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Vom Feder zum Grundbesitz…die Staatsbeamten

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 142-160)

3. Innere Struktur des neuen Adels

3.2 Österreich

4.1.2 Vom Feder zum Grundbesitz…die Staatsbeamten

Im dritten Kapitel wurde gezeigt, dass sich der Gesamtanteil von Staatsbeamten innerhalb des neuen Adels in Preuβen dynamisch in mehreren Phasen entwickelte. In der ersten Phase, ungefähr bis zu den 20er Jahren, spielten die Staatsbeamten bei den zivilen Nobilitierungen eine relativ prominente Rolle, die sie dann aber allmählich zu verlieren begannen. Der Tiefpunkt dieser Entwicklung lag in den 40er und 50er Jahren, als sie ihre Position massiv zu Gunsten der Gutsbesitzer verloren, und obwohl ihr Anteil dann in den 50er Jahren wieder zu steigen begann, erreichten sie die vorherige Prominenz nicht mehr.

30 Ralf PRÖVE, Militär, Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, München 2006, S. 36 - 38

31 Ebenda, S. 36.

Die Erklärung dafür liegt hauptsächlich in den Versuchen des preuβischen Staates, in den 40er Jahren die ganze Adelslandschaft zu reformieren. Im Folgenden soll nun überprüft werden, wie sich diese sozialgeschichtliche Entwicklung in den konkreten Nobilitierungsfällen auswirkte. Es ist zu fragen, ob die sich wandelnde Position des Beamtentums in dem neuen Adel auch mit dem Wandel der für den Adel qualifizierenden Handlungsmuster Hand in Hand ging und, falls ja, wie sich dann die Adelsqualifikationen der Beamten entwickelten.

Nehmen wir zunächst also die erste Phase in den Blickwinkel, die grob mit dem Jahr 1806 und dem Anfang der 20er Jahre abgegrenzt werden kann. Es kann gesagt werden, dass sich diese Periode als die Phase des „gehorsamen Dienstes“ bezeichnen lässt. Die Beamten leiteten ihre Adelsansprüche hauptsächlich aus ihrem beruflichen Staatdienst ab. Die Länge, die ununterbrochene Kontinuierlichkeit, am Besten auch über mehrere Generationen nachgewiesen, und die mit Zuverlässigkeit ausgeübte alltägliche bürokratische Praxis in dem Amt bildeten die Hauptargumente, mit den sich die Staatsbeamten für den Adelsstand qualifiziert fühlten.

Solche Qualifikationen fanden auch weitgehend die staatliche Akzeptanz. Bekanntlich spielte die Staatsbürokratie während der Reformzeit eine prominente Rolle. Obwohl manche zeitgenössischen Beobachter die Tendenz hatten, die Ära des preuβischen bürokratischen Absolutismus, als „die Diener mächtiger als die Herren wurden“32, während des ganzen Vormärz zu sehen33, ist die eindeutige bürokratische Dominanz hauptsächlich gerade bis zu dem Bruch der 10er und 20er Jahre zu beobachten.34 Ab den 20er Jahren musste auch die Bürokratie einen gewissen Rückzug zu Gunsten des Adels und des Monarchen hinnehmen, sodass die drei Jahrzehnte vor dem Jahre 1848 durch eine gemischte, adlig-bürokratisch-monarchische Vorherrschaft gekennzeichnet wurden.35

32 Zit. nach: Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Zweiter Band. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815 – 1848/9, München 1987, S. 298.

33 Vgl.: Ernst von BÜLOW-CUMMEROW, Preuβen. seine Verfassung, seine Verwaltung, sein Verhältnis zu Deutschland, Teil I.-II., Berlin 1842 – 1843.

34 Reinhart KOSELLECK, Preuβen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Stuttgart 1975, .S. 217 – 283. Thomas NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1800 – 1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1998, S. 33 – 69. Eckart KEHR, Der Primat der Innenpolitik: Gesammelte Aufsätze zur preuβisch-deutschen Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin 1970, S. 31 – 52.

