A 4 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 1–2|
10. Januar 2011 Der Bundesgerichtshof (BGH) hobEnde Dezember das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach ge- gen den ehemaligen Chefarzt der Klinik in Wegberg auf. Dieser war BUNDESGERICHTSHOF
„Zitronensaft-Urteil“ aufgehoben
nach Verwendung von Zitronensaft zur Wundbehandlung zu einer Be- währungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden – wegen Körperverletzung mit To- desfolge. Der BGH entschied, dass der Angeklagte die Patientin vor ei- ner kunstgerecht durchgeführten Darm-OP nicht darüber hätte auf- klären müssen, dass er bei einer möglichen Wundheilungsstörung Zitronensaft zur Desinfektion ver- wenden würde. Dies wäre nach Meinung des BGH nur dann erfor- derlich, wenn damit ein schwerwie- gendes Risiko verbunden ist. Die BGH-Richter werteten das Einbrin- gen des unsterilen Zitronensaftes in die Wunde lediglich als eine zusätz- liche bakterielle Belastung.
Der Angeklagte habe sich aller- dings durch die Zweitoperation der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht; denn vor diesem Eingriff hätte er die Patientin über das von ihm hierbei beabsichtigte Einbringen von Zitronensaft in die Wunde aufklären müssen. Ihm kön- ne dagegen keine Körperverletzung mit Todesfolge angelastet werden, da weder die Zweitoperation noch der Einsatz des Zitronensaftes zum Eintritt des Todes beigetragen hät- ten. Der BGH wies das Verfahren zur Neuverhandlung an das Land- gericht zurück. Dort steht der ehe- malige Chefarzt derzeit noch im Zusammenhang mit weiteren An- klagen der Staatsanwaltschaft vor
Gericht. TG
Zahl der Woche
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gesetzliche Krankenkassen gab es zum 1. Januar in Deutschland.
Anfang 2010 waren es 169, vor zehn Jahren 420.
Der Chefarzt der Wegberger Klinik hatte Operations- wunden mit Zitro- nensaft „desinfi- ziert“.
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Strafrecht und Be- rufsrecht harmoni- sieren: Jörg-Dietrich Hoppe will, dass ärzt- lich assistierter Suizid möglich wird.
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Der Präsident der Bundesärztekam- mer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, hat eine Liberalisierung beim ärztlich assistierten Suizid an- gekündigt. „Die Beihilfe zum Suizid ist nicht strafbar. Sie ist aber derzeit durch unser Berufsrecht als un- ethisch verboten. Diesen Wider- spruch müssen wir auflösen“, sagte er in einem Interview mit der
„Frankfurter Rundschau“. In dem Entwurf für die neuen Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung wer- de zwar klargestellt, dass Beihilfe zum Suizid nicht zu den ärztlichen Aufgaben gehöre. Sie solle aber möglich sein, wenn der Arzt das mit seinem Gewissen vereinbaren kön- ne. Zugleich sagte Hoppe aber auch:
„Mich schüttelt es allerdings bei der Vorstellung, dass ein Arzt beim Sui- zid hilft. Ich könnte das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“
Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, sprach sich dagegen „entschieden gegen einen Kurswechsel“ aus. „Ich lehne For- mulierungen ab, mit denen das Ver- bot der ärztlichen Suizidbeihilfe ge- lockert würde. Wir brauchen hier klare Grenzziehungen“, sagte Hen- ASSISTIERTER SUIZID
Hoppe für Liberalisierung
ke in einem Gespräch mit „Welt on- line“. Der FDP-Abgeordnete Mi- chael Kauch begrüßte Hoppes Vor- stoß: Palliativmediziner bestätigten, dass in etwa fünf Prozent der Fälle
eine wirksame Symptomkontrolle bei Schwerstkranken nicht gelinge.
„Für solche Fälle muss man darüber nachdenken, ob eine ärztliche Bei- hilfe beim Suizid möglich ist.“ Kli