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Archiv "Arbeitsplatz Krankenhaus: Harte Brocken für die Tarifpolitik '90" (01.06.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

E

ii ei der derzeitigen personel- 1 len Ausstattung der Kran- kenhäuser ist es für Ärzte und Pflegekräfte nahezu un- möglich, das hohe Versorgungs- niveau aufrechtzuerhalten. Die schlechte personelle Ausstattung ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Ermittlung von Stellenplä- nen auf Anhaltszahlen basiert, die aus dem Jahr 1969 stammen und 1974 lediglich auf die 40-Stunden- Woche aktualisiert worden sind. Da- bei werden weder die Verkürzung der Verweildauer noch der medizini- sche Fortschritt berücksichtigt, die in den letzten 20 Jahren erreicht wor- den sind. Unter dem Hinweis, die Patientenversorgung müsse auf- rechterhalten werden, und dem Rückgriff auf längst veraltete An- haltszahlen wird so von vielen Ärz- tinnen und Ärzten die Ableistung von Bereitschaftsdiensten außerhalb jeglicher tariflicher Norm verlangt.

Darüber hinaus leisten die Kranken- hausärzte in erheblichem Maße

Mehrarbeit, die weder durch Freizeit noch durch Geld oder anderweitig ausgeglichen wird. Sie ermöglichen dadurch erst, daß die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Technik dem Patienten in den Kran- kenhäusern auch zugute kommen.

Hinzu kommt: Der größte Teil der angestellten Ärztinnen und Ärz- te arbeitet inzwischen in befristeten Arbeitsverhältnissen, so daß sich kaum massive Proteste gegen die be- stehenden Verhältnisse erheben.

Daneben steigt die Zahl der arbeits- losen Ärztinnen und Ärzte; 12 000 bis 14 000 waren es im Oktober 1988.

Die Tarifpolitik der nächsten Jahre für den Krankenhausbereich sollte diese Umstände berücksichti- gen. Sie sollte den Betroffenen die notwendige Freiheit zur Ausübung des Berufes erhalten, sie vor Über- belastung schützen und Impulse für Neueinstellungen geben, Vergü- tungssteigerungen vereinbaren und mit allen Mitteln gegen unsinnige

Befristung von Arbeitsverträgen vor- gehen.

In den letzten Jahren ist die Schere der zunehmenden Zahl ar- beitsloser Ärzte einerseits und der offenen Stellen im Krankenhausbe- reich andererseits immer weiter aus- einandergegangen. Um so wichtiger ist die tarifliche Vereinbarung über eine Verkürzung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst, die im letzten Jahr getroffen wurde. Die Tarifver- tragsparteien sind bereit gewesen — wenn auch zuerst nur vertraglich —, ihrer Verantwortung für Mehrbe- schäftigung gerecht zu werden. Sinn- volle Abschlüsse von Tarifverträgen können zwar eine „Ärzteschwemme"

nicht verhindern und staatliches Handeln ersetzen, sie können aber dazu beitragen, die zunehmende Ar- beitslosigkeit von Ärztinnen. und Ärzten wirksam zu bekämpfen.

Die Forderung, die Wochenar- beitszeit zu verkürzen, basiert auf der gängigen These: „Wenn nicht ge- nug Arbeit für alle da ist, muß die vorhandene Arbeit vernünftig ver- teilt werden." Auch wenn am Anfang von Arbeitszeiteinschränkungen kei- ne Sofortwirkung in Form von Neu- einstellungen zu erwarten ist, haben dennoch die Erfahrungen der ver- gangenen Jahre in anderen Berei- chen gezeigt, daß mittel- und langfri- stig auf die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte in allen Bereichen nicht verzichtet werden kann.

Anhaltszahlen

noch aus dem Jahr 1969

Die Forderung, Arbeit zu vertei- len, wird für den Arbeitsplatz Kran- kenhaus durch die Anwendung von Personalbemessungszahlen aus dem Jahr 1969 erschwert. Deshalb steht nicht allein die Verteilung von Ar- beit zwischen Arbeitenden und Ar- beitsuchenden im Vordergrund, son- dern das Festschreiben von zusätz- lichen Eckdaten, aus denen die schon seit Jahren geforderten neuen Anhaltszahlen zur Personalbemes- sung im Krankenhaus führen.

