• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Hypertoniediagnose und Hypertonietherapie in der Praxis von niedergelassenen Ärzten" (12.03.1987)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Hypertoniediagnose und Hypertonietherapie in der Praxis von niedergelassenen Ärzten" (12.03.1987)"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Hypertoniediagnose

und Hypertonietherapie in der Praxis von

niedergelassenen Ärzten

Ergebnisse einer Ärztebefragung in München im Rahmen des WHO-Projektes

„Hypertension Control and Management"

Ursula Härtel, Ulrich Keil und Hans-Werner Hense

Wir haben zwar erst in Heft 45 vom 5.

11.

1986 einen Beitrag von Dr.

Kossow über das Ver- ordnungsverhalten der Kassenärzte bei essen- tieller Hypertonie veröf- fentlicht. Der ganz an- ders angelegte Beitrag von Härtel, Keil und Hense erscheint aber bei dieser wohl häufigsten Störung interessant ge- nug , dem Thema noch- mals Raum zu geben, zumal es sich um eine WHO-Studie handelt.

Rudolf Gross

GSF Medis-Institut, Arbeitsgruppe Epidemiologie

Neuherberg bei München

5. Außerdem wird der Ver- brauch von antihypertensiven Medi- kamenten im Zusammenhang mit den Verschreibungspraktiken in ver- schiedenen europäischen Populatio- nen untersucht („drug utilization study").

Aufgrund der Münchner Blut- druckstudie 1981 und 1982 existieren für die Stadt München bereits wich- tige Erkenntnisse zum Bekannt- heits- und Behandlungsgrad der Hy- pertonie auf Bevölkerungsebene (1, 2). Die folgende Studie bezieht sich nur auf den Punkt vier der oben dar- gestellten Untersuchungsebenen, al- so auf die Befragung von niederge- lassenen Ärzten zur Diagnostik, Therapie und Prävention der Hyper- tonie. Wir müssen natürlich bei ei- ner solchen Befragung davon ausge- hen, daß die Realität der Hyperto- niekontrolle in der ärztlichen Praxis nicht besser sein kann als die An- sichten der Ärzte zu diesem Thema.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Wie wird in der Praxis von niedergelassenen Ärzten der Blutdruck gemessen? Welche Einstellungen haben Ärzte zu verschiedenen Maßnahmen der Hypertoniekontrolle? Ober- halb welcher Blutdruckwerte beginnen sie in der Regel mit der medikamentösen Therapie? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert eine Ärztebefragung in München, die im Rahmen des europäischen WHO-Projektes "Hyperten- sion Control and Management" durchgeführt worden ist.

S

eit einigen Jahren wird vom europäischen Regio- nalbüro der Weltgesund- heitsorganisation in Ko- penhagen das Projekt

„Hypertension Control and Mana- gement" vorbereitet und durchge- führt. Hauptziel dieses Projektes ist es, den gegenwärtigen Stand der Er- kennung, Behandlung und Kontrol- le der Hypertonie in verschiedenen Ländern Europas zu erfassen und zu bewerten. Die gewonnenen Infor- mationen sollen langfristig dazu die- nen, im europäischen Raum die Hy- pertonie besser als bisher unter Kon- trolle zu bringen. Die Evaluation der Hypertoniekontrolle findet im Rahmen dieser Studie auf fünf Ebe- nen statt, auf denen jeweils spezielle Ziele verfolgt werden:

L Auf der Bevölkerungsebene wird mit Hilfe repräsentativer Quer- schnittsstudien der Bekanntheits- und Behandlungsgrad der Hyperto- nie in der Bevölkerung festgestellt ( „community surveys").

2. Auf der Patientenebene wird die medizinische Betreuung von hy- pertonen Patienten untersucht, ein- schließlich des diagnostischen Vor- gehens und möglicher Über- oder Unterversorgung („patient sur- veys").

3. Auf der „Konsumentenebe- ne" wird die Zufriedenheit und Ak- zeptanz der Hypertoniepatienten hinsichtlich der medizinischen Ver- sorgung erfaßt („consumer in- quiry").

4. Auf der Arztebene wird das Wissen und die Einstellung von Ärz- ten zum „Hypertonieproblem" , das heißt zur Diagnostik, Therapie und Prävention der Hypertonie erfragt („physician inquiry")

(2)

Hauptziele

der Arztebefragung in München

Das wichtigste Ziel der Ärzte- befragung in München ist die Erfas- sung von Wissen und Einstellung niedergelassener Ärzte zur Diagno- stik und Behandlung der Hyperto- nie. Sieht man einmal von Maßnah- men der Primärprävention ab, sind Ärzte, insbesondere niedergelassene Allgemeinärzte und Internisten, von herausragender Bedeutung für die Erkennung und Bekämpfung der Hypertonie.