35 Vgl.: Barbara VOGEL, Beamtenliberalismus in der Napoleonischen Ära, in: Dieter Langewiesche, Liberalismus im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Göttingen 1988, S. 45 – 63.

Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Zweiter Band. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815 – 1848/9, München 1987, S. 297 –

Die Überproportion der Beamten innerhalb des neuen Adels in den ersten zwei Jahrzehnten ist sowohl ihrem Machtanstieg während der Reformära als auch einem eher langfristigeren Trend zuzuschreiben. Die preuβische Beamtenschaft verzeichnete auf einer Seite während der Reformära einen bedeutenden quantitativen Zuwachs, mit dem auch die vergröβerte Nobilitierungszahl einherging.36 Auf der anderen Seite ist dann ein Teil der Beamtennobilitierungen in Verbindung mit den Hoffnungen zu sehen, welche schon während der Aufklärung in die Beamtenschaft gesetzt wurden.37 Dieser Anstieg der Zahl von nobilitierten Beamten kam aber zusammen mit der Reformära zum Halt, und beginnend in den 20er Jahren nahmen die Adelsaufstiegschancen der Beamten schon allmählich ab.38

Wie solche Nobilitierungen der Staatsbeamten in dieser ersten Phase aussahen, kann uns das Beispiel des im Jahr 1819 nobilitierten Karl Friedrich Heinen zeigen. Es handelte sich um einen Breslauer Regierungsrat, der seine Beamtentätigkeit ganz kurz vor der Reformzeit begann und somit zu denjenigen Staatbeamten gehörte, die die ganze Zeit hindurch zu den Trägern des bürokratischen Absolutismus gehörten.

Sein Antrag wurde im November 1819 eingereicht, und die Argumentation, die ihm den Adelstitel bringen sollte, beruhte im Groβen und Ganzen gerade auf dem tüchtigen und langen Dienst nicht nur von ihm, sondern auch von seinen Vorfahren.39 Solche Argumentation fand bei den zuständigen staatlichen Stellen auch schnell volles Verständnis, und Heinen wurde problemlos dem König zur Nobilitierung mit folgender Begründung befürwortet:40

„…dass der Vater des Regierungsrats Heinen Eurer Königlichen Majestät als Kriegsrat 49,5 Jahre diente, dass der Regierungsrat Heinen seit 1802 als Regierungsrat Eurer Majestät ebenso treu dient und dass der Regierungsrat Heinen das Zutrauen seiner Vorgesetzten besitzt. “

322. Herbert OBENAUS, Anfänge des Parlamentarismus in Preuβen bis 1848, Düsseldorf 1984, S.

202 - 209.

36 Christopher CLARK, Preuβen. Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947, München 2007, S. 364 – 381.

Bernd WUNDER, Geschichte der Bürokratie in Deutschland, Frankfurt am Main 1986, S. 44 – 50.

37 René SCHILLER, Vom Rittergut zum Adelstitel? Groβgrundbesitz und Nobilitierungen im 19.

Jahrhundert, in: Ralf Pröve – Bernd Kölling (Hrsg.), Leben und arbeiten auf märkischem Sand. Wege in die Gesellschaftsgeschichte Brandenburgs 1700 – 1914, Bielefeld 1999, S. 65 - 69. Hennig von BONIN, Adel und Bürgertum in der höheren Beamtenschaft der preuβischen Monarchie 1794 - 1806, Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 15 (1966), S. 139 – 174.

38 John R. GILLIS, Aristocracy and Bureaucracy in Nineteenth-Century Prussia, Past and Present 41 (1968), S. 109 – 115.

39 GhStA, PK, I. HA, Rep. 100, Ministerium des Königlichen Hauses, Nr. 4522, fol. 1 – 2.

40 Ebenda, fol. 6 – 7.

Diese Qualifikationen wurden dann auch seitens des Königs als für eine Adelsverleihung ausreichend bestätigt, und Karl Friedrich Heinen wurde in den Adelstand erhoben. Es genügte dabei die bürokratische Tradition seiner Familie und seine aktive Mitwirkung bei der Einführung von den breiten Reformen in der schlesischen Provinz, die ihm auch das Zutrauen seiner Dienstvorgesetzten einbrachte.41