Die Umsetzung der Arbeitszeit- verkürzung muß eine Arbeitsentla- stung für Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus bringen und einen

Arbeitsplatz Krankenhaus

Harte Brocken

für die Tarifpolitik '90

Lutz Hammerschlag

In den 3070 bundesdeutschen Krankenhäusern besteht eine erheb- liche Diskrepanz zwischen dem Angebot an vorgehaltenen Arbeits- plätzen für Krankenhausfachberufe und den geforderten und stetig wachsenden Arbeitsleistungen. Dies führt zu „Streß am Klinikbett"

und zu einer Arbeitsbelastung, wie sie in keinem anderen Bereich der industriellen und Dienstleistungswirtschaft schon aus arbeits- medizinischen Gründen toleriert wird. Die längst überholten, stein- alten Anhaltszahlen für die Besetzung mit Fachkräften im ärztlichen und pflegerischen Bereich aus 1969 und noch viele ungelöste tarif- politische Fragen zwingen zu einem Umdenken in der Kranken- hauspolitik. Zugleich sind sie eine Herausforderung an die Tarifpoli- tik der 90er Jahre. Dazu ein Diskussionsbeitrag aus „erster Hand", verfaßt vom Tarifexperten des Marburger Bundes (Verband der an- gestellten und beamteten Ärzte Deutschlands), Bundesverband.

A-1650 (22) Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989

(2)

9,5

8,3

Abbildung 2: Ausgleich bei Bereitschaftsdiensten

Keine Antwort Keinerlei Ausgleich Andere Regelung Freizeit + Zuschlag Ausgleich in Geld

0 10 1 20 1 30 1 40 i Angaben in Prozent

50,5

50 610

27,5 Abbildung 1: Anzahl der monatlichen Überstunden

Keine Antwort 8,1 Mehr als 100 2,3

41 bis 100 12,9

21 bis 40 30,4

Bis zu 20 46,3

0

110 20 310 440

Angaben in Prozent

Quellen für Abbildungen 1 bis 4: Marburger Bund (Bundesverband), Köln, Ergebnisse einer Umfrage, März 1989

starken Druck auf die Verantwort- lichen ausüben, die Bemessung der Stellenpläne nach aktualisierten Zahlen zu berechnen. Es muß ver- mieden werden, daß der Arzt zwar künftig seine 39-Stunden-Woche in einem Tarifvertrag stehen hat, trotz- dem aber weiter auf dem üblichen Wege gezwungen wird, mehr Ar- beitszeit als die vorgeschriebene im Krankenhaus zu verbringen. Tarif- politik besteht aus zwei Komponen- ten, dem Aushandeln von vernünfti- gen Kompromissen und der Umset- zung der Tarifverträge vor Ort.

Eine vernünftige Durchführung der Arbeitszeitverkürzung für das Krankenhauspersonal ist nur mög- lich, wenn im jeweiligen Bereich Re- gelungen unter Berücksichtigung der sachlichen, örtlichen und personel- len Erfordernisse getroffen werden.

Die kollektiv ausgehandelten kürze- ren Arbeitszeiten führen nur dann zu den angestrebten Zielen, wenn sie

„vor Ort" umgesetzt werden.

Eine medizinische Behandlung ist eine persönliche Leistung, die nicht ohne Qualitätsverlust verkürzt werden kann. Wo die Zeit der Zu- wendung zählt, ist im Prinzip keine Einsparung an Arbeitszeit möglich, ohne daß es zusätzliche Stellen gibt.

Die Wochenarbeitszeitverkür- zungen beinhalten zwei Teile einer

„Paketlösung". Dafür wurden die Löhne und Vergütungen bis Ende

1990 und die Arbeitszeitverkürzun- gen bis Ende 1991 festgeschrieben.

