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Zur Bedeutung motivationaler Persönlichkeitsmerkmale im Jugendalter

4.1 Leistungsmotivation und Kontrollvariablen

4.1.1 Zur Bedeutung motivationaler Persönlichkeitsmerkmale im Jugendalter

motivationa-le Persönlichkeitsmerkmamotivationa-le ausgewiesen (vgl. Kapitel 5.2 C). Es sind jene Variab-len, die sich in verschiedenen Studien als bedeutsam zeigten.26

Leistungsmotivation

Die Bedeutung der Aufrechterhaltung einer Leistungsmotivation in der Schulzeit als auch im Lebenskontext wurde im vorderen Teil (s. Kap. 3.1) ausführlich belegt.

Wenn nun gemäß Wild et al. (2006) bereits am Ende der Grundschulzeit ein Absin-ken selbstbestimmter Formen der Lernmotivation beobachtbar ist, stellt sich die Fra-ge, wie der schulische Erziehungs- und Bildungsprozess gestaltet sein müsste, damit Lernen und Leistungserbringung als persönlich bedeutsam bleiben würden.

Schulische Leistungsangst, Begabungszuschreibung und Selbstwirksamkeitsüber-zeugung

„Selbstwirksamkeit wird als wichtige Voraussetzung für kompetente Selbst- und Handlungsregulation gesehen, indem sie Denken, Fühlen und Handeln sowie – in motivationaler und volitionaler Hinsicht – Zielsetzung, Anstrengung und Ausdauer beeinflusst. Eine Vielzahl empirischer Befunde belegt, dass Selbstwirksamkeit Mo-tivation, Leistungshandeln und Lebensbewältigung fördern kann“ (Jerusalem, 2002, S. 10). Aus dieser Feststellung heraus ist es richtig, in Regressionsanalysen zur Vor-hersage der Leistungsmotivation das Konstrukt Selbstwirksamkeitsüberzeugung als unabhängige Variable miteinzubeziehen.27

Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung (nach Bandura „efficacy expecta-tion“) berücksichtigt lediglich die Dimension der Erwartungen. Es vernachlässigt somit die Wertdimension des „Erwartungs-Wert-Modells“. Fast alle modernen kog-nitiven Motivationstheorien berücksichtigen aber diesen Aspekt (vgl. Krapp & Ry-an, 2002, S. 56).

Die Selbstwirksamkeitserwartung beinhaltet gemäß Krapp und Ryan (ebd.) die fol-genden Phänomene:

- „Die subjektive Überzeugung, schwierige Aufgaben oder Lebensprobleme auf Grund eigener Kompetenz bewältigen zu können“ (Schwarzer, 1998, S. 159).

- „Kontrolle über künftige Person-Umwelt-Bezüge ausüben und aufrecht erhalten zu können“ (Krapp & Ryan, 2002, S. 56).

26 Wie sich im Ergebnisteil noch zeigen wird, weisen alle Persönlichkeitsaspekte einen direkten oder indi-rekt belegbaren Zusammenhang mit der Leistungsmotivation auf.

27 Pekrun und Schiefele (1996) weisen darauf hin, dass Selbstwirksamkeitserwartungen mit Schulleistun-gen eher in einer Wechselwirkung statt in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang stehen, wobei der Mo-tivationsprozess vermutlich eine vermittelnde Funktion hat (vgl. S. 162).

4 Forschungsstand 4.1 Leistungsmotivation und Kontrollvariablen

Die Verbindung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung zur SDT wird durch Krapp und Ryan (2002) postuliert. Sie stellen fest, dass die Selbstwirksamkeitsüberzeugung mit Kontrollüberzeugungen, wahrgenommener Kompetenzerfahrung, Handlungsergeb-niserwartung oder Optimismus verwandt ist (vgl. S. 56). Der Einbezug des Kon-strukts Selbstwirksamkeitsüberzeugung in den vorliegenden Berechnungen ist also theoriekonform. Das kognitiv-orientierte Konstrukt wirkt aber motivationstheore-tisch nur begrenzt, wie Krapp und Ryan (2002) festhalten. Sie sind der „Auffassung, dass rein kognitive Ansätze nicht ausreichen, um das Motivationsgeschehen in sei-ner ganzen Breite angemessen zu beschreiben und zu erklären“ (S. 57). Der Erfolg der SDT beruht v.a. auf deren Erklärungsbeitrag.

Schulische Normverletzung und Rauchen

Die Variable schulische Normverletzung kann gemäß Seitz und Rausche (1992) als Persönlichkeitsmerkmal „im engeren Sinne“ bezeichnet werden.

Aggression und Gewalt einerseits und Drogengebrauch andererseits stellen die ju-gendspezifischen Krisenindikatoren dar (vgl. Fend, 2001, S. 173). Die Frage nach dem regelmässigen Rauchen hat sich bereits in „Smoking in Adolescence and Life Course Transitions“ als zentraler Faktor für die längerfristige Persönlichkeitsent-wicklung und die frühen Übergänge von der Adoleszenz zum Erwachsenenalter her-ausgestellt (vgl. Looser & Fend, 2004). Der Einstiegszeitpunkt des Rauchens ist zu-dem in hohem Maße vom Bildungsniveau abhängig: „Von den 13jährigen Haupt-schülern rauchen ca. 15% täglich drei und mehr Zigaretten, von den Gymnasiasten nur 2.5%“ (Fend, 1990, S. 156).

