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Archiv "Krankenhausärzte zwischen den Mühlsteinen der Bonner Sparpolitik: Marburger Bund wird dritter Partner der neuen Tarifgemeinschaft" (18.11.1976)

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Die Information:

Bericht und Meinung

Entwicklung

der Gesundheits

-

und Sozialpolitik

nungsmaßnahmen oder der Einsatz von Mitteln für gesundheitserzieheri- sche Beeinflussung des Verhaltens der Versicherten effizienter ist.

These 8: Die Solidarität in den

Solidargemeinschaften des So- zialleistungssystems darf nicht weiterhin überfordert werden.

Dies gilt sowohl hinsichtlich der Ausdehnung des Versicherten- kreises als auch hinsichtlich der Solidarität für selbstverschuldete Risiken.

Es kann nicht weiterhin Funktion der Solidargemeinschaft sein, alle für alle Risiken zu sichern, und damit auch Bevölkerungskreise total zu er- fassen und zu betreuen, die ganz oder teilweise für sich selbst — selb- ständig und selbstverantwortlich — vorzusorgen vermögen. Soziale Hilfe und soziale Risikosicherung dürfen nicht zu totaler sozialer Bevormun- dung und Entmündigung führen.

So kann es auch nicht weiterhin Funktion der Solidargemeinschaft sein, diejenigen, die gesundheitsbe- wußt und maßvoll leben, für die Schäden aufkommen zu lassen, die in Rauchen, Trinken und sonstigem Lebensgenuß Unverständige und Unmäßige sich setzen. Hier ist der Gesetzgeber dringend aufgerufen, der Zersetzung der Gerechtigkeit im Ausgleich von Lasten und Leistun- gen durch systemkonforme Finan- zierungsmaßnahmen Einhalt zu ge- bieten.

Dies kann nur durch zweckgebunde- ne Verbrauchssteuern für Genußmit- tel und kulinarischen Luxusbedarf geschehen, denn schon während des schädigenden Konsums muß kollektiv die Rücklage gebildet wer- den, aus der die individuellen Schä- den finanziell zu regulieren sind. Da- bei geht es nicht um etwaige erziehe- rische Wirkung derartiger Sonderbe- steuerung; es geht ausschließlich um das Gebot der Gerechtigkeit: Die derzeitige Bestrafung gesunder Le- bensführung durch die Kollektiv- schuld für Genußmittelmißbrauch und Unmäßigkeit muß ein Ende haben.

Für die Weiterentwicklung der Ko- sten im System der Krankenversor- gung wird es aber auch von entschei- dender Bedeutung sein, ob es ge- lingt, gesundheitliches Wohlverhal- ten zu honorieren, zumal bei genaue- rer Betrachtung der Morbiditätsstati- stik schon heute deutlich ist, wie sehr der Anteil derjenigen Krankheiten steigt, die nicht ausschließlich schicksalsbedingt, sondern durch eigenes Fehlverhalten provoziert sind.

These 9: Die Politiker der Freiheit

— in welcher Partei auch immer sie dafür eintreten — können sich nicht an der Aufgabe vorbeidrük- ken, individuell wirksame Steue- rungsmechanismen für die Ko- stenentwicklung im Gesund- heitswesen einzubauen, wenn sie die Patienten vor sozialisti- scher Zwangsbewirtschaftung der Gesundheit bewahren wol- len.

Eine ausschließlich legislative oder administrative Steuerung der Inan- spruchnahme durch Abgrenzung der Leistungen dürfte die Kostenent- wicklung nicht im Griff halten kön- nen. Es gilt vielmehr, individuell wirksame Steuerungsmechanismen einzubauen.

Eine Selbstbeteiligung in Form einer

„Inanspruchnahmegebühr" aller- dings erscheint nach wie vor un- zweckmäßig. Auch der Großversuch mit einer genormten Beitragsrück- gewähr hat sich nicht bewährt.

Jedoch scheinen innerhalb des Sachleistungssystems zusätzlich zu den Beiträgen erhobene sozialge- staffelte Eigenbeteiligungen der Ver- sicherten vertretbar bei der Versor- gung mit Arzneien und sonstigen Heil- und Hilfsmitteln, beim Zahner- satz, bei der Krankenhausbehand- lung in Höhe der ersparten Verpfle- gungskosten im eigenen Haushalt und vor allen Dingen bei Kuren.

