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2 Die Rolle der Medien in Konflikten

2.3 Zu den Inhalten medial vermittelter Konfliktbilder

Die folgende Pyramide fasst die verschiedenen Komponenten der von den Medien vermittelten Konfliktbilder noch einmal zusammen. Die unteren Pyramidenschich-ten beinhalPyramidenschich-ten dabei jeweils die weiter oben stehenden (z.B. sind Stereotype und Frames Bestandteile von Diskursen, nicht umgekehrt).

Abbildung 3: Das Konfliktbild der Medien (in Anlehnung an Hafez, 2002, S. 50)

2.3 Zu den Inhalten medial vermittelter Konfliktbilder

Welche konkreten Inhalte die medial vermittelten Konfliktbilder annehmen, ist in Bezug auf zahlreiche internationale Konflikte untersucht worden. Hier ist nicht der Ort, einen umfassenden Überblick über die vielfältigen inhalts- oder diskursanaly-tischen Fallstudien der letzten Jahrzehnte zu geben oder die Entwicklung der Kon-fliktberichterstattung von ihren Ursprüngen bis in die heutige Zeit nachzuzeichnen;

dies ist bereits an anderer Stelle geschehen (vgl. z.B. Carruthers, 2000). Es sollen aber zumindest einige allgemeine Tendenzen der Konflikt- und Kriegsberichter-stattung aufgezeigt werden, die sich in den Ergebnissen der empirischen Unter-suchungen manifestieren und die im Rahmen unserer Arbeit von Bedeutung sind:

• Die Konfliktberichterstattung fokussiert generell sehr stark das aktuelle Kon-fliktgeschehen, während Hintergründe und Ursachen von Konflikten wenig the-matisiert werden (vgl. z.B. für den Golfkrieg: Paletz, 1994; für die Zeit nach dem 11.9.2001: Werthes, Kim & Conrad, 2002; für den Irakkrieg: Krüger, 2003).

• Konflikte werden oft als Win-Lose-Prozesse konzipiert, in denen eine Konflikt-partei ihre Ziele nur auf Kosten der anderen erreichen kann (vgl. z.B. Kempf, 2000).

• Die Konfliktberichterstattung der Medien neigt zur Polarisierung zwischen den Konfliktparteien, zur Konstruktion von "guten" und "bösen" Konfliktparteien

Frames

Stereotype/Feindbilder

Diskurse Themen

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(vgl. z.B. Vollmer, 1994; Schallenberger, 1999; Jaeger, 2000; Kempf, 2002).

Insbesondere wenn das eigene Land und/oder Verbündete in einen Konflikt in-volviert sind, besteht eine starke Tendenz, die Rechte, Intentionen und Hand-lungen der eigenen Seite zu idealisieren, die Rechte des Gegners dagegen zu leugnen und seine Intentionen und Handlungen zu verurteilen (vgl. z.B. Kempf, 2000; Sabellek, 2001).

• In einem solchen Polarisierungsprozess werden negative Stereotype über die andere Seite verstärkt (vgl. z.B. Yoon & Gwangho, 2002). Im Kriegsfall führt die Polarisierung zwischen "Gut" und "Böse" häufig zu einer Dämonisierung und Dehumanisierung des Gegners. Die Gegenseite und besonders deren Führungs-personen werden zu einem absoluten Feindbild aufgebaut und dabei nicht sel-ten mit den Nazis bzw. mit Hitler persönlich verglichen (vgl. für die Person Saddam Hussein z.B. Ohde, 1994; für die Person Slobodan Miloševi

ć

und die Serben z.B. Hume, 2000; für die Person Osama bin Laden z.B. Ryan, 2004). Die Protagonisten der eigenen/verbündeten Seite dagegen werden humanisiert.

• Den Opfern und dem Leiden auf Seiten des Gegners wird weitaus weniger Raum eingeräumt als den Opfern und dem Leiden der eigenen/verbündeten Seite (vgl. z.B. Taylor, 1998; Beham, 2000).

• Kritik an der Kriegsführung des eigenen Landes wird meist lediglich in Hinsicht auf Strategie, Taktik und Methoden (vgl. z.B. Entman & Page, 1994), aber nur selten in fundamentaler Weise geübt. Die Mainstreammedien der meisten Län-der schwenken auf eine patriotische Berichterstattung ein, wenn die eigene Re-gierung in den Krieg zieht, und stellen die Legitimität des Krieges nicht mehr in Frage (vgl. z.B. Eilders & Lüter, 2000; Hammond & Herman, 2000; siehe hierzu ausführlich Kap. 3.6).

