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Archiv "Schlichtungsstellen häufiger angerufen" (14.01.1987)

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THEMEN DER ZEIT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

I

mmer mehr Patienten, die sich durch einen ärztlichen Behand- lungsfehler ( „Kunstfehler") geschädigt fühlen, suchen den außergerichtlichen Vergleich bei ei- ner der sieben Schlichtungsstellen oder Gutachterkommissionen der Landesärztekammern. Bei der seit zehn Jahren bestehenden Schlich- tungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der fünf norddeutschen Ärztekam- mern (Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Hol- stein) in Hannover (Berliner Allee 22, c/o Ärztekammer Niedersach- sen) führten 4125 Anträge seit 1976 zu Schlichtungsverfahren. Allein von 1980 bis 1985 stieg die Zahl der Anträge von 600 auf 1305. Für 1986 werden etwa 1600 neue Anträge er- wartet. In den zehn Jahren des Be- stehens der gemeinsamen Schlich-

tungsstelle ist in 1315 Fällen (= 31,87 Prozent) das Schlichtungs- verfahren mit der Anerkennung des Behandlungsfehlers abgeschlossen worden, wohingegen in 2811 Fällen (= 68,13 Prozent) ein vermeint- licher Behandlungsfehler verneint wurde.

Das für den die Schlichtungs- stelle anrufenden Antragsteller völ- lig kostenfreie Verfahren schließt nicht aus, daß im Anschluß an das Schlichtungsverfahren noch ein or- dentliches Gericht eingeschaltet wird. Wie der Geschäftsführer der Hannoverschen Schlichtungsstelle, Rechtsanwalt Johann Neu, im Haus der Landesärztekammer in Hanno- ver mitteilte, ist der Anteil derjeni- gen Fälle, denen sich ein Gerichts- verfahren anschließt, mit einem Pro- zent sehr gering. Während des Schlichtungsverfahrens, an dem die Beteiligten freiwillig mitwirken, ist die gesetzliche Verjährungsfrist un- terbrochen.

Bei den Schlichtungsverfahren, die nach einer durchschnittlichen Bearbeitungs- und Beratungsdauer von zehn Monaten abgeschlossen wurden, waren die Gebiete Chirur- gie mit 37, die Frauenheilkunde/Ge-

burtshilfe mit 14 und die Orthopädie mit zehn Prozent am häufigsten be- teiligt. Weniger betroffen waren die Gebiete Neurochirurgie und Neuro- logie sowie die Dermatologie und Kinderheilkunde mit jeweils einem bzw. zwei Prozent aller Fälle. Nach der Zehn-Jahres-Bilanz der nord- deutschen Schlichtungsstellen füh- ren die operativen Fächer am häu- figsten zu Rechtsstreitigkeiten und Haftpflichtansprüchen.

Aus „gegebenem Anlaß" wies der (ehrenamtliche) Vorsitzende der Schlichtungsstelle, Prof. Dr. med.

Hans-Joachim Löblich, Hannover, darauf hin, daß Rentenangelegen- heiten, Honorarstreitigkeiten u. a.

nicht in die Kompetenz der Schlich- tungsstellen für Arzthaftpflichtfra- gen fallen. In den vergangenen zehn Jahren mußten deshalb rund 4000

Eingaben an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden. Und noch ei- ne Zahl, die in Hannover zitiert wur- de: Das Institut für Rechtsmedizin an der Universität Göttingen stellte fest, daß von den Versuchen, Arzt- haftpflichtansprüche gerichtlich durchzusetzen, mindestens 80 Pro- zent nicht erfolgreich verliefen.

Der Präsident der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. med. Gustav Osterwald, Oldenburg, erinnerte an die „Spielregeln" und Vorteile von Arzthaftpflicht-Schlichtungsstellen der Ärztekammern:

• Das Verfahren ist kostenfrei.

Die Gutachtenkosten tragen die Haftpflichtversicherungen der Ärzte und die Verfahrens- und Verwal- tungskosten die norddeutschen Ärz- tekammern.

• Für die Anrufung der Schlichtungsstelle gibt es keine Fri- sten. Solange das Schlichtungsver- fahren schwebt, ist die gesetzliche Verjährungsfrist (Zivil- und Straf- prozeßrecht) gehemmt.

• Patient und Arzt sind nicht an das Votum der Schlichtungsstelle gebunden. Insbesondere ist der Rechtsweg durch ein Schlichtungs- verfahren nicht ausgeschlossen. HC

1. Fallbeispiel: Chirurgie

Zu spät

erkannte Appendizitis

Bei einer 75 Jahre alten Frau traten akut zunehmende Unter- leibsschmerzen mit leichter Tem- peraturerhöhung und Druck- schmerz im Bereich des kleinen Beckens auf. Die ärztliche Dia- gnose lautete: Verdacht auf Coli- tis ulcerosa, weshalb eine Beob- achtung eingeleitet wurde.

Drei Tage später traten eine Darmatonie und Peritonitis auf.

Bei der daraufhin durchge- führten Operation wurden eine gangränöse perforierte Appendi- zitis und eine akute Peritonitis vorgefunden.

Die von der Patientin geltend gemachten Ansprüche waren be- rechtigt, weil bei akut auftreten- den Unterbauchbeschwerden bei älteren Menschen immer der Ver- dacht auf eine akute Blinddar- mentzündung mit Darmdurch- bruch besteht.

Bei sofortiger Operation wä- re die Bauchfellentzündung ver- mieden worden.

2. Fallbeispiel: Urologie

Bei akuter Hodentorsion Arzt zu spät aufgesucht

Ein 14jähriger Junge erlitt beim Sportunterricht einen aku- ten Schmerz im Hodenbereich mit zunehmender Schwellung des linken Hodens. Ein Arzt wurde erst nach 48 Stunden aufgesucht.

