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Archiv "Arbeitsplatz Krankenhaus: Vier Generationen unter einem Dach" (10.05.2013)

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A 928 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 19

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10. Mai 2013

ARBEITSPLATZ KRANKENHAUS

Vier Generationen unter einem Dach

Neben den Auswirkungen auf die Patienten hat die demografische Entwicklung auch Effekte auf das Krankenhauspersonal: Es arbeiten mehr Generationen gleichzeitig in einem Krankenhaus als früher. Das stellt besondere Anforderungen an die leitenden Ärzte.

D

ie Auswirkungen de- mografischer Entwick- lungen auf die Kultur, Gesell- schaft und Arbeitswelt werden aktuell viel diskutiert. Stei- gende Lebenserwartung und längere Fitness der Gesell- schaft sorgen für veränderte und verlängerte Konsumge- wohnheiten, und sie führen auch zu einer Häufung von al- tersassoziierten Erkrankun- gen. Multimorbide und betag- te Patienten sind heute in kon- servativen Krankenhausabtei- lungen die Regel.

Neben den Auswirkungen auf die Patienten im Kranken- haus hat die Demografie auch große Effekte auf das Kran- kenhauspersonal. Die Alterung der Belegschaft wird durch die Heraufsetzung des Rentenein- trittsalters verstärkt. Als Folge arbeiten die Mitarbeiter heute länger als je zuvor, und damit arbeiten auch mehr Generatio- nen gleichzeitig in einem Krankenhaus als früher. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Anforderungen an den Arbeitsplatz, die Arbeitsinhal- te und vor allem die Führung.

Denn es ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter unterschied - licher Generationen auch ver- schiedene Vorstellungen von gutem Führungsverhalten ha- ben. Kompliziert wird die Situation dadurch, dass vor allem im ärztlichen Bereich heute der Vorgesetzte nicht immer zwingend der Ältere sein muss. Diese Situation ist besonders konfliktgefährdet, weil sie der traditionellen Ord- nung widerspricht. Altersge- rechtes beziehungsweise gene- rationengerechtes Führen wird

daher anspruchsvoller und wichtiger. Aktuelle Studien von Illmarinen aus Finnland zeigen, dass die langfristige Arbeitsfähigkeit der Mitarbei- ter am stärksten vom Füh- rungsverhalten abhängt und sich gute Führung hochsigni- fikant auf die Verbesserung der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter auswirkt.

Um das Potenzial der Kran- kenhausmitarbeiter durch gu- te Führung relativ reibungslos zur Entfaltung zu bringen, ist es sinnvoll, die Generationen im Krankenhaus zu charak - terisieren und die Einstellun- gen, Werte, Motive und Prä- gungen ihrer Repräsentanten zu kennen.

Die Eigenarten der einzelnen Generationen Heutzutage arbeiten Beschäf- tigte aus vier Generationen am Arbeitsplatz Krankenhaus zu- sammen: die Wirtschaftswun- dergeneration, die Babyboo- mer, die Generation X und die Generation Y. Sie unterschei- den sich in ihrer Einstellung zur Arbeit, im Motivations- verhalten und in den Anforde- rungen, die sie an gute Füh- rungskräfte richten. Tabelle 1 fasst diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten zusammen.

Die Wirtschaftswunder- generation umfasst die Ge- burtenjahrgänge von 1945 bis 1955 und befindet sich heute im fortgeschrittenen Erwerbs - alter. Häufig bekleidet sie Führungspositionen und steht im Zenit ihres Berufslebens.

Sie wurde beeinflusst durch Ereignisse wie den Wirt- schaftsaufschwung und den

damit verbundenen Wohlstand. Ge- prägt vom Zeitgeist der ökonomi- schen Sorglosigkeit und des Über- flusses musste sich niemand Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen.

