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Archiv "Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen: „Die Ärzte brauchen mehr Entscheidungsfreiheit“" (23.11.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007 A3229

P O L I T I K

D

ie Diskussion um die Behand- lung von Schwerstopiatab- hängigen mit Heroin als Medikament (Diamorphin) hat dazu geführt, dass auch über Verbesserungen bei der Methadonsubstitution nachgedacht wird. Zur Erinnerung: Die Heroinbe- handlung kommt für wenige Schwerst- opiatabhängige infrage, bei denen die Methadonsubstitution nicht erfolg- reich ist. Die Entscheidung über die Aufnahme in die Regelversorgung steht zurzeit auf der politischen Agen- da (siehe DÄ, Heft 27/2007). Mit Methadon oder Buprenorphin substi- tutiert werden zurzeit bereits 69 300 Heroinabhängige. Einen problemati- schen Heroinkonsum haben nach Schätzungen zwischen 76 000 und 161 000 Menschen.

Die FDP-Fraktion im Bundestag fordert in einem Antrag (Drucksache 16/6795) mehr Rechtssicherheit für die substituierenden Ärzte und eine praxisnahe Regelung der Behand- lung. Dazu gehören eine Lockerung der Take-home-Regelung der Betäubungsmittel-Verschreibungs- Verordnung (§ 5 BtMVV) sowie ei- ne flexiblere Vertretungsregelung.

Die Rechtslage gebe Ärzten nicht genügend Handlungsspielraum für eine patientengerechte Therapie. Ab- geordnete der Fraktion Bündnis 90/

Die Grünen forderten die Bundes- regierung in einer Kleinen Anfra- ge (Drucksache 16/6508) zu einer Stellungnahme auf. Sie sprechen von „erheblichen Versorgungspro- blemen“, vor allem in ländlichen Gebieten. Die Zahl der substitu- ierenden Ärzte stagniere. Die betäu- bungsmittelrechtlichen Vorschriften würden von den Ärzten als „büro- kratisch, abschreckend und wirk- lichkeitsfremd“ empfunden.

Flexible Take-home-Regelung

Die Deutsche Gesellschaft für Sucht- medizin (DGS) stellte auf ihrem 16.

Kongress Anfang November in Ber- lin ebenso eine Reihe von Forderun- gen für eine bessere Substitutionsbe- handlung auf. Allen voran die nach der Anerkennung der Substitution als eigenständige Behandlungsmethode in der Suchttherapie, nicht als Unter- ordnung „unter das Primat der Absti- nenz“, so Dr. Jörg Gölz, stellvertre- tender Vorsitzender der DGS. „Bei

Patienten, die zehn oder 20 Jahre in Substitutionsbehandlung sind, ist die Forderung nach Abstinenz absurd.“

Die DGS fordert ebenfalls eine fle- xiblere Gestaltung der Take-home- Regelung. Auf dem Land müsse der substituierende Arzt auch ohne ko- operierende Apotheke das Medika- ment für das Wochenende mitgeben dürfen, ohne sich strafbar zu machen.

„Die Ärzte brauchen mehr Entschei- dungsfreiheit“, fordert Gölz. Substi- tution dürfe zudem für die Betroffe- nen „keine Halbtagsbeschäftigung“

werden: Lange Anfahrtswege seien mit der täglichen Vergabe nicht ver- einbar und erschwerten die Wieder- eingliederung. Schließlich fordern die Suchtmediziner eine bundesein- heitliche Regelung der Finanzierung der psychosozialen Betreuung (PSB) für die Substituierten, die keine Leis- tung der gesetzlichen Krankenver- sicherung ist. Substitution ist aber nur im Rahmen eines Behandlungs- konzepts zulässig, das PSB einbe- zieht. Das Angebot von Sucht- und Drogenberatungsstellen wird von den Sozialhilfeträgern oder Kommu- nen getragen und ist nicht flächen- deckend vorhanden. „Psychosoziale Betreuung darf daher keine Behand- lungsvoraussetzung sein“, fordert Gölz. Vor allem die Befürchtung, bei patientengerechter Therapie „ins Spannungsfeld der Strafverfolgung zu geraten“, führt nach Ansicht der DGS dazu, dass sich immer mehr Ärzte mit suchttherapeutischer Qua- lifikation aus der Substitution zu- rückziehen.

Die Bundesregierung sieht indes keine Anzeichen für einen Rückzug.