Was bei diesem Beispiel bemerkenswert und zugleich für die Nobilitierungen von Staatsbeamten in diesem Zeitraum typisch ist, ist die Kürze des ganzen Verfahrens. Heinen wurde nämlich nicht einmal einen Monat nach der Einreichung seines Gesuches nobilitiert.42 Während des ganzen Verfahrens beschränkte sich der Staat nur auf die Überprüfung der Verwaltungstätigkeit des Kandidaten, die hauptsächlich auf den Anfragen an seine direkten Dienstvorgesetzten beruhte. Da es sich um einen treuen und zuverlässigen Staatsbeamten handelte, verlief die ganze Sache äuβerst glatt und schnell. Auch der Adelsbrief erwähnte die Verwaltungstätigkeit des Adelsneulings zusammen mit dergleichen Tätigkeit seines Vaters als den Hauptgrund seiner Nobilitierung, der ihm so schnell den Weg in den preuβischen Adelsstand eröffnete.43

In der Nobilitierung Heinens spiegelte sich somit der ganze oben erwähnte langfristige Prestigeanstieg der preuβischen Beamtenschaft wider. Einerseits wurde der Vater betont, der als ein langjähriger Beamte der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Beamtentradition der Familie begründete, und auf der anderen Seite dann der Sohn, der diese Tradition als ein Akteur der bürokratischen Reformen des Anfangs des 19. Jahrhunderts insofern fortsetzte, dass sie letztendlich auch den Adelsaufstieg der Familie begründen konnte.

Solche groβzügige Beamtenaufnahme in den Adel, wann die Beamten ihren Adelsanspruch nur aus ihrem Staatsdienst ableiten konnten, erreichte jedoch in den 20er Jahren ihre Grenzen. Die Abnahme der Beamtenproportion in dem neuen Adel ging mit der Verschärfung der Kriterien einher, die bei deren Nobilitierungen umgesetzt wurden. Die Adelstitel flossen mehr und mehr in die Reihen der wirklich höchsten Beamtenschaft, die sich

41 Roman KAMIONKA, Die Reorganisation der Kreiseinteilung Schlesiens in der Stein-Hardenbergschen Reformperiode, Breslau 1934. Erna BREITBARTH, Beiträge zur Einführung der Verwaltungsreform von 1808 bei den schlesischen Regierungen, Zeitschrift des Vereins für die Geschichte Schlesiens 50 (1916), S. 251 - 291.

42 GhStA, PK, I. HA, Rep. 100, Ministerium des Königlichen Hauses, Nr. 4522, fol. 7.

43 Der Adelsbrief von Karl Friedrich Heinen, Ebenda, fol. 9 – 12.

auch auf einflussreiche Fürsprachenlobbys stützen konnte, und die Nobilitierungschancen der Beamten auf den niedrigeren Positionen wurden immer kleiner.44

Für Schlesien verkörperte sich dieser Trend am symptomatischsten in der im Jahre 1828 erfolgten Verleihung des Adelsstandes an Friedrich Theodor Merckel, der das Vorbild einer erfolgreichen, lebenslangen Beamtenspitzenkarriere ganz deutlich repräsentierte. Der im Jahre 1775 in Breslau geborene Kaufmannssohn trat die Beamtenlaufbahn gleich nach seinen juristischen Studien am Oberlandesgericht in Breslau an, war als Kriegs- und Domänerat der Breslauer Kammer für die Justiz und das Bankwesen zuständig und nahm auch an den Verhandlungen mit den französischen Truppen über die Räumung Schlesiens im Jahre 1807 teil.45 Seine Karriere stieg dann weiter, mit einem kurzen Intermezzo in Königsberg, wo er sich der Einführung der Steinschen Agrarreformen widmete, und als er im Jahre 1809 zurück nach Schlesien kam, stand für ihn schon die Position des Regierungsvizepräsidenten bereit.

