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Archiv "Ärztemigration: Balkan verliert immer mehr Ärzte" (20.02.2015)

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A 314 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 112

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Heft 8

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20. Februar 2015

P O L I T I K

ÄRZTEMIGRATION

Balkan verliert immer mehr Ärzte

Schlechte soziale Rahmenbedingungen sowie unzureichende Gehälter und Karriere- chancen führen zu einer zunehmenden Abwanderung von Ärzten aus Balkanstaaten nach Westeuropa. Deutschland gehört zu den wichtigsten Zielländern.

M

ehr und mehr Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland zieht es nach Deutschland. Zwi- schen 2012 und 2013 stieg der Bun- desärztekammer zufolge die Zahl der Ende 2013 hierzulande gemel- deten berufstätigen ausländischen Ärzte um 10,3 Prozent auf 35 893.

Unter den EU-Ausländern sind es vor allem rumänische Ärzte, die in Deutschland ihr berufliches Glück suchen. Ihre Zahl stieg im selben Zeitraum um 18,7 Prozent auf 3 454.

Migration hat gravierende Folgen für die Heimatländer

Aber auch andere Balkanstaaten wie Bulgarien, Serbien und Kroa- tien verzeichnen eine zunehmende Abwanderungswelle in Länder wie Deutschland, Österreich, Skandina- vien und Großbritannien – mit zum Teil gravierenden Folgen für die medizinische Versorgung in ihren Heimatländern. So zogen nach An- gaben des bulgarischen Ärztever- bandes 2012 erstmals mehr Ärzte ins Ausland als im selben Jahr eine Approbation erhielten. Und es sind vor allem die jungen Fachkräfte, die den maroden Gesundheitssyste- men in ihrer Heimat mit bankrot- ten Krankenhäusern, unzureichen- den Gehältern, Lieferschwierigkei- ten bei Medikamenten und Medi- zintechnik sowie einer blühenden Korruption entfliehen wollen.

In rumänischen Krankenhäusern beispielsweise herrschen vielfach katastrophale Zustände. Um Zu- gang zu einer Behandlung zu be- kommen, müssen selbst Patienten mit Versicherungsschutz ihre Medi- kamente selber mitbringen oder ge- gen Barzahlung kaufen. „Die Situa- tion in den Krankenhäusern und Arztpraxen in Rumänien lässt sich mit dem bundesdeutschen Stan-

dard der medizinischen Versorgung überhaupt nicht vergleichen“, be- richtet Wolfgang Potinius, Ge- schäftsführer des Gesundheitszen- trums Wetterau gGmbH. Der Kli- nikverbund beliefert seit den 90er Jahren Krankenhäuser in Rumänien mit Medikamenten und Kranken- hausbedarf.

Ursächlich für die Missstände ist unter anderem die europäische Wirt- schafts- und Finanzkrise, die in den Sozialsystemen der Balkanstaaten zu drastischen Sparmaßnahmen ge- führt hat. Die Abwanderung qualifi- zierten Personals verschärft die Si- tuation zusätzlich. In den Ziellän- dern wiederum sind die Zuwanderer meist sehr willkommen, da sich in den letzten Jahren auch hier die Lü- cke zwischen verfügbaren Arbeits- kräften und der Nachfrage nach me- dizinischen und pflegerischen Leis- tungen vergrößert hat. Somit zieht der Ärztemangel in den reichen Län- dern einen Ärzteschwund in den är- meren nach sich.

Einen wesentlichen Anreiz für einen beruflichen Neuanfang im Ausland stellen höhere Gehälter dar. In Rumänien zum Beispiel ver- dient ein Krankenhausarzt zwi- schen 250 und 1 500 Euro monat- lich. In Serbien kommt ein Spezia- list auf maximal 900 Euro. In Kroa- tien beträgt das Durchschnittsein- kommen eines Arztes etwa 680 Euro. Dennoch: „Ein besseres Ein- kommen ist ein, aber beileibe nicht das einzige Motiv. Man darf hier nicht zu sehr vereinfachen, denn je- dem Einzelfall liegt eine unter- schiedliche Dynamik zugrunde“, er- klärt Prof. Dr. James Buchan von der Queen Margaret University Edin- burgh und Experte der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) für Ge- sundheitssysteme. Der wichtigste Ansporn für Ärzte aber auch für

Pflegekräfte, ihr Land zu verlassen, seien die meist (relativ) schlechten Rahmenbedingungen und Aussich- ten sowie die Hoffnung auf eine bes- sere Zukunft im Ausland. „Zu wich- tigen Motiven zählen somit auch Karrierechancen, Ausbildungsmög- lichkeiten für die Kinder oder die politische Stabilität des Ziellandes“, so Buchan. Der Experte warnt die Zielländer zugleich davor, sich auf das Gesundheitspersonal aus ande- ren Ländern zu verlassen, um den Mangel an inländischen Kräften aus- zugleichen: „Die Mobilitätsmuster verändern sich laufend und werden immer schwerer vorhersehbar.“ Ein und dasselbe Land könne heute von der Zuwanderung profitieren und morgen selbst Gesundheitspersonal an andere Destinationen verlieren.

Anwerberegeln gegen den medizinischen Brain-Drain

Die Regierungen der Herkunftslän- der wiederum seien aufgerufen, die Faktoren zu analysieren, die zur Abwanderung von Angehörigen der Gesundheitsberufe führen, um mit angemessenen politischen Maßnah- men darauf reagieren zu können.

„Diese Länder werden vielleicht nicht immer mit den Zielländern mit- halten können, was das Gehaltsni- veau betrifft, doch sie können versu- chen, als Strategie gegen die Abwan- derung die Rahmen- und Arbeitsbe- dingungen insgesamt zu verbes- sern“, meint Buchan. Eine Option könne es sein, über Abkommen si- cherzustellen, dass sich Empfänger- länder an den WHO-Kodex für die grenzüberschreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften halten.

„So kommen Quell- und Zielländer in einen politischen Dialog, um dem medizinischen ‚Brain Drain‘ zu be- gegnen“, sagt Buchan.

Petra Spielberg

Referenzen

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