Der expandierende Wohlfahrtsstaat förderte dieses Gefühl der persönli- chen Sicherheit zusätzlich. In dieser Zeit fand auch eine Umkehr vom Bild des Mitarbeiters als Arbeits- faktor hin zum wichtigen Wettbe- werbsfaktor statt. Human-Relati- ons-Ansätze wurden implementiert und eine an den Bedürfnissen des Mitarbeiters ausgerichtete Perso- nalführung in den Vordergrund ge- stellt. Als Konsequenz der Mitar- beiterorientierung nahmen in dieser Zeit die betrieblichen Mitbestim- mungsrechte erheblich zu. Politisch setzte sich diese Generation kritisch mit der Rolle ihrer Eltern in der NS- Zeit auseinander und begründete die 68er-Bewegung. Da sich diese Mitarbeiter häufig finanziell abge- sichert haben, sind sie heute nur schwer durch materielle Anreize zu motivieren, sondern eher durch Selbstverwirklichung und die per- sönliche Anerkennung ihrer Le- bensleistung. Ihre Lebenssituation ist geprägt von erwachsenen Kin- dern und gegebenenfalls der Pflege von älteren Angehörigen. Erste Al- terserscheinungen treten auf. Phy - sische Defizite werden bei dieser Generation jedoch durch Routine, Einsatzbereitschaft und Erfahrung kompensiert.

Die Wirtschaftswundergenerati- on erwartet von ihren Vorgesetzten einen partizipativen und demokra - tischen Führungsstil. Da sie weni- ger gewohnt ist, Respekt vor einem Vorgesetzten zu haben als die Vor- gängergeneration, fordert sie eine Anerkennung ihrer Lebens- und Ar- beitserfahrung. Wenn diese fehlt, sind Konflikte mit jüngeren Kolle-

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gen programmiert. Gerade wegen dieser Kompetenzen erwartet sie, auch in Entscheidungsfindungen eingebunden zu werden. Dies ist vor allem bei jüngeren Führungs- kräften für die Akzeptanz als Vorge- setzter von Bedeutung.

Dieser Generation folgen die Babyboomer, also die Jahrgänge 1956 bis 1965. Sie stellen das Rückgrat der Erwerbsbevölkerung dar. Diese Generation ist ebenfalls im Berufsleben etabliert und kann bereits auf 20 Jahre Erfahrung zu- rückblicken. Viele von ihnen sind in Führungspositionen. Sie wurden geprägt durch die wirtschaftliche Stagnation in den 70er Jahren sowie die ersten Öl- und Weltwirtschafts- krisen. Massenarbeitslosigkeit und der Terror der Roten-Armee-Frakti- on prägten diese Zeit. Im Gegensatz zur Vorgängergeneration erfuhren Babyboomer Unsicherheiten für die persönliche und berufliche Zukunft.

Allerdings hat diese Generation die Friedens- und Umweltbewegung begründet, die in Deutschland star-

ken Einfluss auf die politische Landschaft gehabt hat. Diese Ge - neration traf am Arbeitsplatz be- reits auf eine mitarbeiterorientier- te und partizipative Unternehmens- führung, die in den Folgejahren weiter ausgebaut wurde. Die Ge- werkschaften bekamen eine stärke- re Rolle, Lohnerhöhungen und eine Verkürzung der Arbeitszeit waren die Folge. Im Krankenhaus dage- gen war von dieser Bewegung we- nig zu bemerken.

Da diese geburtenstarke Genera- tion früh mit Konkurrenzsituatio- nen (etwa in der Schule, Universität oder am Arbeitsplatz) in Kontakt kam, hat sie gelernt, zu kooperieren.

Sie ist die Generation mit den meis- ten Kindern und hat als „Scharnier- generation“ häufig Kinder und äl - tere Angehörige gleichzeitig zu be- treuen. Babyboomer kennen Kon- kurrenzsituationen und sind an Konflikte beruflicher Art gewöhnt.