In diesem Posten verblieb er sieben Jahren, in denen er bei mehreren Angelegenheiten seine Verwaltungskompetenz bezeugte.46 Er gehörte zum Beispiel zu den Hauptpersonen bei der praktischen Behandlung der Gründung der Breslauer Universität, hatte einen maβgeblichen Anteil an der damit verknüpften Aufhebung der schlesischen Klöster und Stifte oder behandelte administrativ die Umsetzung des im März 1812 erlassenen Gesetzes über die Gleichstellung der Juden.47

Als dann in dem Jahre 1816 das Amt des schlesischen Regierungspräsidenten neu besetzt werden sollte, war er automatisch die erste Wahl. In der Situation, als das Amt des Provinzoberpräsidenten mit dem Amt des Breslauer Regierungspräsidenten gekoppelt wurde, stellte Merckel seit dem Jahr 1816 eigentlich den Kopf der ganzen schlesischen Verwaltung dar.48 Diesen Posten hatte er dann mit einer Unterbrechung der Jahre 1820 – 1825 bis 1845

44 René SCHILLER, Vom Rittergut zum Adelstitel? Groβgrundbesitz und Nobilitierungen im 19.

Jahrhundert, in: Ralf Pröve – Bernd Kölling (Hrsg.), Leben und arbeiten auf märkischem Sand. Wege in die Gesellschaftsgeschichte Brandenburgs 1700 – 1914, Bielefeld 1999, S. 66 - 69.

45 Ludwig PETRY, Politische Geschichte 1740 – 1815, in: Johann Joachim Menzel (Hrsg.), Geschichte Schlesiens. Band 3. Preuβisch Schlesien 1740 – 1945, Österreichisch Schlesien 1740 – 1918/45, Stuttgart 1999, S. 21.

46 Arno HERZIG, Die unruhige Provinz Schlesien zwischen 1806 – 1871, in: Norbert Conrads (Hrsg.), Schlesien, Berlin 1994, S. 466 – 477.

47 Richard ROEPPEL, Eine Denkschrift des Oberpräsidenten v. Merckel über die Angelegenheiten der katholischen Kirche in Schlesien, Zeitschrift für preuβische Geschichte und Landeskunde 9 (1872), S.

257 – 288. Weiter faktographisch umfassend: Otto LINKE, Friedrich Theodor von Merckel im Dienste fürs Vaterland, Bd. I. – II., Breslau 1907 – 1910.

48 Michael Rüdiger GERBER, Politische Geschichte 1848 – 1918, in: Johann Joachim Menzel (Hrsg.), Geschichte Schlesiens. Band 3. Preuβisch Schlesien 1740 – 1945, Österreichisch Schlesien 1740 – 1918/45, Stuttgart 1999, S. 48 – 52.

inne und wurde so zu dem am längsten amtierenden Präsidenten in der Geschichte der ganzen Provinz.49

Durch seine Wirkung auf dem Posten des Oberpräsidenten gelang es Merckel nicht nur, einen relativ hohen Kredit bei den zentralen Ministerien in Berlin zu erwerben, sondern durch eine vorsichtige Politik des Interessenausgleichs zwischen dem Berliner Zentrum und der Provinz auch ein hohes Ansehen bei den Provinzeliten zu erreichen.50 „...Merckel war in Tatkraft, Umsicht und Vielseitigkeit ein seinen Kollegen Schön in Ostpreuβen, Sack in Pommern und Vincke in Westfalen ebenbürtiger Sachwalter der Provinzbelange.“51

Diese Politik Merckels kam zusammen mit seiner unbestreitbaren Fachkompetenz bei seiner Nobilitierung im Jahr 1828 deutlich zur Verwertung. Als er sich um den Adelstitel zu bewerben begann, fiel ihm eine groβe und vielseitige Unterstützung zu. Während des eigenen Nobilitierungsverfahrens äuβerten sich mehr als sechzig der schlesischen Adeligen und Bürger, die offiziell für Merckel den Adelstitel verlangten:52

