Klinikärzte
Zu dem „Seite Eins“-Beitrag „Gegen die Betonwand“ von Dr. rer. pol. Ha- rald Clade in Heft 46/2004:
Schlechte Konditionen
Ist es nur ein Schreibfehler, oder hat man im letzten Satz des ersten Absatzes bewusst den Konjunktiv gewählt? Hof- fentlich nicht! Denn es dürfte auch für die Redaktion des
Deutschen Ärzteblattes keine Frage sein, dass übermüdete Klinikärzte die Sicherheit der Patientenversorgung gefähr- den. Egal, wie man die Tätig- keit außerhalb der regulären Arbeitszeit nennt: Wer mehr arbeitet, hat einen Anspruch auf Freizeitausgleich und Mehrbezahlung. Alles andere ist indiskutabel. Gibt es außer dem Klinikarzt eigentlich ei- nen anderen akademischen Beruf, dem man die bekann-
ten Arbeitsbedingungen zu den Konditionen des BAT zu- mutet?
Dr. med. Tamino Trübenbach, Hans-Thoma-Weg 3, 77815 Bühl
Zu dem Beitrag „Arbeitgeber müssen an den Verhandlungstisch“ von Dr.
rer. pol. Harald Clade in Heft 50/2004:
Unwürdige
Arbeitsverhältnisse
. . . Unbezahlte Überstunden, befristete Arbeitsverträge und Erpressung bei der Weiterbil- dung sind seit 20 Jahren Alltag im Krankenhaus. Früher hat man diese unwürdigen Ver- hältnisse mitgemacht in der Hoffnung, dass sich durch eine Niederlassung die Situation ändert. Das gilt heute nicht mehr . . . Unwürdiger Umgang mit den niedergelassenen Kol- legen, öffentliche Diffamie-
rungen, unbezahlte Mehrar- beit, Zwangsfortbildung u. v. m. sind Alltag in der BRD. Als angestellte Ärzte haben Sie die Möglichkeit, für Ihre Rechte zu streiken. Orga- nisieren Sie sich über den MB und machen Sie sich von ver.di frei. Ver.di ist ein Garant des Status quo. Meine Unterstüt- zung als ehemaliges Mitglied des MB haben Sie.
Dr. med. Pompilio Torremante, Marktplatz 29, 88416 Ochsenhausen
Wie soll sich Leistung wieder lohnen?
. . . Unsere werte Bundesregie- rung (auch die Opposition) hat sich seit nunmehr einem Jahrzehnt auf ihre Fahnen ge- schrieben, dass sich Leistung wieder lohnen müsse und wir alle den Gürtel enger zu schnallen haben, damit es wie-
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 5⏐⏐4. Februar 2005 AA273
B R I E F E
Leserzuschriften werden von der Redaktion sehr beachtet. Sie geben in erster Linie die Meinung des Briefschreibers wieder und nicht die der Redaktion. Die Veröffentlichungsmöglichkeiten sind leider beschränkt; der Redaktion bleibt oft keine andere Wahl, als unter der Vielzahl der Zuschriften eine Auswahl zu treffen. Die Chance, ins Heft zu kommen, ist umso größer, je kürzer der Brief ist. Die Redaktion muss sich zudem eine – selbst- verständlich sinnwahrende – Kürzung vorbehalten.
LESERZUSCHRIFTEN
Psychisch Kranke
Zu dem Beitrag „Stigma erschwert Behandlung und Integration“ von Prof. Dr. med. Wolfgang Gaebel et al.
in Heft 48/2004:
Bei Versicherungen gebrandmarkt
Einen wichtigen Beitrag zu dieser Brandmarkung der Er- krankten (bzw. dazu, dass sie sich verstecken) leistet unser Versicherungswesen: Taucht
einmal eine psychiatrische Diagnose im Lebenslauf auf, ist der Abschluss einer priva- ten Krankenversicherung bzw.
einer Lebensversicherung kaum mehr möglich. Und das, obwohl man davon ausgehen muss, dass circa 25 Prozent der Bevölkerung mindestens ein- mal im Leben eine behand- lungsbedürftige/-würdige Epi- sode durchleben — von denen nur ein Bruchteil auch behan- delt wird. In diesem Zusam- menhang sehe ich auch die der „aufwärts“ gehe. Davon
sehen wir in der Realität aller- dings recht wenig. Außer, man nimmt einige Politiker beim Wort und eröffnet sich über ei- nige lukrative Nebenjobs (sie- he RWE etc.) zusätzliche Möglichkeiten, das BIP anzu- kurbeln. Dafür hat man aber als Normalarbeitnehmer im deutschen Klinikalltag weder die Möglichkeiten noch die Zeit. Ich möchte Ihnen in die- sem Zusammenhang, werte Vorstandsmitglieder der BÄK, DKG und diverser Großunternehmen, eine kurze Rechenaufgabe vorstellen:
Investition:
– 6 Jahre Hochschulstudium – 5 Jahre Facharztausbildung für Anästhesie
– 2 Jahre Subspezialisierung für Intensivmedizin
– zusätzliche Qualifikation auf internationaler Ebene: DEAA – durchschnittliche Arbeits- zeit: 280 bis 300 Stunden pro Monat; teilweise auch mehr, je nach Personallage
– selbstfinanzierte Fort- und Weiterbildung (ohne Sponso- ring wie sonst bei Politikern üblich)
Ergebnis oder Dividende:
– circa 2 800 bis 3 000 Euro netto monatlich, was einem Stundenlohn von circa zehn Euro entspricht.