Es existieren zwar zur Hyperto- niediagnose und Hypertonietherapie zahlreiche offizielle Empfehlungen, etwa der WHO (3), des amerikani- schen „Joint National Committee an Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Pressure"

(4) oder auch der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blut- drucks; wir wissen aber bis heute re- lativ wenig darüber, inwieweit diese Empfehlungen Eingang finden in die ärztliche Praxis beziehungsweise ob sie von den Ärzten „an der Basis"

für sinnvoll und durchführbar gehal- ten werden.

Die spezifischeren Fragestellun- gen der vorliegenden Studie sind fol- gende:

■ Unter welchen Bedingun- gen wird in der Praxis von niedergelassenen Allge- meinärzten und Internisten der Blutdruck gemessen?

Messen auch Arzthelferin- nen den Blutdruck?

■ Welche besonderen Maß- nahmen werden für die dia- gnostische Abklärung einer Hypertonie für erforderlich gehalten?

■ Oberhalb welcher Blut- druckwerte sehen niederge- lassene Ärzte eine medika- mentöse Therapie als not- wendig an, und welche Me- dikamente verordnen sie?

■ Welche Einstellungen exi- stieren zu verschiedenen Maßnahmen der Hyperto- niekontrolle?

Studienpopulation und

Methoden

Die Studienpopulation besteht aus allen niedergelassenen Interni- sten, Ärzten für Allgemeinmedizin und praktischen Ärzten in Mün- chen. Im Oktober 1985 waren dies in München-Stadt insgesamt n = 1251 (nach Abzug von „Ausfällen" wie verzogen, Praxis . aufgegeben, ver- storben). Diese Arzte erhielten den von uns entwickelten standardisier- ten Fragebogen, der 35 Fragen ent- hielt, die sich in folgende Themen- bereiche gliederten: a) Blutdruck- messung und Hypertoniediagnose, b) Hypertonietherapie, c) Einstel- lungen zu verschiedenen Maßnah- men der Hypertoniebekämpfung, d) Informationsquellen der Arzte, e) Fragen zur Praxisstruktur.

Von den 1251 Ärzten, die einen Fragebogen erhalten haben, schick- ten 465 den Fragebogen ausgefüllt zurück. Nach Berücksichtigung von Ärzten, die in Doppel- oder Drei- fachpraxen arbeiten, entsprach dies einer Teilnahmerate von etwa 40 Prozent.

Ein Vergleich von Nichtteilneh- mern und Teilnehmern an der Be- fragung hinsichtlich der Merkmale ärztliche Fachrichtung, Geschlecht und Alter zeigte: Allgemeinärzte waren eher als Internisten bereit, an der Befragung teilzunehmen, männ- liche Ärzte eher als weibliche. Hin- sichtlich des Alters der Ärzte gab es keine großen Unterschiede in der Teilnahmebereitschaft.

Ergebnisse

1. Blutdruckmessung und andere

diagnostische Maßnahmen

Die ersten Fragen im Fragebo- gen betrafen die Blutdruckmessung.

Tabelle 1 vermittelt einen Überblick über die Fragen und Antworten zu diesem Themenkomplex. Im einzel- nen soll hier nur auf die Fragen 3 bis 8 eingegangen werden. Nur 14 Pro- zent der befragten Ärzte gaben an, sie würden, je nach Armumfang des

Patienten, bei der Blutdruckmes- sung unterschiedliche Manschetten- größen verwenden, aber 46 Prozent antworteten, sie würden die gemes- senen Blutdruckwerte in Abhängig- keit vom Armumfang „korrigie- ren", also (wie wir annehmen) mit Hilfe eines Korrekturwertes, der zwar eine Zeitlang „en vogue" war, heute aber strikt abgelehnt wird.

Bei der Frage, welche Phase der Korotkoff-Geräusche für die Be- stimmung des diastolischen Blut- drucks verwendet wird, antworteten 30 Prozent der Ärzte „Phase IV", also das Leiserwerden des Geräu- sches und 66 Prozent „Phase V", das Sistieren des Geräusches. Die Antworten auf diese Frage variier- ten nach der ärztlichen Fachrich- tung. Die seit einigen Jahren von der WHO und anderen Organisationen (American Heart Association, Bri- tish Medical Research Council) empfohlene Phase V wurde zwar von 72 Prozent der Internisten ge- nannt, aber nur von 61 Prozent der Allgemeinärzte. Eine weitere Frage betraf die Druckablaßgeschwindig- keit bei der Blutdruckmessung. Sie sollte nicht höher als 2 bis 3 mmHg/

sec sein. Auf die entsprechende Fra- ge (vergleiche Frage 6 in Tabelle 1) gaben lediglich 16 Prozent der Ärzte diesen Wert an; 46 Prozent antwor- teten dagegen, die Druckablaß- geschwindigkeit sei in ihrer Praxis nicht festgelegt.

