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Archiv "Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen: Vorsichtige Öffnung hin zu mehr Transparenz" (24.12.2001)

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T H E M E N D E R Z E I T

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A3424 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 51–52½½½½24. Dezember 2001

E

ine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – mit diesem Hinweis disqualifizieren Kritiker oft die Ar- beit der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Landesärz- tekammern. Trotzdem bemühen sich immer mehr Patienten und Ärzte um eine außergerichtliche Klärung bei die- sen Gremien. Im Jahr 2000 wurden 9 666 Anträge gestellt, 1999 waren es 9 545, 1990 erst 5 155. Darauf hat die Ständige Konferenz der Gutachter- kommissionen und Schlichtungsstellen unter Vorsitz von Dr. med. Andreas Crusius, Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, bei ihrer Jahrestagung Ende Juni in Kühlungs- born hingewiesen.

Dort wurde über Eckpunkte zur Ver- besserung der Verfahrensabläufe disku- tiert und abgestimmt. Zur Erinnerung:

Am Anfang dieser Legislaturperiode hatte die damalige Bundesgesundheits- ministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) angekündigt, man wer- de sich intensiv dem Thema Patienten- rechte/Patienteninformation widmen.

Unter anderem wurden drei Arbeits- gruppen beim Bundesgesundheits- be- ziehungsweise Bundesjustizministeri- um eingerichtet, die Verbesserungsvor- schläge unterbreiten sollten. Eine Ar- beitsgruppe hatte die Bundesärztekam- mer gebeten, eine Art Musterverfah- rensordnung vorzulegen. Sie sollte dazu beitragen, die Verfahrensabläufe in den Gutachterkommissionen und Schlich- tungsstellen unter Beteiligung von Pa- tientenorganisationen zu vereinheitli- chen und zu verbessern.

Die Gremien arbeiten indes regio- nal sehr unterschiedlich. So legen die Bayern Wert darauf, dass sie über mög- liche Schadensersatzansprüche auf- grund fehlerhaften ärztlichen Verhal- tens nur im Grundsatz entscheiden, je- doch nicht schlichten. Ähnlich ist es in Sachsen. Dazu kommen Abweichun- gen in Details. So hat die Gutachter- kommission für Fragen der ärztlichen Haftpflicht bei der Landesärztekam- mer Baden-Württemberg ihr Statut kürzlich dahin gehend geändert, dass der Antragsgegner einem Verfahren

nun ausdrücklich zustimmen muss. Zu- vor prüfte die Kommission, sofern Arzt oder Patient dem entsprechenden An- trag nicht innerhalb eines Monats wi- dersprochen hatte.

Dass es zahlreiche Verfahrensunter- schiede gibt, hängt auch mit der Größe der Gremien zusammen. Während bei- spielsweise im Saarland im vergange- nen Jahr nur 92 Anträge eingingen, wa- ren es bei der Norddeutschen Schlich- tungsstelle 3 744. Darüber hinaus spie- geln sich in den Verfahrensordnungen jedoch sehr subtil Auffassungsunter- schiede wider, zum Beispiel darüber, wie transparent die Arbeit sein soll oder wie stark Patientenwünsche be- rücksichtigt werden sollen. Hier wollen sich die Gremien nicht über einen Kamm scheren lassen. Dennoch ver- ständigte man sich in Kühlungsborn auf Eckpunkte. Sie sehen beispiels- weise vor, dass auswärtige Fachgutach- ter erst nach der Anhörung der Betei- ligten durch eine Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle bestellt werden.

Auch sollen alle Seiten bei der Formu-

Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen

Vorsichtige Öffnung hin zu mehr Transparenz

Mitglieder von Gutachterkommissionen und Schlichtungs- stellen haben sich vor kurzem auf Eckpunkte zur Verbesserung der Verfahrensabläufe verständigt.