Vom idealen Vorgesetzten erwarten sie einen entwicklungsorientierten und kooperativen Führungsstil, um

ihre Leistungen im Verhältnis zu anderen bewerten können.

Generation X umfasst die Jahr- gänge 1966 bis 1985. Mit ihr ist der Begriff der „Work Life Balance“

verbunden. Prägende Ereignisse waren der Beginn des Privatfernse- hens beziehungsweise die damit verbundene Medienrevolution und die Wiedervereinigung beider deut- scher Staaten. Trotz zunehmender Scheidungsraten und Berufstätig- keit beider Eltern wuchs diese Ge- neration vergleichsweise behütet auf. Am Arbeitsplatz wurde immer häufiger der Computer verwendet, und die Halbwertszeit des Wissens nahm rapide ab. Daher ist eine posi- tive Einstellung zum kontinuierli- chen Lernen vorhanden. Wie schon in der Vorgängergeneration bestand jedoch eine Unsicherheit, was die eigene Etablierung im Berufsleben betrifft. Für Generation X ist daher das Streben nach Wohlstand und materiellen Werten bedeutend. Sie ist ehrgeizig und karriereorientiert und nimmt zum Fortkommen auch

TABELLE 1

Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Mitarbeitergenerationen im Krankenhaus

Geburtsjahrgänge Prägende Ereignisse Einstellung zur Arbeit

Arbeitsmotto

Sicherheit des Arbeitsplat- zes/Angst um Arbeitsplatz

Wert der Freizeit Bedeutung von Titeln und Hierarchiestufen Auszeiten vom Job Motivation

Lebenssituation

Physische und psychische Belastbarkeit

Wirtschaftswunder- generation 1945–1955

Wiederaufbau, Wirtschafts- wunder, Vollbeschäftigung idealistisch, Skepsis gegen- über Autoritäten, loyal zum Unternehmen

Leben, um zu arbeiten keine Sorgen, da Vollbeschäf- tigung bestand

erste Orientierung zur Freizeit sehr wichtig

keine

keine materiellen Anreize, sondern Selbstverwirklichung und persönliche Anerkennung kurz vor dem Ruhestand, Kinder sind erwachsen

abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit, Kompen- sation durch Routine

Babyboomer

1956–1965

erste Ölkrise, Mondlandung, deutsche Teilung

Wettbewerb um Positionen und Karriere, Umweltbe- wusstsein und Emanzipation Leben, um zu arbeiten beginnende Sorgen um Arbeitsplatz in der Medizin, große Niederlassungswelle abnehmende Wertigkeit sehr wichtig bis weniger wichtig

sehr selten

weniger materielle Anreize, Partizipation

Kinder teilweise noch im Haus, gegebenenfalls bereits Pflege von Angehörigen körperliche Leistungsfähigkeit hoch, große Erfahrung und Routine

Generation X

1966–1985

Wiedervereinigung, Privat- fernsehen

Individualismus und materiel- le Werte, karriereorientiert, ehrgeizig, Work-Life-Balance Arbeiten, um zu leben großer Wettbewerb um Stellen im Krankenhaus und Sorge um Arbeitsplatz Work-Life-Balance wichtig

etablierte Auszeiten (Eltern- zeit) werden genommen materielle Anreize, Karriere

mittlere Lebensphase, im Berufsleben etabliert, späte Familienplanung hier häufig körperliche Leistungsfähigkeit sehr hoch, große Erfahrung und Routine, noch lernwillig