Vor allem beim Zahnersatz und bei den Kuren erscheint die Eigenbeteili- gung sogar zur Erreichung der Aus- gabenzwecke der Sozialversiche-

rungsträger dringend erforderlich, weil die Selbstverantwortung hier geradezu medizinisch geboten ist.

Schließlich sollten die Vorschläge zur Einführung von Wahlfreiheiten nicht ungeprüft vom Tisch gefegt werden. Es sollten zum mindesten Modellversuche unternommen werden.

Es sollte ferner geprüft werden, ob als Wahlfreiheit analog dem Verfah- ren bei der Kfz-Haftpflicht eine limi- tierte Selbstbeteiligung pro Jahr ein- geführt werden kann bei gleichzeiti- ger Senkung der Beiträge für diesen Personenkreis.Die Beitragssenkung sollte sich ausschließlich bei den Ar- beitnehmern, nicht aber auch im Ar- beitgeberanteil auswirken. Die erste Inanspruchnahme müßte beteili- gungsfrei bleiben. Natürlich muß der Begriff der Erstinanspruchnahme klar definiert werden, zum Beispiel als „erste Inanspruchnahme inner- halb eines Quartals bei der gleichen Krankheit".

In allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gibt es aktive Kräfte und schweigende Gruppen, die für mehr Freiheit und Stärkung der individuellen Persönlichkeits- rechte sind. Es gilt, diese Kräfte zu ermutigen und zu stärken. Die Bevöl- kerung ist im Umgang mit „brutto"

und „netto" auf der Lohntüte unse- rer festen Überzeugung nach sehr viel einsichtiger hinsichtlich der Be- lastbarkeit und der Chance zur Selbstverantwortung, als dies offen- bar von den Sozial- und Gesund- heitspolitikern der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ver- mutet wird.

Anschrift des Verfassers:

Prof. J. F. Volrad Deneke Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal)

3000 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 47 vom 18. November 1976

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Die Information:

Bericht und Meinung

DER KOMMENTAR

Krankenhausärzte zwischen

den Mühlsteinen der Bonner

Sparpolitik

Marburger Bund wird dritter Partner

der neuen Tarifgemeinschaft

Die angestellten und beamteten Ärzte, insbesondere die am Kranken- haus tätigen, drohen immer mehr zwischen die Mühlsteine der Bonner Sparpolitik zu geraten. Nachdem die allgemeine Reformeuphorie abge- klungen ist und die kostspieligen

„Reformmaßnahmen" ad acta gelegt wurden, sucht man im Gesundheits- wesen nach "Rationalisierungsre- serven". Konkrete Sparabsichten des Bundesgesundheitsministe- riums, die bereits realisierten und in Angriff genommenen Sparmaßnah-

men verschiedener Länder-Gesund- heitsministerien, ermuntert und be- einflußt durch die umfangreiche Li- ste mehr oder weniger realitätsferner und rasch zusammengewürfelter Sparrezepte der 37. Gesundheitsmi- nister-Konferenz der Länder vom Frühjahr 1976, haben die bundes- deutsche Krankenhausszenerie arg verunsichert. Hinzu kommt, daß in- folge der rückläufigen Bevölke- rungsentwicklung der Rotstift in den meisten Landeskrankenhausplänen angesetzt wurde, überzählige Betten stillgelegt oder in Zukunft erst gar nicht gebaut werden. Immer mehr kleinere Krankenhäuser — vor allem auf dem Lande — haben dicht ma- chen müssen oder ihren Betrieb auf einen anderen sozialen Zweck (Al- tersheim, Altenpflegestätte usw.) umgestellt, ohne vorher im einzelnen zu prüfen, ob diese Maßnahmen überhaupt notwendig und im Hin- blick auf die Patientenversorgung und das Krankenhauspersonal zu verantworten sind, wer die Fehlpla- nungen zu verantworten hat und wie sich drastische Sparmaßnahmen auf die Leistungsfähigkeit der Kranken- häuser auswirken.

Die Krankenhausärzte jedenfalls sind nicht gewillt, sich Vorwürfe in die Schuhe schieben zu lassen, sie hätten die jetzt allenorts beklagte Ko- stenentwicklung im Krankenhaus- wesen mitverschuldet. Der Verband der angestellten und beamteten Ärzte Deutschlands (Marburger Bund) wehrte sich in seiner 50.