An die allgemeine Empfehlung, bei einem Patienten mit Verdacht auf Hypertonie während einer Kon- sultation mindestens zweimal den Blutdruck zu messen, halten sich al- lerdings fast 90 Prozent der Teilneh- mer unserer Befragung.

Interessant im Hinblick auf die Rolle des ärztlichen Hilfspersonals für die „Entdeckung" von Hyperto- nikern war das Ergebnis, daß in zwei Drittel der Arztpraxen auch Arzt- helferinnen, zumindest manchmal, den Blutdruck messen. Hier existier- ten kaum Unterschiede nach der Fachrichtung der befragten Ärzte, jedoch nach ihrem Alter: 42 Prozent der unter 50jährigen Ärzte gaben

an, daß in ihrer Praxis Arzthelferin- nen

„häufig" den Blutdruck mes- sen, aber nur 23 Prozent der über 50jährigen Ärzte.

Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987 (35) A-633

(3)

Tabelle 1: Fragen und Antworten zur Blutdruckmessung Fragen:

1. In welcher Stellung des Patienten messen Sie nor- malerweise den Blut- druck?

Antworten von 465 Allgemeinärzten und Internisten:*)

Liegend: 2%

Sitzend: 72%

Stehend: 0,4%

Unterschiedlich: 24%

2. An welchem Arm messen Am rechten Arm: 23%

Sie normalerweise den Am linken Arm: 16%

Blutdruck? Unterschiedlich: 37%

An beiden Armen: 22%

3. Benutzen Sie je nach Armumfang des Patienten unterschiedliche Manschet- tengrößen?

4. Korrigieren Sie die gemes- senen Blutdruckwerte in Abhängigkeit vom Arm- umfang?

5. Welche Phase der Korot- koff-Geräusche verwenden Sie für die Bestimmung des diastolischen Blut- drucks?

Ja: 14%

Nein: 86%

Ja: 46%

Nein: 53%

Phase IV: 30%

Phase V: 66%

Zusätzliche Fragen zur Blut- druckmessung betrafen das Blut- druckmeßgerät (Tabelle 2). Hier stellte sich heraus, daß in 62 Prozent der Praxen ein Quecksilber-Sphyg- momanometer vorhanden ist und daß in 78 Prozent der Fälle das Blut- druckmeßgerät mindestens einmal in einem Zeitraum von zwei Jahren geeicht wird, was gesetzlich vorge- schrieben ist.

Tabelle 3 stellt dar, welche wei- teren Untersuchungen, abgesehen von der Blutdruckmessung, zur dia- gnostischen Abklärung einer Hyper- tonie für notwendig gehalten wer- den. Die drei wichtigsten Maßnah- men, bei denen 80 und mehr Prozent der Ärzte angaben, sie wären „im- mer nötig", waren danach: Urinana- lyse, Serum-Kreatinin-Bestimmung und EKG. Die Serum-Kalium-Be- stimmung wurde im Vergleich dazu nur von 52 Prozent der Ärzte in die- ser Antwortkategorie genannt. 68 Prozent der Ärzte fanden die Be- stimmung des Gesamt-Cholesterins

„immer nötig" und 58 Prozent die Blutzuckerbestimmung. Immerhin 37 Prozent der Ärzte hielten auch die Nierensonographie für „immer nötig".

2. Hypertonietherapie

Die folgenden Ergebnisse be- treffen das Thema „Hyperto- nietherapie": Hier war es besonders interessant zu erfahren, oberhalb welcher Blutdruckwerte niederge- lassene Ärzte eine medikamentöse Therapie immer für erforderlich hal- ten, also auch unabhängig vom Alter der Patienten oder zusätzlichen Risi- kofaktoren. In Tabelle 4 sind diese Ergebnisse dargestellt. Beim diasto- lischen Blutdruck halten 43 Prozent der Ärzte im Bereich 100 bis 104 mmHg eine medikamentöse Thera- pie immer für erforderlich. Beim sy- stolischen Blutdruck ist es der Be- reich 160 bis 169 mmHg, von dem ab 46 Prozent der Ärzte die medika- mentöse Therapie immer für erfor- derlich halten. Betrachtet man die Prozentwerte kumulativ, dann wird deutlich, daß 14 Prozent der Ärzte bei diastolischen Werten unter 95 mmHg und 18 Prozent der Ärzte bei

6. Wie hoch ist die Druckab- laßgeschwindigkeit bei der Blutdruckmessung in Ihrer Praxis? (mmHg/sec) 7. Bei einem Patienten mit

Verdacht auf Hypertonie:

Wie oft messen Sie wäh- rend einer Konsultation diesem Patienten den Blutdruck?

