1 990 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Bereich der Bezirksärz- tekammer Pfalz wurden im Dezember 1995 und im Januar 1996 um die Be- antwortung folgender Fragen gebeten:
¿ Wieviel Prozent Ihrer Patien- ten suchen Sie nach Ihrer Einschät- zung von sich auswegen umweltmedi- zinischer Probleme auf?
À Bei wieviel Prozent Ihrer Pati- enten vermuten Sieumweltmedizini- sche Zusammenhänge?
Á Bewerten Sie 20 Umweltno- xen hinsichtlich des Auftretens nach
„häufig“, „selten“ und „nie“ (unter diesen 20 Noxen verbarg sich auch die Frage nach „psychischen Überlage- rungen“).
Frei konnten „andere häufigere oder bedeutsame Umweltnoxen (auch am Arbeitsplatz)“ genannt wer- den. Belastungen durch Tabak, Alko- hol und andere Drogen sowie Medi- kamentenmißbrauch sollten ausge-
klammert werden. Schließlich wurde um generelle Anregungen zur Um- weltmedizin gebeten.
634 Kolleginnen und Kollegen antworteten, 537 Antwortbögen wa- ren auswertbar. Das entspricht einem Rücklauf von 27 Prozent – ein gutes Ergebnis, das erhebliches Interesse unter den Kammermitgliedern wider- spiegelt.
Bei der Beantwortung von Frage 1 zeigte sich, daß nach Auffassung der meisten Ärzte nur wenige Patienten von sich aus die Praxis wegen umwelt- medizinischer Probleme aufsuchten (Tabelle 1). Interessant ist, daß die Ärzte selbst hingegen häufiger um- weltmedizinische Zusammenhänge bei den Erkrankungen ihrer Patien- ten vermuteten (Tabelle 2).
Bei Frage 3 (Bewertung von 20 Umweltnoxen) stehen erwartungs- gemäß und, soweit sich das sagen läßt, offenbar in guter Übereinstimmung
A-211
P O L I T I K AKTUELL
Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 5, 31. Januar 1997 (23)
Im Ausschuß für Umwelt und Gesundheit der Bezirksärztekammer Pfalz wurde im Sommer 1995 beschlossen, die niedergelassenen Ärzte des Bezirks zu befragen, welchen Stellenwert sie den umweltmedizinischen Belastungen ihrer Patienten beimessen. Über den begrenzten Aussagewert einer solchen subjektiven Einschätzung waren sich die Beteiligten im klaren.
Andererseits sind die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen diejenigen, denen für sol- che Abschätzungen wahrscheinlich die verläßlichsten Informationen zur Verfügung stehen.
Antworten zu Frage 1: Wieviel Prozent Ihrer Patienten suchen Sie nach Ihrer Einschätzung von sich aus wegen umweltmedizinischer Probleme auf?
Anzahl der Patienten Zahl der Antworten
(in Prozent) (absolut)
0 bis 1 155
2 bis 5 214
6 bis 10 90
11 bis 20 55
> 20 23
537
Die Median- oder Zentralwerte (= 2. Quartile) lagen jeweils bei 5.
Tabelle 1
Tabelle 2
Antworten zu Frage 2: Bei wieviel Prozent Ihrer Patienten vermuten Sie umweltmedizinische Zusammenhänge?
Anzahl der Patienten Zahl der Antworten
(in Prozent) (absolut)
0 bis 1 88
2 bis 5 185
6 bis 10 121
11 bis 20 71
> 20 72
537
Die Median- oder Zentralwerte (= 2. Quartile) lagen jeweils bei 5.
Tabelle 3
Antworten zu Frage 3: Bewerten Sie 20 Umweltnoxen des Auftretens nach „häufig“, „selten“ und „nie“! Nennungen zu „häufig“.
Belastung Nennungen Nennungen
(absolut) (in Prozent) Fremdstoffe in Lebensmitteln 318 59 Körperpflegemittel, Kosmetika 272 51
Schimmelpilze 170 32
Haushaltschemikalien 168 31
Amalgamfüllungen 129 24
Luftverunreinigungen, Verkehr 116 22 Luftverunreinigungen, Industrie 116 22
Lösemittel 86 16
andere Metalle 75 14
Holzschutzmittel 69 13
weitere In-door-Belastungen 62 12
Verkehrslärm 62 12
Formaldehyd 43 8
andere Schädlingsbekämpfungsmittel 29 5
Gesundheitsschädlinge 25 5
Luftverunreinigungen, Hausbrand 19 4
elektromagnetische Felder 17 3
Nachbarschaftslärm 16 3
Trinkwasser 7 1
psychische Überlagerungen 354 66
Umfrage der Bezirksärztekammer Pfalz bei niedergelassenen Ärzten
Welchen Stellenwert haben
umweltmedizinische Belastungen?
mit den realen Belastungssituationen Fremdstoffe in Lebensmitteln, Kör- perpflegemittel, Kosmetika, Schim- melpilze und Haushaltschemikalien an der Spitze. Wie in manchen anderen Untersuchungen wird bei dieser Erhe- bung mit 66 Prozent zu einem hohen Prozentsatz eine psychische Überlage- rung angenommen (Tabelle 3).
Interessanterweise erfolgten dar- über hinaus 76 freie Nennungen. In der Mehrzahl waren sie aber den ge- nannten Noxen zuzuordnen. Häufiger als dreimal fanden Rauchen, Haus- staub/Milben, Klimaanlagen, Lärm und Bildschirmarbeitsplätze Erwäh- nung.
