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Vom Bajonett zum Grundbesitz… die Offiziere

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 129-142)

3. Innere Struktur des neuen Adels

3.2 Österreich

4.1.1 Vom Bajonett zum Grundbesitz… die Offiziere

Die erste Gruppe, auf die die Aufmerksamkeit gerichtet werden muss, sind zweifelsohne die Offiziere. Wie wir schon gesehen haben, waren die Militärs unter den Nobilitierten in Preuβen ständig und deutlich präsent, und daher kann sie an der Analyse der Argumentationsstrategien nicht vorbei gehen. Die Frage nach der Konvergenz der benutzen Argumentationsmuster mit einer bestimmten Gesellschaftsschicht ist dabei ganz leicht zu beantworten. Die Offiziere leiteten ihren Adelsanspruch aus ihrem militärischen Engagement ab, es handelte sich jedoch nicht nur um die einzige und, wie noch gezeigt werden wird, zu bestimmter Zeit auch nicht um die prominenteste Adelsqualifikation. Die Argumentation der Militärpersonen und damit auch die militärischen Verdienste als ein Nobilitierungsgrund -verzeichneten in dem verfolgten Zeitraum eine dynamische Entwicklung, indem sie auch um andere Komponenten bereichert, teilweise sogar durch sie ersetzt wurden.

Die Ausgangssituation zu Beginn des Jahrhunderts können sehr passend folgende zwei Beispiele illustrieren. Im Jahre 1811 wurde der Major des zweiten schlesischen Husarenregiments Carl Schmidt in den Adelsstand erhoben. Als die zuständigen Stellen

seinen Antrag abwogen, war das Hauptargument für die positive Erledigung des Ansuchens ganz direkt. Die zuständigen Beamten sahen den Adelsanspruch Schmidts durch folgende Verdienste durchaus überzeugend begründet:4

„Sein Vater war ein Prediger, seine Mutter geboren von Düring, Tochter eines Hauptmanns. Carl Schmitt trat im 1797 in das Ansbachsche Bataillon ein, zeichnete sich 1806 im Gefechte bei Schloitz aus, vor 1807 Lieutnant im 2. Schlesischen Regimente.“

Die schlichte Betonung seiner militärischen Karriere reichte zusammen mit einem direkten, unspezifischen Kriegsverdienst dazu, um dem Kandidaten den Adelstand problemlos zu verleihen. Im Jahre der Antragsstellung befand sich Carl Schmidt schon dreizehn Jahre in Militärdiensten, er war als ein zuverlässiger Offizier angesehen und es wurde ihm auch mehrmals der Rang erhöht. Sein Antrag wurde daher als durchaus berechtigt eingeschätzt.5 Es wurden nur seine Militärkarriere und sein direkter Kriegseinsatz überprüft, andere Umstände waren für die Zwecke der Adelsverleihung nicht ausschlaggebend.

Ein ähnliches, wenn auch ein etwas breiteres Argumenterungsmuster hat im Jahre 1819 dann der schlesische Major Dellen bei seinem Nobilitierungsantrag benutzt. Als er ihn einreichte, sah er sich durch folgende Verdienste für den Adelstand qualifiziert:6

„Ich habe das Glück gehabt, in der königlichen Artillerie zu dienen und im Jahre 1810 als Major pensioniert zu werden. Von meinen drei Söhnen steht der älteste als Kapitän in der Artillerie. Er hat die letzten Feldzüge mitgemacht. Der jüngste steht in der 8ten Regimentartilleriebrigade und der mittlere hat ebenfalls gedient und ist jetzt als Conducteur angestellt.“

Hier ist das militärische Argumentationsmuster noch ergänzt. Der Grund, warum der Bittsteller nobilitiert werden sollte, war nicht nur seine eigene militärische Karriere, sondern auch die Militärdienste der Söhne, welche dann das Bild einer gehorsamen Familie vervollständigen sollten, einer Familie, die den Sinn ihrer Existenz ausschließlich in dem

4 GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. D, Nr. 156, fol. 1 – 2.

5 Immediatsgesuch des Major Dellens vom 23. August 1819, GhStA PK, HA I., Rep. 89, Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 895, fol. 46 – 47.

6 Ebenda

gehorsamen Dienst dem Staate gegenüber in der Armee sah. Es war eben nicht nötig, irgendwelche Verdienste jenseits der eigenen militärischen Karriere vorzulegen.7

Die zuständigen schlesischen und später zentralen preußischen Stellen haben auch die Begründung Dellens sehr schnell und problemlos akzeptiert und der Bittsteller wurde, seinem Gesuch nach, in kürzester Frist in den Adelstand erhoben. Die die militärische Karriere der Kandidaten betonende Begründung fand bei den zuständigen staatlichen Stellen sehr schnell volles Verständnis und Akzeptanz.8

Diese zwei Beispiele aus dem ersten Viertel des Jahrhunderts kennzeichnen die Adelsverleihungspraxis bezüglich der Offiziere ganz passend und bestätigen auch die schon früher gemachte Annahme, dass es gerade die Kriege gegen Frankreich waren, welche im ersten Viertel des Jahrhunderts den Offizieren bei den Adelsverleihungen eine spezielle Position gewährleisteten. In der Zeit der Napoleonischen Kriege und kurz nachher wurden die Offiziere sehr schnell und problemlos nobilitiert, wobei es ausreichend war, den Nobilitierungsanspruch nur durch einen langen Militärdienst des Bittstellers oder auch seiner Nachkommen und durch einen direkten Kriegseinsatz zu unterstützen.