8. Messen in Ihrer Praxis auch Arzthelferinnen den Blutdruck?

systolischen Werten unter 160 mmHg medikamentös behandeln.

88 Prozent der Ärzte geben an, bei einem diastolischen Blutdruck unter 105 mmHg eine medikamentöse Therapie einzuleiten, also im Be- reich der sogenannten milden Hy- pertonie.

2 mm Hg: 16%

5 mm Hg: 31%

10 mm Hg: 4%

Nicht festgelegt: 46%

1 mal: 11%

2 mal: 68%

3 mal: 18%

Ja, häufig: 34%

Ja, manchmal: 42%

Nein, nie: 24%

Die Ärzte wurden außerdem ge- fragt, ob es auch Fälle gäbe, in de- nen sie unterhalb der von ihnen ge- nannten Blutdruckwerte eine medi- kamentöse Therapie einleiten wür- den. Dabei zeigte sich, daß etwa die Hälfte der Ärzte ihre Entscheidung von zusätzlichen Risikofaktoren wie

*) Wenn sich die Prozentangaben nicht auf 100 addieren, lagen Antworten wie „keine An- gabe" oder „weiß nicht" vor.

Ärztebefragung München 1985

(4)

Übergewicht, Rauchen, Hypercho- lesterinämie abhängig macht und knapp zwei Drittel vom Alter der Patienten. Bei jüngeren Patienten würden die meisten Ärzte eher Me- dikamente geben als bei älteren Pa- tienten.

Der durchschnittliche Anteil von Hypertonikern, der von den Allgemeinärzten und Internisten oh- ne Medikamente behandelt wird, liegt bei 12 Prozent.

Weitere Fragen bezogen sich auf die Medikamentengruppen, die im Falle einer Therapie „in der Re- gel zuerst" verordnet werden, und zwar gegebenenfalls je nach Alter der Patienten. Im Fragebogen abge- druckt war dazu eine Liste mit den folgenden Medikamentengruppen:

Beta-Blocker, Diuretika, Vasodila- tatoren, Reserpin, Kalzium-Antago- nisten, ACE-Hemmer, andere.

Tabelle 5 zeigt, daß für 12 Pro- zent der Ärzte die Entscheidung für eine bestimmte Medikamentengrup- pe unabhängig ist vom Alter der Pa- tienten. Von den übrigen Ärzten antwortete die große Mehrheit, sie würden bei jüngeren Patienten zu- erst Betablocker verordnen (93 Pro- zent der Allgemeinärzte, 87 Prozent der Internisten) und bei älteren Pa- tienten zuerst Diuretika (76 Prozent der Allgemeinärzte, 75 Prozent der Internisten). 12 Prozent der Allge- meinärzte und 9 Prozent der Interni- sten verordnen bei älteren Patienten zuerst Kalzium-Antagonisten und keine Diuretika.

Die Rubrik „Andere Medika- mente" umfaßt in Tabelle 5 bei den

„jüngeren Patienten" Reserpin, Kalzium-Antagonisten und Vasodi- latatoren, bei den älteren Patienten Beta-Blocker, Reserpin und ACE- Hemmer (in der aufgeführten Rei- henfolge).

Eine weitere Frage lautete:

„Wenn sich der Blutdruck Ihres Hy- pertonie-Patienten normalisiert hat, kommt es dann vor, daß Sie die An- tihypertensiva-Einnahme unterbre- chen oder ganz absetzen?". Von 465 Ärzten antworteten

1. Welches Blutdruck- meßgerät benutzen Sie in Ihrer Praxis?

(Mehrfachangaben möglich)

2. Wie oft wird Ihr Blutdruckmeßgerät geeicht?

*) Ärztebefragung München 1985

Bei der Frage nach der „Com- pliance" ihrer Patienten ( „Wie hoch schätzen Sie etwa den Anteil Ihrer Hypertonie-Patienten ein, die ihre Antihypertensiva nicht genau nach Verordnung einnehmen?") streuten die Antworten der Ärzte sehr weit: So schätzte zum Beispiel knapp ein Zehntel der Ärzte den Anteil ihrer Patienten, die ihre Medikamente

1mal pro Jahr: 14%

1mal in 2 Jahren: 64%

Seltener: 19%

Kann nicht geeicht werden: 1%

nicht genau nach Verordnung einneh- men, auf ca. 5 Prozent, ein weiteres Zehntel schätzte diesen Anteil aller- dings auf 50 Prozent. Die am häufig- sten genannten Schätzungen lagen je- doch zwischen 10 und 30 Prozent. Al- tere Ärzte beurteilten die „Com- pliance" ihrer Patienten etwas positi- ver als jüngere Ärzte, Allgemeinärzte etwas positiver als Internisten. >