Die vereinbarten linearen Erhöhun- gen (2,4 Prozent ab dem 1. März 1988, 1,4 Prozent ab dem 1. Januar 1989 und 1,7 Prozent ab dem 1. Ja- nuar 1990) berücksichtigen den Ar- beitszeitgewinn als Kostenfaktor, der von den Arbeitgebern bis auf den heutigen Tag mit 2,58 Prozent je vol- le Stunde veranschlagt wird.

Arbeitszeitverkürzung sachgerecht umsetzen

Eine Verkürzung der eigent- lichen Arbeitszeit um 12 Minuten ab dem 1. April 1989 und um weitere sechs Minuten ab 1990 wird im Kran- kenhaus nicht zu einer Humanisie- rung führen. Auch eine verlängerte Mittagspause als Instrument der Ar- beitszeitverkürzung wäre Augenwi- scherei. Die einzige vernünftige Lö- sung, die Arbeitszeitverkürzung für Ärzte sinnvoll zu regeln, ist die gene- relle Möglichkeit der Übertragung von Zeitguthaben oder Zeitrückstän- den in einem Ausgleichszeitraum.

Alles andere kann nicht funktionie- ren, da das Krankenhaus ein 24-Stunden-Betrieb ist, ein Sonder- fall im Tarifsystem. Die Arbeitsin- tensität ist extrem hoch, und das bis- her in einer 40-Stunden-Woche Ge- leistete kann nicht plötzlich in einer

kürzeren Zeit ohne zusätzliche per- sonelle Unterstützung erledigt wer- den. Im Krankenhaus ist eine Umset- zung der Arbeitszeitverkürzung nicht einfach durch die Reduzierung der tariflichen oder wöchentlichen Arbeitszeit möglich.

Bei dem Ansammeln von Zeit- guthaben ist an folgende Möglich- keiten zu denken: Bei Verkürzung der Arbeitszeit durch Ansammeln von freien Tagen ergibt dies monat- lich einen halben Tag, zweimonatlich einen ganzen Tag, dreimonatlich 1,5 Tage, halbjährlich 3 Tage, ab dem 1.

April 1990 monatlich 0,75 Tage, zweimonatlich 1,5 Tage, dreimonat- lich 2,25 Tage und halbjährlich 4,5 Tage.

Die Arbeitgeber versuchen, sol- che Modelle zu verhindern. Man will vermeiden, daß zusätzliche Stellen erforderlich werden und daß die Ar- beitszeitverkürzung im Krankenhaus nicht generell kostenneutral durch- geführt wird. Der Druck der Kran- kenkassen erweist sich hier als Hin- derungsgrund für eine vernünftige Tarifpolitik. Es wird in den nächsten Monaten und Jahren vordringlich darum gehen müssen, diesen Ko- stendruck im Sinne einer vernünfti- gen Umsetzung von Tarifabschlüssen und damit im Sinne der Patienten zu verringern.

Besondere Aufmerksamkeit muß bei der Umsetzung der Arbeits- Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989 (23) A-1651

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Anzahl der Bereit- schafts- dienste

Keine Antwort

Bettenzahl

bis 200 201-500 501-1000 1001-1500 1501-2000 über 2000

<5 5,6% 11,7% 32,7% 33,1% 13,2% 3,8%

3,1% 17,8% 47,6% 17,8% 8,4% 4,7% 0,5%

5

6 1,9% 17,6% 40,2% 26,4% 10,1% 2,5% 1,3%

7 0,9% 21,3% 44,4% 25,0% 6,5% 1,9%

18,3% 50,7% 22,5% 5,6% 2,8%

8

20,6% 53,3% 23,3% 3,3%

9

1,2% 27,2% 48,1% 19,8%

>9 3,7%

Tabelle: Anzahl der Bereitschaftsdienste und Zahl der Krankenhausbetten

Eine besonders hohe Zahl von Bereitschaftsdiensten wird an Krankenhäusern mit 201 bis 500 Betten geleistet. Dies ergab die Umfrage des Marburger Bundes (Bundesver- band), Köln 1

zeitverkürzung auch den Teilzeitbe- schäftigten gelten. In der Mehrzahl solcher Arbeitsverträge ist eine kon- krete Stundenzahl vereinbart wor- den. In diesen Fällen tritt durch die Veränderung der regelmäßigen wö- chentlichen Arbeitszeit keine auto- matische Anpassung ein.

