtlichkeit des Versorgungsgesche- hens, Flucht in die weniger komplizier- te Komplexpauschale ohne wirkliche Überwindung der Sektorengrenzen oder das Entstehen von Doppelstruktu- ren infolge einzel- und kollektivvertrag- licher Verhandlungen. Auch VdAK- Vorstandsmitglied Dr. rer. pol. Werner Gerdelmann verwies auf das zurzeit noch kleine Umsatzvolumen, die noch kleine Zahl der Beteiligten und die zu- fällige Vorgehensweise bei den Ver- tragsabschlüssen zur Integrierten Ver- sorgung. Der ganz große Wurf sei noch nicht dabei gewesen.

Angesichts des sich abzeichnenden verwirrenden Vertragsgeschehens im Rahmen der Integrierten Versorgung steht zu befürchten, dass der einzelne Vertragsarzt bald vollends den Über- blick über das Versorgungsgeschehen verlieren wird und die Patienten sich unvermittelt in Versorgungsstrukturen wiederfinden, wo von Autonomie nicht mehr die Rede sein kann. Thomas Gerst P O L I T I K

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A1862 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2625. Juni 2004

Integrierte Versorgung

Viele Varianten scheinen möglich

Derzeit mangelt es noch an umfassenden Konzepten,

die geeignet sind, einen nachhaltigen Strukturwandel in der

medizinischen Versorgung herbeizuführen.

Referenzen

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