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Archiv "Arbeitsbedingungen der Klinikärzte: Gezielte Maßnahmen, die sich lohnen" (15.04.2011)

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A 832 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 15

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15. April 2011

ARBEITSBEDINGUNGEN DER KLINIKÄRZTE

Gezielte Maßnahmen, die sich lohnen

Die Problembereiche ärztlicher Arbeit im Krankenhaus können positiv beeinflusst werden – zum Wohl von Arzt und Patient. Dies zeigt eine Interventionsstudie, die in einem Modellkrankenhaus durchgeführt wurde.

A

ngesichts der zunehmenden Arbeitsverdichtung bei einem sich manifestierenden Ärztemangel in den Krankenhäusern einerseits und der intensivierten Qualitätsdis- kussion andererseits gewinnt die Gestaltung von gesundheits- und leistungsförderlichen Arbeitsbedin- gungen für die Klinikärzte erheb- lich an Bedeutung. Dies belegt eine Untersuchung der Arbeitsgruppe

„Angewandte Medizin und Psycho- logie bei der Arbeit“ – einem Kon- sortium aus Arbeitsmedizinern und Arbeitspsychologen am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universi- tät München.

Im Rahmen der von der Bun - desärztekammer geförderten Ver- sorgungsforschungsinitiative unter- suchte die Arbeitsgruppe in einem Schwerpunktprojekt zwei Fragen:

Welche Auswirkungen hat die Arbeitssituation auf das Engage- ment, das Befinden und die Ge- sundheit der Klinikärzte sowie auf die Qualität der medizinischen Ver- sorgung?

Welche Lösungsansätze zur Arbeits- und Organisationsgestal- tung im Krankenhaus sind am ehesten dazu geeignet, die Ar- beitsbedingungen der Ärzte und die Qualität der Versorgung zu verbessern?

Viele Untersuchungen belegen, dass die ärztlichen Arbeitsbedin- gungen in den Krankenhäusern mitverantwortlich sind für die Ge- sundheit der Klinikärzte, genauso wie für ihre Motivation und ihre Arbeitszufriedenheit. Ärzte, die ih- re Stelle im Krankenhaus kün - digen, verweisen meist auf die schwierigen Arbeitsbedingungen.

Neben den Stressoren Arbeitsüber- lastung, zeitliche Überforderung und Schichtarbeit spielen auch psy- chosoziale Ressourcen eine wichti-

ge Rolle: Tätigkeitsspielraum, Par- tizipation an Entscheidungen, eine geregelte Weiterbildung mit struk- turiertem Feedback, eine gute Team - gestaltung und gute Mitarbeiter - führung sind nur einige der nachge- wiesenen Faktoren, die wesentlich zur Qualität der Arbeit im Kran- kenhaus beitragen.

Die wesentlichen Belastungen der Klinikärzte

Wenn Befinden und Gesundheit von Ärzten beeinträchtigt sind, wirkt sich das auch auf die Qualität ärztlicher Leistung aus. Zum Bei- spiel neigen depressive Ärzte in weit höherem Maß zu Medikations- fehlern als ihre nichtbetroffenen

Kollegen. Die Interaktion mit Pa- tienten, Kollegen und im Team ist erheblich verschlechtert, wenn Ärz- te unter übermäßiger psychischer Beanspruchung arbeiten.

Um ein repräsentatives Bild typi- scher Arbeitsbelastungen von Ärz- ten in Weiterbildung zu erhalten, wurden zwischen 2004 und 2007 drei Befragungen durchgeführt. Ins - gesamt beteiligten sich mehr als 500 Ärzte in Kliniken in und um München. Sie machten anhand ei- nes Fragebogens umfangreiche An - gaben zu ihrer Arbeitssituation, Gesundheit und Zufriedenheit. Dar - aus ergibt sich ein guter Überblick über wesentliche Arbeitsbelastun- gen von Klinikärzten.

TABELLE

Im Modellkrankenhaus identifizierte Problemschwerpunkte und in ärztlichen Qualitätszirkeln erarbeitete Lösungen und Maßnahmen

Problemschwerpunkte Arbeitsorganisation

häufige Arbeitsunterbrechungen, ausgeprägter Zeitdruck und Informationsdefizite

Organisationsseitige Ressourcen

unzureichende Unterstützung durch den Arbeitgeber, knappe personelle Ausstattung, mangelnde Mitwir- kungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten Führung

mangelndes Vorgesetztenfeedback, ungenügende Berücksichtigung individueller Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten.

