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Die Judenschaft des DP-Lagers Landsberg stell-te auch die Statisstell-terie — und die Stadt selbst war teilweise Schauplatz — des ab Herbst 1947 gedrehten zionistischen Spielfilms „Lang ist der Weg” (jiddischer Titel: „Lang is der Veg"). Er wurde am 1. September 1948 uraufgeführt; die Fernseh-Erstausstrahlung fand 1959 auf den Kanälen der ARD statt. In dem Film erscheint die Hinwendung zu Eretz Israel als einziger Weg zum jüdischen Heil. Etablierte bundes-deutsche Cinematologen loben, der Streifen sei durch die Szenen über NS-Verbrechen zum Pio-nierwerk der Holocaust-Bewältigung geworden.

Der zionistische Produzent des Lichtspielwer-kes, Abraham Weinstein, griff bei Skript (Israel Becker) und Inszenierung (Marek Goldstein) auf die Hilfe von Juden zurück. Doch als federfüh-rend engagierte er Routiniers der Ufa, der großdeutschen „Traumfabrik” des Dr. Joseph Goebbels: Karl Georg Külb (für das Drehbuch), Lothar Brühne (für die Musik), Herbert B. Fre-dersdorf (für die Regie), Franz Koch (für die Ka-meraführung).

Külb hatte zu den meistbeschäftigten Dreh-buchautoren des Dritten Reiches gezählt („Der Blaufuchs”, 1938, „Frauen sind doch bessere Diplomaten”, 1941, „Liebesbriefe”, 1943, usw.).

Fredersdorf, obschon jüdisch verheiratet, gehör-te im Film des Dritgehör-ten Reiches zur Eligehör-te der Schnittmeister („Unter heißem Himmel", 1936,

„Der Täter ist unter uns” und „Spähtrupp Hall-garten”, jeweils 1941, etc.). Brühne hatte für

die musikalische Untermalung zahlreicher be-rühmter Filme der NS-Zeit wie etwa „La Ha-banera” (1937) und „Orientexpress” (1944) gesorgt und war Schöpfer von Schlager-Ever-greens der Hitler-Ara wie „Der Wind hat mir ein Lied erzählt”, „Ich brech die Herzen der stolzesten Frauen”, „Kann denn Liebe Sünde sein”, „Von der Puszta will ich träumen”. Koch schließlich, der Kameramann des zionistischen Films von 1947/48, hatte unter Hitler die Kame-ra bei Dutzenden Streifen geführt, u. a. bei

„SA-Mann Brand” (1933), „Ritt zwischen den Fronten” und „Carl Peters” (jeweils 1941). Als Mitarbeiter von Leni Riefenstahl war er über-dies an den Aufnahmen für den NSDAP-Partei-tagsfilm „Triumph des Willens” (1935) beteiligt.

Neben Statisten aus dem Lager Landsberg und jüdischen Hauptdarstellern engagierte Pro-duzent Weinstein für „Der lange Weg” zwei deutsche Ufa-Berühmtheiten als Schauspieler:

Otto Wernicke und Paul Dahlke. Wernicke hatte man zuvor u. a. in „Der Tunnel” (1933), „Starke Herzen” (1937), „Dreizehn Mann und eine Ka-none”, „Geheimzeichen LB 17 L” (jeweils 1938),

„Titanic” (1943) und „Kolberg” (1944) sehen können. Dahlke hatte ab 1933 zum Ensemble des Berliner Deutschen Theaters, ab 1935 auch der Münchner Kammerspiele gehört, also erster Bühnen des Dritten Reiches. Er trat in den 12 Hitlerjahren in 46 abendfüllenden Spielfilmen auf. Dr. Goebbels zeichnete ihn 1937 als jüngs-ten Mimen mit der damals höchsjüngs-ten deutschen Darsteller-Ehrung aus, dem Titel eines Staats-schauspielers.

Ein anderes Detail: Julius Streichers nahe Nürnberg gelegener „Pleikershof”, der vom Chef des antisemitischen Hetzblattes „Stürmer”

nach Kaltstellung durch Hitler 1940 zu einem, wie man heute vielleicht sagen würde, Biobau-ernhof gestaltet worden war, diente nach Kriegsende als Musterkibbutz. Es wurden dort einige Hundert jüdische DPs von einstigen

Mit-arbeitern Streichers für das landwirtschaftliche Leben im kommenden Israel geschult.