• Konfliktberichterstattung bleibt oft einer militärischen Logik der Konfliktaustra-gung verhaftet (vgl. z.B. Kempf, 2002). Über friedliche Alternativen der Kon-fliktlösung wird zwar ebenfalls berichtet, häufig jedoch in einer Weise, die sie als unrealistische oder unvernünftige Optionen erscheinen lässt (vgl. z.B.

Kempf & Reimann, 2002).

• Entsprechend wenig vorteilhaft fällt oft die Darstellung von Akteuren und Grup-pierungen aus, die sich für friedliche Konfliktlösungen einsetzen, namentlich die Darstellung von Friedensbewegungen (vgl. z.B. Small, 1994; vgl. auch Kap. 3.6).

Als weitere allgemeine Tendenzen der Konfliktberichterstattung in westlichen Län-dern können nach Carruthers (2000) die folgenden Merkmale gelten:

• Die Berichterstattung orientiert sich vorwiegend an den Akteuren, die die meis-te Macht über Entscheidungsprozesse besitzen, d.h. in der Regel an den west-lichen Regierungseliten.

• Die außenpolitische Berichterstattung stellt oft nur eine Ausdehnung der innen-politischen Berichterstattung dar (z.B. in Form einer ausführlichen

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stattung über Aufgaben und Handlungen der eigenen Soldaten im Ausland statt einer Fokussierung des Konflikts an sich).

• Es ist eine starke Tendenz zu so genannten human interest stories zu verzeich-nen, also zu Reportagen über menschliche Einzelschicksale, die jedoch die Ge-fahr bergen, die vielfältigen Ursachen komplexer Konflikte auszuklammern und lediglich "Mitgefühl ohne Verstehen" zu erzeugen.

Bezüglich der (Dis-)Kontinuität, mit der über Konflikte berichtet wird, lässt sich die Feststellung, die Paul Virilio zwei Jahre nach dem Golfkrieg von 1991 getroffen hat, ohne weiteres auch auf die später folgenden Kriege übertragen:"Der schon aus dem Blick geratene Golfkrieg entschwindet mit der Geschwindigkeit eines Me-teoriten, der die Erde gestreift hat, in die weite Leere des kollektiven Bewusst-seins. Den während hundert langer Tage buchstäblich überbelichteten Krieg hätte dann schließlich das gleiche Schicksal ereilt wie die täglichen Nachrichten. Der Golfkrieg – der erste Fernsehkrieg der Geschichte – sollte nicht der Gesetzmäßig-keit des Genres entkommen: kaum gesehen, hat man die Nachrichten schon wie-der aus dem Blick verloren" (Virilio, 1993, S.147, kursiv im Original).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Medien in ihrer Konfliktbericht-erstattung starke Tendenzen zur Vereinfachung und zur Eskalationsorientierung aufweisen. Kempf (1998) kommt zu dem Schluss, dass die Medienberichterstat-tung über einen Konflikt umso eskalationsorientierter ausfällt, je mehr eine Gesell-schaft in einen Konflikt involviert ist und je näher sie – historisch, politisch, ökonomisch oder ideologisch gesehen – einer Konfliktregion steht. Die Eskalati-onsorientierung ist somit am stärksten, wenn das eigene Land an einem Kriegs-geschehen beteiligt ist.

All diese Befunde bedeuten jedoch nicht, dass Medien gar nicht anders können als eskalationsorientiert zu berichten. Im Gegenteil zeigt sich, dass Medien in be-stimmten Fällen sehr wohl auch zu einer deeskalationsorientierten oder konstruk-tiven Konfliktberichterstattung in der Lage sind, in der die Interessen aller Konfliktparteien in gleicher Weise anerkannt werden und in der nach Lösungen gesucht wird, welche die Interessen aller Seiten berücksichtigen. Eine solche Be-richterstattung ist dann vorzufinden, wenn die Themen Frieden und Versöhnung auch die politische Tagesordnung bestimmen (vgl. Kempf, 1999a; Annabring et al., 2004; Jaeger, 2004b; Wolfsfeld, 2004). Journalisten scheinen also grundsätz-lich sowohl über das Repertoire eskalationsorientierter wie deeskalationsorientier-ter Berichdeeskalationsorientier-terstattung zu verfügen, von ersdeeskalationsorientier-terem allerdings weitaus häufiger Gebrauch zu machen.

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