Hauptversammlung am 6. und 7. No- vember 1976 in Köln entschieden ge- gen alle ungeeigneten Methoden zur Dämpfung der Kosten im Gesund- heitswesen auf Kosten der Kranken- hausärzte.

Wie schwer sich Bonn bei der Suche nach probaten Mitteln zur Kosten- dämpfung tut, dafür gibt das bereits seit Wochen anhaltende Gerangele um die Lastenverteilung zwischen Renten- und Krankenversicherung reichlich Anschauungsmaterial. Der Marburger Bund stellte fest, daß es nicht angehen könne, wenn der Ge- setzgeber jetzt versuche, der Kran- kenversicherung den Schwarzen Pe- ter zuzuschieben, um zu vertuschen, daß die sichtbar werdenden Miseren auf eklatante Fehlentscheidungen und Versäumnisse der Politiker aller Parteien zurückzuführen seien. Den Selbstverwaltungen der Ärzteschaft, der Krankenhäuser und Krankenkas- sen sei es nicht zu verdenken, so stellte der Zweite Vorsitzende des

Marburger Bundes, Dr. med. Jörg D.

Hoppe (Solingen) fest, wenn sie sich gegen solche unfairen Praktiken ent- schieden zur Wehr setzten. Man könne schließlich nicht von den ärzt- lichen Organisationen, die jahrelang Vorschläge zur Reform „angedient"

haben und kooperationswillig gewe- sen seien (bis hin zu den Maßnahmen zur Selbstbeschränkung seitens der Kassenärzteschaft), verlangen, jetzt die Verantwortung für die Mißwirt- schaft im Sozialstaat zu über- nehmen.

Reformvorschläge der Ärzte fanden wenig Resonanz

Der Marburger Bund erinnerte an seine bereits 1971 in Saarbrücken verabschiedeten Vorschläge „Zur Struktur des ärztlichen Dienstes", die die Westerländer Beschlüsse des

Deutschen Ärztetages von 1972 nachhaltig beeinflußt haben. Der Marburger Bund bedauerte, daß seine Reformvorstellungen ebenso wie die anderer ärztlicher Organisa- tionen und Verbände bisher nur in geringem Umfang in die tägliche Praxis umgesetzt worden seien. We- der das modernisierte und aktuali- sierte Belegarztsystem, noch die vom Marburger Bund entwickelten Reformvorschläge zur Verbesserung der Strukturen des krankenhausärzt- lichen Dienstes haben die notwendi- ge öffentliche Resonanz gefunden, die sie eigentlich verdienten. Eine Grundthese des Marburger Bundes lautet bekanntlich: Ein Team mehre- rer kooperativ tätiger Fachärzte ist in der Lage, eine Krankenhausabtei- lung kostengünstiger und patienten- gerechter zu versorgen als das ge- genwärtige System, das wenig ge- eignet ist, qualifizierten Fachärzten eine Lebensstellung am Kranken- haus zu garantieren. Der Marburger Bund veranschlagt den Rationalisie- ru ngsgewinn seines Strukturmodells und der daraus erwarteten engeren Zusammenarbeit zwischen ambu- lantem und stationärem Sektor auf insgesamt 20 Prozent der bisher ver- ausgabten Gesamtkosten.

Gegen weltfremde Krankenhaus-Parameter

Dr. med. Karsten Vilmar (Bremen), mit großer Mehrheit wiedergewähl- ter Erster Vorsitzender des Marbur- ger Bundes, sagte mit einem Schuß Ironie an die Adresse derjenigen, die für die Krankenmißwirtschaft und die vorschnelle Sparpolitik verantwort- lich sind: „Es sollte endlich Schluß damit sein, das Gesundheits- und insbesondere das Krankenhauswe- sen mit Parametern zu beurteilen, die gerade eben nur die Kenntnisse der vier Grundrechenarten vorausset- zen. . . . Daß diese Feststellung nicht aus der Luft gegriffen ist, beweisen in letzter Zeit verschiedene Wirtschaft- lichkeitsberechnungen, zum Bei- spiel in Hessen, die zwar rechnerisch richtig sein mögen, den eigentlichen Kern aber überhaupt nicht treffen."