Generation Y

Ab 1986

9/11, Krieg im Irak,Internet, Social Media, Globalisierung Arbeit muss Spaß machen und fordern, lernbereit, flexibel und mobil Leben beim Arbeiten keine Sorgen um Arbeitsplatz wegen Fachkräftemangel

sehr groß unwichtig

„Privatleben kommt vor Arbeit“

keine finanziellen Anreize, geregelte und planbare Arbeitszeiten

etablieren sich gerade im Berufsleben , unabhängig

körperliche Leistungsfähigkeit sehr hoch, unerfahren und neugierig

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A 932 Deutsches Ärzteblatt

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10. Mai 2013 lange Arbeitszeiten in Kauf. Aus-

zeiten vom Beruf werden nur dann genommen, wenn sie gesellschaft- lich etabliert sind, wie beispielswei- se die Elternzeit nach der Geburt ei- nes Kindes. Generation X hat 13 Jahre Schule hinter sich gebracht, Zivildienst oder Bundeswehr absol- viert und nach dem Studium mit Physikum und mehreren Examina die AiP-Zeit erlebt. Die Facharzt- weiterbildung dauert in großen Fä- chern sechs Jahre. Das prägt sie vor allem im Bezug zur Generation Y.

Sie ist häufig in Führungspositionen anzutreffen, unter anderem auch deshalb, weil die Entscheidung für Kinder deutlich später getroffen wird als in den Generationen davor.

Generation X erwartet eine ziel- orientierte und pragmatische Füh- rung. Da diese Generation nicht so stark konsensorientiert ist wie ihre Vorgängergenerationen, ist für sie eine klare Kommunikation von Er- wartungen und Zielen wichtig.

Konflikte im Kollegenkreis sind für sie keine Schreckensvorstellung.

Der partizipative Stil bei den Vor- gängergenerationen sollte hier zu- gunsten einer stärkeren Delegation von Aufgaben umgewichtet werden.

Von allen vorangegangenen Ge- nerationen unterscheiden sich die nach 1985 geborenen Beschäftig- ten, die als Generation Y bezeich-

net werden. Sie ist geprägt durch das Internetzeitalter, die Verbrei- tung der Smartphones und sozia- len Netzwerke. Gesellschaftlich be- deutsam waren für diese Generati- on die Anschläge des 11. Septem- ber 2001 und der darauffolgende Irakkrieg. Ferner erlebte sie die rapide weltweite Vernetzung und Globalisierung. Die Angehörigen dieser Generation sind aufgeschlos- sen, kontaktfreudig und optimis- tisch. Sie kommunizieren intensivst über elektronische Medien und nehmen diesen Lebensstil auch mit an den Arbeitsplatz. An das Ver- schwimmen der Grenzen von Ar- beitsplatz und Privatleben haben sie sich gewöhnt. Die ständige Ver- fügbarkeit des Internets hat bei ih- nen die Art des Lernens beeinflusst.

Da Wissen nahezu unbegrenzt im Internet verfügbar ist, muss es nicht ständig individuell erarbeitet wer- den. Damit nimmt jedoch auch das Interesse komplexe Sachverhalte in der Tiefe zu erforschen, sich also wissenschaftlich zu engagieren, ab.

Gelernt wird interaktiv und praxis- orientiert in Blended-learning-Kon- zepten am Computer und gern auch von zu Hause. Am Arbeitsplatz werden Hierarchien abgelehnt und fachliche Kompetenz bevorzugt.

Privat nimmt die Familie einen stärkeren Stellenwert ein. Auszei-

ten für Kinder oder aus anderen Gründen werden je nach Lebens- phase genommen, insbesondere auch, weil der Frauenanteil im Be- ruf in dieser Generation höher ist als in denen davor.

Beschäftigte der Generation Y erwarten ein engmaschiges Feed- back und ein Coaching durch ih- ren Vorgesetzten. Sie beanspruchen mehr direkte Führung als alle vor- herigen Generationen. Diese Gene- ration erwartet klare Vorgaben und visionäre Ziele für ihre Zukunft.

Arbeitszeiten und -inhalte müssen sinnvoll gestaltet sein, Überstunden dagegen gut begründet. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, sind Angehörige der Generation Y eher bereit, den Arbeitsplatz zu wechseln, als sich selbstkritisch zu reflektieren oder gar anzupassen.