Gemäß Fend (2001) kann auch die schulische Normverletzung zum „Syndrom der Leistungsdistanz“ (S. 437) gezählt werden. Dies hängt auch mit dem Internalisie-rungsprozess zusammen: „Je mehr die Schüler also die schulischen Lern- und Leis-tungsanforderungen internalisiert haben, umso weniger sind sie anfällig für abwei-chendes Verhalten“ (Fend, Knörzer, Nagl, Specht & Väth-Szusdziara, 1976, S. 85).

Besonders beim Übergang von der 6. zur 7. Klasse treffen Lehrer häufig auf opposi-tionelles Verhalten der Schüler. Beim Vergleich mit Daten aus der Schweiz konnte Fend jedoch zeigen, dass das Ausmaß abhängig von der Kultur sein kann. Schweizer Kinder machten – mit Ausnahme des Schwänzens – einen sozialeren Eindruck als deutsche. „Schweizer Schüler sind … disziplinierter und zivilisierter“ (Fend, 1997, S. 160).

Auf jeden Fall können die schulische Normverletzung und das Rauchen zu leis-tungsmotivationsrelevanten Persönlichkeitsaspekten gezählt werden, welche es im Sinne der interaktionistischen Theorie bei der Prüfung der SDT zu untersuchen gilt.

In der vorliegenden Studie wird also punktuell auch untersucht, welche Zusammen-hänge zwischen schulischer Normverletzung bzw. Nikotinkonsum und Leistungs-motivation im Längsschnitt festzustellen sind. Diese negativ geprägten „Eigenkom-ponenten“ des Kindes/Jugendlichen sind im Zusammenhang mit der Theorie des In-teraktionismus zu sehen, bei der die Sozialisation auch von der Person selbst ausge-hen.

4 Forschungsstand 4.1 Leistungsmotivation und Kontrollvariablen

Eltern-Kind-Konsens bezüglich Leistung, Glauben und Verhalten

Die Variablen bezüglich Eltern-Kind-Konsens („E-K-Konsens“) in Aspekten wie Leistung, Glauben und Benehmen (s. Instrument Kap. 6.3.4) können im Sinne der SDT als Aspekte der Autonomie verstanden werden. Krapp und Ryan (2002) ver-weisen explizit auf die von einer Person „erlebte innere Übereinstimmung zwischen dem, was sie selbst für wichtig hält und gerne tun möchte und den in der aktuellen Situation geforderten Aufgabenstellungen“ (S. 59; Hervorhebung durch D.L.). Der Autonomiebegriff ist nach Auffassung der SDT „keineswegs gleichzusetzen mit Unabhängigkeit von der (sozialen) Umgebung, sondern bezieht sich darauf, ob eine Person mit den Anregungen, Vorgaben oder Normen der Umwelt übereinstimmt und deshalb freiwillig bereit ist, das eigene Verhalten daran zu orientieren“ (a.a.O., S.

65). Insofern kann also die Übereinstimmung der inneren Sicht des Jugendlichen mit den Eltern gemäß der SDT als ein Maß der Autonomie genommen werden.

Bildungsorientierung und Zukunftsbewältigung

In Anlehnung an die Jugendtypologien (vgl. Lenz, 1986) lassen sich in einem Raster mit zwei Achsen die bildungsorientierten Jugendlichen als einerseits verantwortlich und sicherheitsorientiert (1. Achse) und als kulturorientiert (2. Achse) andererseits einstufen. Sie grenzen sich also ab von den elternorientierten Jugendlichen, von den geschlechtsrollenakzentuierenden und den subjektorientierten Jugendlichen (vgl.

Fend, 2001, S. 181). Sowohl die Zukunftsbewältigungsüberzeugung als auch die Bildungsorientierung sollen als relevante Persönlichkeitsmerkmale auf ihre länger-fristige Bedeutung untersucht werden.

Allgemeines Interesse des Kindes aus der Elternsicht (E)

Persönliches Interesse, wie es in dieser Untersuchung aus Sicht der Eltern über das Kind berichtet wurde, kann aus interessentheoretischer Sicht der SDT-Stufe „Integ-ration“ zugeordnet werden. Der Ort der wahrgenommenen Handlungskontrolle (per-ceived locus of control) ist nach innen verlegt (vgl. Krapp & Ryan, 2002, S. 63).28 Nach Krapp (1998) kann der Interessenbegriff in zwei Komponenten unterteilt wer-den: (1) situatives Interesse (z.B. Neugier: Zuwendung zum Gegenstand und aktuel-le Auseinandersetzung damit) und (2) Interesse als Persönlichkeitsdimension, wel-che ein dauerhafter oder lang anhaltender Bestandteil der Person-Umwelt-Orientierung darstellt.

Das obige Item, wie es bei den Eltern erhoben wurde (vgl. Wortlaut unter Kap.

6.3.4) nimmt Bezug zur zweiten Komponente: Es ist also ein dauerhafter oder lang anhaltendes Interesse gemeint. Insofern kann dieses Item auch in den längsschnittli-chen Analysen im Rahmen einer dispositionalen Persönlichkeitseigenschaft verwen-det werden.

28 Gemäß der metatheoretischen Kategorieneinteilung von Motivationstheorien nach Pekrun (2001, S. 92) gehören Interessen zu der zweiten Hauptkategorie „Valenzen“.

4 Forschungsstand 4.1 Leistungsmotivation und Kontrollvariablen

4.1.2 Zum Einfluss von Kontrollvariablen auf motivationale