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In der Ausgabe der „Israel Nachrichten” vom 17. Dezember 1999 wurde das Hansen'sche Traktat über „das Netz” fortgesetzt. In den 60er-Jahren, schrieb er nun, hätten sich „die Verbindungen in mehreren Bereichen intensi-viert” und sei „das bilaterale Beziehungs-geflecht weiter verdichtet” worden,

»wobei vor allem die Rüstungskooperation, die beginnende wissenschaftliche Partner-schaft und die Gewährung zinsgünstiger Dar-lehen („Aktion Geschäftsfreund") zu nennen sind«.

Zur Unternehmung mit dem Decknamen „Aktion Geschäftsfreund” teilte der jüdische Zeit-geschichtler Prof. Michael Wolffsohn im „Spe-zial” Nr. 2/1992 des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel” mit (weiterführend: Wolffsohn, „Das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkom-men von 1952 im internationalen ZusamWiedergutmachungsabkom-men- Zusammen-hang”, in: „Vierteljahrshefte für Zeitgeschich-te”, Nr. 36/1988):

»Seit 1965 hat Israel von Deutschland knapp vier Milliarden Mark an außerordentlich günstigen, unter dem Marktniveau liegenden Darlehen bekommen, pro Jahr 140 Millionen Mark. Laufzeit der Darlehen: 30 Jahre. Zins:

zwei Prozent. Zehn Freijahre. Ein Traum für jeden Häuslebauer.«

Die „Rüstungskooperation”, liest man bei Han-sen, sei von den Verteidigungsministern Franz

Josef Strauß (Bundesrepublik) und Schimon Pe-res (Israel) „streng geheim angelegt” worden.

Bonn habe sich überdies in internationalen Gre-mien

»von allen Mitgliedern durch die Bank am günstigsten für Israel verhalten, sich zudem bei der EG mit besonderem Nachdruck er-folgreich für die israelischen Wirtschaftsinte-ressen eingesetzt«.

Zu den Komplexen „Rüstungskooperation” und

„Europa” nachher mehr im vorliegenden Buch.

Hansen misst der jüdischen Gemeinschaft in Bundesdeutschland eine wichtige Bedeutung beim Knüpfen und Verstärken „des Netzes” bei:

»Die in der Bundesrepublik lebenden Juden setzen sich seit jeher für enge deutsch-israe-lische Beziehungen ein. Auf dem steinigen Weg zum Luxemburger Abkommen hat, um nur ein Beispiel zu nennen, der Bundestags-abgeordnete Jakob Altmaier eine sehr posi-tive Rolle gespielt.«

Zum Erfassen des Beweggrundes mancher der für israelische Belange besonders engagierten jüdisch-bundesrepublikanischen Politiker wie etwa der bereits vorgestellten MdB Blumenfeld (CDU) und Altmaier (SPD) könnte belangreich sein, was Marian Offman gemäß Zentralrats-blatt „Allgemeine Jüdische” vom 18. März 1999 bei einer von Edna Brocke geleiteten jüdi-schen Podiumsdiskussion in der Essener Alten Synagoge äußerte:

»Juden folgten immer zwei verschiedenen Loyalitäten, einmal der Loyalität des Landes, in dem sie leben und dann der Loyalität dem Volk Israel gegenüber ... Ich habe ganz klar in der CSU erklärt, dass für mich Israel das geistige Zentrum meiner Religion ist und dass ich überhaupt kein Problem habe, zu sagen, Bayern ist meine Heimat, ich bin in München geboren. Aber meine geistige Hei-mat ist auch Israel ... Und ich sehe auch keinen Mangel an Loyalität diesem Land ge-genüber und ich glaube auch, dass Israel

MdR Ludwig Frank starb den Tod fürs Vaterland.

diese Loyalität erwarten kann ... Ich sehe mich nicht in der CSU als Alibijude, sondern als jemand, der dort gezielt jüdische Interes-sen vertritt.«

Bei der Essener Synagogen-Veranstaltung stell-te Hans Jakob Ginsburg die Behauptung auf:

»Ich kenne keinen Juden in Deutschland, der nicht wahnsinnig an Israel hängt.«

Wobei, es ist gerade in diesem Zusammenhang unmissverständlich zu betonen, die Geschichte voll von Beispielen unzweideutiger Loyalität deutscher Juden für ihr Vaterland ist. Man den-ke etwa an den hohen Blutzoll deutschjüdischer Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges, unter de-nen der Name des 1917 gefallede-nen Jagdflie-gers und Pour-le-Merite-TräJagdflie-gers Wilhelm Frankl ganz besonders leuchtet. Zwei Reichstagsabge-ordnete fielen als deutsche Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg: Der nichtjüdische Hans von Mendig (Deutsch-Hannoversche Partei) und Dr.

Ludwig Frank (Sozialdemokrat), der Sohn eines jüdischen Kaufmanns war.

Marian Offman ist Pressesprecher der CSU in München und Mitglied des Finanz- und Pla-nungsausschusses des dortigen Stadtrates. So-zialdemokrat Hans Jakob Ginsburg wirkt als

„außenpolitischer Sonderkorrespondent” der

„ Wirtschaftswoche” und ist Mitverfasser des 1999 erschienenen Buches „Status Quo? 50 Jahre Staat Israel”.

Edna Brocke aus Jerusalem, Jahrgang 1943, bekleidet den Posten einer Leiterin der Gedenk-stätte Alte Synagoge Essen, figuriert als Mit-herausgeberin des Blattes „Kirche und Israel”

und hat einen Lehrauftrag an der Ruhr Univer-sität Bochum. Darüber hinaus ist sie hervor-getreten als eine Wortführerin sowohl der „Ar-beitsgemeinschaft Juden und Christen” des Deutschen Evangelischen Kirchentages als auch des „Gesprächskreises Juden und Chris-ten” beim Zentralkomitee der deutschen Katho-li ken. 2002 erhielt sie die „Buber-Rosenzweig-Medaille” der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. In der Begründung der Verleihung des Ehrendoktorats der Evan-gelischen Theologischen Fakultät der Bochumer Universität an sie im September 1997 hatte es geheißen:

»Edna Brocke kämpft gegen die Ignorierung der religiösen Tradition und setzt sich für jü-dische Identität ein — eine „säkulare Zionis-tin”. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, Juden und Christen einander näherzubrin-gen.«

„A Jew's best friend”

Auch nach der Wiedervereinigung von 1990 habe sich die Entwicklung des „bilateralen Be-ziehungsgeflechts” günstig gestaltet, fuhr Han-sen in den „Israel Nachrichten” des 17. Dezem-ber 1999 fort. Er erwähnte beispielsweise die

„Aufstockung des deutschen Kapitalanteils der

Solche Meldungen sind in den „Israel Nachrichtennicht sel-ten. Oben: 16. April 2000, unten: 23. Au-gust 1999.

Deutsch-Israelischen Stiftung für wissenschaft-liche Forschung und Entwicklung (GIF) auf 150 Millionen D-Mark", weiter die „substanziellen Leistungen, u.a. U-Boote, im und nach dem Golfkrieg” und — vor allem -, dass

»Kohl für Israel beim Europäischen Rat im Dezember 1994 einen „privilegierten Status”

im Verhältnis zur Europäischen Union er-reichte«.

Die Bedeutung dieser Maßnahme für Israels Wirtschaft, Finanzen und außenpolitische Stel-lung kann kaum überschätzt werden. Am 30.

November 1999 sagte Israels Botschafter in der Bundesrepublik a. D. Avi Primor vor dem Goethe-Institut in Tel Aviv (zit. in den „Israel Nachrichten” vom 10. Dezember 1999):

»Deutschland hat den privilegierten Status Israels gegenüber der EU möglich gemacht und damit den Boden bereitet für ein zwei-tes außenpolitisches Standbein des jüdi-schen Staates neben den USA: die

Veranke-rung in der Europäischen Union.«

Kohls Werk für Israel von 1994 war ein ent-scheidender Schritt auf dem Weg des west-asiatischen jüdischen Staates zur

EU-Assoziati-on im darauffolgenden Jahr und womöglich auch zu einer künftigen EU-Vollmitgliedschaft, die von führenden Israelis angestrebt wird.