„Wir unterzeichneten wagen Eure Majestät den Wunsch anzudeuten, dass Eurer Königlichen Majestät gefallen möchte dem Oberpräsidenten der Provinz Schlesien Merckel den Adelstand zu verleihen. In verhängnisvollen Zeiten bewährt, mit den Verhältnissen der Provinz, ihren Hilfsmitteln und ihren Bedürfnissen vertraut verehren wir in ihm einen Verwaltungschef, der mit umfassender Einsicht und nicht zu ermüdender Tätigkeit, für das Wohl der ihm untergeordneten Landesteile wirkt und glauben in der Andeutung die ungeteilte Dankbarkeit ausdrücken zu dürfen mit welcher wir uns ihm verpflichtet fühlen.“

Merckel konnte so bei der Einschätzung seines Adelsanspruches auf einer breiten Unterstützung bauen, die sich nicht nur auf die lokale Adelslandschaft beschränkte, sondern Arno HERZIG, Die unruhige Provinz Schlesien zwischen 1806 – 1871, in: Norbert Conrads (Hrsg.), Schlesien, Berlin 1994, S. 478.Otto LINKE, Friedrich Theodor von Merckel im Dienste fürs Vaterland, Bd. II., Breslau 1910, S. 189.

49 Konrad FUCHS, Friedrich Theodor von Merckel (1775 – 1846), in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648 – 1945, Stuttgart 1991, S. 127 – 131. Rüdiger SCHÜTZ, Die preuβischen Oberpräsidenten 1815 – 1866, in:

Klaus Schwabe (Hrsg.), Die preuβischen Oberpräsidenten 1815 bis 1945, Boppard am Rein 1985, S.

33 – 81. Bernhard vom BROCKE, Die preuβischen Oberpräsidenten 1815 bis 1945. Sozialprofil einer Verwaltungselite, in: Ebenda, S. 249 – 276.

50 Heinrich WENDT, Oberpräsident von Merckel als Vertrauensmann der Breslauer Bürgerschaft, Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 53 (1919), S. 117 – 132.

51 Ludwig PETRY, Politische Geschichte 1740 – 1815, in: Johann Joachim Menzel (Hrsg.), Geschichte Schlesiens. Band 3. Preuβisch Schlesien 1740 – 1945, Österreichisch Schlesien 1740 – 1918/45, Stuttgart 1999, S. 27.

52 GhStA, PK, I. HA, Rep. 100, Ministerium des Königlichen Hauses, Nr. 4879, fol. 2. – 3.

auch weit in die bürgerlichen Schichten reichte. Die Fürsprache bezeigte das besondere Interesse, welches die lokalen Eliten Schlesiens an der Nobilitierung ihres Provinzpräsidenten hatten, und konnte seitens des Staates nicht übersehen werden.

Der Umstand, dass Merckel in seiner Amtszeit nicht immer den Berliner Zentralstellen völlig entgegenkam und in den 20er Jahren teils eine von den königlichen Interessen unabhängige Linie in der Verwaltung aufrechterhielt,53 wurde durch seine hohe Fachkompetenz und durch die breite Lobby, die hinter ihm stand, überdeckt, und Merckel wurde der angestrebte Adelsstand im Mai 1828 verliehen. Die betonte offizielle Hauptqualifikation wurde dann ausschlieβlich in dem langen und zuverlässigen Beamtendienst des Kandidaten gesehen.54

Obwohl die Beamtennobilitierungen in den 20er und 30er Jahren abnahmen und es für Beamte im Vergleich zu der ersten Phase immer komplizierter wurde, sich zu einem Adelstitel durchzuarbeiten, erhielten sie den Adel, wie es das Beispiel Merckel zeigt, in der Regel immer noch aufgrund ihres Fachdienstes. Wenn es zu einem Nobilitierungsverfahren kam, stellten die Dienstlänge, der Rangverlauf und die bei der Verwaltungstätigkeit gezeigte Fachkompetenz für die Beamten die wichtigsten Gründe dar, mit denen sie sich die Adelstitel erhofften und die auch der Staat im Wesentlichen bei den Adelsverleihungen berücksichtigte.