Die Aufschlüsselung der Ein- schätzungen nach Berufsgruppen er- gibt im Grunde statistisch keine rele- vanten Ergebnisse. Auch eine Be- wertung der Befragungsergebnisse nach Städten und Landkreisen ist nur sehr eingeschränkt möglich. Die niedrige Beteiligung von Ärzten aus Ludwigshafen an der Befragung ist wohl einerseits Ausdruck dafür, daß dort das Thema Umwelt ständig und in engem Kontakt mit der Bevölke- rung behandelt wurde und wird. An- dererseits ist darin auch ein Beleg für die umfangreichen Schutzmaßnah- men von seiten der Industrie (BASF) zu sehen. Der hohe Rücklauf aus dem nicht durch Industrie geprägten Stadtkreis Zweibrücken findet eine Erklärung möglicherweise in frühe- ren und jetzigen Industrieanlagen (Stahl, Kraftwerke) des westlich be- nachbarten Saarlandes.
Im Anschluß an die Fragen wur- den in großer Zahl weitere Anregun- gen zur Umweltmedizin gegeben. Die Befragung hat der Arbeit des Aus- schusses für Umwelt und Gesundheit zahlreiche Impulse gegeben und das Interesse an umweltmedizinischen Fragen im Kammerbereich deutlich gemacht.
Dr. med. Christian Dommes Facharzt für Urologie Hauptstraße 18 66953 Pirmasens
Prof. Dr. med. Jürgen P. Großer Facharzt für Hygiene
und Umweltmedizin Marie-Juchacz-Weg 8 67134 Birkenheide/Pfalz A-214
P O L I T I K AKTUELL
(26) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 5, 31. Januar 1997
Das Hessische Zentrum für Klini- sche Umweltmedizin (HZKUM) ist seit Juni letzten Jahres an der Justus- Liebig-Universität Gießen etabliert.
Es verfolgt ein Konzept der ambulan- ten und stationären Betreuung von umweltmedizinischen Patienten und bietet durch seine Organisationsstruk- tur alle Voraussetzungen für eine den heutigen Bedürfnissen angemessene umweltmedizinische Versorgung. Aus strukturellen Überlegungen heraus ergab sich die Notwendigkeit, die umweltmedizinische Zusammenarbeit der verschiedenen klinischen Diszipli- nen zu verstärken, ohne die klassi- schen Methoden der jeweiligen eige- nen Fachgebiete zu vernachlässigen.
Die folgenden Fachgebiete sind im HZKUM strukturell miteinander vernetzt: Hygiene und Umweltmedi- zin, Arbeits- und Sozialmedizin, Der- matologie, Allergologie und Androlo- gie, Psychosomatik, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Psychiatrie, Neuro- logie, Pathologie sowie Rechtsmedi- zin. Die Umweltmedizinische Ambu- lanz (UMA) des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin koordiniert alle Aktivitäten. Sie veranlaßt auch die Grundanamneseerhebung, die Festle- gung sowie mögliche Human-Monito- ring- beziehungsweise Ambient-Mo- nitoring-Untersuchungen.
Festes
Diagnoseschema
Für den umweltmedizinischen Pa- tienten besteht ein festes Diagnose- und Untersuchungsschema. Er wird anhand eines Patientenlaufzettels nach entsprechender Indikation zu den kli- nischen und theoretischen Bereichen geleitet. Fachpsychotherapeutische Erstinterviews erlauben eine differen- zierte Einschätzung psychosozialer (Begleit-)Ursachen der Symptomatik.
Außerdem verfügt das HZKUM über
umfangreiche Kapazitäten der speziel- len Schadstoffanalytik (mit fachlich adäquater Bewertung) in verschiede- nen Umweltlaboratorien. Erforderli- chenfalls können Ortsbegehungen mit externen Schadstoffmessungen, zum Beispiel im häuslichen Umfeld der Pa- tienten, vorgenommen werden. Zu- dem besteht die Möglichkeit, Patien- ten in eigenen, zur Zeit von der Der- matologie zur Verfügung gestellten Betten stationär aufzunehmen.
Regelmäßige
Fallbesprechungen Alle Befunde aus den kooperie- renden Fachbereichen werden von der UMA in einer zentralen Patien- tenakte zusammengetragen. Das wei- tere Vorgehen wird regelmäßig bei in- terdisziplinären Fallbesprechungen koordiniert. Sind alle Untersuchun- gen abgeschlossen und ist das weitere Verfahren festgelegt, findet ein um- weltmedizinisches Abschlußgespräch mit dem Patienten statt.
Das HZKUM strebt an, die Er- fahrungen aus ambulanter und klini- scher Tätigkeit wissenschaftlich zu dokumentieren und zu bewerten. Zu- dem wird eine enge Zusammenarbeit mit niedergelassenen Kollegen und auch Experten aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens ge- sucht, um eine fachlich sinnvolle um- weltmedizinische Beratung zu ermög- lichen. In Zusammenarbeit mit inter- nen und externen Kooperationspart- nern sollen darüber hinaus For- schungsvorhaben zur Entwicklung von Kriterien und Standards für die Klinische Umweltmedizin durchge- führt werden.
Prof. Dr. med. Thomas Eikmann Hessisches Zentrum für
Klinische Umweltmedizin Friedrichstraße 16 35385 Gießen