»Die fränkischen Kibbuzniks gehörten zu den Wegbereitern des Staates Israel«,

heißt es in Jim G. Tobias' DP-Buch. Und im Mitteilungsblatt des Landesverbandes der Is-raelitischen Kultusgemeinden Bayern, Ausgabe April 1999, schrieb derselbe jüdische Zeit-geschichtsforscher über den „Kibbutz Nili”, Streichers ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb:

»Der Pleikershof war ein ideales Ausbildung-scamp. Er umfasste etwa 80 Hektar land-wirtschaftlicher Fläche und 8 Hektar Weide-land. Die Einrichtung des Bauernhofes befand sich auf dem letzten Stand der Tech-nik. Es gab elektrische Melkmaschinen, Trak-toren und auch Geräte zur Käseherstellung waren vorhanden. Die Voraussetzungen für eine solide Ausbildung waren gegeben. Zwei Landwirte, die schon zu Streichers Zeiten auf dem Hof tätig waren, betreuten und lei-teten die Kibbuzniks an. Die Beziehung zu den deutschen Trainern war nach Auskunft der Zeitzeugen „sachlich korrekt".«

„An Lehrbüchern der Wehrmacht orientiert”

Bergen in der Lüneburger Heide war das wich-tigste jüdische DP-Lager im britisch beherrsch-ten Teil Deutschlands. Dort wurde im Septem-ber 1945 der erste Kongress der befreiten Juden in der britischen Zone abgehalten. Abge-sandte zionistischer Organisationen aus den USA, England und Palästina nahmen teil. Es bil-dete sich ein Zentralkomitee der jüdischen DPs mit Josef Rosensaft als Chef, dem ehemaligen Besitzer einer Gießerei in Bendzin/Polen, der — so der jüdische Historiker Michael Brenner —

»mit nahezu diktatorischen Vollmachten über die Juden in der britischen Zone herrschte«.

Rosensaft, ein sperriger, eigensinniger Zeitge-nosse, geriet nicht nur mit seinen zionistischen

Führungskollegen der US-Zone aneinander, de-nen er sich partout nicht unterordde-nen wollte, sondern richtete auch zornige Angriffe gegen Abstammungsgenossen in aller Welt. So schrieb er:

»Hier waren wir also, endlich befreit. Aber viele Monate vergingen, bis die ersten Zei-chen effektiver Hilfe ersichtlich waren. Es ist eine Tatsache, dass sich in der gesamten Judenheit nicht ein berühmter Kinderspezia-list, Chirurg oder Gynäkologe fand, der bereit war, selbst nur für kurze Zeit zu kommen und mit uns zu arbeiten — trotz all unserer Appelle. Wir mussten die Hilfe deutscher Ärzte und Krankenschwestern akzeptieren, die uns die Engländer ins Lager schickten.«

Am 3. Oktober 2002 berichtete der US-jüdische

„Aufbau” über die Ausstellung „Rebirth after the Holocaust: The Bergen-Belsen Displaced Persons Camp, 1945-1950”, zu sehen gewesen im New Yorker Hebrew Union College. Es ging um das Lager Bergen-Belsen, das von den Na-tionalsozialisten zur Kriegszeit für Juden einge-richtet worden war, die man gegen deutsche Zivilinternierte der Alliierten austauschen woll-te. London sperrte sich gegen Berlins Offerten, so dass — und dies auch nur mit Schützenhilfe der Schweiz — nicht mehr als einige Tausend Juden via Bergen-Belsen in die Freiheit gelan-gen konnten. Gegelan-gen Ende des Krieges geriet das nun gnadenlos überfüllte Lager zum mar-tervollen Massengrab. Nach 1945 wurde ganz in der Nähe das Gelände zur Unterbringung jü-discher Displaced Persons eröffnet. „Aufbau”:

»Die Bewohner des DP-Camps Belsen stell-ten die größte Gruppe von Juden in der bri-tisch besetzten Zone Deutschlands und spiel-ten eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung legaler sowie illegaler Ein-wanderung nach Israel. Mitglieder der Haga-na waren in Belsen aktiv, um die Auswan-derungen vorzubereiten.«

1948: Menachem Begin, militanter Zionistenfüh-rer, später israelischer Premier, appelliert an die DPs.

In diesem Zusammenhang ist auch aufschluss-reich, was Jim G. Tobias im „Aufbau” am 21. Februar 2002 zum Thema „Geheime Ausbil-dungslager für Holocaust-Überlebende in Bay-ern” mitgeteilt hat:

»Bereits seit 1946 rekrutierte die jüdische Untergrundorganisation Hagana, ein Vorläu-fer der späteren israelischen Armee, in den DP-Lagern Holocaust-Überlebende, um sie auf den bevorstehenden Unabhängigkeits-krieg in Palästina vorzubereiten. Mit den ge-heimen Stützpunkten in Wildbad, nahe der Stadt Bad Windsheim, und dem Hochland-lager im oberbayerischen Königsdorf befan-den sich zwei jüdische Offiziersschulen in

Bayern.«

Solche Militärcamps seien zwar offiziell ver-boten, „faktisch von der amerikanischen Besat-zungsmacht jedoch toleriert” worden. Auf den Lehrplänen standen, so Tobias weiter, „Unter-weisungen in Strategie und Taktik”, aber auch

„praktische Ubungen wie etwa das Granaten-werfen”.