Vor allem belebte die EU-Privilegierung den is-raelischen Außenhandel erheblich. Israels Hauptexportgüter sind Kriegswaffen und Mili-tärgerät (pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, ist es der größte Waffenexporteur der Welt), womit allerdings in erster Linie die Dritte Welt beliefert wird. In der EU setzt Israel primär manten ab. Im jüdischen Staat gibt es 500 Dia-mantenschleifereien. Damit ist das Land das weltweit führende Zentrum der Branche, was das Zentralratsblatt „Allgemeine Jüdische” am 11. Januar 1996 zur Schlagzeile bewegte:

»Diamonds are a Jew's best friend.«

Weiter exportiert Israel gewaltige Mengen an Schnittblumen in die EU (die Jahresproduktion der israelischen Gartenindustrie beträgt rund 1,6 Milliarden Stück) und bekanntlich Zitrus-früchte. Sie werden in derart starkem Maße ausgeführt, dass die „Allgemeine Jüdische” am 10. August 1995 berichten musste:

»Inzwischen bleibt von der Zitrusernte kaum genügend Ware für den heimischen Markt

„Allgemeine Jüdi-sche”, 11. Januar 1996

übrig. Das wirkt sich natürlich auf das Preis-niveau aus, was die israelischen Verbraucher beim Einkauf zu spüren bekommen. Aus die-sem Grund wird Israel ab diedie-sem Winter Zi-trusfrüchte aus Ägypten importieren.«

Neuerdings setzt man israelischerseits verstärkt auf „High Tech”. Vor allem soll die mit massi-ver bundesdeutscher Unterstützung aufgebaute industrielle Züchtung menschlicher Stammzel-len zum Exportschlager werden.

Auch Kohls langjähriger freidemokratischer Au-ßenminister Klaus Kinkel (dessen Schwieger-sohn Israeli ist) erfährt Hansens Lob, weil er sich „für die guten Beziehungen engagiert” ha-be. Nicht minder klopft der Ex-Botschafter Kin-kels Amtsnachfolger Fischer auf die Schulter, welcher Israel „verbunden” sei. Überhaupt, so Hansen,

»ziehen alle im Bundestag vertretenen Par-teien hier weiterhin an einem Strang«.

Was sich beispielsweise zeigte, als die SPD Kohls Meisterleistung für Israel, die „privile-gierte Stellung zu Europa”, noch toppen wollte.

Über „SPD-Chef Rudolf Scharping zu Besuch in Israel” berichtete die „Allgemeine Jüdische”

am 2. November 1995:

»In einer Rede vor dem israelischen Rat für Außenpolitik betonte Scharping, auch 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges sei ein Besuch aus dem Land der Täter im Land der Opfer nicht leicht. Vor dem Hinter-grund der schmerzhaften Geschichte, die Deutsche und Israelis verbinde, fühlten Deut-sche eine besondere Verantwortung für die

Entwicklungen im Nahen Osten.«

Dann endlich ließ Scharping die Katze aus dem Sack. „Allgemeine Jüdische”:

»Bei ihrer Politik im Nahen Osten müssten die EU und Deutschland sicherstellen, dass Israel ein bevorzugter Partner bleibe, betonte der SPD-Vorsitzende. Es sei wichtig, dass die israelische Volkswirtschaft gedeihe; des-halb wünsche die SPD einen großzügigen Zugang für israelische Erzeugnisse zum euro-päischen Markt. Die neuen Vereinbarungen zwischen der EU und Israel über eine Assozi-ierung Israels an die Union und die wissen-schaftlich-technische Kooperation bewiesen den europäischen Willen, Israel eine beson-dere Stellung einzuräumen. Allerdings befür-worte die SPD einen weiteren, über diese Vereinbarungen hinausgehenden Ausbau der europäisch-israelischen Zusammenarbeit.«

Später, als Bundesverteidigungsminister, erhielt Scharping aus den Händen von Abraham Fox-man, Chef der US-zionistischen Anti-Defamati-on League (ein Arm der jüdischen Logenverbin-dung B'nai B'rith), den Orden „Hervorragender Staatsmann” („Distinguished Statesman").

Diplomat a. D. Hansen stellte abschließend in den „Israel Nachrichten” vom 17. Dezember

1999 fest:

»Das 1998 begangene fünfzigjährige Staats-jubiläum Israels bot Anlass zu etwa tausend Veranstaltungen aller Art in Deutschland, wie sie weltweit einmalig waren und wie sie die Besonderheit des Verhältnisses bele-gen.«

Als Ben-Gurion über die Feuerleiter schlich

Am 24. April 2002 wurde in der Berliner Aka-demie der für Israel kräftig engagierten Konrad-Adenauer-Stiftung Niels Hansens voluminöses

Buch

»Aus dem Schatten der Katastrophe. Die deutsch-israelischen Beziehungen in der Ära Konrad Adenauer und David Ben-Gurion«

öffentlich vorgestellt. Es handelt sich in gewis-ser Weise um eine Variante der dreibändigen

Dokumentensammlung „Der deutsch-israelische Dialog” von Rolf Vogel aus dem Jahr 1988 — zwar aus anderer Perspektive, doch ebenso streng der etablierten Linie treu wie Vogels

Fo-li anten.

