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Archiv "Arbeitsbedingungen der Klinikärzte: Die Tarifverträge zeigen Wirkung" (18.02.2011)

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A 310 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 7

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18. Februar 2011

ARBEITSBEDINGUNGEN DER KLINIKÄRZTE

Die Tarifverträge zeigen Wirkung

Zum zweiten Mal nach 2007 befragte der Marburger Bund seine Mitglieder nach ihrer Arbeitssituation. Trotz zum Teil weiterhin bedenklicher Ergebnisse, scheint sich die Lage zu bessern. Die Gewerkschaft wertet dies als Erfolg ihrer Tarifverträge.

B

ereits unmittelbar nachdem der Marburger Bund (MB) im Sommer 2006 die ersten arztspe- zifischen Tarifverträge abgeschlos- sen hatte, warnte der damalige MB- Vorsitzende Dr. med. Frank Ulrich Montgomery: „Es muss allen klar sein, dass unsere hart erkämpften Tarifverträge keineswegs mit einem Schlag die Ausbeutung ärztlicher Arbeitskraft in Krankenhäusern be- enden.“ Dies sei vielmehr ein lang- wieriger Prozess. Bei künftigen Ta- rifverhandlungen werde der MB je- denfalls „mit aller Macht“ für wei- tere Verbesserungen der ärztlichen Arbeitsbedingungen kämpfen.

Wohl auch um etwaige Erfolge der eigenen Tarifpolitik später ein- mal belegen zu können, ließ die Ärztegewerkschaft ihren Mitglie- dern dann im Juni 2007 mit der

„Marburger Bund Zeitung“ einen ausführlichen Fragebogen zu ihrer beruflichen Situation zukommen.

Diesen schickten damals knapp 19 000 angestellt oder verbeamtet

tätige Ärztinnen und Ärzte zurück.

Ihr Urteil fiel zum Teil erschre- ckend aus, das Medienecho war entsprechend groß.

Im Herbst 2010 hat der MB nun eine erneute Mitgliederbefragung durchgeführt. Diesmal füllten etwas mehr als 12 000 Klinikärzte den nur leicht modifizierten Fragebogen aus. Und in der Tat: Den Angaben zufolge haben sich die Rahmenbe- dingungen für die ärztliche Tätig- keit im Krankenhaus in den drei Jahren insgesamt verbessert.

So bewerten inzwischen immer- hin 59 Prozent der MB-Mitglieder ihre aktuellen Arbeitsbedingungen als „durchschnittlich“, „gut“ oder

„sehr gut“. Bei der Befragung 2007 hatten nur 52 Prozent eine positive oder durchschnittliche Bewertung abgegeben. Auch die Bereitschaft, dem Arbeitsplatz Krankenhaus den Rücken zu kehren, ist entsprechend gesunken. Erklärten 2007 noch 53 Prozent der Befragten, mit dem Ge- danken zu spielen, ihre Tätigkeit im

Krankenhaus aufzugeben, sind es jetzt „nur“ 44 Prozent.

Vollzeitbeschäftigte Klinikärzte arbeiten der Befragung zufolge durchschnittlich 55 Stunden in der Woche (2007: 57 Stunden). Wo- chenarbeitszeiten von 60 Stunden und mehr haben zwar abgenom- men, insgesamt arbeiten aber im- mer noch 76 Prozent der in Vollzeit beschäftigten Ärzte 50 Stunden und mehr je Woche (Grafik). Die Hälfte aller befragten Ärzte gibt an, dass ihnen eine Reduzierung der Ar- beitszeit „sehr wichtig“ oder sogar

„am wichtigsten“ ist.

Die Arbeitszeit wird immer öfter systematisch erfasst

Inzwischen werden bei 61 Prozent der MB-Mitglieder die Arbeitszei- ten systematisch erfasst – sei es handschriftlich oder elektronisch.

Das sind zehn Prozent mehr als vor drei Jahren. In den kommunalen Krankenhäusern, wo die Arbeits- zeiterfassung seit einigen Monaten tariflich vorgeschrieben ist, sind es bereits 71 Prozent. Die systemati- sche Erfassung der Arbeitszeit sei die Basis für viele Verbesserungen in den Krankenhäusern, betonte MB-Hauptgeschäftsführer Armin Ehl gegenüber dem Deutschen Ärz- teblatt (siehe dazu das Kurzinter- view 3 Fragen an . . .).