Dafür sprechen nach Vilmars Mei- nung die Anordnungen auf Reduzie-

3002

Heft 47 vom 18. November 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

rung von Überstunden oder Einspa- rungen von Planstellen, die offen- sichtlich nur auf Unkenntnis der bei der Patientenversorgung im Kran- kenhaus erforderlichen besonderen Arbeitsabläufe beruhen könnten.

Herbe Kritik an „Sparmaßnahmen"

Herbe Kritik übten die Delegierten insbesondere auch an den für den Stellenplan heute noch maßgebli- chen Anhaltszahlen aus dem Jahr 1969, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens überholt waren. Sie bringen den für die ärztliche Versor- gung der Krankenhauspatienten Verantwortung tragenden Arzt in den unerträglichen Gewissenskonflikt, ob er im Jahr 1976 auf der Basis der 1969er Anhaltszahlen überhaupt noch eine optimale Krankenhausme- dizin garantieren könne, zumal dann, wenn am Personal weiter gespart werden würde.

Ein aktuelles Beispiel für Sparmaß- nahmen „im Heckenschnittverfah- ren" sei die Begrenzung der Zahl der vergütbaren Überstunden für Ärzte auf maximal 80-Monats-Stunden.

Nur durch die Kampfmaßnahmen in der Universität Bonn und die An- strengungen des Marburger Bundes sei es gelungen, das Düsseldorfer Ministerium zu Zugeständnissen zu veranlassen.

Statt überholte und undifferenzierte Anhaltszahlen im Krankenhaus um jeden Preis zur Anwendung zu brin- gen, sollten vielmehr, so fordert der Marburger Bund, das Krankenhaus- finanzierungsgesetz und die Bun- despflegesatzverordnung novelliert und mehr Anreize für ein wirtschaftli- ches, kostensparendes Gebaren der Krankenhäuser geschaffen werden, ohne daß dies zu einer Leistungsein- buße der Krankenhäuser und zu Per- sonalentlassungen führt.

Für Verbesserungen im Praktischen Jahr

Der Marburger Bund wiederholte in Köln seine Appelle an Bund und Län- der, die wirtschaftliche und soziale Sicherung der lnternatsjahrstuden-

ten nun endlich zu realisieren. Die akademischen Lehrkrankenhäuser seien noch weit davon entfernt, den bereits seit 1. Oktober 1976 neu ge- stalteten Lehrbetrieb im letzten Aus- bildungsabschnitt des Medizinstu- diums („Praktisches Jahr”) rei- bungsfrei zu organisieren. Als „un- sozial und daher unerträglich" kriti- sierte der Marburger Bund die Hal- tung der Bundesregierung, die sich gegen eine Bezahlung der Internats- jahrstudenten sperrt. Eine tarifver- traglich abgesicherte Bezahlung der Studenten im „Praktischen Jahr" sei um so mehr gerechtfertigt, als die studentischen Praktikanten ganztä- gig im Lehrkrankenhaus tätig sein müssen und im Gegensatz zu den Hörsaalstudenten auch praktische Arbeit verrichten sollen. Ihnen könne aber kaum zugemutet werden, durch zusätzliche Freizeitarbeit ihren Le- bensunterhalt zu verdienen.

Auf Kritik stießen die von der Deut- schen Krankenhausgesellschaft im Juli 1976 herausgegebenen „Emp- fehlungen zur Durchführung der kli- nisch-praktischen Ausbildung von Medizinstudenten in akademischen Lehrkrankenhäusern"; diese seien zudem auch nicht, wie behauptet, mit den Verbänden der Kranken- hausärzte eingehend erörtert wor- den. In einer Entschließung wurde der MB-Bundesvorstand beauftragt, darauf hinzuwirken, daß auch quali- fizierte Ärzte in nicht leitender Stel- lung vergütete Lehraufträge an aka- demischen Lehrkrankenhäusern er- halten.

In einem Verbandsbeschluß zum neugefaßten Paragraphen 218 StGB bekräftigte der Marburger Bund seine von jeher vertretende Auffas- sung, daß die Gewissensentschei- dung eines jeden einzelnen Kranken- hausarztes respektiert werden müßte, ob er einen Schwanger- schaftsabbruch ausführe oder nicht.