»Neben dem theoretischen Unterricht übten wir auch mit Revolvern und Maschinenpis-tolen«,

wird ein einstiger Rekrut der Hagana aus den Reihen der DPs zitiert. Tobias fährt fort:

»Die Ausbilder orientierten sich an Lehr-büchern der deutschen Wehrmacht. Referate über die „infanteristische Tankabwehr unter palästinensischen Bedingungen” oder Vorträ-ge zur „Taktik von Partisaneneinheiten Vorträ- ge-gen reguläre Truppen” standen auf dem Stundenplan ... Ferner standen Kartenlesen, Geländeübungen und Exerzieren auf dem Programm.«

Hagana-Kommandeur Nahum Schadmi habe an seine Glaubensgenossen in den deutschen DP-Camps appelliert:

»Ich verlange, dass die Juden in den Lagern sich melden. Sie sind praktisch Bürger Isra-els.«

Die Lager waren auch Rekrutierungsfeld für

„Nakam” (hebräisch: Rache)-Kommandos: Mili-tante Juden zogen los, „um Nazis hinzurich-ten”. Einige Hundert Deutsche wurden in „Na-kam"-Einzelaktionen umgebracht. Daneben gab es Massenvergiftungsanschläge (etwa gegen das US-Kriegsgefangenen- und Internierten-lager Langwasser bei Nürnberg mit über zehn-tausend deutschen Insassen) und sogar Pläne, die Trinkwasserversorgung deutscher Großstäd-te zu verseuchen.

Als sich israelische Nakam-Veteranen in den 90er-Jahren öffentlich ihrer Taten brüsteten, gingen Strafanzeigen gegen sie bei deutschen Behörden ein; für Mord gibt es in Deutschland ja bekanntlich keine Verjährung. Doch im Mai 2000 stellte die Staatsanwaltschaft Nürnberg die Verfahren ein, da die Straftaten „wegen außergewöhnlicher Umstände verjährt” seien.

Wenn man so will, hatten die „Nakam"-Täter also „mit Netz geturnt”.

Die „Rächer” hätten mit ihren todbringenden Ambitionen keineswegs allein gestanden, schreiben Jim G. Tobias und Peter Zinke in ih-rem 2003 im Aufbau Taschenbuch-Verlag er-schienenen Buch „Nakam: Jüdische Rache an NS-Tätern”, sondern eine unter Juden „weit verbreitete Ansicht vertreten”.

Woher die Mittel kamen Der Unterhaltung des aufwendigen Bricha- und Hagana-Netzwerkes der Nachkriegszeit dienten vor allem „Entnahmen” aus dem besetzten Deutschland. Von außen wurden die zionisti-schen Aktivitäten maßgeblich durch zwei der bedeutendsten jüdischen US-Organisationen, das American Jewish Joint Distribution Com-mittee und das United HIAS-Service (Hebrew Immigration Aid Society), finanziell gefördert.

Auch Gelder und sonstige Unterstützung der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitati-on AdministratiRehabilitati-on) kamen ziRehabilitati-onistischen An-strengungen in den DP-Lagern Deutschlands zu-gute. Ende 1945 übernahm dieses nominell den Vereinten Nationen unterstehende Flüchtlings-hilfswerk die Verwaltung der Lager in der US-amerikanisch besetzten Zone Deutschlands.

An der Spitze der UNRRA standen damals prominente jüdische Förderer der zionistischen Sa

-che: Chef bis 1946 war Herbert H. Lehman (vom Bankhaus Lehman Brothers, einst Gouver-neur des Staates New York, dann Senator, Hauptsponsor von Franklin Delano Roosevelt sowie dessen enger Berater, führend im Ame-rican Jewish Committee). Nach ihm übernahm Fiorello Henry LaGuardia (mütterlicherseits jü-disch, Bürgermeister von New York 1934-45, In-ti mus des Oberhauptes der US-Judenheit, Rab-bi Wise) die Leitung der UNRRA.

Nach knapp fünf Jahren war die Bricha-Arbeit in Mitteleuropa weitestgehend beendet. Bevor die Bundesrepublik ins Leben trat, hatten sich weit über 90 Prozent von Deutschlands Nach-kriegsjuden nach Übersee begeben, der Groß-teil ins entstehende Israel, am zweitmeisten in die USA. Allenfalls noch zwanzigtausend Mit-glieder jüdischer Gemeinden waren hiergeblie-ben

Als Nachtrag folgende Meldung der Nachrich-tenagentur dpa vom 15. Mai 1997:

»Bundeskanzler Helmut Kohl hat allen jüdi-schen Männern und Frauen gedankt, die nach 1945 die Bundesrepublik mit aufgebaut haben. Ohne dieses Engagement wäre das Werk des Neuaufbaus nicht gelungen, sagte Kohl bei der Entgegennahme des „Leo-Baeck-Preises” des Zentralrats der Juden in Deutschland.«