Bleibt es bei der vereinbarten Arbeitszeit, so erhöht sich die Ver- gütung entsprechend dem Umfang der Arbeitszeitverkürzungen, da die Stundenvergütung nicht mehr wie bisher 1/4o der Vergütung für den entsprechenden Vollbeschäftigten ist, sondern ab dem 1. April 1989 1/39 und ab 1. April 1990 1/38,5. Eine der vereinbarten Wochenarbeitszeitver- kürzungen entsprechende Umset- zung ist in diesem Falle nur durch ei- ne einvernehmliche Regelung zwi- schen Arbeitgeber und Angestellten erreichbar.

Neben der Vereinbarung einer bestimmten Stundenzahl gibt es auch die Möglichkeit, für die Teil- zeitarbeit einen entsprechenden An- teil an der jeweiligen Arbeitszeit ei- nes vollbeschäftigten Angestellten zu vereinbaren, etwa mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Ar-

beitszeit. In diesem Fall verringert sich aufgrund der vereinbarten Wo- chenarbeitszeitverkürzungen die re- gelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten entspre- chend. Dies bedeutet zum Beispiel für den mit der Hälfte der regelmä- ßigen wöchentlichen Arbeitszeit be- schäftigten Arbeitnehmer eine Ver- kürzung der Arbeitszeit ab dem 1.

April 1989 auf 19,5 Stunden, ab dem 1. April 1990 19,25 Stunden.

Bereitschaftsdienst/

Rufbereitschaft

Neben der Umsetzung der Ar- beitszeitverkürzung sind Neurege- lungen bei Bereitschaftsdienst, Ruf- bereitschaft und der Ableistung von Überstunden notwendig (Abbildun- gen 1 bis 4). Schnell kommt es dazu,

daß durch die Ableistung von Mehr- arbeit auf elegante Weise die not- wendige Stellenschaffung bei der Umsetzung der Arbeitszeitverkür- zung umgangen wird.

Im Jahr 1982 beschied ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes, man würde einem Arzt ein unzumutbares,

mit dem menschlichen Leistungsver- mögen nicht mehr zu vereinbarendes Arbeitspensum auferlegen und da- mit gleichzeitig gegen den Verfas- sungsgrundsatz der Menschenwürde verstoßen, wenn ein angestellter Krankenhausarzt im Anschluß an ei- nen bis 16.30 Uhr dauernden Tages- dienst einen 15,5stündigen Bereit- schaftsdienst der Stufe D ableistet, anschließend wiederum dem Tages- dienst zur Verfügung stehen müßte und während seiner Bereitschafts- dienstzeit nicht die Gelegenheit zu einer wenigstens sechsstündigen un- unterbrochenen Ruhezeit hatte (Ta- belle).

Da das Bundesarbeitsgericht den Tarifvertragsparteien ins Stammbuch schrieb, diese Grundsät- ze in einem neuen Tarifvertrag zu berücksichtigen, kam es zu dem Ab- schluß einer neuen Bereitschafts- dienst- und Rufbereitschaftsrege- lung, die mittlerweile in manchen Bereichen zu unvertretbaren Dienst- plangestaltungen geführt hat.

Von dieser Neuregelung schafft die Vorschrift über die Gewährung einer Ruhezeit nach bestimmten ar- beitsintensiven Bereitschaftsdien- sten in der Praxis die größten Schwierigkeiten. Eine Ruhezeit ist für den Fall vorgesehen, daß der Arzt an einem Kalendertag, an dem er eine Arbeitszeit von mindestens 7,5 Stunden abgeleistet hat, zu ei- nem Bereitschaftsdienst der Stufen C oder D von mindestens zwölf Stun- den herangezogen wurde. Eine wei- tere entscheidende Voraussetzung für eine Ruhezeit oder selbst für ei- nen Freizeitausgleich ist der Begriff der Sicherstellung beziehungsweise Gewährleistung der Krankenversor- gung. Dabei muß beachtet werden, daß bisher die Bereitschaftsdienste ohne Ruhezeiten und Freizeitaus- gleich geleistet werden mußten, um die Krankenversorgung sicherzustel- len beziehungsweise zu gewährlei- sten.