Dieses Muster der Beamtennobilitierungen verzeichnete aber, ähnlich wie die Nobilitierungen von Offizieren, in den 40er Jahren eine wesentliche Umwandlung. Ebenso wie die Offiziere und schlieβlich auch ähnlich wie die Grundbesitzer wurden auch die Staatsbeamten mehr und mehr dazu gezwungen, ihre Adelsansprüche nicht nur aus ihrem Verwaltungsdienst abzuleiten, sondern ihre Adelszugehörigkeit auch durch andere Qualifikationen zu untermauern. Und ähnlich wie bei den vorher betrachteten zwei Gruppen nahm die prominente Stellung das Argument des Vermögens, vornehmlich dann des Grundbesitzes, ein. Sozialgeschichtlich gesehen kam es somit sehr leicht zu Überlappungen der in dem vorherigen Kapitel benutzen Kategorien. Die nobilitierten Beamten wurden zwar seitens des Staates als Beamten betrachtet, sie wurden während des Verfahrens unter den staatlichen Stellen auch so bezeichnet, de facto handelte es sich aber um Personen, die genau so leicht als Grundbesitzer zu bezeichnen gewesen wären.55 Während der ersten Jahre der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm IV. änderte sich so unter dem Einfluss englischer

53 Joachim BAHLCKE, Schlesien und die Schlesier, München 2000, S. 90.

54 Der Adelsbrief an Friedrich Theodor Merckel vom 10. Mai 1828, GhStA, PK, I. HA, Rep. 100, Ministerium des Königlichen Hauses, Nr. 4879, fol.4 – 7.

55 Vgl. z. B.: GhStA, PK, I. HA, Rep. 176, Heroldsamt, VI. L, Nr. 5, fol. 1 – 10.

Vorbilder nicht nur der Anteil der mit einem Adelstitel ausgezeichneten Beamten an dem ganzen neuen Adel, sondern auch die eigentliche Substanz ihrer Adelszugehörigkeit.

Wie die Richtungsänderung praktisch aussah, lässt sich an vielen Beispielen zeigen.

So wurde zum Beispiel im Jahr 1846 in den preuβischen Adelsstand ein Breslauer Justiz- und Tribunalrat Johann Leopold Mitschke nobilitiert. Es handelte sich um einen langjährigen Staatsdiener, der in den preuβischen bürokratischen Apparat kurz vor den Reformen eintrat und, wenn auch nicht immer glatt und rasch, seinen Weg nach oben hier auch einschlug.

Seine Beamtenkarriere bildete auch sein erstes, seinen Nobilitierungsanspruch unterstützendes Argument:56

„Ich bin ehedem und zwar seit dem Jahre 1805 in dem damaligen Südpreuβen und zwar bei der Regierung zu Kalisch als Justiz Kommisarius angestellt gewesen. Da nach der im Jahre 1807 erfolgten Regierungsveränderung alle meine Bemühungen eine andere Anstellung in den preuβischen Länder zu erhalten vergeblich waren, blieb ich in Kalisch und bewarb mich um eine Anstellung bei der Gerichtsbehörde. Ich wurde dann als Advokat bei dem daselbst errichteten Ziviltribunal angestellt, wo ich bis zum Jahre 1833 verblieb. Ich hatte diesen meinen Beschluss nicht zu bereuen, in dem mein Fortkommen vollkommen gesichert war und ich Gelegenheit hatte in diesem Verhältnis meinem angestammten Vaterland sehr wichtige Dienste zu leisten.“

Diese von Mitschke betonten Dienste für das Vaterland waren dabei in seinem Fall keineswegs eine allgemein benutzte Floskel. Mitschke wirkte nach der Französischen Besatzung als ein lokaler Bevollmächtigter vieler staatlicher aber auch privaten Kassen und Institute, die von der napoleonschen Verwaltung abgeschlossen wurden.57 Dabei kümmerte er sich als ein erfahrener Jurist um die Eintreibung ihrer Forderungen. Diesen Posten bekleidete er auch nachdem die Französischen Truppen Preuβen verlassen hatten und verzeichnete dabei zahlreiche Erfolge, die den staatlichen Institutionen unvernachlässigbare Summen brachten und somit auch das Staatsbudget schonten. Diesen Verdiensten widmete Mitschke natürlich in seinem Adelsgesuch auch einen entsprechenden Platz:58

56 Das Adelsgesuch von Johann Leopold Mitschke vom 20. Dezember 1844, GhStA, PK, I. HA, Rep.

100, Ministerium des Königlichen Hauses, Nr. 4901, fol. 1 - 4.