In ihrer Antwort (Drucksache 16/6655) auf die Kleine Anfrage der Grünen verweist sie auf die Meldun- gen des beim Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte ge- führten Substitutionsregisters: Dem- nach ist die Zahl der substituierenden Ärzte von 2 605 im Jahr 2003 leicht auf 2 706 im Jahr 2006 gestiegen.

Dasselbe Register meldet auch einen Anstieg von 50,6 Prozent der sub- stituierten Heroinabhängigen von 46 000 im Jahr 2002 auf 64 500 im Jahr 2006. Die Versorgung Opiatab- hängiger bezeichnet die Bundesre- gierung auch im internationalen Vergleich als „durchaus positiv“.

SUBSTITUTIONSBEHANDLUNG VON OPIATABHÄNGIGEN

„Die Ärzte brauchen mehr Entscheidungsfreiheit“

Suchtmediziner und Oppositionsparteien äußern Kritik an der

Versorgung von substituierten Heroinabhängigen. Die Bundesregierung hält die Methadonbehandlung grundsätzlich für erfolgreich.

Massenbehand- lung:Mit Methadon oder Buprenorphin substitutiert werden zurzeit 69 300 Heroinabhängige.

Foto:VISUM

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Versorgungsengpässe gebe es „nur vereinzelt“ und meist in ländlichen Gebieten.

Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass Versorgungsproble- me auf dem Land durch eine Locke- rung der Take-home-Regelung gelöst würden. Geprüft wird derzeit aller- dings die Ausweitung der Mitgabe für den nächsten Tag oder das Wochenen- de an Patienten, die die Take-home- Voraussetzungen eigentlich nicht er- füllen. Bedenken betreffen das Miss- brauchsrisiko – den Verkauf von Methadon in der Drogenszene. Auch die Vertreterregelung soll geprüft werden. Derzeit erlaubt § 5 Absatz 3 BtMVV eine konsiliarische Substitu- tion durch Ärzte ohne Fachkunde- nachweis bis maximal drei Patienten.

Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag, eine „unbürokratische Rege- lung“, die es dem substituierenden Arzt erlaube, sich für einen bestimm- ten Zeitraum und eine festgelegte Pa- tientenzahl vertreten zu lassen.

Therapieziel Opiatfreiheit

Am Therapieziel der Abstinenz will die Bundesregierung mit Hinweis auf die Richtlinien der Bundesärzte- kammer festhalten. Diese besagen:

„Das oberste Ziel der Behandlung ist die Suchtmittelfreiheit. Die mögli- chen Stufen eines Therapiekonzepts sind die Sicherung des Überlebens, gesundheitliche und soziale Stabili- sierung und soziale Reintegration, Opiatfreiheit.“ Die Substitutionsthe- rapie könne deshalb nicht gleichwer- tig mit dem Abstinenzziel verankert werden, wie die DGS fordert.

Hinsichtlich der psychosozialen Betreuung sieht die Bundesregie- rung keine anderen Finanzierungs- möglichkeiten als über die Länder und Kommunen. Auch die Verknüp- fung von PSB und Substitution in einem Behandlungskonzept wird für unbedingt erforderlich gehalten.

Es ist Bewegung in die Substi- tutionsbehandlung gekommen. Die Bundesregierung prüft einige Kri- tikpunkte und mögliche Änderun- gen im BtMVV. Die Bundesärzte- kammer will eine Befragung der Ärztekammern in die Wege leiten und herausfinden, wo die Probleme in der Praxis liegen. n Petra Bühring

D

as Buch „Von großen Ankün- digungen und kleinen Reförm- chen“ ist um ein Kapitel reicher.

„Reform der Gesetzlichen Unfall- versicherung“ heißt es, geschrieben hat es mal wieder die schwarz-rote Koalition in Berlin. Bereits im Au- gust wurde die Beratung eines Ge- setzentwurfs im Kabinett zur Re- form der Gesetzlichen Unfallversi- cherung (GUV) aufgrund von Be- denken in den Regierungsfraktio- nen auf „unbestimmte Zeit“ ver- schoben. Ende Oktober nun war aus dem Bundesarbeitsministerium zu vernehmen, dass zunächst nur die Organisationsstruktur der Unfall- versicherung reformiert werde. Die ursprünglich ebenfalls geplante Re- form des Leistungsrechts in der GUV werde nicht mehr in dieser Legislaturperiode in Angriff ge- nommen, wie der Staatssekretär des Arbeitsministeriums, Franz Thön- nes (SPD), bei einer Sitzung des Arbeitsausschusses im Bundestag einräumen musste.