Tabelle 2: Fragen und Antworten zum Blutdruckmeßgerät

Fragen: Antworten von 465

Allgemeinärzten und Internisten:*) Quecksilber-Sphygmomanometer: 62%

Anaeroid-Manometer: 51%

Automatisches Meßgerät: 27%

Sonstiges: 2%

Tabelle 3: Diagnostik zur Abklärung einer Hypertonie

Frage: Antworten von 465

Allgemeinärzten und Internisten:*) Abgesehen von der Blutdruckmessung, Nur in welche weiteren Untersuchungen hal- manchen

ten Sie zur diagnostischen Abklärung Immer Fällen Nicht einer Hypertonie für erforderlich? nötig nötig nötig

Urinanalyse 85% 11% 2%

Serum-Kreatinin 84% 13% 1%

EKG 80% 14% 1%

Gesamt-Cholesterin 68% 23% 3%

Blutzuckerbestimmung 58% 32% 3%

Spiegelung des Augenhintergrundes . 55% 37% 3%

Harnsäure 54% 33% 5%

Serum-Kalium 52% 34% 5%

Röntgen des Thorax 43% 42% 7%

Nierensonographie 37% 47% 7%

HDL-Cholesterin 31% 45% 7%

Ausscheidungs-Urographie 7% 67% 12%

Sonstiges 5% 14% 77%

5%

37%

47%

10%

„Ja, kommt häufig vor":

„Ja, manchmal":

„Ja, aber selten":

„Nein, nie":

*) Wenn sich die Prozentangaben nicht auf 100 addieren, lagen Antworten wie „keine An- gabe" oder „weiß nicht" vor.

Ärztebefragung München 1985

Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987 (39) A-637

(5)

3. Einstellungen zu ver- schiedenen Möglichkeiten der Hypertonie-Kontrolle

Ein spezieller Fragenkomplex befaßte sich mit verschiedenen An- sichten zum Thema Hypertoniekon- trolle. Hier wurden die Ärzte gebe- ten, zu einer Reihe vorgegebener

„statements", (die sich zum Bei- spiel um die Blutdruckselbstmes- sung der Patienten oder um die ein- geschätzte Wirksamkeit medizini- scher Aufklärungskampagnen in Rundfunk und Fernsehen drehten) ihre Meinung zu äußern.

In Tabelle 6 sind die Ergebnisse dieser Befragung dargestellt. Um die Übersicht zu vereinfachen, ent- hält die Tabelle nur diejenigen Ant- worten, die in der Kategorie „Stim- me sehr zu" oder „Stimme etwas zu" gegeben wurden. Weitere Ant- wortkategorien im Fragebogen lau- teten „Weder noch", „Lehne etwas ab", „Lehne völlig ab". Da sich die Ansichten der Ärzte zwar nach ih- rem Alter, aber kaum nach der ärzt- lichen Fachrichtung unterschieden, differenziert die Darstellung nach Ärzten unter 50 Jahren und Ärzten über 50 Jahren.

Offenbar steht ein sehr großer Anteil der Ärzte der Blutdruck- selbstmessung von Patienten positiv gegenüber, obwohl gleichzeitig eine gewisse Skepsis geäußert wird, daß diese Selbstmessung Patienten dazu verleiten könnte „non-compliant"

zu sein. Jüngere Ärzte sind hier et- was weniger skeptisch als ältere Ärzte.

Etwa 40 Prozent der Ärzte stim- men „sehr" oder „etwas" der Aus- sage zu, daß Hypertonikern „ganz allgemein" zu schnell Medikamente verordnet werden. Ein auffallend großer Anteil von Ärzten ist jedoch der Meinung, daß die Patienten eher bereit sind, regelmäßig Tabletten einzunehmen, als in „irgendeiner Weise ihr Verhalten zu ändern" (92 Prozent der älteren und 83 Prozent der jüngeren Ärzte). Etwa 67 Pro- zent der jüngeren Ärzte und 52 Pro- zent der älteren Ärzte teilen aber auch die Auffassung, daß die dau- ernde Medikamenteneinnahme für viele Patienten eine „seelische Bela- stung" bedeutet.

unter 90 90 - 94 95 - 99 100 - 104 105 - 109 110

unter 140 140 - 149 150 - 159 160 - 169 170 - 179 180 - 189 190

Der Ansicht, daß medizinische Aufklärungskampagnen über Zei- tungen, Rundfunk und Fernsehen die Behandlung von Hypertonikern eher erschweren als unterstützen, stimmen 47 Prozent der Ärzte über

