• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Versorgungsforschung: Mehr Transparenz bei Interessenkonflikten" (02.05.2008)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Versorgungsforschung: Mehr Transparenz bei Interessenkonflikten" (02.05.2008)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 182. Mai 2008 A943

T H E M E N D E R Z E I T

den Nutzen aus, sofern für eine In- tervention ein in QALYs gemesse- ner Effekt nachgewiesen ist. Der Einsatz von QALYs im Rahmen der Kosten-Nutzen-Bewertung würde jedoch schon deshalb problema- tisch, weil es klare Belege dafür gibt, dass QALYs als Wertskala nicht grundlegend wichtig sind.

> Der Methodenvorschlag sagt deutlich, dass die Perspektive – ins- besondere für die Kosten – die der Versicherten der gesetzlichen Kran- kenversicherung sein soll. Es ist deshalb unklar, warum es Bedenken gibt, dass relevante Kosten ausge- schlossen würden. Wenn Kosten zu den Ausgaben der Versicherten gehören, werden sie berücksichtigt.

Es gibt nur die praktische Einschrän- kung, dass es möglich sein muss, die Auswirkungen medizinischer Maß- nahmen auch außerhalb der Kran- kenversorgung abzuschätzen.

Angesichts der klaren Vorgaben in Deutschland ist es nur schwer nachzuvollziehen, woher diese Miss- verständnisse kommen und der dar- aus abgeleitete Impuls, die Metho- den anderer Länder zu übernehmen.

Es wird immer wieder behauptet, dass es im Gesundheitswesen stren- ge Budgetbegrenzungen gebe, die schon gegenwärtig Kompromisse und eine strikte Priorisierung der Ressourcen erzwängen. Das trifft in Deutschland nicht zu – und ist eben- so zweifelhaft in den Ländern, in de- nen diese Thesen fleißig vertreten werden. Obgleich die ökonomi- schen Kapazitäten nicht unendlich sind, wachsen die Budgets derzeit stetig weiter, und es gibt die Not- wendigkeit, für jede Krankheit Res- sourcen für eine wirtschaftliche Ver- sorgung zur Verfügung zu stellen.

Schließlich bezieht sich der gesetz- liche Auftrag an das IQWiG auf die Festsetzung von Höchstbeträgen und nicht darauf, die „Gesundheit der Bevölkerung zu steigern“. Kos- ten-Nutzen-Bewertungen nach der vorgeschlagenen Methodik folgen diesem Auftrag und sollten den deut- schen Entscheidungsträgern nütz- liche Informationen liefern. I

Prof. Dr. med. Jaime Caro, Vorsitzender des IQWiG International Expert Panel, Departments of Medicine, Epidemiology and Biostatistics, McGill University, Montreal, Kanada

D

er Einfluss der Industrie auf die medizinische Forschung wird zunehmend kritisch gesehen (1, 2). Dies liegt unter anderem daran, dass industriegesponserte Studien häufiger günstige Ergeb- nisse für ein bestimmtes Produkt und ein diagnostisches oder thera- peutisches Verfahren hervorbrin- gen, verglichen mit Studien, die nicht industriegesponsert sind (3, 4, 5).

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Industrienähe von Leitlinien- Autoren: Bereits 2002 zeigte eine Untersuchung im Journal of the American Medical Association (JAMA), dass vier von fünf Leit- linienautoren Verbindungen zur pharmazeutischen Industrie hatten;

von diesen vier Autoren waren zwei sogar Mitarbeiter oder Berater von Firmen, deren Medikamente sie in Leitlinien empfahlen (6).

VERSORGUNGSFORSCHUNG

Mehr Transparenz bei Interessenkonflikten

Für den Leser wäre es hilfreich, wenn den Kriterien des International Committee of Medical Journal Editors mehr Beachtung geschenkt würde.

Foto:mauritius images

(2)

A944 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 182. Mai 2008

T H E M E N D E R Z E I T

Bezeichnend für das Problem ist die Klage von Marcia Angell, der ehemaligen Chefredakteurin des renommierten New England Journal of Medicine: ,,…as we spoke with research psychiatrists about writing an editorial on the treatment of de- pression, we found very few who did not have financial ties to drug companies that make antidepres- sants.[…] The problem is by no means unique to psychiatry.“ (7)

Das Problem sind Interessenkon- flikte von Wissenschaftlern – auf dem Prüfstand steht die Unabhän- gigkeit der Forschung und mithin ihre Qualität.

Offenlegung möglicher Interessenkonflikte

Ein wichtiges Instrument, um mit möglichen Interessenkonflikten bei wissenschaftlichen Arbeiten umzu- gehen, ist die Sicherstellung best- möglicher Transparenz bei der Ver- öffentlichung von Forschungser- gebnissen. Dazu gehört die Offen- legung von Interessenkonflikten in Fachzeitschriften. International an- erkannte Empfehlungen für die an- zulegenden Kriterien bietet das In- ternational Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) (8).

