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ine Umfrage des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen/Rheinland- Pfalz des Marburger Bundes (MB) unter Ärzten von 600 Krankenhäusern ergab (Sommer 2004; Rücklauf der Fra- gebogen: 7,5 Prozent): Fast 90 Prozent der 1 385 befragten Klinikärzte wollen die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 48 Stunden begrenzen. Eine Optionsre- gelung für Ärzte, auf Wunsch des Ar- beitgebers länger zu arbeiten, wird prin- zipiell abgelehnt. Auch die Chefärzte plädieren zu mehr als 60 Prozent für die Einhaltung der Maximalarbeitszeit.Die weit überwiegende Mehrheit der Befragten will die Wochenarbeitszeit auf die tarifliche Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden beschränken. Allerdings sollten flexiblere Arbeitszeitmodelle bei entsprechender zusätzlicher Vergü- tung mit Zustimmung des Betroffenen möglich sein. Nur in Einzelfällen soll die Höchstgrenze von 48 Wochenstun- den – bei vergüteter Mehrarbeit – über- schritten werden können. Geklagt wurde auch, dass die geleistete Mehrarbeit weder ausreichend vergütet noch durch entsprechenden Freizeitausgleich abgegolten wird. Klinikärztinnen leisten im Schnitt 8,6 Stunden und Klinikärzte 10,8 Stunden mehr als das Soll. Ärzte sind meistens mehr durch Überstunden- stress belastet als Ärz- tinnen. In 54 Prozent der Fälle wird kein Freizeitausgleich für geleistete Überstunden gewährt. Kommunale Krankenhausträger glei- chen häufiger Überstun- den durch Freizeit aus als kirchliche Klinikträger.
Immerhin ein Lichtblick:
83 Prozent der befragten Klinikärzte erhalten Fortbildungsurlaub, allerdings jeder zweite hat keine Möglichkeit, sich während der Arbeitszeit medizinisch fortzubilden. Die Verwaltungsbürokra- tie absorbiert immer mehr ärztliche Arbeitskraft. In der Universitätsklinik Köln beispielsweise bleiben im Durch- schnitt lediglich 7,5 Minuten für direk- ten Kontakt je Patient und Tag.
Tarifverhandlungen längst überfällig
Die aktuellen Fakten nahm der MB zum Anlass, auf Tarifverhandlungen zur Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes zu pochen. Eine Verlängerung der Höchstarbeitszeit von mehr als zehn Stunden je Tag dürfe nur erfolgen, wenn dabei Bereitschaftsdienstzeiten in er- heblichem Maß anfallen (§ 7 Abs. 1 Ar- beitszeitgesetz) und folgende Grund- sätze beachtet werden: Höchstens zwölf
Stunden der gesamten täglichen Ar- beitszeit dürfen Regelarbeit sein; daran anschließende Mindestruhezeit von elf Stunden. Die so verlängerte gesamte tägliche Arbeitzeit soll das Doppelte der gesetzlichen täglichen Höchstar- beitszeit von acht Stunden nicht über- schreiten. Außerdem:
Einhaltung des Flächentarifvertrages;
gemeinsame Verhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, aber bei autonomer Kompetenz und getrennten Unterschriften;
Vergütung der Bereitschaftsdienste oder des Freizeitausgleichs zu hun- dert Prozent;
besondere Vergütungsanreize für Bereitschaftsdienste nachts sowie an Sonn- und Feiertagen;
Zahlung von Wechselschichtzulagen auch für Bereitschaftsdienste, wenn diese im Wechselschichtrhythmus ge- leistet werden.
Der MB kämpft für eine „deutliche verbesserte berufliche Situation von Ärztinnen“. Diese müssten in Füh- rungspositionen von Wissenschaft und Forschung, in der medizinischen Ver- sorgung und in der Selbstverwaltung entsprechend ihrer Zahl repräsentiert sein (dem Bundesvorstand des Mar- burger Bundes gehört allerdings nur noch eine Mandatsträgerin, Dr. med.
Heidrun Gitter, Bremen, an). Nach- drücklich stellte sich der Verband hin- ter Forderungen der Bund-Länder- Kommission für Bildungsfragen und Forschungsförderung, in Hochschul- kliniken Personalentwicklungs- maßnahmen für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung einzu- führen. Qualität und Chancen- gleichheit im medizinischen Sektor müssten in Hoch- schulen sowie außeruniver- sitären Forschungseinrich- tungen sichergestellt wer- den. In Universitätskli- niken sowie in den üb- rigen Krankenhäusern seien Mentoring-Pro- gramme für Frauen in der Medizin ebenso wie die vermehrte Schaf- fung von Teilzeitwei- terbildungsstellen das gebotene „Mittel der Wahl“. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K
Klinikärzte
Arbeitgeber müssen an den Verhandlungstisch
Tarifpolitische Forderungen des Marburger Bundes
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A3388 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 5010. Dezember 2004
Zeichnung: Erik Liebermann