medizinisch gebotene Maßnahmen nicht als „unwirtschaftlich“ unterblei- ben dürfen, wenn die Unterlassung im konkreten Fall zu einer Erhöhung des ärztlichen Haftungsrisikos führen würde. Bei Auseinandersetzungen über die Beurteilung von Behand- lungsmaßnahmen unter dem Ge- sichtspunkt der Unwirtschaftlichkeit kann es somit nicht ohne Einfluß sein, welche Folgen sich aus der Unterlas- sung einer Maßnahme und deren möglichen Auswirkungen für die Ge- sundheit des Patienten im Bereich der ärztlichen Haftung ergeben hät- ten. Hieraus leiten sich im einzelnen folgende Konsequenzen ab:
¿ Zur Erfüllung des Heilauf- trags indizierte Behandlungsmaßnah- men dürfen nicht unter Kostenge- sichtspunkten als „unwirtschaftlich“
abgelehnt werden, solange es zu der indizierten Maßnahme keine gleich- wertige Behandlungsalternative gibt.
À Soweit echte, aber unter- schiedlich teure Behandlungsalterna- tiven zur Verfügung stehen, sind Wirtschaftlichkeitserwägungen im Rahmen ärztlicher Entscheidungen auch aus der Sicht der ärztlichen Haf- tung zu akzeptieren.
ÁUnter der Geltung des GSG müssen als Folge medizinisch indi- zierter Behandlungsmaßnahmen – gerade auch wenn diese der Abwen- dung eines sonst entstehenden Haf- tungsrisikos dienen sollen – mögliche Minderungen der Punktwerte durch- aus in Kauf genommen werden. Eine Honorarkürzung wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot scheidet in solchen Fällen aus.
 Das Wirtschaftlichkeitsgebot darf nicht Anlaß geben, zur Vermei- dung von Haftungsrisiken neue Pati- enten abzulehnen oder einmal über- nommene Behandlungen mit dem Hinweis auf bestehenden Sparzwang einzuschränken, abzubrechen oder Kassenpatienten auf die Möglichkeit der Selbstzahlung zu verweisen.
Anschrift des Verfassers:
Dr. jur. Rainer Scholz Eltviller Straße 11 53175 Bonn
A-2305 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 37, 13. September 1996 (39)
T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE/BERICHTE
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-2304–2305 [Heft 37]
B
ei den ärztlichen Gutachter- kommissionen und Schlich- tungsstellen haben sich im letzten Jahr 8 189 Patienten über eine fehlerhafte ärztliche Be- handlung beschwert. Zählt man die aus den Vorjahren noch nicht ent- schiedenen Beschwerden hinzu, lagen den neun Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen in Deutsch- land 14 693 Anträge vor. Von den 7 804 bearbeiteten Klagen haben die Betroffenen in 12 Prozent der Fälle ihre Vorwürfe wieder zurückgezogen oder den Fall nicht weiter verfolgt.Dies sind die neuesten Daten der von den Landesärztekammern getra- genen Einrichtungen, die auf der Sit- zung der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlich- tungsstellen im Juni dieses Jahres in Berlin vorgelegt wurden.
Im Jahr 1995 wurden letztlich 5 154 Beschwerden angenommen, bei denen eine Entscheidung in der Sache selbst anstand. Davon gingen allein 1 800 Anträge bei der Schlichtungs- stelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern ein.
Sie ist für betroffene Ärzte aus Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklen- burg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen zuständig. In 559 Fäl- len (31 Prozent) wurde ein Behand- lungsfehler anerkannt und die Kausa- lität für den Schadenseintritt bejaht.
Demgegenüber wies die Schlichtungs- stelle in 1 123 Fällen (62 Prozent) die Patientenvorwürfe zurück.
Ähnliche Quoten meldete die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekam- mer Nordrhein. Von 773 Anträgen
wurden bei 30 Prozent ärztliche Be- handlungsfehler anerkannt, 453 Be- schwerden (59 Prozent) erkannte die Kommission nicht an. Deutlich gerin- ger fiel die Anerkennungsquote bei der Schlichtungsstelle der Bayeri- schen Landesärztekammer aus. Sie lag dort bei 14 Prozent. In 193 von ins- gesamt 224 Fällen machte die Schlich- tungsstelle Ärzte nicht für gesund- heitliche Schäden von Patienten haft- bar. Die Patienten können jedoch ihre Ansprüche gerichtlich verfolgen.
Eifrige
Krankenkassen
Die Mitglieder der Ständigen Konferenz befaßten sich zudem mit der Frage, ob den Krankenkassen ein eigenes Antragsrecht vor den Schlich- tungsstellen eingeräumt werden soll- te. Ein Konsens konnte jedoch nicht gefunden werden. Anlaß für diese schon vor einigen Jahren geführte Diskussion ist offenbar, daß Kranken- kassen in zunehmendem Maße Pati- enten in Schadensfällen unterstützen.
Die Kassen glauben sich dabei auf ei- ne entsprechende Regelung im § 66 SGB V beziehen zu können: „Die Krankenkassen können die Versi- cherten bei der Verfolgung von Scha- densersatzansprüchen, die bei der In- anspruchnahme von Versicherungs- leistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind . . ., unterstützen.“
Die Handlungsweise der Kassen dürfte auch auf den zunehmenden Wettbewerb unter den Krankenkas- sen zurückzuführen sein. So können Versicherte von 1997 an unter den ge- setzlichen Krankenkassen wählen. SG