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Archiv "„Mehr Transparenz im Sozialrecht“" (23.05.1974)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Zum zweiten Male innerhalb von drei Jahren fand im März in Bonn ein Informationsgespräch über das Thema „Mehr Transparenz im So- zialrecht" statt, zu dem Professor Dr. Wannagat eingeladen hatte, der Vorsitzende des Vorstandes des Deutschen Sozialgerichtsverban- des e. V. und Präsident des Bun- dessozialgerichts in Kassel. Der Teilnehmerkreis bestand aus Ver- tretern vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Presse- referenten und Vertretern der So- zialpartner, der Versicherungs- und Versorgungsträger, der Arbeits- und Sozialministerien der Bundes- länder, Fachjournalisten sowie So- zial- und Wirtschaftsjournalisten von Funk, Fernsehen und Tages- presse.

Das Ziel der Veranstaltung war eine allgemeine Aussprache über das Problem, wie man das So- zialrecht der Bundesrepublik für den Bürger durchschaubarer ma- chen kann, oder anders ausge- drückt: wie kann man den Bürger besser über die ihm zustehenden Rechte informieren?

In seiner Einführung wies Prof.

Wannagat auf das große Vorhaben hin, mit der Schaffung eines Sozial- gesetzbuches das gesamte Sozial- recht zu harmonisieren und zu ver- einfachen und damit auch im Be- reich des Sozialrechts einer „dro- henden Entfremdung zwischen Volk und Recht" entgegenzuwirken.

Deshalb solle auch im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches die

allgemeine Aufklärungspflicht ver- stärkt und bis zu einem individuel- len Anspruch auf Beratung und Auskunftserteilung für alle Versi- cherten ausgebaut werden.

Der zunehmende Einsatz der Elek- tronischen Datenverarbeitung be- hindere zunächst vielleicht den persönlichen Kontakt zur Versiche- rung, aber andererseits ermögliche er auch eine rasche Auskunftertei- lung, bei Rentenversicherungsan- sprüchen zum Beispiel künftig in Form eines Kontoauszuges wie von der Bank.

Zu beachten sei dabei jedoch auch das neu entstehende Problem des Schutzes der Persönlichkeit vor den Gefahren, welche die Datenspeiche- rung mit sich bringt.

Für das Ziel, eine größere Transpa- renz im Sozialrecht zu erreichen, stellte Prof. Wannagat eine Reihe von Thesen zur Diskussion.

Das Sozialrecht müsse einfach, verständlich, übersichtlich und überzeugend sein, selbst wenn man dabei eine gewisse rechtliche Vergröberung in Kauf nehmen muß.

Es wird sonst so kompliziert, daß es nur noch von wenigen Speziali- sten begriffen und von der Allge- meinheit nicht mehr „mit Bedacht gelebt" werden kann.

I> Der Rechtsunterricht muß schon in den Schulen und an den Univer- sitäten intensiver werden, um beim Bürger eine stärkere Rechtsver- bundenheit zu erreichen.

heute noch die Mitarbeiter in den psychiatrischen Großkrankenhäu- sern diffamiert, von Angehörigen, die selbst nicht bereit sind, für ihre Verwandten den kleinen Finger zu rühren, gelegentlich der Nachlässig- keit oder Lieblosigkeit beschuldigt.

Alle bisherigen Anstrengungen, das Ansehen der Landeskrankenhäuser durch Aufklärung der Bevölkerung in sachlichen Vorträgen, durch Veröffentlichen in Zeitschriften und Tageszeitungen, in Rundfunk und Fernsehen zu heben und der Wirk- lichkeit anzupassen, können von heute auf morgen zunichte ge- macht werden, wenn einmal eine nicht vorausschaubare Handlung eines Krankenhausinsassen die Öf- fentlichkeit erschreckt.