Eine Realisierung der ange- strebten Entlastung ist deshalb nur bei einer entsprechenden personel- len Verstärkung möglich. Folgt keine zusätzliche Entlastung durch weite- re, neu einzustellende Ärzte, muß man davon ausgehen, daß bei unver- änderter Belastung eine Freistellung A-1652 (24) Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989

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Abbildung 3: Ausgleich von Überstunden Abbildung 4: Ruhezeit in Bereitschaftsdienst - Stufe D

Angaben in Prozent

durch Freizeitausgleich ohne Ge- fährdung der Krankenversorgung nicht möglich ist. Jede Neuregelung, die keine Entlastung bringt, stellt le- diglich eine bloße Umverteilung der Arbeitszeit bei gleichem Arbeitsmaß und womöglich niedrigerer Bezah- lung als bisher dar. Dies widerspricht der Zielsetzung des Bundesarbeits- gerichtes und der Neuregelung der Tarifverträge.

...,.. Bei einer zukünftigen Tarif- politik für den Arbeitsplatz Kran- kenhaus muß es mit ein Ziel sein, das Unterlaufen von Bereitschaftsdienst- vorschriften auf Kosten der Betroffe- nen zu vermeiden. Auch die Anzahl der immens hohen Überstunden darf nicht zu einer Gefährdung des Per- sonals im Krankenhaus führen.

Die Tarifvertragsparteien haben bei dem Ausgleich für Überstunden die Freizeit in den Vordergrund ge- stellt, um insbesondere einer Über- forderung der davon betroffenen Angestellten vorzubeugen. 1987 wur- de der Zeitraum für den Freizeitaus- gleich bis zum Ende des dritten Ka- lendermonats nach Ableistung der Überstunden ausgeweitet. Erfolgt kein Freizeitausgleich, wird die volle Überstundenvergütung Pflicht.

Die für jede Mehrarbeit ausge- handelten und vereinbarten Spielre- geln müssen ergänzt werden durch

"Schiedsrichterfunktionen". Es ist

notwendig, den Umfang der Nacht- dienste zu reduzieren und die An- zahl der Überstunden zu begrenzen. Nach Bereitschaftsdienst und Rufbe- reitschaft muß generell für den Be-

Ausgleich in Geld

Freizeit+ Zuschlag

Andere Regelung D Keinerlei

Ausgleich Zum Teil

D Keine Antwort

Angaben in Prozent Nein

troffenen die Anordnung von Über- stunden unzulässig sein. Eine Hu- manisierung am Arbeitsplatz Kran- kenhaus ist nur möglich, wenn die Zahl der Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften reduziert wird. Im gleichen Zusammenhang ist die Be- zahlung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft zu verbessern. So ist nicht ersichtlich, wieso angestellte Ärztinnen und Ärzte am Wochenen- de bei der Ableistung von Bereit- schaftsdiensten genauso bezahlt wer- den wie an normalen Arbeitstagen.

Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern muß deutlich erhöht werden. Wollte man alle Bereitschaftsdienste und Über- stunden durch Freizeit ausgleichen, müßte man dafür zusätzlich 19 000 Krankenhausärztinnen und -ärzte einstellen. Hinzu kommt der Perso- nalmehrbedarf, der durch die tarif- lich vereinbarten Verkürzungen der Wochenarbeitszeit erforderlich ist.

Er beträgt rund 3000 zusätzliche Stellen. Selbst bei der - realistischen - Annahme, daß nur 50 Prozent der Bereitschaftsdienste und Überstun- den durch Freizeit ausgeglichen wer- den, ergibt sich immer noch ein so- fortiger Personalmehrbedarf von 9500 Stellen, zuzüglich 3000 Stellen aus der Arbeitszeitverkürzung, ins- gesamt also 12 500 neue Klinik-Plan- stellen. Man könnte also ohne große Anstrengungen das desolate Pro-

~lem der Ar~_eitslosigkeit junger Arztinnen und Arzte lösen, ohne er- hebliche oder gar unmittelbare Mehrkosten.

