Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 12|
22. März 2013 A 533 MB-MONITOR 2013Mehr Ärzte in Deutschland nötig
Hohe Arbeitsdichte und -belastung sowie unbezahlte Überstunden machen Deutschland für Ärztinnen und Ärzten nicht gerade attraktiv, warnt der Marburger Bund und verweist auf alarmierende Ergebnisse einer Umfrage.
W
ir brauchen für eine gute Patientenversorgung mehr Ärztinnen und Ärzte in Deutsch- land beziehungsweise eine bessere Organisation der Arbeit in den Krankenhäusern und Arbeitszeit- modelle, die dem Wunsch der Ärzte nach weniger Stress Rechnung tra- gen.“ Das forderte Rudolf Henke, Erster Vorsitzender des Marburger Bundes (MB), anlässlich der Prä- sentation einer aktuellen Umfrage unter Mitgliedern zur Arbeitszeit Mitte März in Berlin.Die im Januar und Februar durch das Institut für Qualitätsmessung und Evaluation, Landau, vorge- nommene Online-Befragung von 3 309 Krankenhausärzten kam zu einem „alarmierenden Ergebnis“, wie Henke es ausdrückte: Fast drei Viertel der Klinikärzte fühlen sich der Umfrage zufolge durch ihre Arbeitszeiten im Krankenhaus ge- sundheitlich beeinträchtigt, viele zudem auch in ihrer Leistungsfä- higkeit eingeschränkt. Etwa jeder zweite Krankenhausarzt arbeitet pro Woche inklusive Überstunden und Bereitschaftsdiensten durch- schnittlich 49 bis 59 Stunden. Die Mehrheit würde gern ihre Arbeits- zeit reduzieren.
Einen Grund für die gefühlte Er- schöpfung der befragten MB-Mit- glieder sieht Henke in einer „über- proportionalen Arbeitsdichte in Deutschland“. „Wir stehen im Be- griff, Deutschland in ein Land der Fließbandmedizin zu verwandeln“, warnte er. Den jährlich fast 18 Mil- lionen Behandlungsfällen in deut- schen Krankenhäusern stünden 140 000 Ärztinnen und Ärzte und noch immer 12 000 unbesetzte Stel- len im ärztlichen Bereich gegen- über. „Es müssen zusätzliche Stel- len geschaffen werden“, meint Hen- ke, auch wenn man dabei an finan- zielle Grenzen stoße. Der MB-Vor-
sitzende wies darauf hin, dass es auch andere Länder geschafft hät- ten, familienfreundliche Arbeitszei- ten an ihren Krankenhäusern zu etablieren.
Änderungsbedarf sieht der Mar- burger Bund zudem bei der syste- matischen Erfassung der Arbeits- zeiten im Krankenhaus. Denn noch immer geschieht dies der Er- hebung zufolge bei mehr als der Hälfte der Krankenhausärzte (53 Prozent) nicht. „Unser Eindruck ist, dass die Krankenhäuser diesen Missstand bewusst zulassen − frei nach dem Motto „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, sag- te Henke. So hätte jeder fünfte
Arzt erklärt, dass seine Überstun- den weder vergütet noch mit Frei- zeit ausgeglichen werden.
Hohe Arbeitsdichte und nicht er- fasste und nicht bezahlte Überstun- den machten Deutschland aber auch ein Stück weit unattraktiver für aus- ländische Ärztinnen und Ärzte, be- tonte der MB-Vorsitzende. Dabei müsse man Anreize für deutsche wie für ausländische Ärzte schaf- fen. Denn: „Noch immer wandern mehr Ärzte und Ärztinnen aus Deutschland aus, als aus dem Aus- land zu uns kommen“, sagte er.
Tatsächlich sind der Statistik der Bundesärztekammer zufolge im Jahr 2011 3 410 ursprünglich in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte ins Ausland abgewandert.
Die Zahl der in Deutschland gemel- deten ausländischen Ärztinnen und Ärzte stieg 2011 jedoch nur um 3 039. Die Bundesärztekammer er-
fasst seit 2005 die Zu- und Abwan- derung von Ärztinnen und Ärzten aus dem und ins Ausland. 2011 wa- ren insgesamt 28 355 ausländische Ärzte bei den Ärztekammern ge- meldet.
„Die Abwanderung hat weiter zu- genommen und liegt auf dem höchs- ten Niveau seit Beginn der Erfas- sung. Das belastet die Situation des Ärztemangels in Deutschland“, be- kräftigte Armin Ehl, Hauptgeschäfts- führer des MB. Die Förderung der Zuwanderung von ausländischen Ärztinnen und Ärzten unterstützt der MB ausdrücklich. Dennoch müssten einheitliche Regeln für die Sprach- kenntnisse ausländischer Ärzte und
ein einheitliches Verfahren für die Prüfung der medizinischen Kennt- nisse der Ärzte aus außereuropäi- schen Staaten gelten, sagte Ehl.
Der Marburger Bund begrüßt auch die vorläufige Stellungnahme der Bundesärztekammer zum Ver- ordnungsentwurf der Bundesregie- rung, mit dem die Berufszugangs- regelungen in Deutschland verein- heitlicht werden sollen. Ihm zufol- ge sollen ausländische Ärztinnen und Ärzte ihre Deutschkenntnisse durch das medizinische Staats- examen oder eine Kenntnisprüfung kombiniert mit einen Sprachtest auf dem Level „B2“ nachweisen.
„Man sollte nicht die Möglichkeit schaffen, sich einer mündlichen Prüfung zu entziehen“, betonte Henke. Gute Sprachkenntnisse sei- en bei der Arbeit im Krankenhaus
unerlässlich.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
„ Wir stehen im Begriff, Deutschland in ein Land der Fließbandmedizin zu verwandeln.
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Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes