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Neben dem Pro-Palästina-Komitee gab es zur Weimarer Zeit noch zwei weitere Netzwerke, in denen Juden und Nichtjuden eng zusammen-wirkten: Der Deutsche Volksgemeinschafts-dienst und der Verein zur Abwehr des Antise-mitismus.

Beim Deutschen Volksgemeinschaftsdienst, der auch im Gewande „Büro Wilhelmstraße” oder

„Ausschuss für Volksaufklärung” in Erscheinung trat, handelte es sich um eine „getarnte Propa-gandastelle”, so der jüdische Historiker Arnold Paucker, der über die Arbeit der Gruppierung mehrere aufschlussreiche Studien veröffentlicht hat („Der jüdische Abwehrkampf gegen Antise-mitismus und Nationalsozialismus in den letzten Jahren der Weimarer Republik", Hamburger Beiträge zur Zeitgeschichte, Band IV, Hamburg 1968; „Die Abwehr des Antisemitismus in den

Jahren 1893-1933", im Sammelband „Antise-mitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holo-caust”, Frankfurt am Main/New York 1985; „Jü-discher Widerstand in Deutschland”, Beiträge zum Widerstand 1933-45, Heft 37, Berlin 1989).

„Dienst"/„Büro"/„Ausschuss” kooperierten eng mit dem jüdischen Centralverein (CV), der wich-tigsten seinerzeitigen Vereinigung der Israeliten im Deutschen Reich. Über die Initiatoren der

„getarnten Propagandastelle” schreibt Paucker:

»Sie wussten bereits 1929, dass man dem Nazismus nur mit einem militanten und massi-ven jüdischen Gegenangriff begegnen könne.«

Wobei es darauf angekommen sei,

»dass der jüdische „Pferdefuß” selbstver-ständlich nicht in Erscheinung treten sollte«.

Weshalb man sich hinter allen möglichen Par-teien und Institutionen verschanzte, um Politik und Medien zu beeinflussen. Ausgefeilte Tricks bestanden z. B. darin, judenkritische oder -feindliche Organe mit angeblich authentischen, in Wahrheit aber maßlos aufgebauschten oder frei erfundenen Nachrichten über die „jüdische Gefahr” zu füttern, welche rasch als Lügen platzten und die Glaubwürdigkeit der betroffe-nen Medien erschütterten. Auch setzte man Gerüchte über „jüdische Herkunft” bzw. „jüdi-sche Finanzierung” antisemitisch agierender Politiker, nicht zuletzt Hitlers, in Umlauf, um diese bei ihren Anhängern unmöglich zu ma-chen. Manche dieser kuriosen Geschichten

„lebt” heute noch. Man infiltrierte das juden-feindliche Lager mit Agents provocateurs oder V-Leuten. Mit Geld versuchte man, den Spalt-pilz bei den Antisemiten zu züchten, was relativ am erfolgreichsten war, denn die Gruppen zer-fetzten sich meist selbst. Eine weitere wichtige Aufgabe der jüdischen Propagandastelle be-stand darin, Medien und Veranstaltungen der gegnerischen Szene mit Argusaugen zu über-wachen und jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, die „andere Feldpostnummer” in Ge-richtsverfahren zu verwickeln.

Die Geldmittel stammten hauptsächlich von jü-dischen Geschäftsleuten. Zuständig für Finanz-beschaffung im getarnten anti-antisemitischen Feldzug war der Centralvereins-Funktionär Juli-us Bamberger, Eigentümer einer WarenhaJuli-us- Warenhaus-kette mit Hauptsitz in Bremen. Als Chefs der Propagandastelle mit Zentrale in der Berliner Wilhelmstraße wirkten Hans Reichmann (CV-Syndikus), Walter Gyßling (Verfasser von „Der Anti-Nazi”, einer „geballten Ladung” gegen die NSDAP, gemixt aus Wahrheiten und Horror-storys) und Adolf Rubinstein (alias „Stone”, so sein Tarnname). Zu den Hauptberatern gehörte der aus Russland stammende Sozialist Serge Chakotin, von Haus aus Biologe. Von ihm weiß Paucker:

»Er baute sein Propagandasystem auf Paw-lows Reflextheorie auf.«

Chakotin erfand beispielsweise die drei Pfeile der roten „Eisernen Front” als allgemeines „An-tifa-Symbol”.