57 Vgl.: Bernd MÜNCHOW-POHL, Zwischen Reform und Krieg. Untersuchungen zur Bewuβtseinslage in Preuβen 1809 – 1812, Göttingen 1987, S. 94 – 131.

58 Das Adelsgesuch von Johann Leopold Mitschke vom 20. Dezember 1844, GhStA, PK, I. HA, Rep.

100, Ministerium des Königlichen Hauses, Nr. 4901, fol. 1 - 4.

„Es waren nämlich von verschiedenen Instituten in Berlin auf Güter in der damaligen Provinz Südpreuβen über 11 Millionen Thaler ausgeliehen. Da die gedachten Institute und Kassen den Titel königlicher Behörde führten, so wurden sie… von dem Kaiser Napoleon im Jahre 1808 abgeschlossen. Alle gedachten Institute und Kassen erwählten mich zu ihrem Bevollmächtigten in dem Department von Kalisch und übertrugen mir die Ausklagung und Beitreibung dieser ihrer Forderungen…Ich habe mich mit dem gröβten Eifer diesen Aufträgen unterzogen und bis zum Jahre 1833 über 2 500 000 eingezogen, insbesondere für die allgemeine und die Offizier Militair Kasse - 695 000 von Kapital, so wie gegen 600 000 an Zinsen und eben so habe ich für die Königshauptbank zu Berlin bedeutende Summen realisiert und eingesandt.“

Es muss wahrscheinlich nicht betont werden, dass diese langjährige Tätigkeit von Mitschke nicht ganz uneigennützig verlief. Während der Zeit, als er sich der Eintreibung von staatlichen Forderungen widmete, nahm er auch Privataufträge von verschiedenen Berliner Unternehmen an und es gelang ihm auch für sie erhebliche Summen zu gewinnen.59 Dieses durch die Zeit fortlaufend akkumulierte Vermögen ermöglichte ihm nicht nur ein materiell gesichertes Leben, sondern auch die Möglichkeit, allen seinen drei Söhnen eine überdurchschnittliche Prestige-Ausbildung in Berlin zu gönnen, was ihr die Fortsetzung der Familientradition erlaubte. Zwei traten in den Staatsdienst ein, und zur Zeit der Nobilitierungsinitiative ihres Vaters hatten sie schon eine mehr oder weniger längere Beamtenkarriere mit einem relativ schnellen Dienstweg hinter sich. Auch dieses den generationsübergreifenden Staatdienst betonende Argument brachte Mitschke bei der Nobilitierung ins Spiel:60

Es muss wahrscheinlich nicht betont werden, dass diese langjährige Tätigkeit von Mitschke nicht ganz uneigennützig verlief. Während der Zeit, als er sich der Eintreibung von staatlichen Forderungen widmete, nahm er auch Privataufträge von verschiedenen Berliner Unternehmen an und es gelang ihm auch für sie erhebliche Summen zu gewinnen.59 Dieses durch die Zeit fortlaufend akkumulierte Vermögen ermöglichte ihm nicht nur ein materiell gesichertes Leben, sondern auch die Möglichkeit, allen seinen drei Söhnen eine überdurchschnittliche Prestige-Ausbildung in Berlin zu gönnen, was ihr die Fortsetzung der Familientradition erlaubte. Zwei traten in den Staatsdienst ein, und zur Zeit der Nobilitierungsinitiative ihres Vaters hatten sie schon eine mehr oder weniger längere Beamtenkarriere mit einem relativ schnellen Dienstweg hinter sich. Auch dieses den generationsübergreifenden Staatdienst betonende Argument brachte Mitschke bei der Nobilitierung ins Spiel:60

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 142-160)