´ TabelleCC´

Tätigkeit der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen (Übersicht zum 31. 12. 2000)

Baden-

Bayern Hessen Nord- Nord-

Saarland Sachsen Westfalen- Rheinland-

Württemberg rhein deutschland* Lippe Pfalz

1. Gesamtzahl der im abgelaufenenJahr gestellten Anträge (9 666) 1 040 485 728 1 602 3 744 92 345 1 280 350 2. Zahl der noch nicht entschiedenenAnträge aus den Vorjahren (8 138) 802 731 525 1 264 3 380 82 113 962 279 3. Zahl der im abgelaufenen Jahrerledigten Anträge (9 244) 994 430 662 1 400 3 590 109 328 1 320 411 4. Zahl der am Ende des Berichtsjahresnoch offenen Anträge (8 560) 848 786 591 1 466 3 534 65 130 922 218

* Der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern sind die Kammern in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig- Holstein und Thüringen angeschlossen.

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lierung des Gutachterauftrags Anre- gungen einfließen lassen können. Alle Eckpunkte sind abrufbar unter www.

aerzteblatt.de, Rubrik „DÄ plus“.

Ziel: die Qualität von Gutachtern verbessern

Ausführlicher wurde zudem erörtert, wie man die Qualität der Arbeit von herangezogenen Gutachtern verbes- sern könne. Basis hierfür war ein Re- ferat von Dr. med. Christian Richter, Chefarzt einer Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie, über die Erfahrungen aus der Klinik. Richter warnte vor „amerikanischen Verhält- nissen“ aufgrund gut informierter Pa- tienten, die ihre Krankheit zunehmend nicht mehr als Schicksal, sondern als Schadensfall ansähen. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chir- urgie, Prof. Dr. med. Klaus Schönleben, habe unlängst, so Richter, deshalb Mit- arbeitern empfohlen, dass man jeden Patienten so behandeln sollte, als sei er ein potenzieller Prozessgegner. Diese Sicht forderte Widerspruch heraus.

Einige Mitglieder der Ständigen Kon- ferenz meinten, eine solche Einstellung könne gerade dazu führen, dass Patien- ten nicht ausreichend beziehungsweise mit falschem Zungenschlag informiert oder Streitigkeiten unsachlich geklärt würden.

Richter, der selbst als Gutachter tätig ist, forderte zudem, die Qualität ärztli- cher Gutachten zu verbessern, da sie ei- ne Schlüsselrolle in Arzthaftungsfragen spielten. Crusius wies darauf hin, dass über eine Verbesserung der Qualifikati- on ärztlicher Gutachter in verschiede- nen Gremien der Bundesärztekammer beraten werde. Unter anderem erarbei- te man dort ein Fortbildungscurricu- lum für interessierte Ärzte und Ärztin- nen. Mehrere Mitglieder der Ständigen Konferenz machten auf Fortbildungen zum Thema „Arzt oder Ärztin als Sach- verständiger“ bei den Landesärztekam- mern aufmerksam. Ein Problem sei allerdings, dass es keine gesetzlichen Vorschriften für den Aufbau von Gut- achten gebe. Eine ausgezeichnete Hilfe für die Praxis seien hier die Empfeh- lungen von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe/

Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht für die Abfassung von Gutachten (www.

aekno.de; KammerArchiv oder Arzt- Info/Gutachterkommission).

Ein Problem kann auch die Schuld- anerkenntnis von Ärzten sein. Richter hatte davor gewarnt, dass es nach ei- nem sehr ausführlichen Gespräch mit einem Patienten zu Problemen mit der Haftpflichtversicherung kommen kön- ne, die entsprechende Äußerungen be- reits als Schuldanerkenntnis ansehen könne. Dieser Meinung widersprachen vor allem einige Juristen unter den Mit- gliedern der Ständigen Konferenz. Sie verwiesen auf einen Aufsatz in der Neuen Juristischen Wochenzeitschrift (Heft 24, Seite 1749), dessen Autoren sich mit der Offenbarungspflicht bei ärztlichen Behandlungsfehlern befas- sen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass

„der Arzt aufgrund der allgemeinen, aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB herzuleitenden Leistungstreue- pflicht verpflichtet ist, den Patienten ungefragt über eigene Behandlungs- fehler zu informieren, wenn das Infor- mationsinteresse des Patienten höher zu bewerten ist als das Geheimhal- tungsinteresse des Arztes“. Das Ergeb- nis der Abwägung sei maßgeblich da- von abhängig, wie stark der Patient dem Arzt vertraue: „Je höher dieses Vertrauen zu bewerten ist, desto eher hat das Geheimhaltungsinteresse des Arztes gegenüber dem Informationsin- teresse des Patienten zurückzutreten.“

Die beiden Rechtsanwälte weisen dar- auf hin, dass ein Arzt wie jeder Haft-

pflichtversicherte ohne Zustimmung seines Versicherers zwar einen An- spruch nicht anerkennen darf, auch nicht teilweise. Damit soll der Versi- cherung die Chance eingeräumt wer- den, den Fall sachgerecht zu bearbeiten und Einwendungen geltend zu machen.

Wahrheitsgemäße Erläuterungen zu Tatsachen verstoßen nach Auffassung der Autoren aber nicht gegen das An- erkenntnisverbot (siehe auch DÄ, Heft 28–29/2001, Rubrik Versicherungen).

Rheinland-Pfalz:

Zwist um Patientenvertreter

In Kühlungsborn wurde darüber hinaus berichtet, dass das neue Heilberufsge- setz Rheinland-Pfalz in Kraft getreten ist. Es schreibt die verbindliche Ein- setzung eines Schlichtungsausschusses vor, um Streitigkeiten beizulegen, die sich zwischen Kammermitgliedern und Dritten ergeben. Vorgesehen ist dabei, zwei Patientenvertreter zu beteiligen.

Das Statut des ärztlichen Schlichtungs- ausschusses in Rheinland-Pfalz ist bis- lang aber noch nicht geändert worden.

Mitglieder der Ständigen Konferenz berichteten in diesem Zusammenhang, dass derzeit im Auftrag des Bundes- ministeriums für Gesundheit und der nordrhein-westfälischen Landesregie- rung ein Gutachten erstellt wird. Es soll die Frage beantworten helfen, wie Pa- tienten an Institutionen oder Gremien im Gesundheitswesen beteiligt werden

sollen. Sabine Rieser

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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 51–52½½½½24. Dezember 2001 AA3425

25 Jahre Norddeutsche Schlichtungsstelle:

Behandlungsfehler-Prophylaxe als Vision

Wenn die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in einem Streit zwi- schen Arzt und Patient entscheidet, dann hat der Spruch häufig prozessvermeidende Wirkung. Eine Evalua- tion im Jahr 1998 hat ergeben, dass dies sogar in rund 90 Prozent der Auseinandersetzungen der Fall war.

Kam es im Anschluss an ein Schlichtungsverfahren zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, so wurde ebenfalls in rund 90 Prozent der Fälle die Entscheidung der Schlichter bestätigt. Darauf hat die Schlich- tungsstelle der norddeutschen Ärztekammern aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens bei einer Veranstal- tung Ende September in Jena hingewiesen.

Seit 2000 hat sie ihre Datenerfassung stärker differenziert. „Fachrichtungsbezogen können so unter an- derem die Häufigkeit der verschiedenen Behandlungsanlässe, die beanstandeten Maßnahmen, die nachge- wiesenen Fehler, die Ansprüche, der Schweregrad der Folge von Behandlungsfehlern, juristische Aspekte wie Dokumentationsmangel, schwerer Behandlungsfehler und so weiter erfasst werden“, wurde während der Veranstaltung erläutert. Solche Auswertungen machten aber nur Sinn, wenn die Erkenntnisse in die un- mittelbare ärztliche Tätigkeit zurückflössen. Dies geschehe derzeit, indem man Kasuistiken in den regiona- len norddeutschen Ärzteblättern und im Internet veröffentliche und sie in Vorträgen verbreite. Der Informa- tionsbedarf der Ärzte lasse sich so aber bei weitem nicht abdecken. Eine mögliche zusätzliche Aufgabe sei in Zukunft die Behandlungsfehler-Prophylaxe.

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