• Wenn aber heute noch eine gro- ße Zahl von Mitarbeitern in den ver- schiedensten Sparten der psych- iatrischen Großkrankenhäuser mit Zuverlässigkeit, Aufopferung, Um- sicht und größtem Verantwortungs- bewußtsein Tag für Tag, Jahr für Jahr, manche schon seit Jahrzehn- ten ihren schweren Dienstversehen, ohne daß sie auf eine entsprechen- de Anerkennung in der Gesell- schaft hoffen könnten, dann wird es m. E. wahrlich höchste Zeit, all diesen Menschen Lob und Dank in gebührender Weise in aller Öffent- lichkeit zu zollen. Falls nämlich diese keineswegs so selbstver- ständliche Bereitschaft so vieler Menschen schw' inden sollte, sich für die Belange der psychisch Kranken aktiv ein ganzes Arbeitsle- ben lang unermüdlich einzusetzen, dann würde es sehr schnell in un- serem Lande nicht nur zu einem Skandal, sondern zu einer riesigen Katastrophe kommen. Ohne Rück- griff auf diesen zuverlässigen und bereitwilligen Personalstamm in den psychiatrischen Großkrankenhäu- sern würden alle sogenannten Re- former und „Modellierer" von An- fang an recht dumm dastehen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Wilhelm Geller Landesmedizinaldirektor i. R.

5605 Hochdahl Alte Kölner Straße 16

„Mehr Transparenz im Sozialrecht"

Ein Informationsgespräch

des Deutschen Sozialgerichtsverbandes in Bonn

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 21 vom 23. Mai 1974 1573

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Sozialrecht

I> Die Selbstverwaltung bei den Versicherungsträgern muß eine stärkere Ausstrahlungskraft erhal- ten.

I> Die Massenmedien müssen so- zialrechtlichen Problemen einen wesentlich größeren Raum geben als bisher. Die Redaktionen für So- zialrecht und Sozialpolitik sollten den gleichen Rang erhalten wie die Wirtschaftsredaktionen. Versiche-

rungsträger, Verwaltungen und Ge- richte sollten den Massenmedien mehr und besser aufbereitetes Ma- terial zur Verfügung stellen.

Schließlich machte Prof. Wannagat den Vorschlag, einen „Tag der Deutschen Sozialversicherung" zu schaffen, ähnlich wie den Weltspar- tag, an dem den Bürgern die vielen Einrichtungen der Sozialversiche- rung nahegebracht werden könn- ten, zum Beispiel durch Offene Tage bei Krankenhäusern, Verwal- tungen, Datenverarbeitungsanlagen und so weiter.

Die Aussprache wurde eröffnet durch kurze Beiträge je eines Ver- treters der Tagespresse (Arnold Gehlen, stellvertretender Chefre- dakteur der „Neuen Ruhr-Zeitung", Essen), der Fachpresse (Dr. Brück,

„Sozialer Fortschritt", Bonn), des Rundfunks (Günter Windschild, Westdeutscher Rundfunk, Köln). Es würde vielleicht dem Charakter der Veranstaltung widersprechen, woll- te man diese und andere Beiträge zur Aussprache der Reihe nach ab- handeln. Daher sollen nur einige wesentliche Punkte erwähnt wer- den.

Ein Vertreter des Bundesarbeitsmi- nisteriums begrüßte den Vorschlag, einen „Tag der Deutschen Sozial- versicherung" zu schaffen. Er wies im übrigen auf das Spannungsfeld hin, das sich bei dem Versuch not- wendigerweise ergeben muß, So- zialrecht gleichzeitig weiterzuent- wickeln und transparenter zu ma- chen: das Spannungsfeld zwi- schen einfach und übersehbar ei- nerseits — differenziert, individuali- siert und damit schwerer überseh- bar andererseits.

Bei der Information und Beratung des Bürgers müsse man mehr als bisher versuchen, „vor Ort" zu ge- hen.

Für die Tagespresse wurde gesagt, die Sozialpolitik habe in den Re- daktionen bereits ein großes Ge- wicht. In gewisser Beziehung sei die Bundesrepublik bereits eine

„überinformierte Gesellschaft", was aber nicht ausschließt, daß der Bürger in seinem Einzelfall oft nicht weiß: Was steht mir zu, wo kann ich's bekommen?