Unter anderem beinhalten die Empfehlungen, dass nicht nur Inter- essenkonflikte von Autoren wissen- schaftlicher Beiträge offengelegt werden sollten, sondern auch von den Einrichtungen, an denen die Au- toren tätig sind, sowie von den Her- ausgebern und Gutachtern im Rah- men des Publikationsprozesses der jeweiligen Arbeit. Weiterhin geht es nicht nur um finanzielle Verbindun- gen und Zuwendungen. Aus ihnen können zwar vergleichsweise offen- sichtliche Interessenkonflikte resul- tieren; aber diese können auch nicht finanzieller Natur sein – wie etwa persönliche und institutionelle Be- ziehungen. Deshalb sollten, so die Empfehlungen, Angaben zu nicht finanziellen und finanziellen Inter- essenkonflikten gleichermaßen of- fengelegt werden (8).

Wenig Transparenz in der Praxis

Eine Untersuchung zur Praxis der Offenlegung von Interessenkon-

flikten in deutschsprachigen, in der Datenbank PubMed gelisteten Pu- blikationen zur Versorgungsfor- schung zeigt in dieser Hinsicht ernüchternde Ergebnisse. Lediglich bei elf von 124 untersuchten Fach- artikeln (neun Prozent) erhält der Leser Informationen zu möglichen Interessenkonflikten der Autoren.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass nur 58 Prozent (18 von 31) der eingeschlossenen Zeitschriften überhaupt Angaben zu Interessen- konflikten von Autoren bei der Manuskripteinreichung erwarten und dass die Angaben häufig nicht ver- öffentlicht und damit dem Leser nicht transparent gemacht werden.

Wenn Angaben zu Interessenkon- flikten gemacht werden, dann fast ausschließlich zu finanziellen.

Mögliche andere, nicht finanzielle Interessenkonflikte werden in den deutschsprachigen Publikationen zur Versorgungsforschung bislang kaum beachtet (9). Diese fehlende oder unzureichende Transparenz er- schwert die für den wissenschaftli- chen Dialog notwendige kritische Reflexion von Forschungsergeb- nissen (10).

Was bedeutet dies für die Versorgungsforschung?

Zu den Aufgaben der Versorgungs- forschung gehört es, Versorgungs- defizite zu identifizieren, an der Entwicklung und Umsetzung neuer Versorgungskonzepte mitzuwirken und ihre Wirksamkeit zu evaluieren.

Dazu zählen Untersuchungen des Versorgungsbedarfs, der Strukturen und Abläufe sowie der Effektivität und Effizienz von Versorgungsleis- tungen mit unmittelbarer gesund- heitspolitischer Entscheidungsrele- vanz (11).

Dies macht die Versorgungsfor- schung für zahlreiche Akteure sehr attraktiv, um bestimmte Versor- gungsbereiche und -inhalte im ei- genen oder im Interesse der eige- nen Klientel vorteilhaft zu gestal- ten: für die pharmazeutische und medizintechnische Industrie, aber auch für Kostenträger, Verbände und unterschiedlichste Interessen- vertreter (9).

Die Versorgungsforschung soll- te deshalb im eigenen Interesse

größten Wert auf Transparenz le- gen, um sich als anerkannte wis- senschaftliche Disziplin qualitativ und quantitativ weiterzuentwi- ckeln. Dies gilt im Besonderen an- gesichts der gegenwärtigen For- schungsförderungspraxis mit ei- nem hohen Anteil an Auftragsfor- schung (12).

Höhere Sensibilität

Um die Transparenz bei der Veröf- fentlichung von Ergebnissen der Versorgungsforschung zu verbes- sern, erscheinen unterschiedliche Maßnahmen sinnvoll: So sollten Angaben zu Interessenkonflikten grundsätzlich von den Autoren eingefordert und konsequent ver- öffentlicht werden, unabhängig von der Frage, ob mögliche Inter- essenkonflikte deklariert werden oder nicht. Wünschenswert, aber ungleich schwieriger zu realisieren ist die Einbeziehung von am Publi- kationsprozess beteiligten Gutach- tern und Herausgebern in die Of- fenlegungspraxis (13). Neben fi- nanziellen gilt es, auch die weithin unterschätzten nicht finanziellen Interessenkonflikte stärker zu berücksichtigen. Helfen könnte hier, den Kriterien des Internatio- nal Committee of Medical Journal Editors mehr Beachtung zu schen- ken (8, 9).

