Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 13½½½½30. März 2001 AA797
S E I T E E I N S
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er Arzt, der seinen Beruf ausübt, ist verpflichtet, sich in dem Um- fange beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu seiner Berufsausübung erforderli- chen Fachkenntnisse notwendig ist.“So steht es in der zuletzt 1999 auf dem 102. Deutschen Ärztetag in Cottbus neu gefassten (Muster)-Berufsord- nung. Nach jahrelangen Diskussio- nen sprachen sich die Delegierten auf demselben Ärztetag für die Einfüh- rung der zertifizierten Fortbildung auf freiwilliger Basis aus. Jeder Arzt soll künftig auch gegenüber seinen Pati- enten mit einem Zertifikat den Stand seiner kontinuierlichen Fortbildungs- aktivitäten dokumentieren können.
Wenig Vertrauen in die freiwillige Selbstverpflichtung der deutschen
Ärzte zur Fortbildung setzt der Sachverständigenrat für die Konzer- tierte Aktion im Gesundheitswesen mit seinem in der vergangenen Wo- che vorgelegten Gutachten (dazu auch der Bericht unter „Politik“ in diesem Heft). Alle Ärzte sollen sich in regelmäßigen Zeitabständen ei- ner Prüfung unterziehen und so den Nachweis erfolgreicher Fortbildung erbringen. Anstatt auf Freiwilligkeit der Fortbildung setzt der Sachver- ständigenrat auf Reglementierung, wobei er sich Details zur Durch- führung allerdings erspart.
Die Ärzte haben selbst die Ent- scheidung darüber in der Hand, wel- cher Weg künftig eingeschlagen wird. Der Deutsche Senat für Ärztli- che Fortbildung hat mit einheitli-
chen Bewertungskriterien für den Erwerb des freiwilligen Fortbil- dungszertifikats die notwendigen Rahmenbedingungen für die bun- desweite Umsetzung geschaffen. In dem Maße, in dem die Ärzte mit re- ger Teilnahme dem Fortbildungs- konzept auf freiwilliger Basis zum Erfolg verhelfen, wird die Zahl der Kritiker zurückgehen, die über den Fortbildungsstand der Ärzte Klage führen. Diejenigen Ärzte ohne Zer- tifikat im Wartezimmer werden sich kritische Fragen der noch verbliebe- nen Patienten gefallen lassen müs- sen. Ohne rege Beteiligung der Ärz- te bliebe das Projekt jedoch auf der Strecke. Dann wird erneut die Dis- kussion über staatlich reglementier- te Fortbildung aufleben. Thomas Gerst
Fortbildung
Selbstverpflichtung D
as Bundesgesundheitsministeri-um hält sich bis zur Stunde be- deckt. Während die einen vermel- den, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt habe den Ethikbeirat ihres Hauses aufgelöst, orakeln andere, dem Beirat würde lediglich die Be- ratungskompetenz für die Gentech- nik, insbesondere die Präimplantati- onsdiagnostik, entzogen.
Wie auch immer – schon seit län- gerem ist bekannt, dass der von Schmidts Vorgängerin Andrea Fi- scher berufene Ethikbeirat in seiner Zusammensetzung und mit seinen Auffassungen nicht mehr so ganz zu der gewandelten biopolitischen Hal- tung der Bundesregierung passt, wenn es denn eine solche gibt. Bun- deskanzler Gerhard Schröder und auch seiner neuen Gesundheitsmini- sterin wird zwar nachgesagt, in Sa-
chen Gentechnik nicht gar so streng wie Fischer zu sein, doch Genaues weiß man nicht, und die Bundesju- stizministerin, Herta Däubler-Gme- lin, ist nach wie vor von der strengen Observanz.
Die Ablösung oder Kastration des Ethikbeirates steht im Zusam- menhang mit Plänen für einen „Na- tionalen Ethikrat“. Der soll durch Kabinettsbeschluss etabliert wer- den, der Bundeskanzler hatte ge- genüber Vertretern der Ärzteschaft am 18. Januar ein solches Gremium ins Gespräch gebracht. Beschlossen freilich ist noch nichts. Würde An- drea Fischers Beirat mit den stren- gen Auffassungen durch einen sol- chen des Bundeskanzlers ersetzt, hätte dieser „Nationale Ethikrat“
gleich von Anfang an mit einem Handicap zu leben. Ihm würde näm-
lich der Argwohn entgegenschlagen, die wissenschaftliche Verbrämung für eine Lockerung gentechnischer Vorschriften liefern zu sollen – auf höchstem philosophischen Niveau, und doch unter der Prämisse: Rat’
mir gut, aber rat’ mir nicht ab.
Um solchem Eindruck von vorn- herein zu begegnen, müsste deshalb Schröders Ethikrat nicht nur fach- lich kompetent und vielfältig, son- dern auch mit wirklich unabhängi- gen Wissenschaftlern und Vertre- tern gesellschaftlicher Kräfte be- setzt sein. Das heißt, die Vertreter eines solchen „Nationalen Ethikra- tes“ dürften nicht anderen einschlä- gigen Gremien, sei es der Wissen- schaft, sei es der Industrie, verpflich- tet sein, um unverdächtig ihren Ethik-Rat dem Bundeskanzler an- gedeihen zu lassen. Norbert Jachertz