Der überdurchschnittlich pro-israelische CDU-Ministerpräsident Bernhard Vogel, auch Ade-nauerstiftungschef, und der israelische Gesand-te Mordechai Levy traGesand-ten bei der Berliner Premiere als Werber für Hansens Wälzer in Er-scheinung.

Den Prolog zum Buch steuerte Israels alter Fuchs und elder statesman Schimon Peres bei, welcher weiland mit Hilfe von CSU-Strauß die

ersten massiven bundesdeutschen Waffenliefe-rungen an den nahöstlichen jüdischen Staat ge-managt hatte. Man drehte das Ding an Bundes-tag, Grundgesetz und vermutlich auch an deutschem Strafrecht vorbei. Gerichtlich nach-geprüft werden durfte dies alles freilich nicht, und auch das Bonner Parlament drückte sämtli-che Augen zu. In einer größeren Betrachtung über die deutschen Waffenlieferungen an Israel schrieb die „Frankfurter Allgemeine” am 12.

Dezember 2002:

»Aus Deutschland kam Hilfe auch später vor allem dann schnell und teilweise unter Um-gehung geltenden Rechts, wenn Israel in be-sonders großer Not war, beispielsweise im Sechs-Tage-Krieg 1967, im Yom-Kippur-Krieg 1973 oder im Golfkrieg 1991.«

Als besonders bemerkenswerte Neuigkeit tritt in dem für die Begründer des „Netzes” über die Maßen apologetischen Hansen-Buch zu

Ta-Das Hansen-Buch

ge, dass die Westalliierten, insbesondere die USA, nicht nur nicht auf Wiedergutmachungs-leistungen der Deutschen an Israel drängten, sondern sich sogar gegen solche sperrten. Man hatte Interesse an einem erstarkenden West-deutschland zur Eindämmung des Sowjetimpe-riums. Überdies stand 1951/52 die Londoner Schuldenkonferenz an, bei der Staaten des Westens ihrerseits von den Deutschen mög-lichst viel an Reparationsgeldern, teils noch aufgrund des Versailler Siegerdiktates von 1919, herausschlagen wollten. Dem deutschen Delegationsführer, dem Bankier und Wirt-schaftsmanager Hermann Josef Abs, der von seinem Verhandlungsgeschick her durchaus Jude hätte sein können, aber keiner war, ge-lang es bei besagter Schuldenkonferenz, die Westalliierten von 25 Milliarden Mark auf 14 Milliarden an Forderungen herunterzudrücken.

Trifft die Hansen'sche Darstellung vom west-li chen Widerstand gegen bundesdeutsche Wie-dergutmachungsvereinbarungen mit jüdisch-zio-nistischen Anspruchstellern zu, mutet es um so beachtlicher an, wie die Israel-Lobby seinerzeit den Beginn der doch insgesamt gewaltigen bundesrepublikanischen Entschädigungsleistun-gen durchzusetzen vermochte.

Den Auftakt bildete, Hansens Buch zufolge, ein strikt geheimes Pariser Treffen Adenauers mit dem Generaldirektor des israelischen Finanz-ministeriums David Horowicz im April 1951. Vor dem reichlich publik gemachten, berühmt ge-wordenen Meeting Adenauers und Ben-Gurions in New York 1960 habe es dann noch mehrere camouflierte Zusammenkünfte der beiden „Al-ten” gegeben. Wobei der israelische Regie-rungschef auch schon mal über eine Feuerleiter in den zweiten Stock des New Yorker Nobelho-tels Waldorf-Astoria geklettert sei, um — top secret — „gemeinsame Rüstungsaktionen” mit dem deutschen Kanzler zu vereinbaren. Etwa, dass in Israel Uniformen für die Bundeswehr geschneidert wurden, während „im Gegenzug”

Panzer sowie weiteres schweres Kriegsgerät aus Bundesdeutschland in den nahöstlichen Ju-denstaat rollten. (Eine gewöhnungsbedürftige Interpretation des sowohl kauf- wie auch staatsmännischen Prinzips eines ausgewoge-nen Do-ut-des).