• Keine Ergebnisse gefunden

Zu den Gründervätern des Zionismus in Deutschland gehörte auch Max Isidor Boden-heimer aus Stuttgart, 1865 geboren, 1940 in Jerusalem gestorben. Der Jurist und Politiker hatte schon 1893 mit David Wolffsohn (nach-mals Herzls Nachfolger als Präsident der Zio-nistischen Internationale) den zioZio-nistischen Ver-ein Chowewe-Zion gegründet. Drei Jahre später schuf er in Köln die National-Jüdische Vereinigung (ab 1897: Zionistische Vereinigung für Deutschland), deren Chef er bis 1910 war.

Aufruf zur Alija ins Gelobte Land zum 5. Zionistenkongress in Basel

Mit Wolffsohn verfasste Bodenheimer die „Köl-ner Thesen” als Leitlinie des Zionismus. Er wirkte auch als Initiator und Vizevorsitzender des kurz nach Kriegsausbruch 1914 gebildeten

„Komitees für den Osten” (intern: „Komitee zur Befreiung der russischen Juden"), über das man der deutschen politischen und militäri-schen Führung ein Bündnis gegen den russi-schen Zarismus offerierte. Dieser galt damals den Juden als antisemitischstes Regime und größter Feind. 1933 verließ Bodenheimer Deutschland in Richtung Niederlande, 1935 wanderte er nach Palästina weiter.

Vor allem wandten (und wenden) sich die Ver-fechter jüdischer Eigenstaatlichkeit gegen ein Judentum, das sich dem jeweiligen Aufenthalts-land fügen und in ihm einfügen will. Die solchen Integrations- bzw. Assimilationsvorstellungen entgegengesetzte, auch heute bei zionistischen Juden geltende jüdische Weltanschauung brach-te Rabbiner Abraham Hochwald unbrach-ter der Schlagzeile „Jedem Volk sein Land” im Berliner Zentralratsblatt „Allgemeine Jüdische” vom 26.

September 2001 anschaulich zum Ausdruck:

»Es war der Wille Gottes, die Völker von-einander zu trennen und die Kinder Israels als eine separate Einheit zu behandeln. Na-türlich taucht in diesem Zusammenhang so-fort die Frage auf: Warum bestand Gott da-rauf, die Völker gebietsmäßig voneinander zu trennen? Wäre es nicht für die Völker vor-teilhafter gewesen, wenn sie auf einem ge-meinsamen Territorium zusammengeblieben wären? Die Antwort, die unsere Gelehrten geben, ist die folgende: Es war für die Welt wichtig, dass jedes Volk sich auf ein ihm ei-genem Territorium ansiedelte und in diesem Rahmen seine eigene Kultur entwickelte ...

Es war somit die göttliche Weisheit, die die-se Verteilung vornahm.«

„Nur in Eretz Israel”, dem Gelobten Land des jüdischen Volkes also, könne „das Judentum gedeihen”, schlussfolgert der Rabbiner. Das ge

-„Allgemeine Jüdische';

26. Septem-ber 2001

nau war auch das Herzensanliegen der Zionis-ten im ausgehenden 19. Jahrhundert.

An sich mutet der Text des Rabbiners Hoch-wald in seiner nationalen Grundstimmung wie ein nationalistisches Manifest an, das im Prin-zip von den Selbstbestimmungsaktivisten aller Völker unterschrieben werden könnte.

Wie „Feuer und Flamme” war der Kaiser?

»Kaiser Wilhelm II. war anfänglich Feuer und Flamme für die zionistische Idee«,

schreibt der Historiker Axel Meier in seiner in Konstanz hundert Jahre nach dem historischen Ereignis erschienenen Monographie „Die kai-serliche Palästinareise 1898” mit dem Unter-titel: „Theodor Herzl, Großherzog Friedrich I.

von Baden und ein deutsches Protektorat in Pa-lästina”. Meier weiter:

»Der Gedanke, die Juden als ihr Patron in das Heilige Land zu führen und dabei im In-neren die Sozialisten zu schwächen und au-ßenpolitisch den deutschen Einfluss zu stär-ken, war von jener Qualität, die Wilhelm II.

als Herausforderung empfand.«

(„Schwächung der Sozialisten" deshalb, weil Juden einen erheblichen Teil der Führerschaft

der marxistisch-sozialistischen Bewegung stell-ten.) Überhaupt war es dem Kaiser, laut Meier, grundsätzlich darum zu tun, möglichst viele Ju-den aus seinem Reich loszuwerJu-den.

