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Lungenfunktionsprüfung in der Praxis des
niedergelassenen Arztes
Der gegenwärtige hohe Standard aufwendiger pneumologischer La- bors wirft durch Entstehung von Folgekosten die Frage der Effi- zienz diffiziler Analysen auf. Daher scheint es heute an der Zeit, noch einmal die Prinzipien der einfa- chen Lungenfunktion zu durch- denken.
Zudem ist auffällig, daß ange- sichts der Häufigkeit von Erkran- kungen der Atmungsorgane die Lungenfunktionsdiagnostik eher zurückhaltend eingesetzt wird.
So hat eine statistische Erhebung des Autors an 6000 bayerischen Ärzten ergeben, daß in der interni- stischen Praxis zwar zu 94 Prozent und vom Allgemeinarzt zu 63 Pro- zent Elektrokardiogramme ange- fertigt werden, während jedoch nur jeder 5. Internist und sogar nur jeder 20. Allgemeinarzt irgendei- ne Lungenfunktionsprüfung vor- nimmt.
Die Arbeit des Autors weist nun darauf hin, daß die Anschaffung und der Unterhalt von einfachen
Lungenfunktions-Prüfgeräten durch Neuentwicklungen heute durchaus kostengünstig ist und daß diese Geräte für die Vorfeld- diagnostik meist ausreichen.
Bei der Anschaffung eines Gerätes sollte besonderes Augenmerk auf die Genauigkeit und Überprüf- barkeit der Meßergebnisse gerich- tet werden (accuracy).
Trotz Digitalanzeige und Drucker- einrichtungen sollte bei allen Vo- lumina-anzeigenden Apparaten in herkömmlicher Weise die Mög- lichkeit bestehen, durch einfache Eichpumpen die Ergebnisse zu überprüfen.
Die Frage nach der Genauigkeit der Meßergebnisse und deren Re- produzierbarkeit kann bei moder- nen Geräten als gelöst angesehen werden (precision).
Die nächste Frage gilt der Emp- findlichkeit der Methode (sensitivi- ty) und zielt auf Trennschärfe in der Erfassung von Normvarianten bzw. initialen Lungenfunktions- störungen.
Die Frage nach der Trennschärfe bei gesunden und krankhaften Grenzbefunden (spezifity) wurde bereits angesprochen.
Bei Grenzbefunden zwischen krank und gesund, die die biologi- sche Streuung nicht befriedigend ausdeuten, muß die Ausweitung der Lungenfunktionsanalyse mit vertiefenden Methoden angestrebt werden.
Die letzte Frage gilt der prakti- schen Durchführung der Lungen- funktionsmessung und richtet sich an den Meß- und Auswer- tungskomfort der Geräte.
Nach Darlegung der apparativen Grunderfordernisse sollen die wichtigsten lungenfunktionellen Forderungen dargelegt werden.
Mindestens zwei Meßgrößen sind erforderlich: 1. Vitalkapazität (ma- ximales Einatemvermögen), 2. for- ciertes Expirationsvermögen (Tif- feneau-Test).
Da in der ersten Sekunde je nach Lebensalter 70 bis 80 Prozent der Vitalkapazität forciert ausgeatmet werden können, ergeben sich durch die einfache apparative An- ordnung Hinweise für restriktive — oder auch obstruktive — Ventila- tionsstörungen oder aber Normal-
befunde.
Mit dem Keilbalg-Trockenergospi- rometer können derartige Bestim- mungen ausreichend ausgeführt werden (z. B. Vitalograph, Vica- Test der Fa. Heilige).
Gegenüber dem angelsächsi- schen Verfahren, die Vitalkapazi- tät aus dem forcierten Exspira- tionsmanöver zu bestimmen, sei- en hier Vorbehalte angemeldet, da der obstruktive Patient im langsa- men Einatemmanöver meist eine
größere Vitalkapazität einatmet als im zeitlich kürzeren Atemstoßtest.
Bestehen Hinweise für eine Atem- wegsobstruktion, ist es sinnvoll, nach zwei Hüben eines broncho- spasmolytischen Dosieraerosols eine nachfolgende Kontrollmes- sung anzuschließen, um den un- mittelbar einsetzenden Effekt der Bronchodilatation zu objekti- vieren.
Neuere Geräte verwenden statt vo- lumetrischer Größen die Atem- stromstärke, deren elektronische Integration über einen sogenann- ten Pneumotachographen die Vo- lumenanzeige mit großer Genau- igkeit angibt.
Einige Geräte dieser Art lassen sich jedoch nicht mit der Eich- pumpe überprüfen.
Während durch den Quotienten von Ausatemstoßtest und Vitalka- pazität obstruktive Ventilations- störungen erkennbar werden, kann mit dieser Methode keine Entscheidung darüber getroffen werden, ob die obstruktive Wider- standserhöhung in den kleinen
Bronchiolen oder in den großen Atemwegen lokalisiert ist.
Dies kann von Bedeutung für die Therapieführung sein. Außerdem ist die Ermittlung des Atemwider- standswertes R t kooperationsun- abhängig.
Seit einigen Jahren kann nun die- se Bestimmung ohne die teure Bo- dyplethysmographie in der Praxis mit zwei preiswerten Geräten (Os- zillationsmethode, Unterbrecher- methode) ausreichend genau durchgeführt werden.
Da nach den Feststellungen des Autors erst bei schweren Atem- wegsobstruktionen falsch-niedri- ge Werte gemessen wurden, scheinen die neuen, einfachen Ge- räte für den Alltagsgebrauch aus- zureichen. Phe
Nolte, D.: Einfache Lungenfunktionsprüfung, Lebensversicherungs-Medizin 35 (1983) 8, Städtisches Krankenhaus, Riedelstr. 5, 8230 Bad Reichenhall
34 Heft 15 vom 15. April 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A