Letztlich aber erwiesen sich die Genannten ihrem wichtigsten Widerpart, dem mit allen propagandistischen Wassern gewaschenen Dr.

Joseph Goebbels, als hoffnungslos unterlegen.

Der Abwehrverein

Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus (kurz auch nur „Abwehrverein” genannt) war bereits 1890 ins Leben getreten. Er setzte sich vor allem aus bürgerlichen jüdischen, herkunfts-jüdischen und nichtherkunfts-jüdischen Persönlichkeiten zusammen. Hauptorgan waren die so genann-ten „Abwehrblätter”. Auch gab man ein „Ab-wehr-ABC” heraus mit dem Ziel, die Argumente bzw. Behauptungen der Antisemiten samt und sonders zu widerlegen. Zu den Berühmtheiten, die in den Reihen des Vereins standen, zählten

— Theodor Barth, - Otto Landsberg, - Heinrich Mann, - Theodor Mommsen,

Hugo Preuß.

Zur Weimarer Zeit wirkten Georg Gothein (bis 1930) und in dessen Nachfolge Heinrich Krone als Vorsitzende des Abwehrvereins. Gothein (Vater jüdischer Herkunft, nichtjüdische Mutter) war politisch ein Rechtsliberaler. Er gehörte nach Ende des Ersten Weltkrieges zu den Grün-dern der DDP, trat 1919 aus Protest gegen das Versailler Siegerdiktat von seinem Amt als Reichsschatzminister zurück. Im Dritten Reich blieb er unbehelligt. Er starb 1940 in Berlin.

Heinrich Krone, nichtjüdisch, war in Weimarer Zeit Vizegeneralsekretär der katholischen Zen-trumspartei und Reichstagsabgeordneter. Im Zuge der allgemeinen Verhaftungswelle nach dem 20. Juli 1944 kam er zeitweise hinter Git-ter. 1945 gehörte er zu den Gründern der CDU, alsbald zum engsten Kreis um Adenauer.

1955-61 stand er an der Spitze der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Von 1961 bis 1966 war er Bundesminister ohne Portefeuille. Hoch-betagt starb er 1989 in Bonn.

»In groteskem Kontrast zu seiner 43-jährigen Geschichte«,

findet das „Neue Lexikon des Judentum”, sei der Verein zur Abwehr des Antisemitismus im Juli 1933 von der politischen Bildfläche abge-treten. Das jüdische Nachschlagewerk weiter:

»Die Versuche, sich mit der NS-Herrschaft zu arrangieren — so erließ der Verein am 27.

März 1933 eine Deklaration gegen die aus-ländische „Greuelpropaganda” und betonte in seinem „Abschiedswort”, dass er die Ma-ximen des Vereins durch die neue Führung gewährleistet sehe — bildeten das Ende.«

Zur abgewogenen Beantwortung der Frage, ob die Deutschen „Auschwitz voraussehen” konn-ten oder beabsichtigkonn-ten Völkermord an Juden hätten zumindest erahnen müssen, dürfte nicht nur diese Information von Wert sein, sondern auch dass

— mit Heinrich Krone immerhin sogar der Chef des traditionsreichen Vereins zur Abwehr

des Antisemitismus im März 1933 als Reichstagsabgeordneter für Hitlers Ermäch-tigungsgesetz stimmte,

auch zwei der berühmtesten herkunftsjüdi-schen Reichstagsabgeordneten, Dr. Rein-hold Quaatz (Deutschnationaler) und Prof.

Dr. Friedrich Dessauer (Zentrumspartei), mit Ja votierten,

der Führer des Deutschen Rabbinerverbandes (und der B'nai B'rith-Logenvereinigung im Deutschen Reich), Dr. Leo Baeck, zur selben Zeit in aller Öffentlichkeit erklärte, der von der NS-geführten Reichsregierung verkünde-te „Kampf zur Überwindung des Bolschewis-mus und für die Erneuerung Deutschlands”

sei durchaus begrüßenswert; darin komme auch „eine Sehnsucht innerhalb der deut-schen Juden zum Ausdruck”.