Bei jüngeren Patienten zuerst:

Beta-Blocker Diuretika

Andere Medikamente Bei älteren Patienten zuerst:

Diuretika

Kalzium-Antagonisten Vasodilatatoren Andere Medikamente

0 0

14 14

31 45

43 88

5 93

6 99

1

4 5

13 18

46 64

13 77

16 93

5 98

50 Jahre, aber nur 28 Prozent der jüngeren Ärzte zu.

Interessant war ebenfalls, daß nur sehr wenig Ärzte der Aussage zustimmten: „Ich habe für ausführ- liche Gespräche mit meinen Hyper- Tabelle 4: Oberhalb welcher Blutdruckwerte halten Sie eine

medikamentöse Therapie immer für erforderlich?

Antworten von 465 Ärzten *) in % Diastolischer Blutdruck

(mmHg) % kumulativ

Systolischer Blutdruck

(mmHg) % kumulativ

*) Allgemeinärzte und Internisten zusammengefaßt Ärztebefragung München 1985

Tabelle 5: Medikamentöse Hypertonietherapie: Welche Medika- mentengruppe wird in der Regel zuerst verordnet?

Allgerneinärzte Internisten (n = 205)*) (n = 200)*)

93% 87%

2% 4%

2% 6%

76% 75%

12% 9%

3% 4%

7% 9%

*) 54 Ärzte (12%) unterscheiden nicht nach dem Alter der Patienten Ärztebefragung München 1985

(6)

tonie-Patienten zu wenig Zeit", was sicherlich ein Indikator dafür ist, daß die Teilnehmer der vorliegen- den Studie das „Problem Hyperto- nie" nicht unterschätzen. Für Letz- teres spricht auch, daß 86 Prozent der jüngeren und 75 Prozent der äl- teren Ärzte die Auffassung bekräf- tigten: „Es wäre wünschenswert, die Bevölkerung mehr als bisher über die Gefahren der Hypertonie aufzu- klären."

Zusammenfassung und Diskussion

Die vorliegende Untersuchung ist im Rahmen des „Hypertoniekon- troll- und Management"-Projektes der WHO Europa ein erster Schritt, Wissen und Einstellungen niederge- lassener Allgemeinärzte und Interni- sten zum Thema Hypertoniediagno- stik und Hypertonietherapie zu er- fassen. Es ist anzunehmen, daß be- sonders interessierte und gut infor- mierte Ärzte bei den Teilnehmern unserer Befragung eher überreprä- sentiert sind, so daß sich die gewon-

Die Vorstellungen über die Blutdruckmessungen stim- men nicht mit den WHO- Empfehlungen überein.

nenen Ergebnisse nicht ohne weite- res auf alle niedergelassenen Ärzte Münchens übertragen lassen. Den- noch liefern die Resultate dieser Studie neben dem allgemeinen Ein- druck einer recht gut informierten Ärzteschaft auch Einblicke in mög- liche Problembereiche der Hyperto- niekontrolle.

Generell war festzustellen, daß die Meinungen der befragten Ärzte hinsichtlich der Hypertonietherapie (etwa von welcher Blutdruckhöhe ab Antihypertensiva verordnet wer- den sollten) stärker mit den allge- meinen Empfehlungen der WHO oder der Deutschen Liga zur Be- kämpfung des hohen Blutdrucks übereinstimmten als die Vorstellun- gen zur Blutdruckmessung. Im Hin- blick auf die Blutdruckmeßtechnik müßte sicher in Zukunft intensiver

Tabelle 6: Einstellungen von niedergelassenen Allgemeinärzten und Internisten zu verschiedenen Themen der Hypertoniekontrol- le, differenziert nach Alter der Ärzte

Vorgegebene Aussagen Es stimmten

„sehr" oder „etwas" zu*) Ärzte < 50 J. Ärzte 50 J.

(n = 264) (n = 201)

1. Ich halte die Blutdruckselbstmes- sung der Hypertoniker für ein wirk- sames Mittel, den Behandlungser-

folg zu erhöhen. 79% 69%

2. Die Blutdruckselbstmessung verlei- tet Hypertoniker dazu, sich nicht ge- nau an die ärztlich verordnete The-

rapie zu halten. 49% 56%

3. Ganz allgemein werden Hypertoni- kern zu schnell Medikamente ver-

ordnet. 41% 40%

4. Medizinische Aufklärungskampa- gnen über Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen unterstützen die Be- handlung nicht, sondern erschweren