Es wurde die Diagnose Ne- benhodenentzündung gestellt und eine Klinikeinweisung veranlaßt.

In der Klinik wurde die Dia- gnose „Hodentorsion" gestellt.

Bei der Operation wurde diese Diagnose bestätigt und der inzwi- schen

abgestorbene Hoden ent- fernt.

Der erstbehandelnde Arzt stellte zwar eine Fehldiagnose.

Schlichtungsstellen iangerguten

Dt. Ärztebl. 84, Heft 3, 14. Januar 1987 (15) A-67

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Der Hodenverlust war jedoch nicht auf diese Fehldiagnose zu- rückzuführen, weil dieser Scha- den nur innerhalb der ersten sechs Stunden nach der akuten Hodentorsion durch chirurgi- schen Eingriff noch vermeidbar ist.

Dadurch, daß der Patient 48 Stunden lang den Arztbesuch hin- auszögerte, hatte er den Schaden selbst herbeigeführt.

3. Fallbeispiel: Orthopädie

Nervenschädigung bei Endoprothesen-Operation

Bei einem 80jährigen Patien- ten wurde wegen einer beginnen- den Hüftkopfnekrose aufgrund eines Hüftleidens eine Hüftpro- these (Totalendoprothese) einge- setzt. Im Anschluß an die Opera- tion wurde eine Peronäusläh- mung festgestellt.

Der Patient war der Auffas- sung, daß diese Nervenlähmung auf einem Behandlungsfehler be- ruhe.

Der Gutachter stellte fest, daß derartige Nervenschäden trotz Anwendung größtmöglicher Sorgfalt nicht immer vermeidbar seien. Der Nerv sei nicht direkt, also durch Schnitt oder durch di- rekten Hakendruck, verletzt wor- den. Vielmehr handele es sich um einen Dehnungsschaden, der auf- grund der Beinbewegungen wäh- rend der Operation nicht ver- meidbar gewesen sei.

Durch neurologische Unter- suchungen wurde ermittelt, daß in fast 50 Prozent aller derartiger Operationen Nervenschädigun- gen in verschiedenen Stärkegra- den nachweisbar waren, die sich im allgemeinen jedoch wieder vollständig zurückbilden. In eini- gen Fällen bleibt jedoch die Wie- derherstellung aus.

Diese Nervenschäden kön- nen jedoch dem Operateur nicht angelastet werden.

4. Fallbeispiel: Gynäkologie

Nicht erkannte Bauch- höhlenschwangerschaft

Eine 44 Jahre alte Frau klagt ihrem Frauenarzt folgende Beob achtungen: Bis vor drei Monaten sind alle Menstruationsblutungen regelmäßig im Abstand von etwa vier Wochen aufgetreten und ha- ben jeweils vier bis fünf Tage ge- dauert. Vor fünf Jahren mußte ei- ne Spirale wegen einer Unter- leibsentzündung entfernt werden.

Diese ist nach Behandlung schnell ausgeheilt. Der Arzt hat die Frau darauf hingewiesen, daß jede Unterleibsentzündung einen Verschluß oder eine Funktions- störung der Eileiter bewirken kann. Die Frau möchte nicht schwanger werden. Nach der Un- terleibsentzündung und wegen ih- res Alters verzichten die Frau und ihr Partner auf Maßnahmen zur Empfängnisverhütung.

Die vorletzte Regelblutung vor dem Besuch beim Frauenarzt ist nur sehr schwach und dauert einen Tag. Zum Zeitpunkt der letzten erwarteten Menstruation tritt keine Blutung auf. Der kon- sultierte Frauenarzt deutet die Blutungs-Unregelmäßigkeiten als Ausdruck beginnender Wechsel- jahre. Ohne einen Schwanger- schaftstest und eine Ultraschall- Untersuchung durchzuführen, verordnet er ein Hormon-Präpa- rat zur Auslösung einer Blutung.

Die Frau wird darauf hingewie- sen, daß etwa 14 Tage nach Be- ginn dieser Hormonbehandlung eine Blutung auftreten müsse.

Schon fünf Tage nach dem Be- ginn dieser Behandlung treten sehr starke krampfartige Unter- leibsschmerzen auf. Der Notarzt diagnostiziert eine innere Blutung und weist die Patientin in eine Frauenklinik ein. Dem behan- delnden Arzt ist ein Sorgfalts- mangel vorzuwerfen. Die Schmerzensgeld-Ansprüche der Patientin sind gerechtfertigt. ❑

LA-MED-Befragung

Ihr Urteil ist erneut gefragt!

In den kommenden Wochen befragt die Ar- beitsgemeinschaft LA- MED , in der die überregio- nalen und die regionalen medizinischen Zeitschrif- ten zusammengeschlossen sind, erneut die Ärzte zu ih- rem Leseverhalten.

Falls Sie zu den reprä- sentativ ausgewählten Ärz- ten gehören, die vom Un- tersuchungsinstitut IVE um ein Interview gebeten werden, bitten wir Sie herzlich um Ihre bereitwil- lige Mitwirkung.

Verlag, Redaktion und Herausgeber des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTS sind sehr daran interessiert zu erfahren, wie Sie unser Informationsangebot ein- schätzen und nutzen. Zur weiteren Verbesserung un- serer Zeitschrift sind wir auf Ihr Urteil darüber an- gewiesen, wie unsere Ar- beit bei Ihnen „an- kommt". Sie werden den Nutzen daraus ziehen!

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.

Ihr

Deutscher Ärzte-Verlag A-68 (16) Dt. Ärztebl. 84, Heft 3, 14. Januar 1987

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