Dort, wo Gewissensentscheidungen nicht respektiert oder Vorentschei- dungen getroffen würden, sollten sich die betroffenen Krankenhaus- ärzte entschieden zur Wehr setzen.

Das 1974 in Kraft getretene „Arbeits- sicherheitsgesetz" hat nach Über-

zeugung von Dr. med. Hannelore Siebold (Kempten), Vorstandsmit- glied des Marburger Bundes, seine Bewährungsprobe erst noch zu be- stehen. Zwar habe die neue Appro- bationsordnung von 1970 der Inten- sivierung der Arbeitsmedizin in der ärztlichen Ausbildung Rechnung ge- tragen, doch könne nur in einem Stu- fenplan und auf mittlere Sicht der Bedarf an ausgebildeten Arbeitsme- dizinern gedeckt werden. Unabding- bar sei die berufliche Unabhängig- keit des Werksarztes gegenüber der Betriebsleitung und dem Betriebsrat.

Und wenn der Werksarztberuf attrak- tiv bleiben solle, müsse sich der Mar- burger Bund intensiv auch um die Nachwuchs- und Bedarfsfrage küm- mern, insbesondere um eine ausrei- chende Bezahlung, sei es im außer- tariflichen Bereich, sei es (auf länge- re Sicht) durch eine tarifvertragliche Regelung.

Anti-ÖTV-Tarifgemeinschaft Zum Teil hinter verschlossenen Tü- ren beriet die Delegiertenversamm- lung Einzelheiten zu der sich bereits seit Monaten abzeichnenden neuen Tarifgemeinschaft der Ärztegewerk- schaft „Marburger Bund" (MB) mit der Deutschen Angestellten-Ge- werkschaft (DAG) und der Gemein- schaft von Gewerkschaften und Ver- bänden des öffentlichen Dienstes (GGVöD). Die Hauptversammlung gab grünes Licht zu dem vorgelegten Kooperationsvertrags-Entwurf, über den die Beschlußgremien der DAG und der GGVöD demnächst noch abschließend beraten müssen. Wie der MB in einer Entschließung for- mulierte, soll damit dem „Alleinver- tretungsanspruch"derGewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und den von dieser Gewerkschaft vertretenen Nivellie- rungstendenzen entgegengetreten werden. In Zukunft beabsichtigt die neue Dreier-Tarifgemeinschaft, ge- meinsame Verhandlungskommissio- nen in die Tarifrunden mit den öffent- lichen Arbeitgebern zu schicken, die neben der ÖTV getrennt eigene Ver- handlungen führen sollen.

Der Marburger Bund will bis Jahres- ende seinen Anteil in den gemeinsa-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 47 vom 18. November 1976 3003

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Die Information:

Bericht und Meinung

Marburger Bund

men Streikfonds („einen Kampf- fonds in vielfacher Millionenhöhe") einzahlen, um nicht als „gewerk- schaftlicher Trittbrettfahrer" ge- scholten werden zu können. Das enorme finanzielle Engagement dürfte nach Überzeugung des Ersten Vorsitzenden Dr. Vilmar bei den oh- nehin bestehenden Streikfonds des Marburger Bundes keine Schwierig- keiten bereiten.

Verhandlungen mit dem HB

Weiterer brisanter Beratungspunkt war ein zwischen Hartmannbund und Marburger Bund vorbereiteter

"Verbandsvertrag", der darauf ab- zielte, die bisherigen Querelen zwi- schen beiden Verbänden abzustellen und der zu einerfür beide Beteiligten vertretbaren Abgrenzung des Mit- gliederreservoirs führen sollte. Nach heftiger (nichtöffentlicher) Diskus- sion wurde dem MB-Vorstand die Direktive erteilt, durch einen besse- ren Vertrag die Rivalitäten zwischen beiden ärztlichen Organisationen durch weitere Verhandlungen abzu- mildern. Dr. Harald Clade

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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NACHRICHTEN