sie nur. 28% 47%

5. Patienten sind eher bereit, regelmä- ßig Tabletten einzunehmen als in ir- gendeiner Weise ihr Verhalten zu

ändern. 83% 92%

6. Die dauernde Medikamentenein- nahme bedeutet für viele Patienten

eine seelische Belastung. 67% 52%

7. Ich habe für ausführliche Gespräche mit meinen Hypertoniepatienten zu

wenig Zeit. 17% 16%

8. Nebenwirkungen von Blutdruckme- dikamenten müssen vom Patienten

in Kauf genommen werden. 56% 56%

9. Es wäre wünschenswert, die Bevöl- kerung mehr als bisher über die Ge-

fahren der Hypertonie aufzuklären. 86% 75%

*) Die übrigen Antwortmöglichkeiten waren „weder noch", „lehne etwas ab", „lehne völ- lig ab"

Ärztebefragung München 1985

A-640 (42) Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987

(7)

als bisher darauf hingewiesen wer- den, wie wichtig für die Hypertonie- kontrolle die exakte standardisierte Blutdruckmessung ist. Die Verwen- dung breiterer Manschetten etwa bei Oberarmumfängen von mehr als 40 cm scheint in die ärztliche Praxis bis- her kaum Eingang gefunden zu ha- ben. Auch die empfohlene Phase V der Korotkoff-Geräusche für die Be- stimmung des diastolischen Blut- drucks verwenden bisher nur etwa zwei Drittel der von uns befragten Ärzte. Die Empfehlung, daß der Manschettendruck im Meßbereich des systolischen und diastolischen Blutdrucks höchstens um 2 bis 3 mmHg/sec vermindert werden darf, müßte in Zukunft ebenfalls mehr Beachtung finden.

Wegen unterschiedlicher Stich- proben, Methoden und Zeitpunkte der Untersuchungen sind die Ver- gleiche mit ähnlichen Ärztebefra- gungen in den USA und Großbritan- nien etwas problematisch (5, 6, 7, 8). Dennoch kann man sagen, daß in den USA im Bereich der sogenann- ten „milden" Hypertonie (diastoli- scher Blutdruck 90 bis 104 mmHg) früher mit der Verordnung von An- tihypertensiva begonnen wird als in München, insbesondere im viel dis- kutierten Bereich 90 bis 95 mmHg Laut einer Befragung von Ärzten im US Bundesstaat Maryland 1983 (6) verordnen 33 Prozent der dortigen Ärzte bereits bei einem diastoli- schen Blutdruck unter 95 mmHg Antihypertensiva, und zwar bei ei- nem ansonsten gesunden Patienten mittleren Alters. In München hiel-

Die Blutdruckmessungen müssen genauer und zuverlässiger werden.

ten nur 14 Prozent der Ärzte bei ei- nem diastolischen Blutdruck unter 95 mmHg die Einnahme von Anti- hypertensiva immer für erforderlich.

Norman M. Kaplan moniert in seinem Artikel „Therapy of mild hy- pertension: an overview" (11), daß in den USA die Ärzte ihre Patienten

„aggressiver" mit Medikamenten behandeln als dies aufgrund offiziel-

ler Empfehlungen nötig sei. Gegen- beispiel dazu sind allerdings die Er- gebnisse der Studie von Fortman et al. in Monterey, Kalifornien (8).

Dort meinten bei einer Befragung nur 32 Prozent der Ärzte, daß ein diastolischer Blutdruck unter 100 mmHg medikamentöser Behand- lung bedürfe.

„Phase V" der Korotkoff- Geräusche für die Bestim- mung des diastolischen Blutdrucks verbindlich nach WHO-Empfehlungen.

Auffallend beim Vergleich zwi- schen München und „Maryland"

(6) war, daß die amerikanischen Ärzte als „firnt-step"-Therapie fast ausschließlich Diuretika verordnen, während in München etwa 90 Pro- zent der Ärzte zumindest bei jünge- ren Patienten zuerst Beta-Blocker verordnen und nur bei älteren Pa- tienten zuerst Diuretika, was durch- aus im Einklang mit den Empfehlun- gen der WHO steht.

Literatur

1. Stieber, J.; Döring, A.; Keil, U.: Häufig- keit, Bekanntheits- und Behandlungsgrad der Hypertonie in einer Großstadtbevölke- rung, MMW 124 (1982) 747-752

2. Keil, U.; Stieber, J.; Döring, A.; Fricke, H.: Ergebnisse der Münchner Blutdruck- studie und Aufbau des Münchner Blut- druckprogramms, Öff. Gesundheitsw. 44 (1982) 727-732

3. WHO: 1986 Guidelines for the Treatment of Mild Hypertension: Memorandum from a WHO/ISH Meeting, J. of Hypertension 4 (1986) 383-386

4. The 1984 Report of the Joint National Committee an Detection, Evaluation and Treatment of High Blood Pressure, Arch.

Intern. Med. 144 (1984) 1045-1057 5. Manek, S.; Rutherford, J.; Jackson, S. H.