Ähnliches ist bei qualifizierten Fachschwestern, die ebenfalls eine fünfjährige Ausbildung durchlaufen haben, zu ver- zeichnen. Hier sind wir mit 3,25 Euro netto pro Stunde ei- nes 24-Stunden-Dienstes schon in der realen Nähe der
„lukrativen“ 1-Euro-Jobs, die
unsere Bundesregierung als Patentlösung unseres maroden Arbeitsmarktes anpreist. Jetzt frage ich Sie, wie dies mit dem eingangs erwähnten Slogan zu- sammenpasst – von der zuneh- menden Selbstbedienungs- mentalität unserer so genann- ten Volksvertreter und Mana- ger gar nicht zu reden. Wären Sie bereit, dafür Tag und Nacht für das Wohl Ihrer Klienten (in unserem Fall Patienten) zur Verfügung zu stehen? Ich glau- be, wohl kaum. Auf der ande- ren Seite muss man sich auch noch in seiner von der eigenen Ständevertretung herausgege- benen Zeitschrift vormachen lassen, wie flexibel und wirt- schaftlich doch privat geführte Klinikbetriebe sind (DÄ, Hef- te 49/2004 und 50/2004) und wie gut sie doch an der Börse do- tiert sind, sodass sie als Vermö- gensanlage empfohlen werden.
Ich bin wahrlich kein Vertreter einer sozialistischen Gleichma- cherpolitik, aber empfinden Sie es nicht auch als unfair, wenn in derartigen Klinikkon- zernen auf Kosten der Arbeit- nehmer, die Familie und Ge- sundheit für ihren Beruf aufs Spiel setzen, Millionengehälter für Manager oder Vorstands- mitglieder gezahlt werden? Und dies hauptsächlich durch Lohn- dumping in Form so genannter
„leistungsgerechter“ Hausta- rifverträge und infamer Umge- hung bestehender gesetzlicher Regelungen (siehe Arbeitszeit- gesetz) erreicht wird. Wie soll sich in solch einem Klima Leistung wieder lohnen? . . . Dr. C. Kempe, DEAA,Siedlerweg 12, 15295 Brieskow-Finkenheerd
Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht gegenüber Versicherungsun- ternehmen durch den Patien- ten als sehr problematisch an.
Dr. Charlotte Rohland,
Werner-Siemens-Straße 3, 95444 Bayreuth
Arztbesuch
Zum Thema „Lange Wartezeiten in der Arztpraxis“:
Bessere Organisation notwendig
Früher, als ich noch in unse- rem Klinikum tätig war, rief ich, wenn mich etwas „drück- te“, einen bekannten Kollegen einer anderen Klinik an, um ihn zu konsultieren. Kurzfri- stig bekam ich einen Termin, der auch pünktlich eingehal- ten wurde. Jetzt sind die Be- kannten auch alle im Ruhe- stand, und ich bin gezwungen, niedergelassene Ärzte aufzu- suchen. Ich ahnte damals nicht, was als Patient damit auf mich zukam. Kürzlich benötigte ich wegen einer sim- plen Ohrenspülung einen HNO-Arzt. Telefonisch mach- te ich mit der Praxis einen Ter- min aus. Pünktlich erschien ich, musste jedoch 50 Minuten warten, bis ich aufgerufen wurde. Der charmanten Kolle- gin teilte ich darüber mein Missbehagen mit. Ich bekam zu hören, dass dringende
Notfälle dazu geführt hätten, den „Praxisfahrplan“ nicht einhalten zu können. Diese Ausrede nahm ich ihr nicht wirklich ab. Meine Patienten habe ich früher nie so lange warten lassen. Wenn wirklich etwas dazwischen kam, ließ ich es die Patienten durch meine Sekretärin wissen, dass es später wird. Von der Bahn erwarten wir doch auch, infor- miert zu werden, wenn ein Zug verspätet ist. In Arztpra- xen wartet man auf eine sol- che „Durchsage“ leider ver- geblich. Beim Empfang fragte ich deshalb nach, wann ich herankommen würde. Auf 20 bis 30 Minuten musste ich mich einstellen, woraus schließlich knapp eine Stunde wurde. Leider musste ich in den letzten Jahren häufiger bei Arztbesuchen ähnliche Er- fahrungen machen, um meine Beschwerden an Arzt oder Ärztin zu bringen. Einige Ma- le verließ ich wütend die Pra- xis, da ich auch Termine wahr- zunehmen hatte. Heute gibt es eine Vielzahl von Veranstal- tungen, in denen sich Ärztin- nen und Ärzte auf ihrem Fach- gebiet fortbilden können. Mir erscheint es notwendig, dabei auch darauf einzugehen, wie mit Patienten in einer Praxis umzugehen ist. Dazu gehört, meiner Meinung nach auch, wie man eine Praxis gut orga- nisiert, um Patienten nicht all- zu lange warten zu lassen und ihnen gegebenenfalls mitteilt, warum sie länger warten müs- sen. Ich wäre zumindest sehr froh darüber!
Prof. Norbert Matussek, Gotzmannstraße 25, 81245 München
Chemotherapie
Zu dem Beitrag „Wir müssen bele- gen, dass wir gute Arbeit leisten“
von Klaus Koch in Heft 42/2004:
Ist das Lebensqualität?
Es ist ja schon ein starkes Stück, allgemeingültig (Einzel- fälle können selbstverständ- lich ausgenommen werden, hier mag es ja ggf. zutreffen) zu behaupten, „vorrangiges Ziel“ der Chemotherapie sei A
A274 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 5⏐⏐4. Februar 2005
B R I E F E
Foto:Caro