HESSEN

Acht Ärztezentren

der KV Hessen eröffnet

Die Abgeordnetenversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen hatte 1973 ein Programm für den Aufbau von Ärztezentren in ländlichen Gebieten beschlossen und die hierfür erforderlichen Fi- nanzmittel aus dem Sicherstel- lungsfonds bereitgestellt. Sinn und Zweck dieser Ärztezentren — von denen insgesamt elf errichtet wer- den sollen — ist es, die ärztliche Versorgung auf dem Lande sicher- zustellen und gleichzeitig deren Qualität zu verbessern. Dies ge- schieht nicht nur durch die Kon- zentration von Allgemeinärzten in modernen Praxisräumen mit vor- bildlicher medizinisch-technischer Ausstattung, sondern auch durch die Einbeziehung von Fachärzten, die entweder mit einer Vollpraxis oder durch regelmäßige Zweig- sprechstunden vertreten sind.

Schon im Juni 1974 konnte das er- ste Ärztezentrum in einer Mittel- punktgemeinde im Hochtaunus- kreis eröffnet werden. Bis zum Jah- resende 1975 entstanden drei wei- tere Modell-Einrichtungen dieser Art. Dabei zeigte sich bald, daß ge- rade für junge Ärzte, die eine Koo- peration mit anderen jungen Kolle- gen anstreben, das Ärztezentrum ein ideales Betätigungsfeld ist.

1976 wurden bisher in Weilrod (Taunus), Mörlenbach und Höchst (Odenwald) sowie in Karlshafen das fünfte bis achte Ärztezentrum ihrer Bestimmung übergeben.

Gerade zwei dieser Ärztezentren haben durch die Art ihrer ärztli- chen Besetzung und — im Falle Weilrod — durch die Einrichtung eines Bus-Zubringerdienstes für die Patienten einen besonderen Charakter. In Weilrod, einer Mittel- punktgemeinde im dünn besiedel- ten Hochtaunus, haben sich fünf junge Allgemeinärzte und Interni- sten zu einer voll integrierten Ge- meinschaftspraxis zusammenge- schlossen. Das Ärzteteam hat be-

wußt diese Praxisform gewählt, weil sie ihm die Möglichkeit der ständigen gegenseitigen Konsulta- tion und des unmittelbaren Erfah- rungsaustausches bietet; zudem kann sich jedes Mitglied dieser Ge- meinschaftspraxis bei Urlaub oder Teilnahme an ärztlichen Fortbil- dungsveranstaltungen vertreten lassen. Rationeller Einsatz des ge- meinsamen ärztlichen Hilfsperso- nals, die gemeinsam geführte Pa- tientenkartei und die gemeinsame Nutzung aller modernen medizi- nisch-technischen Einrichtungen wirken sich kostensparend aus.

Auf die Vorteile für die Patienten ha- ben bisher bei jeder Inbetriebnah- me der acht hessischen Ärztezen- tren nicht nur die Ärzte, sondern anerkennend auch Kommunalpoli- tiker und Vertreter der Kranken- kassen hingewiesen: Das Bestell- system verkürzt die Wartezeiten drastisch, und durch die Zweig- sprechstunden von Fachärzten wird der Landbevölkerung der oft- mals weite Weg in die Kreisstadt zur Facharztpraxis erspart.

Das schwierigste Problem in Weil- rod war es, die Patienten der 13 Ortsteile umfassenden, zweitgröß- ten Flächengemeinde Hessens mit einer Ausdehnung von rund 71 Quadratkilometern überhaupt an das Ärztezentrum heranzuführen.

Normalerweise ist dies eine Aufga- be der Kommunalbehörden, aber die mußten angesichts der äußerst dürftigen Verkehrsverhältnisse pas- sen. So organisierte schließlich die KV Hessen auch noch in Verbin- dung mit einem privaten Busunter- nehmer einen Zubringerdienst für die Weilroder Patienten. Bei der Eröffnung des Ärztezentrums Weil- rod machte der Vorsitzende der KV Hessen, Dr. Gerhard Löwenstein, die anwesenden Politiker sehr ein- dringlich darauf aufmerksam, daß die KV dadurch mit einer „sach- fremden Problematik" belastet worden ist, nachdem die „Monopo- listen" des Verkehrs (Bundesbahn und Bundespost) aus „Rentabili- tätsgründen" keine Lösungen an- zubieten hatten. Dies sei ein typi- sches Beispiel dafür, daß es mit der so oft geforderten „Chancen-

3004

Heft 47 vom 18. November 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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