Aus- und Weiterbildung der Klinikärzte unbefriedigende ärztliche Weiter- und Fortbildung

Gestaltungslösungen und Maßnahmen

Zur Reduktion unnötiger Arbeitsunterbrechungen wurde die Koordination ärztlicher und pflegerischer Tagesabläufe neu festgelegt. Zudem wurden Anruf- umleitungen und verbindliche Sprechzeiten für Ange- hörige eingeführt.

Eine abteilungsinterne, internetgestützte Informati- onsplattform wurde bereitgestellt, die Nachvollzieh- barkeit der Zeit- und Gehaltsabrechnung verbessert.

(In diesem Bereich blieben sichtbare Gestaltungs - lösungen und Umsetzungen trotz Einbindung eines Steuerkreises aus Entscheidungsträgern aus.)

Die jährlichen Mitarbeiterjahresgespräche durch Vor- gesetzte wurden (wieder-)eingeführt. Außerdem wurde die Präsenz der Vorgesetzten auf den Statio- nen verbessert.

Der Zugang zu Fachliteratur wurde verbessert. Die Ausbildung wird unterstützt, und es wurden abtei- lungsinterne Fallbesprechungen eingeführt.

T H E M E N D E R Z E I T

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 15

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15. April 2011 A 833 Mehr als zehn Prozent der Ärzte

berichteten über Mobbing, was für Sozialberufe nicht untypisch ist.

Jedoch liegen die Zahlen deutlich über dem Durchschnitt der arbei- tenden Bevölkerung. Als Verursa- cher werden vor allem die Füh- rungskräfte genannt – ein Hinweis auf die Problematik defizitärer Füh- rung im Krankenhaus. Ein Problem, das die Assistenzärzte besonders betrifft, ist die unbefriedigende Qualität der ärztlichen Weiter- und Fortbildung.

Die Klinikärzte berichten jedoch auch über günstige Aspekte ihrer Arbeit: Eine sehr geringe Arbeits- platzunsicherheit, Übertragung gro- ßer Verantwortung, anspruchsvolle und anforderungsreiche Arbeit so- wie ein hoher Grad an persönlicher Erfüllung in der Arbeit schlagen positiv zu Buche.

Zahlreiche Befunde aus der wis- senschaftlichen Literatur zeigen, dass Ärzte unter den Folgen ihrer beruflichen Belastungen leiden, mit vielfältigen Konsequenzen:

Arbeitsunzufriedenheit, beeinträch- tigte Lebensqualität, verminderte Motivation, Burn-out, Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben, bis hin zu Depression und Alko- holmissbrauch. Suizidraten sind unter Ärzten höher als in der All - gemeinbevölkerung. Permanenter beruflicher Stress ohne ausrei- chende Möglichkeiten der Rege - neration erhöht langfristig das Ri- siko für Erkrankungen, vor allem der Psyche und des Herz-Kreis- lauf-Systems.

Vier Problemschwerpunkte im Modellkrankenhaus

Auch in den Untersuchungen bei Assistenzärzten in Weiterbildung ist die Anzahl der Personen, bei denen der Verdacht auf eine kli- nisch relevante Depression vorliegt, hoch (etwa fünf Jahre nach Berufs- beginn sind zwölf Prozent betrof- fen). Die Erschöpfung durch die eigene Arbeit wird ebenfalls sehr aus geprägt erlebt. Arbeitsengage- ment und Lebenszufriedenheit der Klinikärzte liegen im Normbe- reich. Die Analysen zum Zusam- menhang ärztlicher Arbeitsbedin- gungen und Befindlichkeitsbeein-

trächtigungen lassen darauf schlie- ßen, dass „mangelnde Kontrolle“

(das heißt mangelnde Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten in der täglichen Arbeit) das Risiko späterer depressiver Beschwerden erheblich erhöhen.

Wie kann den genannten Pro- blemen begegnet werden? Ein Pa- tentrezept ist nicht in Sicht. Viel- mehr sind für das jeweilige Kran- kenhaus der konkrete Handlungs- bedarf und die Gestaltungsoptio- nen zu identifizieren, die eine Op- timierung der ärztlichen Arbeits - situation, meist ohne beträchtli- che Kosten, bewirken können. Im Rahmen des Projekts konnte dies in einer Modellklinik prototypisch erprobt und wissenschaftlich über- prüft werden.