Dabei gilt: Die Forderung von konsequenterer Offenlegung mög- licher Interessenkonflikte bedeutet keinen Vorwurf, dass sie tatsäch- lich vorhanden sind. Ebenso wenig ist die Angabe von Interessenkon- flikten gleichzusetzen mit einer Herabstufung der Qualität von For- schungsergebnissen. Interessenkon- flikte, finanzielle wie nicht finan- zielle, werden sich niemals ganz vermeiden lassen. Bestmögliche Transparenz und Ehrlichkeit sollten aber Grundbestandteile eines guten wissenschaftlichen Arbeitens sein.

Nicht nur in der Versorgungsfor-

schung. I

Dr. med. Nils Schneider MPH Medizinische Hochschule Hannover Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1808

@

(3)

Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 182. Mai 2008 A1

T H E M E N D E R Z E I T

LITERATUR

1. DeAngelis C: The influence of money on medical science. JAMA 2006; 296:

996–8.

2. Arznei-Telegramm: Editorials, Studien, Leitlinien. Wie firmenlastig dürfen sie sein?

a-t 2006; 37: 45–6.

3. Lexchin J, Bero L, Djulbegovic B, Clark O:

Pharmaceutical industry sponsorship and research outcome and quality: systematic review. BMJ 2003; 326: 1167.

4. Bekelman J, Li Y, Gross C: Scope and impact of financial conflicts of interests in biomedical research: a systematic review.

JAMA 2003; 289: 454–65.

5. Bell C, Urbach D, Ray J, Bayoumi A, Rosen A, Greenberg D, Neumann P: Bias in published cost effectiveness studies:

systematic review. BMJ 2006; 332:

699–703.

6. Choudhry N, Stelfox H, Detsky A: Relations- hip between authors of clinical practice guidelines and the pharmaceutical in- dustry. JAMA 2002; 287: 612–7.

7. Angell M: Is academic medicine for sale?

N Engl J Med 2000; 342: 1518.

8. International Committee of Medical Journal Editors: Uniform Requirements for Manuscripts Submitted to Biomedical Journals. [www.ICMJE.org].

9. Schneider N, Lingner H, Schwartz FW:

Disclosing conflicts of interest in German publications concerning health services research. BMC Health Services Research 2007; 7: 78.

10. Luft H, Flood A, Escarce J: New policy on disclosures at health services research.

Health Serv Res 2006; 41: 1721–32.

11. Zentrum für Versorgungsforschung: Was ist Versorgungsforschung? [http://www.

zvfk.de/content/e2996/index_ger.html].

12. Pfaff H, Kaiser C: Aufgabenverständnis und Entwicklungsstand der Versorgungsfor- schung. Ein Vergleich zwischen den USA, Großbritannien, Australien und Deutsch- land. Bundesgesundheitsblatt 2006; 49:

111–9.

13. Haivas I, Schroter S, Waechter F, Smith R:

Editors` declaration of their own conflicts of interest. CMAJ 2004; 171: 475–6.

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 18/2008, ZU:

VERSORGUNGSFORSCHUNG

Mehr Transparenz bei

Interessenkonflikten

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Das Controlling des Amtes für Betriebswirtschaft und Aufsicht der Justiz-, Gemeinde- und Kir- chendirektion (JGK) zeigt auf, dass die Budgetkredite auf den Kontengruppen 301 (Löhne des

Für die zurückliegenden Fortbildungsbeiträge können die erworbenen Punkte nicht mehr nachgetragen werden.. Das Deut- sche Ärzteblatt dokumentiert aber auch weiterhin die

Hierzu zählen: Arthrosko- pie, diabetologische Schwer- punktpraxen, kernspintomo- graphische Untersuchungen der weiblichen Brust, Kolo- skopie (kurativ und präven-

D as Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizin- produkte (BfArM), Bonn, veröffentlicht aktuelle Infor- mationen über Risiken durch Medizinprodukte und Emp- fehlungen

Wenn es tatsächlich wahr ist, dass jetzt bereits Klinikärz- ten ein Zwangs- oder Straf- geld von 61,40 Euro ange- droht wird für den Fall des Nichtausfüllens eines Erfas-

Die Wertentwicklung der Rentenfonds mit Anlage- schwerpunkt Deutschland be- wegte sich im Januar 1990 zwischen - 1,6 und + 0,9 Pro- zent, ein Ein-Jahres-Ver- gleich zwischen 2,4

Auch die rund 2 300 Kran- kenhäuser müssen künftig schriftlich innerhalb von vier Wochen nach Ab- schluß der Krankenhausbehandlung die sozialversicherten Patienten über die

Ganz gleich welche Strukturen im stationären und ambulanten Bereich – fachärztliche oder hausärztliche Versorgungsebene – wir betrach- ten, sind vernetzte Strukturen auch