Vergütungsfragen

Die laufenden Tarifverträge können erstmals zum 31. März 1990 gekündigt werden, so daß es in die- sem Jahr keine Lohn- und Vergü- tungsrunde des öffentlichen Dien- stes geben wird. Deshalb kann nur eine finanzielle Veränderung von Nebenabreden wie dem Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen usw . realisiert werden.

...,.. Es wäre die Forderung nach folgenden Sachverhalten vorstellbar:

Erhöhung des Urlaubsgeldes, Anhe- bung der allgemeinen Zulage für An- gestellte, Anhebung der vermögens- wirksamen Leistungen nach vorheri- ger Beseitigung vorhandener Diffe- renzierung, Verteuerung der Über- stunden, Anhebung der Zeitzu- schläge.

Eine besonders wichtige Vergü- tungsfrage wird für die beschäftigten Ärzte bei Bund und Ländern dage- gen noch in diesem Jahr angespro- chen. Seit im Jahr 1982 die Arbeitge- ber bei Bund und Ländern einseitig die Anlage 1 a und 1 b (Vergütungs- ordnung) zum Bundes-Angestellten- tarifvertrag (BAT) kündigten, die unter anderem die Eingruppierung der ärztlichen Berufsanfänger regelt, ist es immer wieder Hauptziel in der Tarifpolitik gewesen, die Wiederin- kraftsetzung der Anlage zu errei- chen. Ein unterschiedliches Behan- deln von gleichen Beschäftigungs- gruppen im öffentlichen Dienst wi- derspricht jeder tarifpolitischen Lo- gik. Ein erster Teilerfolg konnte er- Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989 (27) A-1653

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zielt werden, als im vergangenen Jahr die Schlichter eine Einigungs- empfehlung vorlegten, in der unter der Überschrift „Erklärung der Vor- sitzenden zu der von den Gewerk- schaften geforderten Wiederinkraft- setzung der Anlage 1 a zum BAT"

folgendes festgehalten wurde: „Die Vorsitzenden sind der Auffassung, daß die Tarifvertragsparteien alsbald Verhandlungen zur Beseitigung der bei der Bezahlung der Berufsanfän- ger bestehenden Probleme mit dem Ziel der Wiederinkraftsetzung der Anlage 1 a aufnehmen sollten." Nun ist von den Arbeitgebern im Januar 1989 die Zusage gegeben worden, solche Verhandlungen zu beginnen.

Ein Termin soll nach der allgemei- nen Verhandlungslage vereinbart werden.

Befristete

Arbeitsverträge

Tarifpolitik für den Arbeitsplatz Krankenhaus bedeutet auch ein ve- hementes Vorgehen gegen die Befri- stung von Verträgen, die bereits für einen großen Teil der Ärztinnen und Ärzte gelten, seitdem es das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung gibt.

Nach dem Grundgesetz ist es Sa- che der in den Tarifvertragsparteien organisierten Arbeitnehmer und Ar- beitgeber, Bestimmungen über alle regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrages zu treffen. Die unmittelbar Betroffenen selbst sol- len ihre Arbeitsbedingungen aushan- deln, da sie besser über die notwen- digen Regelungen Bescheid wissen müssen und auch besser abwägen können, was ihrem beiderseitigen In- teresse und dem gemeinsamen Inter- esse entspricht. Eine Regelung durch die Gesetzgebung darf erst dann erfolgen, wenn die autonome Ordnung des Arbeitslebens fehlge- schlagen ist und die soziale Schutz- bedürftigkeit bestimmter Arbeitneh- mergruppen dies erforderlich macht.

Der Gesetzgeber hat auch dann nicht die Möglichkeit einzugreifen, wenn er aufgrund seiner eigenen po- litischen Einschätzung keine ande- ren Regelungen von dem Arbeitneh- mer haben möchte. Wenn es zu ei-

nem solchen Eingriff im Einzelfall kommt, muß dieser geboten sein, al- so verhältnismäßig. Weiter muß das gewählte Mittel geeignet und kein milderes Mittel verfügbar sein.