D.;. Turner, P.: Persistence of divergent views of hospital staff in detecting and ma- naging hypertension, British Medical J. 289 (1984) 1433-1434

6. Cloher, Th. P.; Admin, M.; Whelton, P.

K.: Physician Approach to the Recognition and Initial Management of Hypertension, Results of a Statewide Survey of Maryland Physicians, Arch. Intern. Med. 146 (1986) 529-533

7. Thomson, G. E.; Alderman, M. H.; Was- sertheil-Smoller, S.; Rafler, J. G.; Samet, R.: High Blood Pressure Diagnosis and

Zum Schluß bleibt natürlich zu fragen, warum bei den insgesamt recht positiven Ergebnissen der Münchner Ärztebefragung auch in München noch so viele Hypertoni- ker „unentdeckt" sind oder nicht erfolgreich behandelt werden (1).

Im Falle der behandelten Hyperto- niker stößt man dabei auf das

„Compliance-Problem" also auf die Tatsache, daß ein großer Teil der Patienten sich nicht an die verordne- te Therapie hält.

Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten scheinen auch in Europa die Ärzte die Schuld dafür eher bei ih- ren Patienten zu suchen, während die Patienten den Ärzten die Schuld geben (6, 10). Die von der Weltge- sundheitsorganisation im Rahmen des Hypertonie-Projektes geplanten Patientenbefragungen können hier sicher Aufklärung bringen und eine Reihe von Mißverständnissen aus- räumen.

Neben der Arzt- und Patienten- compliance müßte in Zukunft aber auch der besseren Diagnostik der Hypertonie, das heißt der genauen und zuverlässigen Blutdruckmes- sung mehr Aufmerksamkeit ge- schenkt werden als bisher.

Treatment: Consensus Recommendations US Actual Practice, Americ. J. Public Health AJPH 71 (1981) 413-416

Fortmann, St. P.; Sallis, J. F.; Magnus, P.

M.; Farquhar, J. W.: Attitudes and Practi- ces of Physicians Regarding Hypertension and Smoking: The Stanford Five City Pro- ject, Prev. Med. 14 (1985) 70-80 Folsom, A. R.; Prineas, R. J.; Jacobs, D.

R.; Luepker, R. V.; Gillum, R. F.: Measu- red Differences between Fourth and Fifth Phase Diastolic Blood Pressures in 4885 Adults: Implications for Blood Pressure Surveys, Intern. J. of Epidemiology 13 (1984) 436-441

Kunze, M.; Schoberberger, R.: Compli- ance-Studie, DMW, 108 (1983) 735-738 Kaplan, N. M.: Therapy of Mild Hyperten- sion: An Overview, Am. J. Cardiol. 55 (1984) 2A-8A

Anschrift für die Verfasser:

Dr. rer. soc. Ursula Härtel

GSF Medis

-

Institut

Arbeitsgruppe Epidemiologie Ingolstädter Landstraße 1 8042 Neuherberg bei München

8.

9.

10.

11.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Michael Schulte Westenberg, greift ein drängendes und notwendig zu be - handelndes Problem der sächsischen Ärzteschaft, aber nicht nur dieser, auf und verweist noch auf

Im Zuge der Neufassung dieser Verordnung sowie der Neufassung der Richtlinie der Bundesärztekammer (BuÄK) zur Qualitätssicherung quantitativer laboratoriums-

bung: im Sinne von 1) der Eingliederung oder sozialen Integration von immer mehr Bevölkerungsgruppen in die Grundinstitutionen einer Gesellschaft, 2)

Die Patienten werden nach der Primärtherapie vor der Entlassung aus dem Krankenhaus um ihr Ein- verständnis gebeten, sich für Nach- sorgeuntersuchungen beim Hausarzt von

132 in einem Leitartikel über Kostensteigerungen für Arzneimittelausgaben im GKV- Sektor berichtet und dabei unter an- derem festgestellt, daß die Zahl der Verordnungen

Im Ausschuß für Umwelt und Gesundheit der Bezirksärztekammer Pfalz wurde im Sommer 1995 beschlossen, die niedergelassenen Ärzte des Bezirks zu befragen, welchen Stellenwert sie

Falls sich damit der Blutdruck nicht stabilisieren lässt, sollte eine.. Kombinationstherapie mit zwei oder später mit drei

Nach Meinung des Refe- renten dürfte dies seine Ursache darin haben , daß die meisten Pa- tienten nicht bereit seien , ihre Le- bensgewohnheiten dahingehend zu ändern,