„Der glänzendste Aufstieg”

Die Zahl der Juden in Deutschland, die in Wei-marer Zeit zur Umsiedlung nach Palästina auf-brachen, sei es, weil sie sich von Antisemiten vergraulen oder von Zionisten verlocken ließen, blieb extrem gering. Insgesamt waren es weni-ge Tausend. Schon gar nicht wollten die vielen hiesigen Juden, die stark vaterländisch für Deutschland empfanden, in den Vorderen Ori-ent. Aus Osteuropa ins Reich zugeströmte Ju-den gingen, wenn sie Ju-denn weiterwanderten, li eber nach Amerika.

Wie tief die Verankerung vieler Juden in Deutschland ging, zeigt ein Bericht des langjäh-rigen Oberhauptes der zionistischen Internatio-nale, Dr. Nahum Goldmann. In seiner Autobio-graphie „Staatsmann ohne Staat” (Köln 1970) schrieb er:

»Das jüdische Volk hatte an dem rapiden wirtschaftlichen Aufstieg des modernen kai-serlichen Deutschland vollen Anteil genom-men, viel zu demselben beigetragen und sich eine zentrale Stellung in der deutschen

Wirt-schaft erobert. Von der wirtWirt-schaftlichen Po-sition her gesehen konnte sich keine jüdi-sche Minderheit in anderen Ländern, ja nicht einmal die amerikanische, mit den deutschen Juden messen. Sie waren mitführend in den Großbanken, wofür es nirgends eine Paralle-le gibt, und durch die Hochfinanz waren sie auch in die Industrie eingedrungen. Ein be-deutender Teil des Großhandels lag in ihren Händen und selbst in Wirtschaftszweigen, die sich sonst kaum in jüdischem Besitz be-finden, wie Schifffahrt oder Elektroindustrie, waren sie in Deutschland führend; Namen wie Ballin oder Rathenau bezeugen das.«

Selbst in den USA sei es den Juden nicht ge-lungen

»in dem gleichen Maße in die zentralen Sphären der Wirtschaft (Stahl, Eisen, Schwer-industrie, Hochfinanz, Schifffahrt) einzudrin-gen, wie dies in Deutschland der Fall war«.

Auch die Stellung der Juden im Geistesleben des zweiten Deutschen Reiches sei „beinahe einzigartig” gewesen, heißt es bei Goldmann.

Der Zionistenführer weiter:

»In der Literatur waren sie durch glänzende Namen vertreten. Das Theater lag zu einem erheblichen Teil in ihren Händen. Die Tages-presse, vor allem ihr international einfluss-reicher Sektor, war weitgehend in jüdischem

Besitz oder wurde journalistisch von Juden geleitet.«

Er zögere nicht zu behaupten, so Goldmann,

»dass kaum ein Teil des jüdischen Volkes von den Möglichkeiten, die die Emanzipation des neunzehnten Jahrhunderts eröffnet hat-te, einen solchen Gebrauch machen konnte wie der deutsche«.

Die Geschichte der Juden in Deutschland ab Gründung des Bismarckreiches bis zu Hitler sei

»wohl der glänzendste Aufstieg, der einem Zweig des jüdischen Volkes geglückt ist«.

Laut der US-jüdischen Historikerin Sarah Gordon („Hitler, Germans and the Jewish Question", Princeton 1984) waren schon zur Kaiserzeit, 1905/06, an den reichsdeutschen Universitäten jeweils rund 25 Prozent der Studenten des Rechts und der Medizin sowie 34 Prozent der Doktoranden in den philosophischen Fakultäten Juden, standen 1923 in Berlin 150 jüdischen Pri-vatbanken ganze 11 in nichtjüdischen Händen gegenüber und waren Ende 1932 rund 85 Pro-zent der Makler an der Berliner Börse Juden.

Auch bei Textil und Zelluloid ...

Der als Jude vor Hitler emigrierte US-Ge-schichtsprofessor Arno J. Mayer schreibt in sei-nem Buch „Der Krieg als Kreuzzug. Das Deut-sche Reich, Hitlers Wehrmacht und die

Darwinistisches.

Wie sich der Chanukaleuchler des Ziegenfellhändlers Cohn in Pinne zum Christbaum des Kommerzienrats Conrad in der Tiergartenstraße (Berlin W.) entwickelte.