Schaut man sich den Arbeits- markt und die Arbeitssituation für die angestellten Ärztinnen und Ärz- te in den Krankenhäusern an, so gibt es keine plausiblen Gründe dafür, warum die Fluktuation erhöht wer- den soll. Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, um notwendige zu- sätzliche Stellen zu schaffen, brau- chen wir keine Erweiterung der Be- fristungsmöglichkeiten, sondern die Einhaltung bestehender Tarifver- träge.

Der Gesetzgeber hat hier voll- kommen die Rechtsprechung der vergangenen Jahre ignoriert und Sonderbestimmungen für das ärzt- liche Personal aufgestellt.

Da mit befristeten Arbeitsver- trägen soziale Nachteile verbunden sein können, hat die Rechtsprechung den Grundsatz aufgestellt, eine Be- fristung sei nur dann rechtens, wenn für sie ein sachlicher Grund vorliegt.

Auf der Grundlage der von der Rechtsprechung entwickelten Prinzi- pien gibt es für befristete Verträge im öffentlichen Dienst eine Sonder- regelung, in der genau definierte Zu- lassungsvoraussetzungen für Befri- stungsmöglichkeiten vereinbart wur- den. Dies ist der ausdrückliche Wille der Tarifpartner gewesen, und es darf nicht akzeptiert werden, daß dieser Wille durch einen Eingriff in die Tarifautonomie verdrängt wird.

Ein befristeter Vertrag sollte nur zu- lässig sein, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Angestellten liegende Gründe vorliegen. Die strengen Erfordernisse für den Ab- schluß eines befristeten Arbeitsver- trages sollen nach den Vorstellungen der Tarifparteien zu einer effektiven Sicherung des Kündigungsschutzsy- stems bei der gegebenen Wahlfrei- heit zwischen befristeten und unbe- fristeten Arbeitsverträgen führen.

Eine Befristung darf nicht sozialwid- rig sein. Die Freiheit, den Arbeits- platz behalten zu können, muß zur Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte gehören und darf nicht ersatz- los gestrichen werden. Jeder Zeitver- trag vertieft die Abhängigkeit des

Betroffenen gegenüber dem Arbeit- geber, und deshalb muß die Verlän- gerung von Arbeitsverträgen die Freiheit der Arbeitnehmer stärken, sein Verhalten nicht an jeder Bemer- kung des Vorgesetzten orientieren zu müssen.

Dementsprechend hat das Bun- desarbeitsgericht den sachlichen Grund nur dann bejaht, wenn er sich aus den konkreten Umständen des einzelnen Arbeitsverhältnisses er- gibt, die Verträge ihre sachliche Rechtfertigung also in sich tragen, sie Kündigungsschutzvorschriften nicht beeinträchtigen.

Gemeinsame Anstrengungen

Die tarifpolitischen Ziele kön- nen nur erreicht werden, wenn ge- meinsam gehandelt wird, die Perso- nalräte ihre Aufgaben erfüllen, ih- re Mitbestimmungsrechte wahrneh- men. Der Arbeitsplatz Krankenhaus muß ein Arbeitsplatz bleiben, an dem das ärztliche und pflegerische Fachpersonal frei und ohne Druck der Kostenträger mit der notwendi- gen Zeit für den Patienten arbeiten kann. Die tariflichen Auseinander- setzungen mit den Arbeitgebern ver- folgen das Ziel, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Ärztin- nen und Ärzte in den Krankenhäu- sern zu verbessern. Bei dem Span- nungsverhältnis zwischen Arbeitneh- mer und Arbeitgeber liegen die Ak- zente auf einem Einbringen von Ta- rifverträgen oder einem Abschluß von neuen zusätzlichen Vereinba- rungen. Tarifverträge sind kein Stör- faktor; sie garantieren vielmehr die Freiheit des Arbeitsvertrages als Ausfluß des Kollektivvertrages. Ein Arbeiten ohne tariflichen Schutz würde zu einem Unterbietungswettbe- werb führen.

Anschrift des Verfassers:

Lutz Hammerschlag Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes Leiter des Referates

„Tarifpolitik"

Riehler Straße 6 5000 Köln 1 A-1654 (28) Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989

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