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Archiv "Vilmar: Verantwortungslose Kampagne" (10.05.1996)

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P O L I T I K KOMMENTAR

Während in Bonn die Gesund- heitsreform in der heißen Phase steckt, leistet sich die Ärzteschaft eine Kampagne gegen ihren obersten Re- präsentanten. Seit Wochen sind an- fangs Bremer Ärzte und schließlich Mandatsträger landauf, landab über Gebühr mit einem Thema beschäftigt:

der sogenannten Affäre um Dr. Kar- sten Vilmar (Bremen), seit 1978 Präsi- dent der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages.

Um es gleich zu sagen: Eine Affä- re Vilmar gibt es nicht, wohl aber eine mutwillig angezettelte Kampagne ge- gen Vilmar. Wenn es denn eine Affäre gibt, dann um den früheren Ge- schäftsführer der Ärztekammer Bre- men, der zugleich ein langjähriger Vertrauter von Vilmar war.

Kurz einige wenige Fakten: Im Januar wurde Vilmar, der fast zwanzig Jahre als Präsident der Bremer Ärzte- kammer amtiert hatte, nicht wiederge- wählt. Unmittelbar nach diesem Er- eignis stellte der neugewählte Vor- stand aufgrund einer ihm zugespielten Information den Kammergeschäfts- führer zunächst kalt; wenig später wurde er fristlos entlassen. Schon nach Vilmars Abwahl kursierten Gerüchte, sein geschaßter Geschäftsführer habe sich finanzieller Unregelmäßigkeiten schuldig gemacht. Diese wurden we- nig später in einem Gutachten einer Wirtschaftsprüfergesellschaft, die of- fensichtlich gleich nach Vilmars Abwahl beauftragt worden war, bezif- fert. Insgesamt soll es um Gelder in Höhe von gut einer Million Mark ge- hen, die der ehemalige Geschäftsfüh- rer zu Unrecht bezogen haben soll.

Vor dem Arbeitsgericht einigten sich die beiden Parteien auf Rückzahlung von 600 000 DM an die Kammer.

Einzelheiten aus dem vertraulich für den Vorstand der Bremer Ärzte- kammer gefertigten Gutachten waren in unschöner Regelmäßigkeit in der lokalen Presse sowie einer überregio- nalen Zeitung zu lesen. Angeblich lag

das Gutachten, das die Bremer Kam- mer unter Verschluß hat und nicht einmal Vilmar aushändigte, einem oder zwei Journalisten vor. Wer auch immer das besorgt hat, er hat zugleich dafür gesorgt, daß die angeblichen und/oder tatsächlichen Verfehlungen des Ex-Geschäftsführers in kleinen Portionen mitgeteilt, mit Vilmar ver- knüpft wurden und so langsam zu ei-

ner Affäre Vilmar stilisiert werden konnten – eine klassische Pressekam- pagne. Inzwischen sind die Informa- tionen aus den trüben Bremer Quel- len auch bundesweit in der Presse zu lesen.

Welche der Vorwürfe gegen den früheren Bremer Geschäftsführer zu- treffen und wie sie objektiv zu bewer- ten sind, vermag ohne Kenntnis jenes ominösen Gutachtens mit Sicherheit niemand zu sagen. Der Anschein spricht freilich dafür, daß sich der ehe- malige Vilmar-Vertraute zumindest Unregelmäßigkeiten geleistet hat, darunter schwerwiegende, wie die Auszahlung erheblicher Geldbeträge, aber auch eher lächerliche, wie das Kassieren von Flaschenpfand.

Nun behauptet niemand – auch jene in Bremen, die ihrem früheren Präsidenten übelwollen, gehen nicht so weit – ,Vilmar decke finanzielle Unre- gelmäßigkeiten. Denn davon ist jeder, der ihn kennt, überzeugt: Vilmar ist ein Muster an Korrektheit. Muß er sich aber Verfehlungen eines früheren Ver- trauten zurechnen lassen? Vielleicht dann, wenn er sie hätte erkennen kön- nen. Aber weder die Prüfinstanzen der Kammer noch die externen Wirt- schaftsprüfer oder der Rechnungshof haben je Unregelmäßigkeiten aufge- deckt. Wenn also der Vertraute unter Mißbrauch des Vertrauens gehandelt hat, darf man dann den, den er mensch- lich betrogen hat, für die Verfehlungen verantwortlich machen? Wohl kaum.

Denn der Betrogene ist schließlich nicht der Betrüger, sondern das Opfer.

Die Kampagne gegen Vilmar, die in Bremen ihren Ausgangspunkt hat- te und die aus Bremen regelmäßig genährt wird, ist schäbig und gemein – und politisch verantwortungslos. Jene in Bremen, die hierfür verantwortlich sind und Vilmar in die Position des Schuldigen drängen, sollten sich über- legen, was sie anrichten. Und jene, die wissen, wer die Kampagne nährt, soll- ten ein klares Wort sprechen. Das Gutachten, das zur Waffe gegen Vil- mar geworden ist, sollte offengelegt werden. Die Bremer Kammer sollte die Affäre um ihren Ex-Geschäftsfüh- rer beenden und das seit langem vor- liegende Angebot von Vilmar, zur Aufklärung nach Kräften beizutra- gen, tatsächlich nutzen.

Es gibt inzwischen bei einsichti- gen Repräsentanten der Bremer Ärz- te Anzeichen dafür, daß man die Schmuddelkampagne auf anständige Art bereinigen will. Es ist höchste Zeit. Vielleicht kommen solche Bemühungen um Klärung nicht mehr zeitig genug, um eine Debatte über die Bremer Affäre auf dem Deut- schen Ärztetag im Juni zu verhindern.

Zumindest eine Delegiertengruppe, die auch in Bremen bei der Kampa- gne eine unrühmliche Rolle spielt, könnte versucht sein, eine Personal- debatte anzuzetteln. Die wird der Ärztetag durchstehen und notfalls durch Abstimmung erledigen müssen.

Wir hoffen, mit einem eindeuti- gen Votum zugunsten von Vilmar. Er hätte es verdient. Norbert Jachertz A-1235 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 19, 10. Mai 1996 (19)

Vilmar

Verantwortungslose Kampagne

Muster an Korrektheit: Vilmar Foto: Aevermann

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