Typische Konflikte

Die Lösung von Konflikten ist eine übliche Führungsaufgabe. Konflik- te treten zwischen Gleichaltrigen ebenso häufig und intensiv auf wie zwischen Personen unterschiedli- cher Generationen, zumal die Über- gänge von der einen zur nächsten Generation fließend sind. Solche Konflikte werden nachfolgend we- der repräsentativ noch wissen- schaftlich fundiert betrachtet, son- dern vielmehr vereinfachend und

TABELLE 2

Konfliktfelder zwischen Mitarbeitergenerationen im Krankenhaus Wie sieht oben unten

Wie sieht unten oben Wirtschaftswun- dergeneration (WWG) Baby-Boomer

Generation X

Generation Y

Wirtschaftswunder- generation (WWG) Wir bekommen durch harte Arbeit Anerkennung und Wohlstand.

Babyboomer haben die Arbeitsbedingungen der WWG durch Arbeitskampf humaner und gerechter gestaltet.

WWG stehen meiner Karriere und schnellen Entscheidungen im Weg. WWG haben zu jeder Entscheidung eine Anekdote auf Lager und wollen alles hundert- mal reflektiert haben.

WWG sind nett, wissen viel und erzählen tolle Geschichten;

könnten uns Mentoren sein.

Babyboomer

Suchen stets Kompromisse, statt sich durchzusetzen.

Gewerkschaftstypen, die alles weicher gemacht haben.

Die Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, der mir Befriedigung verschafft.

Babyboomer sind Workaholics, und sehen mich stets als Wett- bewerber um ihre Position. Da sie anders als wir früh Kinder bekommen haben, sind wir zeitlich verfügbarer.

Babyboomer sind Workaholics, die alles ausdiskutieren müssen und immer gerecht sein wollen.

Generation X

Von mir geförderte, ehrgeizige Typen, die teilweise kompro- misslos in der Durchsetzung ihrer Ziele sind.

„Xer“ sind ehrgeizige Typen, die heiß auf Karriere sind. Sie sind jedoch unzufrieden mit ihrer eigenen Situation und trauen sich nicht auszubrechen.

Wo wir sind, ist vorne. Erst die Karriere und das persönliche Fortkommen, dann die Familie.

Jammern viel, wie hart ihre Zeit war und wie komfortabel wir es heute haben.

Generation Y

Haben keinen Respekt mehr vor älteren Mitarbeitern. Sind freizeit- und spaßorientiert.

Respektlose Anfänger, die alles machen und nichts selbst lernen wollen.

Eine neue Generation von Nichtskönnern, Waschlappen und Heulsusen, die arrogant ihre Ziele einfordern. Schaffen keine Doppelnachtdienste am Wochenende.

Arbeit ist schön, aber nicht das ganze Leben.

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polarisierend, teilweise im Jargon- stil. Durch die Überspitzung der Si- tuation sollen Unterschiede zwi- schen den Generationen deutlich werden. Persönliche Erfahrungen aus dem Führungsalltag der Auto- ren begründen diesen Abschnitt. Ei- ne Verallgemeinerung der geschil- derten Einzelfälle ist nicht beab- sichtigt.

Sobald die oben geschilderten, von Generation zu Generation durchaus unterschiedlichen Einstel- lungen, Wertesysteme und Motiva- tionsstrukturen am Arbeitsplatz aufeinandertreffen, können Span- nungen zwischen den betreffenden Kollegen entstehen. Einige vorstell- bare und teilweise auch erlebte Spannungen sind in Tabelle 2 exemplarisch zusammengefasst.

