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Archiv "Badekur in Bad Krozingen: Ein Arzt als Patient" (16.05.1991)

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... ein körperlich wie auch seelisch erfrischendes Bad in der Kro-

zinger Therme .. . Foto: privat

EILBADER + KURORTE

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

S

onnenlicht; die Häuser mit Blumen geschmückt;

im Hintergrund blaugraue Berge; eine Filmkulisse wie für einen Liebesfilm erdacht;

umgeben von Weinbergen — so liegt im Duft einer liebli- chen Landschaft Bad Krozin- gen eingebettet im Rheintal.

Akkordeonmusik liegt in der Luft, und die Schwarzwalduh- ren lassen ihren Kuckuck her- aus. Die Menschen sind fröh- lich. Allein schon diese Um- gebung läßt mich gesunden.

Ich bin zur Kur. Früher konnte ich als Arzt selbst die- se Kuren verschreiben, heute bin ich als Patient hier. Eine kleine Pension ist unsere Un- terkunft für 3 Wochen, und mit Hilfe meiner Frau werde ich es schaffen, rechtzeitig zu den Anwendungen zu kom- men. Für mich werden dies Heilgymnastik, Kohlensäure- Wannenbäder, Thermalbäder mit Duschmassagen und Turnübungen im Wasser sein.

Dazu drei Arztbesuche beim Badearzt.

Beim ersten Besuch werde ich von einem jungen Kolle- gen untersucht, dabei werden Art und Anzahl dieser An- wendungen festgelegt. Der Computer der Bäderverwal- tung regelt die Termine, wie ich finde, zu angenehmen Zeiten — ich muß nicht (wie in einer Klinik) kurz nach Son- nenaufgang aufstehen.

Meine Kur wurde geneh- migt wegen Kniegelenkar- throsen beiderseits und Rest- lähmungserscheinungen nach einer Hirnverwundung. Diese Anwendungen empfinde ich sogar als Zuwendung, denn die Behandlung meiner Knie- scheiben durch die Heilgym- nastin sind angepaßt, die Übungen im Thermalbad (nachdem ich in der Gruppe nicht so recht mitkam) wer- den als Einzelunterricht durchgeführt, und die Ge- spräche mit dem Arzt sind sehr persönlich. Ich habe den Eindruck, daß ich Subjekt und nicht Objekt bin und daß alle, die mich behandeln, sich um mich kümmern.

Daß in einem Kurbetrieb Zeiten und Riten eingehalten werden müssen, ist bei einer

solchen Zahl an Patienten selbstverständlich. Ohne Dis- ziplin des Kurgastes ist eine Kur nicht durchführbar.

Doch gibt es auch Konflikte.

Darf es, das Rauchen betref- fend, eine Bevormundung des Kranken geben? Wer das Rauchen nicht aufgeben kann oder will, sollte meines Er- achtens auf eigene Kosten ei- ne Kur machen. Ich würde dem Kranken vor Antritt der Kur eine Erklärung abverlan- gen, daß er nicht raucht wäh- rend seiner Kur.

Das Besondere der Kro- zinger Therme ist der hohe Anteil der feinperligen Koh- lensäure (2,7000 mg/1), be- dingt durch den großen Druck der Quelle, die aus ei- ner Tiefe von 600 Metern in einer Sekunde 42 Liter her- vorsprudelt. Sie hat eine Temperatur von 40 Grad Cel- sius. Als Heilanzeigen dieser Quelle werden Herz- und Kreislaufbeschwerden ange- geben (Infarktnachbehand- lung), Rheuma und Erkran-

kungen dieses Formenkreises (zum Beispiel Bechterewsche Erkrankung), Abnutzungser- krankungen der Gelenke (Arthrosen) und auch Er- krankungen des Nervensy- stems. Als Kontraindikatio- nen werden akute Infekte und Tbc aufgeführt. Die Wir- kung beruht auf einer besse- ren Haut-, Gefäß- und Or- gandurchblutung, dadurch ei- ner Regulation des Span- nungszustandes der Gefäß- nerven, so daß diese Bäder sowohl bei Hoch- als auch bei Unterdruck heilsam sind.

Bei akuten Infekten ist die eigene Abwehr schon gefor- dert und würde durch zusätz- liche Maßnahmen überstra- paziert werden. Bei einer Ba- dekur werden die sogenann- ten Abwehrkräfte mobilisiert.

Im Blut und Gewebe sind das: Leukozyten, Lymphozy- ten, Antikörper, Enzyme und Hormone. Das geschieht in- folge der Durchblutungsstei- gerung bei aktiver und passi- ver Behandlung. Seit langem

weiß man, daß auch geistige Einflüsse auf das Abwehrsy- stem einwirken. Ein „Wohl- befinden", „sich freuen" ver- ändert sehr schnell die Ab- wehrlage, was sich zum Bei- spiel durch Untersuchungen des Speichels und des Blutbil- des nachweisen läßt.

Diese Tatsachen werden bei einer Kur berücksichtigt.

Da gibt es gesellige Veran- staltungen jeder Art (Vorträ- ge, musikalische Darbietun- gen, Wanderungen, Grup- pengymnastik, Schachspiel etc.). Auch bieten die zahl- reichen gemütlichen Wein- stuben und besonders die Straußwirtschaften viele Mög- lichkeiten der Kontaktaufnah- me. Es muß nicht unbedingt ein „Kurschatten" sein, denn Probleme in dieser Hinsicht würden das „Abwehrsystem"

zwar anregen, aber mögli- cherweise auch überstrapa- zieren wie ein akuter Infekt.

Alles soll eben nur Spaß ma- chen, ohne Problematik und Konflikte

1988 waren es noch um ei- ne Million Übernachtungen in Bad Krozingen, doch nach der „Gesundheitsreform"

ging diese Zahl zunächst um etwa 100 000 zurück. Die Hälfte der Übernachtungen betrifft die offenen Badeku- ren, das sind die Patienten, die nur einen kleinen Zu- schuß von den Kassen be- kommen, aber denen die Ko- sten für eine Behandlung zum_

größten Teil ersetzt werderi.

Nun — diese Kuren sind um etwa 700 DM teurer gewor- den, und doch ist diese Kom- bination von Therapie mit Er- holung und genügender Frei- zeit sinnvoll.

Da Krozingen keine Erhe- bungen hat, kann sich ein Gehbehinderter im Rollstuhl gut fortbewegen. Für mich je- denfalls war dieser Aufent- halt dort ein sowohl körperli- ches als auch seelisch erfri- schendes Bad, und ich faßte neuen Mut.

Was Pillen allein nicht be- wirken können, das schafft si- cher ein so belebender Kur- aufenthalt — ich konnte es je- denfalls selbst erfahren.

Dr. med. W. Poppenberg

Badekur in Bad Krozingen

Ein Arzt als Patient

Dt. Ärztebl. 88, Heft 20, 16. Mai 1991 (113) A-1825

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