In einem Krankenhaus der Allge- meinversorgung wurde eine Inter- ventionsstudie durchgeführt (frei- gemeinnütziger Träger, circa 350 Betten und 100 Ärzte). Es handelt sich in Struktur, Größe und Versor- gung um ein prototypisches deut- sches Krankenhaus, wie auch die Vergleiche mit der Ärztekohorte zeigten. Mittels standardisierter Be- fragung und Schichtbegleitungen wurde eine systematische Analyse zur Arbeits- und Befindlichkeitssi- tuation der Ärzte durchgeführt. Als Fazit der Ausgangsanalyse und der darauf basierenden Diskussion mit den betroffenen Ärzten identifizier- te die Arbeitsgruppe vier Problem- schwerpunkte (Tabelle).

In zwei Interventionsabteilun- gen (einer operativen und einer kon- servativen) und zwei fachgleichen Kontrollabteilungen wurden an- schließend die arbeits- und organi- sationsbezogenen Veränderungen sowie ihre Auswirkungen auf Ärz- te und Patienten im Längsschnitt über ein Jahr untersucht. Nur in den Interventionsabteilungen fan- den ärztliche Qualitätszirkel statt, in denen Ärzte unter arbeitspsy- chologischer Moderation Gestal- tungsmaßnahmen, das heißt Lö- sungsansätze für vordringliche Probleme mit den Arbeitsbedin- gungen, selbstständig entwickel- ten. Eine Projektsteuerungsgruppe aus Entscheidungsträgern der Ab- teilung, des Hauses und Mitarbei-

tervertretern überprüfte die Maß- nahmen und sorgte für die Unter- stützung bei der Umsetzung.

Die Ergebnisse der Evaluation zeigen positive Effekte im Vergleich zu den unbeteiligten Kontrollabtei- lungen – sowohl hinsichtlich der Arbeits- als auch der Befindlich- keitssituation der Ärzte. Führungs- und Mitsprachesituation werden als verbessert, die psychische Erschöp- fung als geringer erlebt. Auch eine qualitative Erfolgsbewertung durch die beteiligten Ärzte bestätigt dies.

Die Patienten bewerten nach den Veränderungen die Qualität der ärztlichen Versorgung in bestimm- ten Bereichen als besser.

Die Gesundheit der Ärzte als wertvolle Ressource

Die Studie zeigt bei allen methodi- schen Einschränkungen, dass auf Problembereiche ärztlicher Arbeit im Krankenhaus positiv eingewirkt wer - den kann – zum Wohl von Arzt und Patient. Auch wenn gewisse Ar- beitsbelastungen im ärztlichen Dienst unvermeidbar sind, können diese in ihrer Stärke und Konsequenz be - einflusst werden. Mit vertretbarem Aufwand und unter Einbindung der betroffenen Ärzte bieten sich er- folgsversprechende Möglichkeiten der Arbeits- und Organisationsge- staltung ärztlicher Arbeit.

Mittels geeigneter Arbeitsgestal- tungs- und Organisationsentwick- lungsmaßnahmen können mitar - beiterorientierte Veränderungspro- zesse herbeigeführt werden. Das gesundheitliche Befinden und die Leistungsfähigkeit von Klinikärz- ten sind eine wertvolle Ressource.

Daher gilt es, dieses Gut zu pfle- gen und zu fördern. Eine gesund- heits- und leistungsförderliche Ge- staltung ärztlicher Arbeit im Kran- kenhaus ist hierfür ein notwendiger

Schritt. ■

Prof. Dr. med. Peter Angerer, PD Dr. phil. Jürgen Glaser, Dr. med. Raluca Petru, Dr. phil. Matthias Weigl, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig- Maximilians-Universität München

Weitere an den Forschungsprojekten Beteiligte:

Anne Bradac, Thomas Brandl, Dr. Daniela Casar, Dr. Severin Hornung, Beate Huber, Inke Pappen- brook, PD Dr. Francesco Pedrosa-Gil, Eva Seiger- schmidt, Dr. Tina Wessels, Andrea Zupanc

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Referenzen

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