Mitarbeitende der Altersklasse

„Wirtschaftswundergeneration“ ha- ben eine eiserne Arbeitsmoral und verstehen die scheinbar fehlende Disziplin und Wertigkeit der Arbeit, die andere Generationen zuweilen aufweisen, nicht. Insbesondere der Umgang mit Generation Y ist manchmal schwierig, beispielswei- se wenn im Rahmen von Stellenbe- setzungen Aussagen wie „Herr Pro- fessor, die Hospitation in Ihrer Kli- nik war klasse, Sie kommen in die engere Wahl“ erfolgen. In solchen Fällen versteht die Wirtschaftswun- dergeneration die Welt nicht mehr.

Babyboomer werden als Gewerk- schaftstypen und als harmoniebe- dürftige Mitarbeiter gesehen; der Generation X gehören aus der Sicht der Wirtschaftswundergeneration kompromisslose Karrieretypen an, die sich gerne fördern lassen.

Babyboomer und Vertreter der Wirtschaftswundergeneration ha- ben erfahrungsgemäß wenige Kon- flikte miteinander – am ehesten noch beim Thema Arbeitsbedin- gungen. Zwischen Babyboomern und Generation X gibt es mehre- re Konfliktfelder. Da Babyboomer relativ früh Kinder bekommen ha- ben, ist ihre Verfügbarkeit außerhalb der Dienstzeiten, beispielsweise für eine Habilitation, eingeschränkt.

Mitarbeiter der Generation X ha- ben sowohl den Biss als auch die Zeit (Kinder erst ab 35 bis 40 Jah- ren), um sich im Wettbewerb ge-

gen Babyboomer Vorteile zu ver- schaffen. Das bringt Konflikte mit sich. Dienstplanungen werden durch eine gewisse Kompromiss- losigkeit erschwert. Generation Y wird von den Babyboomern gar nicht mehr verstanden, auch wenn Bezüge zu den eigenen Kindern gegeben sind. Vor allem, wenn et- wa im Operationssaal die Assis- tenz gefragt wird, ob sie die OP- Schritte kennt, und darauf erwi- dert: „Warum, das bringst du mir doch jetzt bei.“

Die Auffassungen nachfolgender Generationen werden von den Ba- byboomern insgesamt am wenigs- ten verstanden. Generation X hält Generation Y für arrogant und ver- wöhnt und Babyboomer für Work- aholics, denen der Sinn für das Wesentliche (nämlich die Karriere) fehlt. Die Jahrgänge der Wirt-

schaftswundergeneration werden zuweilen als Anekdotenerzähler ab- gestempelt, selbst wenn eine Men- torenbeziehung besteht.

Generation Y hält Generation X für „Jammerlappen“ und Babyboo- mer für Workaholics. Da sie Hierar- chien kaum Beachtung schenkt, er- zeugt sie bei allen älteren Genera- tionen Spannungen. Sie stellt sich die ideale Arbeitswelt so vor, dass jeder streng nach seinen Leistungen befördert wird und das Dienstalter keine Rolle spielt. Geburtsjahrgän- ge der 40er und 50er Jahre sind aus ihrer Sicht ältere Mitarbeiter, denen man noch Instant Messaging und SMS beibringen muss, fast wie bei den eigenen Eltern.

Individuell führen

Die Darstellung und Analyse der Generationen zeigt, wie stark die Einstellungen der Beschäftigten zur Arbeit und hinsichtlich ihrer Erwartungen an Vorgesetzte von - einander abweichen. Um trotz der Vielfalt der Vorstellungen (Tabel- le 1) dennoch gute Fachkräfte ge-

winnen, binden und motivieren zu können, ist eine generationenge- rechte Führung vonnöten. Genera- tionengerecht zu führen erfordert, unterschiedliche Prägungen, Le- bensphasen und Alterungseffekte zu berücksichtigen. Die damit ein- hergehende Individualisierung des Führungsverhaltens macht das Kran- kenhausmanagement anspruchsvol- ler als jemals zuvor. Krankenhäu- ser sind aufgerufen, sich intensiv mit der Führungskräfteentwick- lung auseinanderzusetzen und sich des Stellenwerts guter Führung für die Motivation der Mitarbeitenden bewusst zu werden. Wo dies nicht gelingt, sind Konflikte zwischen den Generationen programmiert.