Auf weiterhin hohem Niveau, aber leicht zurückgegangen gegen- über 2007, ist die Zahl der Über- stunden (von 9,1 auf 8,6). Dennoch leisten immer noch 36 Prozent der Ärzte zehn und mehr Überstunden je Woche, einige sogar mehr als 30 Stunden. Ärzte, für die ein MB-Ta- rifvertrag gilt, machen etwas weni- ger Überstunden. Zwar werden elf Prozent mehr Überstunden vergütet als 2007, aber immer noch werden 50 Prozent aller Überstunden über- GRAFIK

50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

0 %

Die wöchentliche Arbeitszeit der Ärztinnen und Ärzte*

40–49 Stunden 21 %

25 %

50–59 Stunden 38 %

40 %

60–79 Stunden 40 %

35 %

80 Stunden und mehr

1 % 1 %

Studie 2007 Studie 2010

Quelle: Marburger Bund; Grafik: Michael Peters, DÄ; Foto: iStockphoto

Die Reduzierung ihrer Arbeitszeit ist mehr als der Hälfte der Ärzte

„sehr wichtig“ oder

„am wichtigsten“.

* Abweichung von 100 Prozent aufgrund von Rundungsdifferenzen

P O L I T I K

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Deutsches Ärzteblatt

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18. Februar 2011 A 311 haupt nicht bezahlt (2007: 61 Pro-

zent). Auf die Frage „Wird Freizeit- ausgleich gewährt?“ antworten 36 Prozent mit „Ja“ (2007: 30 Pro- zent), 42 Prozent mit „teilweise“

(2007: 44 Prozent) und 22 Prozent mit „Nein“ (2007: 26 Prozent).

Ebenfalls auf hohem Niveau und nur leicht gesunken ist der Zeitauf- wand für Verwaltungstätigkeiten.

Immer noch benötigt mehr als die Hälfte der Ärzte täglich mehr als zwei Stunden für „Schreibkram“:

30 Prozent schätzen den täglichen Zeitaufwand auf zwei bis drei Stun- den (2007: 32 Prozent), 15 Prozent auf drei bis vier Stunden (2007: 17 Prozent) und neun Prozent auf mehr als vier Stunden (2007: neun Pro- zent). 18 Prozent der Ärzte stört die Bürokratie am meisten an ihrer Tä- tigkeit. Besonders ausgeprägt sind die Dokumentationspflichten an den Universitätskliniken. Hier ge- ben elf Prozent der Ärzte an, täglich mehr als vier Stunden mit Verwal- tungstätigkeiten zu verbringen.

Als besonderen Erfolg wertet die Ärztegewerkschaft die Befragungs- ergebnisse zur Bezahlung der Dienste zu ungünstigen Zeiten. Von den Ärzten in Krankenhäusern mit MB-Tarifvertrag geben 71 Prozent (!) an, dass sich die Vergütung der Bereitschaftsdienste durch die arzt- spezifischen Tarifverträge verbes- sert habe. Dabei war im Befra- gungszeitraum die deutliche Anhe- bung der Bereitschaftsdienstvergü- tung durch den letztjährigen Tarif- abschluss mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) noch gar nicht voll zum Tra- gen gekommen. Denn viele VKA- Krankenhäuser hatten die Mitte 2010 vereinbarte Tarifsteigerung im Herbst noch nicht umgesetzt.

Immer wichtiger wird vielen Ärzten, ihr Familien- und ihr Be- rufsleben miteinander vereinbaren zu können. Insgesamt notieren 84 Prozent der Befragten, dass ihnen dieser Punkt „am wichtigsten“ oder

„sehr wichtig“ ist. Das sind 22 Pro- zentpunkte mehr als 2007. Die Kli- nikarbeitgeber stellen sich jedoch nur sehr langsam auf diese Prioritä- tenverschiebung ein, die sicher auch – aber nicht nur – eine Folge der „Feminisierung der Ärzte-

schaft“ ist. Nach wie vor machen 57 Prozent der Krankenhäuser ihren ärztlichen Angestellten keine fami- lienfreundlichen Angebote, etwa in Form einer Kinderbetreuung oder auch der Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten. 2007 lag dieser Anteil je- doch noch bei 71 Prozent.