Das dürfte vielerorts für Zufrie- denheit sorgen, war doch vor allem die Reform des Leistungsrechts um- stritten. Rund 10,5 Milliarden Euro mussten die Versicherungsträger im vergangenen Jahr für Berufs- und Wegeunfälle aufwenden. Hier sollte die Reform ansetzen, um die Effizi-

enz der Versicherung zu steigern und die Zielgenauigkeit zu verbes- sern. Leistungen sollten nicht mehr pauschal, sondern exakt am jewei- ligen Erwerbsschaden bemessen werden. Geschädigte, die nach dem Unfall noch arbeiten können, hätten mit weniger Geld rechnen müssen.

Schwere Fälle sollten im Gegenzug bessergestellt werden.

Die Arbeitgeber, die anders als in der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) die GUV mit ihren Beiträgen allein finanzieren, befürch- teten „teure Leistungsausweitungen“

und damit steigende Lohnneben- kosten. Gewerkschaften und Sozial- verbände hingegen wollten beste- hende Defizite nicht durch „neue Ungerechtigkeiten und Unwägbar- keiten mit einem wesentlich kom- plizierteren und kaum praktikablen Verwaltungsverfahren“ ersetzt sehen.

Nur Organisationsreform

Mit der „Restreform“, den anvisier- ten Änderungen bei der Organisati- onsstruktur, soll die Zahl der Unfall- versicherungsträger drastisch redu- ziert werden. Dem Entwurf zufolge soll die Zahl der Berufsgenossen- schaften bis zum Jahr 2012 von der- zeit 25 auf neun sinken. Die Unfall- kassen werden laut Entwurf von jetzt 31 auf einen Träger pro Bun- desland und einen bundesunmittel- baren Träger reduziert. Die grundle-

UNFALLVERSICHERUNG

Reform aufgesplittet

In einem neuen Anlauf will die Bundesregierung die

Unfallversicherung reformieren. Finanziell betroffen sein

könnten davon auch die Gesundheitsberufe.

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genden Organisationsprinzipien – Branchengliederung im gewerbli- chen Bereich, regionale Gliederung im öffentlichen Bereich – sollen je- doch erhalten bleiben.

Vom Tisch zu sein scheint das Vorhaben, den Rechtsstatus des Ver- bandes der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) umzu- wandeln. Anders als die einzelnen Versicherungsträger ist dieser keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern ein eingetragener Verein.

Durch eine solche Umwandlung wäre der Verband an Vorgaben aus der Politik gebunden. Entsprechend begrüßt es der Verband, dass die Po- litik diese Idee nicht mehr verfolgt.

Der Grund: Während die einzelnen Versicherungsträger das „Verwal- tungshandeln sichern“, seien Koor- dinierung und Interessenvertretung die Hauptaufgabe des Verbands.

„Der Körperschaftsstatus macht da keinen Sinn“, so der stellvertretende Pressesprecher der DGUV, Stefan Boltz. Damit entfallen ist auch das Vorhaben der Politik, über die DGUV als Körperschaft eine Redu- zierung der Verwaltungskosten bei Versicherungsträgern um 20 Pro- zent durchzusetzen.

Mehrausgaben für Ärzte?

Nicht nur vom Namen her ist der Überaltlastausgleich in der Unfall- versicherung das, was der Risiko- strukturausgleich in der GKV ist: Er soll die Folgen des Strukturwandels für die Beiträge der Arbeitgeber in die gewerbliche Unfallversicherung ausgleichen. Jede Berufsgenossen- schaft erhebt ihre Beiträge rückwir- kend für das vergangene Jahr. Dabei berücksichtigt werden Aufwendun- gen für Berufskrankheiten, Arbeits- und Wegeunfälle, aber auch für Renten aus früheren Jahren und Jahrzehnten – die sogenannten Alt- lasten.

Sinkt die Zahl der Beschäftigten oder Unternehmen, wie etwa lange Zeit in der Baubranche, müssen im- mer weniger Unternehmen die Un- fallrenten für teils jahrzehntealte Versicherungsfälle tragen. In der Folge sinken die Beiträge trotz nied- rigerer Unfallzahlen nicht. Bei gleichbleibenden oder steigenden Unfallzahlen müssen die Versiche-

rungsträger höhere Beiträge von ihren versicherten Unternehmen einziehen.