Der fachlich gebildete Leser der Fachpresse wurde als ein wichtiger

„Multiplikator" bezeichnet. Was er liest und versteht, verbreitet sich auf manche Weise in andere Bevöl- kerungskreise. Die Fachpresse ver- füge, so wurde gesagt, bei der Be- handlung einzelner Themen über dreierlei wichtige Einflußmöglich- keiten, nämlich das Timing einer Veröffentlichung, ihre Wiederho- lung in den richtigen Zeitpunkten und die Personalisierung eines Themas.

Bei Rundfunk und Fernsehen ergibt sich ein etwas anderes Spannungs- feld zwischen der fachlich korrek- ten Darstellung eines Themas und seiner notwendigen Übersetzung in schlichte, allgemeinverständliche Sprache, die jeder Bürger verste- hen kann. Günter Windschild stellte seine (nicht existente) Lieblingshö-

rerin etwa so dar: eine 56jährige Hausfrau mit ihren drei Kindern ir- gendwo im Wohnviertel einer west- deutschen Großstadt, die „mitten im Leben steht — aber von Sozial- politik hat sie keinen blassen Schim- mer".

Übereinstimmend wurde davor ge- warnt, von dem neuen Sozialge- setzbuch Wunderdinge zu erwar- ten. Es könne Jahre und Jahrzehn- te dauern, bis es sich im Bewußt- sein der Bevölkerung durchsetze.

In der Sozialbürokratie müsse die Aufklärungspflicht und die Aus- kunftspflicht so schnell wie mög- lich durchgesetzt werden. Und dazu sei es notwendig, daß die So-

zialbürokratie von sich aus glaub- haft macht, daß sie nicht zur Ab- wehr von Leistungen da ist, son- dern dem Bürger helfen soll, be- rechtigte Ansprüche durchzuset- zen.

Daß auf diesem Gebiet sich schon vieles geändert hat, ließen Ausfüh- rungen eines Vertreters der Bun- desversicherungsanstalt für Ange- stellte erkennen. Er bejahte den Gesichtspunkt, die Information habe möglichst „vor Ort" zu erfol- gen, und fügte hinzu, man habe gute Erfahrungen gemacht zum Beispiel mit den Informationsbus- sen der Bundesversicherungsan- stalt auf Ausstellungen und bei Massenveranstaltungen. Der Ge- sichtspunkt dabei ist, daß eine wichtige soziale Einrichtung mit ih- ren Informationen zum Bürger kommt und nicht umgekehrt der Bürger die Einrichtung aufsuchen muß.

Wie der technische Fortschritt auch zur größeren Transparenz beitragen kann, zeigt der Gedanke, daß früher gerade die Rentenversi- cherungsträger in einer schwieri- gen psychologischen Lage waren.

Der Bürger suchte nur Kontakt, wenn er sich in einer persönlich unangenehmen Situation befand, nämlich etwa bei Krankheit, bei ei- ner notwendigen Kur oder im Alter.

Und den Beamten war es dann oft nicht einmal möglich, auf die wich- tigste Frage eine positive Antwort zu geben: Wie hoch wird meine Rente? Dies wird sich mit der Ein- führung der Elektronischen Daten- verarbeitung ändern lassen.

Erwähnt seien zum Schluß noch zwei weitere Anregungen, die in der Aussprache gemacht wurden.

Bei der rein sprachlichen Formulie- rung von Gesetzen, Verordnungen und so weiter sollte eine Zusam- menarbeit zwischen Fachleuten und Journalisten angestrebt wer- den. Und zweitens sollte man mehr darüber diskutieren, ob es nicht notwendig ist, als neuen Beruf mit vorgeschriebenem Ausbildungs- gang die Einrichtung eines Sozial- anwalts zu schaffen. gb

1574 Heft 21 vom 23. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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