Theodor Herzl, der Wegbahner des Zionismus, hatte es zunächst geschafft, den badischen Großherzog Friedrich 1., Oheim des Kaisers, für die Palästinavorstellungen seiner Bewegung ge-neigt zu machen. Ein Treffen zwischen dem Ju-denführer und dem regierenden Fürsten fand auf der Insel Mainau im Bodensee statt. Von Baden aus waren schon, mit großherzoglichem Wohl-wollen, die Templer ins Gelobte Land gezogen, wo sie blühende christlich-deutsche Kolonien (Sarong, Wilhelma usw.) schufen, auch den mo-dernen Südfrüchteanbau Palästinas begründeten und mit den Arabern in gutem Einvernehmen lebten. In den beiden Weltkriegen wurden sie in britische Konzentrationslager verschleppt und nach 1945 schließlich restlos vertrieben, wobei militante Zionisten ziemlich hemmungslos von der Schusswaffe Gebrauch machten.

Unter Berufung auf den badischen Großherzog richtete Herzl am 22. Oktober 1897 ein Schrei-ben an Kaiser Wilhelm II., in welchem er den deutschen Monarchen für die Schirmherrschaft über das Zionistenprojekt im Vorderen Orient u.a. mit folgenden Hinweisen locken wollte:

»Eine koloniale Ableitung des nicht resor-bierbaren Teiles der Judenschaft wäre eine Erleichterung für die meisten Länder, wo die Juden entweder in schwerem materiellen Elend verkommen oder durch die gesell-schaftliche Ächtung den Umsturzparteien zu-gedrängt werden oder endlich den Finanzver-kehr in einer von uns Nicht-Geldjuden selbst tief bedauerten Weise beherrschen.«

Wilhelm II. schob die zionistische Petition vor sich her, wurde aber mit Schreiben vom 28.

Juli 1898 von Ohm Friedrich erneut darauf an-gestoßen. Der Kaiser antwortete schließlich am 29. September jenes Jahres seinem Onkel in

einem streckenweise in seltsam launigen Ton gehaltenen Brief:

»Ich bin der Überzeugung, dass die Besied-lung des Heiligen Landes durch das kapital-kräftige und fleißige Volk Israel dem ers-teren bald zu ungeahnter Blüte und Segen gereichen wird, der sich auch weiterhin aus-dehnend zu einer bedeutenden Wiederbele-bung und Aufschließung von Klein-Asien ent-wickeln kann ... Zudem würde die Energie, Schaffenskraft und Leistungsfähigkeit vom Stamm Jesu auf würdigere Ziele als auf Aussaugen der Christen abgelenkt ... Nun weiß ich wohl, dass neun Zehntel aller Deut-schen mit Entsetzen aufmucken werden, wenn sie in späterer Zeit erfahren sollten, dass ich mit den Zionisten sympathisiere oder gar, eventuell, wie ich es auch — wenn von ihnen angerufen — tun würde, sie unter meinen Schutz stellen würde! Allein Dir möchte ich doch bemerken: dass die Juden den Heiland umgebracht, das weiß der liebe Gott noch besser wie wir, dafür hat er sie demgemäß bestraft. Aber weder die Antise-miten noch ich sind von ihm beauftragt und bevollmächtigt, diese Leute nun auch auf un-sere Manier zu kujonieren in Majorem Dei Gloriam! Ich glaube, hier darf man auch sa-gen: „Wer unter Euch ohne Fehl ist, der wer-fe den ersten Stein auf sie!” Dazu würde sich ferner auch noch das „Liebet Eure Fein-de” setzen lassen. Und der Punkt ist doch für uns vom weltlichen und realpolitischen Standpunkt aus nicht außer Acht zu lassen, dass bei der gewaltigen Kraft, die das inter-nationale jüdische Kapital nun einmal in al-ler seiner Gefährlichkeit repräsentiert, es doch für Deutschland eine ungeheure Errun-genschaft wäre, wenn die Welt der Hebräer mit Dank zu ihm aufblickt?! Überall erhebt die Hybris des rohesten, scheußlichsten Anti-semitismus ihr greuliches Haupt, und angst-erfüllt blicken die Juden — bereit, die Länder,

wo ihnen Gefahr droht, zu verlassen — nach einem Schützer. Nun wohlan, die ins Heilige Land Zurückgekehrten sollen sich Schutzes und Sicherheit erfreuen und beim Sultan werde ich für sie intervenieren, denn die Schrift sagt: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon; seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.«