Der nun mit der Reform anvisier- te Überaltlastausgleich soll dies korrigieren. Jede Berufsgenossen- schaft soll zunächst die Rentenlas- ten übernehmen, die sich aus dem aktuellen Versicherungsgeschehen ergeben. Was darüber hinausgeht, soll unter allen Berufsgenossen- schaften solidarisch aufgeteilt wer- den. In der Folge, schätzt Boltz vom DGUV, werde der produzierende Sektor ent- und der Dienstleistungs- sektor belastet.

Die rund 600 000 versicherten Unternehmen der Berufsgenossen- schaft Gesundheitsdienst und Wohl- fahrtspflege (BGW) stehen derzeit noch auf der Sonnenseite in der Unfallversicherung. Das fortwähren- de Wachstum im Gesundheitsmarkt fängt die Kosten für die Altlasten auf. Versichert sind dort neben Ärz- ten und Zahnärzten auch Hebam- men und Heilpraktiker, aber auch Einrichtungen aus der Wohlfahrts- pflege. Derzeit zahlen diese Arbeit-

geber rund 17 Millionen Euro jähr- lich in den Solidartopf ein. „Wenn die Reform so kommt, wie angekün- digt, könnte es sein, dass wir bald das Dreifache, rund 50 Millionen Euro, in den Überaltlastausgleich überweisen müssen“, schätzt der Sprecher der BGW, Torsten Beckel.

Für kleine Unternehmen gibt es dabei allerdings eine Ausnahmere- gelung, die auch weiter Bestand ha- ben soll. Bis zu einer Freibetrags- grenze von 170 000 Euro Lohnsum- me müssten Ärzte keine Beiträge entrichten. Stärker treffen dürfte es da aufgrund der vielen Angestellten die Krankenhäuser. Zahlen dazu wollte der BGW-Sprecher aber nicht nennen.

Ohnehin will man dort erst ein- mal den neuen Gesetzentwurf ab- warten. Dieser soll voraussichtlich im November vom Bundesarbeits- ministerium an die jeweiligen Län- derministerien zur Abstimmung ge- schickt und Ende des Jahres in Bundestag und Bundesrat beraten

werden. n

Timo Blöß

Richtigstellung

Im Deutschen Ärzteblatt, Heft 19/

1998, S. A 1187–9 erschien ein Arti- kel von mir mit der Überschrift

„Kindereuthanasie im Dritten Reich: Der Fall ,Kind Knauer‘“. In einem Artikel mit der Überschrift

„NS-‚Kindereuthanasie‘: ‚Ohne je- de moralische Skrupel‘“ habe ich im Deutschen Ärzteblatt, Heft 42/

2000, S. A 2766–72 darauf Bezug genommen. Neue Erkenntnisse aus dem Jahr 2006 machen die folgende Korrektur notwendig (Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich die durch die Artikel entstandene Ehr- verletzung der Angehörigen be- dauere):

„Ich habe in den Ausgaben 19/1998 und 42/2000 (unter Bezug auf eine – wie sich unlängst heraus- stellte – falsche Angabe des franzö- sischen Journalisten Philippe Aziz) behauptet, dass als ‚Anlaß‘ oder

‚Anstoß‘ für die sogenannte Kinder-

euthanasie im Dritten Reich ange- nommene ‚Kind K.‘ sei ein am 20.

Februar 1939 in Pomßen bei Leip- zig geborener Junge, dessen Todes- tag am 25. Juli 1939 im Kirchen- buch der Gemeinde Pomßen doku- mentiert sei. Diese Behauptung ist unzutreffend. Die Schwester dieses Kindes, Renate Kirschstein, hat mir unlängst mitgeteilt, dass ihr Bruder normal entwickelt gewesen und am besagten Tag eines natürlichen To- des verstorben sei.“

Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Vater von Frau Kirschstein, mit dem Aziz angeblich 1973 ein In- terview in Pomßen führte, laut Frau Kirschstein nicht mehr aus dem Krieg nach Hause kam.

Trotz dieser Revision ist aber weiter von einem Fall „Kind K.“ – wie man jetzt wieder sagen muss – in Leipzig oder Umgebung vor Kriegsbeginn auszugehen. n Prof. Dr. Dr. Udo Benzenhöfer Senckenbergisches Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Frankfurt am Main

Referenzen

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