Zionistische Spottzeichnung (,Schlemiel ", Januar 1904) gegen das Assimilationsjudentum

,Endlösung"' (Reinbek 1989) über die Zeit un-mittelbar vor Hitlers Machtübernahme:

»Über 40 Prozent des deutschen Textilgroß-handels und über 60 Prozent aller Groß- und Einzelhandelsbetriebe der Konfektionsbran-che waren in jüdisKonfektionsbran-cher Hand. Ihre Präsenz in diesem Bereich, besonders im Bekleidungs-Einzelhandel, wog um so schwerer, als ge-gen Ende der zwanziger Jahre jüdische Kauf-häuser und Ladenketten, deren Personal zudem ebenfalls überwiegend jüdisch war, dieses Marktsegment zu beinahe 80 Prozent beherrschten.«

Nicht zuletzt am deutschen Film der Weimarer Zeit lässt sich Goldmanns Aussage vom „glän-zendsten Aufstieg” belegen. In Hans Borgelts mit einem Vorwort von Volker Schlöndorff ver-sehenem Buch „Die Ufa, ein Traum — 100 Jah-re deutscher Film” (Berlin 1993) wird ein Zah-lenspiegel aus der Weimarer Endphase ausdrücklich als zuverlässig bezeichnet, der auf Untersuchungen des Statistikers Dr. Jason be-ruhte und in der Publikation „,Kunst', Film-Cohn, Film-Korruption” der Autorentroika Neu-mann/Belling/Beltz veröffentlicht wurde:

»1930: Von 146 Drehbüchern für Spielfilme wurden 96 von jüdischen Autoren geschrie-ben, also 66 Prozent. 1931: 144 Drehbücher, davon 119 von jüdischen Autoren = 83 Pro-zent. 1932: 130 Drehbücher, davon 92 von jüdischen Autoren = 71 Prozent.

1930: 146 Spielfilme wurden von 81 Regis-seuren inszeniert. Von diesen waren 35 Ju-den, also 43 Prozent. 1931: 144 Spielfilme — 83 Regisseure. Davon 40 Juden = 48 Pro-zent. 1932: 130 Spielfilme. 72 Regisseure.

Davon 34 Juden = 47 Prozent.

1930: Von 146 Spielfilmen wurden 78 von Juden inszeniert, also 53 Prozent. 1931: Von 144 Spielfilmen 77 von Juden inszeniert --53 Prozent. 1932: von 130 Spielfilmen 62 von Juden inszeniert = 48 Prozent.

1930: 101 Tonfilme wurden von 50 Kom-ponisten vertont. Davon waren 31 Juden.

Also 62 Prozent. 1931: 142 Tonfilme — 64 Komponisten. Davon 39 Juden = 61 Prozent.

1932: 129 Tonfilme — 49 Komponisten. Da-von 22 Juden = 45 Prozent.

1930: Von 146 Spielfilmen wurden 128 von Firmen mit jüdischen Inhabern produziert = 88 Prozent. 1931: 144 Spielfilme — 120 jüdi-sche Firmen = 83 Prozent. 1932: 130 Spielfil-me — 112 jüdische FirSpielfil-men = 86 Prozent.

1930: Von 63 deutschen Produktionsfirmen standen 44 unter jüdischer Leitung = 70 Pro-zent. 1931: 67 Produktionsfirmen — 41 jüdi-sche = 61 Prozent. 1932: 64 Produktionsfir-men — 45 jüdische = 70 Prozent.

1930: Von 29 Verleihfirmen in Deutschland waren 23 in jüdischem Besitz = 79 Prozent.

1931: 28 Verleihfirmen — 24 jüdisch = 86 Prozent. 1932: 26 Verleihfirmen — 21 jüdisch

= 81 Prozent.«

Vorgenannte Fakten widersprechen nicht nur dem bösartigen antisemitischen Unfug vom Ju-den als angeblich nicht schöpferisch veranlag-ten Menschen. Sie widerlegen auch die Pro-paganda etwa eines Daniel J. Goldhagen.

Wären nämlich die Deutschen traditionell und von Grund auf wirklich ein Volk von Judenhas-sern, sogar mit eliminatorischer Neigung, hätte es den „glänzendsten Aufstieg” in Deutschland schwerlich geben können.