Folgende Führungsstile haben sich bewährt:

Der gefühlsorientierte, partizi- pative, demokratische Stil für ältere

Mitarbeiter der Babyboomer- und Wirtschaftswundergeneration

Der entwicklungs- bezie- hungsweise leistungsorientierte Führungsstil für den Mitarbeiter beispielsweise der Generation X oder Babyboomer

Der visionär coachende Stil für den enthusiastischen Anfänger, beispielsweise der Generation Y.

Erfahrene Führungskräfte wenden die Führungsstile nicht in Reinform an. Je nach Situation und Finger- spitzengefühl wählen sie Misch - formen der genannten Ansätze. Per- sonalführung wird zum entschei- denden Faktor im Wettbewerb der Kliniken. Es empfiehlt sich daher, sich intensiv mit der hier umrisse- nen Thematik auseinanderzusetzen.

Jedoch, wie drückte William Ed- wards Deming sich so treffend aus?

„Sie müssen das nicht tun. Überle- ben ist keine Verpflichtung.“

Prof. Dr. med. Christian Schmidt Prof. Dr. rer. pol. Johannes Möller Dr. med. Peter Windeck

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Literatur im Internet:

Generation Y hält Generation X für „Jammerlappen“ und

Babyboomer für Workaholics. Generation X hält Generation Y

für arrogant und verwöhnt.

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 19/2013, ZU:

ARBEITSPLATZ KRANKENHAUS

Vier Generationen unter einem Dach

Neben den Auswirkungen auf die Patienten hat die demografische Entwicklung auch Effekte auf das Krankenhauspersonal: Es arbeiten mehr Generationen gleichzeitig in einem Krankenhaus als früher. Das stellt besondere Anforderungen an die Leitenden Ärzte.

LITERATUR

1. Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Macco K: Fehlzeiten-Report 2011. Führung und Gesundheit. Berlin, Heidelberg: Sprin- ger 2011.

2. Badura B, Schröder H, Klose J, Macco K:

Fehlzeiten-Report 2010. Vielfalt managen:

Gesundheit fördern – Potentiale nutzen.

Berlin, Heidelberg: Springer 2010.

3. Brandenburg U, Domschke JP: Die Zukunft sieht alt aus. Herausforderungen des de- mographischen Wandels für das Personal- management. Wiesbaden: Gabler 2007.

4. Bruch H, Kunze F, Böhm S: Generationen erfolgreich führen. Wiesbaden: Gabler 2010.

5. Illies F: Generation Golf. Eine Inspektion.

Freiburg: Herder 2000.

6. Ilmarinen J: Towards a longer worklife!

Ageing and the quality of worklife in the Eu- ropean Union. Finnish Institute of Occupa- tional Health. Helsinki: Eigenverlag 2005.

7. Pfeifer U: Schicksalsgenerationen: Von der Kriegs- und Krisen- zur Packeselgenerati- on. Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte 2008; 10: 54–9.

8. Schmidt CE, Gerbershagen M, Schmidt K, Wappler F: Generation 55+: Halten, Moti- vieren Einsetzen. Anästhesist 2012; 61:

630–4, 636–9.

9. Schmidt K, Meyer J, Liebeneiner J, Schmidt CE, Hüttenbrink KB: Generation Y in der HNO – Führung einer neuen Generation von Ärzten. HNO 2012; 60: 993–1002.

10. Schmidt CE, Möller J, Schmidt K, et al:

Generation Y: Rekrutierung, Entwicklung und Bindung. Anästhesist 2011; 60:

517–24.

11. Zemke R, Raines C, Filipczak B: Generati- ons at work. Managing the clash of vete- rans, Boomers, Xers and Nexters in your workplace. New York: American Manage- ment Association 2000.

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