Der Ärztemangel ist offenbar größer als angenommen

Sehr aufschlussreich sind die Befra- gungsergebnisse auch, was die Zahl der unbesetzten ärztlichen Stellen in den Krankenhäusern angeht. Den Angaben der Ärzte zufolge ist die- ses Problem – und somit der Ärzte- mangel in den Kliniken – noch grö- ßer als bisher angenommen. Die er- schreckenden Zahlen: In 71 Prozent der Abteilungen ist mindestens eine Arztstelle unbesetzt. In 21 Prozent der Abteilungen gibt es sogar drei oder mehr vakante Stellen. Im Durchschnitt sind je Abteilung 1,5 Stellen im ärztlichen Dienst offen.

Bei bundesweit 8 497 Fachabteilun- gen in den deutschen Krankenhäu- sern (Krankenhausstatistik 2009) sind demnach hochgerechnet 12 750 ärztliche Stellen in den Krankenhäusern nicht besetzt. Die im Auftrag der Deutschen Kranken-

hausgesellschaft erstellte Studie

„Ärztemangel im Krankenhaus – Ausmaß, Ursachen, Gegenmaßnah- men“ hatte noch Anfang 2010 er- mittelt, dass „nur“ 5 500 ärztliche Stellen in den Krankenhäusern of- fen sind. Zudem bleiben die Stellen anscheinend immer länger unbe- setzt. So sind in 25 Prozent der Ab- teilungen die Stellen bereits länger als ein Jahr vakant. In ihrer Not en- gagieren die Klinikarbeitgeber zu- nehmend Leihärzte. Bei 20 Prozent der Befragten ist mindestens ein Honorararzt in der Abteilung tätig.

Der MB dürfte die vielen offenen Stellen in den Kliniken mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. Denn einerseits sind es die eigenen Mitglieder, die die Unterbesetzung in den Abtei- lungen kompensieren müssen, was zu Überlastungen führt. Anderer- seits ist es in weiten Teilen dem Ärztemangel geschuldet, dass die Ärztegewerkschaft nach ihrer Emanzipation von Verdi im Herbst 2005 deutliche Verbesserungen der beruflichen Situation von Klinik- ärzten bewirken konnte. Man darf jedenfalls gespannt sein auf die nächste Mitgliederbefragung. ■

Jens Flintrop Über welches Ergebnis der

Mitgliederbefragung haben Sie sich am meisten gefreut?

Ehl: Am meisten gefreut hat mich, dass wir in den letzten Jahren offensichtlich die richti- gen Themen besetzt haben:

Wir haben uns dafür einge- setzt, dass die Arbeitszeiten reduziert werden, dass die Ver- gütung der Arbeit zu allen ge- leisteten Zeiten erfolgt, und wir haben auf eine bessere Verein- barkeit von Familie und Beruf gedrängt. Alle drei Punkte sind unseren Mitgliedern besonders wichtig, wie die Befragung belegt.

Die richtigen Themen zu be- setzen ist das eine, in diesen Punkten dann aber auch Ver- besserungen zu bewirken, das andere . . .

Ehl: Die Umfrage zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Klar ist doch: Ohne unsere Tarifverträ- ge wäre der Frust in den Kran- kenhäusern mit Sicherheit noch viel größer – und die Abwande- rung auch. Denn die Ärztinnen und Ärzte haben heute viele Möglichkeiten. Wenn die Arbeits- bedingungen nicht stimmen, wechseln sie die Klinik, gehen ins Ausland oder kehren der kurati- ven Medizin ganz den Rücken.

Aber ist die Aussage, dass die MB-Tarifverträge eine positive Wirkung haben, tatsächlich belastbar?

Ehl: Ja, schon. Man kann dies an verschiedenen Ergebnissen fest- machen: Die Arbeitszeiten sind zurückgegangen, es werden mehr Bereitschaftsdienste und Überstunden vergütet, und die Ar- beitszeiten werden viel häufiger erfasst und dokumentiert. Bis 2005 hatten die Arbeitgeber ja noch bestritten, dass Ärzte über- haupt über die Maßen arbeiten.

Die Erfassung der Arbeitszeit ist also gewissermaßen die Basis für viele Verbesserungen.

3 FRAGEN AN . . .

Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes

P O L I T I K

Referenzen

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