Diese Praxis hielt jedoch nicht lange an, und nach dem Auslaufen der direkt mit den Kriegen verbundenen Adelsverleihungen in den 20er und teilweise noch in den 30er Jahren begann sich die Haltung des Staates zu ändern. Die sich nur auf die militärische Karriere stützenden Adelsverleihungen nahmen deutlich ab, und in den 40er und 50er Jahren sind die Nobilitierungen von Offizieren, welche sich bei der notwendigen Adelsqualifikationen nur auf die militärische Karriere beschränken würden, schon ganz auβergewöhnlich. Die einzige Ausnahme stellten dann immer noch diejenigen Offiziere dar, welche ihren Adelsanspruch aus dem militärischen Einsatz gegen Napoleon ableiteten, welche aber aus irgendwelchen Gründen mit ihren Nobilitierungsanträgen bisher gewartet hatten.

So wurde noch im Jahr 1866 der schlesische Oberstleutnant Konstanz Heineccius in den Adelstand erhoben. Es handelte sich um einen zur Zeit der Nobilitierung schon zweiundsiebzigjährigen schlesischen Offizier, der in die Armee während der letzten Feldzüge gegen Frankreich in den Jahren 1813 – 1815 freiwillig eingetreten war und dann als Offizier mehr als vierzig Jahre diente. Er erwarb sich schon in den Jahren 1813 - 1814 besondere Verdienste auf dem Schlachtfeld, die später auch mit mehreren militärischen Auszeichnungen belohnt wurden.9

7 GhStA PK, HA I., Rep. 89, Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 895, fol. 45.

8 Ebenda, fol. 35 – 44.

9 GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. H, Nr. 68, unfoliiert.

Sein Adelsgesuch reichte aber Heineccius erst nach dem Abschluss seiner Militärkarriere ein. Er selbst betrachtete seine Verdienste als für den Adelsstand nicht ausreichend, und für die Stellung eines Nobilitierungsantrags entschloss er sich erst in dem Moment, als er das Argument seiner eigenen militärischen Karriere noch mit der Betonung der militärischen Karriere seiner Kinder untermauern konnte. Heineccius hatte vier Söhne, die alle, ebenso wie ihr Vater, in der preuβischen Armee dienten. Dabei war besonders die Karriere seines ältesten Sohnes - Benno - von besonderer Wichtigkeit:10

„Der Hauptmann der Feldartillerie Benno Constanz Heineccius wurde am 7. Januar 1830 zu Löwenburg in Schlesien geboren. Er wurde im elterlichen Hause, demnächst im Cadetten-Corps erzogen, im 22. April 1847 zum Offizier und am 16. August 1859 zum Hauptmann befördert. Er machte den Feldzug 1864 in Schleswig mit, führte die 2.

Gardekompagnie und erhielt für seine Wohlerhalten vor dem Feinde den Roten Adler Orden 4. Klasse mit Schwertern. Er ist konservativ gesinnt.“

Gerade die konkreten militärischen Einsätze des Sohnes waren zusammen mit dem langen und aktiven Militärdienst des Bittstellers sowohl von der Seite Heineccius als auch von der Seite des Staates das entscheidende Argument für die Adelsverleihung. Den Kern der Argumentation stellte nicht nur die eigene militärische Karriere des Bittstellers und der ganzen Familie, wie es in den napoleonischen Zeiten üblich war, sondern auch seine politisch konservative Orientierung. Wie schon in dem zweiten Kapitel erwähnt, brachte die Revolution der Jahre 1848 / 49 ein neues Kriterium in die Nobilitierungsverfahren ein.

Während in der napoleonischen und der unmittelbar nachnapoleonischen Zeit die Offiziere ihren Adelsanspruch nur rund um die militärischen Verdienste bilden konnten, wurde dieselbe Gruppe von Offizieren, also von denjenigen, die direkt gegen Napoleon kämpften, nach dem Jahre 1848 auch unter dem Gesichtspunkt der politischen Loyalität beurteilt.

Solche Nobilitierungen, die nur auf den militärischen Argumenten bauten, waren aber ab den 40er Jahren immer seltener. In dem für die Nobilitierung notwendigen Tugendkatalog der Offiziere gewannen andere Qualifikationen an Wichtigkeit, die dann zahlreichen militärischen Adelskandidaten bei ihrem Streben um den Adelstitel beträchtliche Schwierigkeiten vorbereiteten.

10 Das Kriegs- und Marinenministerium an das Heroldsamt am 20. Mai 1865, Ebenda.

Genau das war zum Beispiel der Fall von dem Major Johann Friedrich Ravenstein.

Als er sein erstes Nobilitierungsgesuch im Jahr 1838 einreichte, formulierte er es nach den allgemeinen Gewohnheiten. Er schilderte seine militärische Karriere zusammen mit seinem Rangablauf, betonte die lange Treue der preuβischen Armee und vergaβ auch nicht, die Armeeeinstellung eines seiner Söhne in einem Landwehrregiment zu erwähnen.11 Als er aber die positive Erledigung seines Ersuchens erwartete, kam eine unangenehme Überraschung.

Die zuständigen Stellen fanden seine Verdienste für eine Nobilitierung nicht ausreichend.

Seine militärische Karriere sowie die Hingabe seiner ganzen Familie seien zwar unbestreitbar, man brauche aber noch zusätzliche Informationen zu seinen Vermögensverhältnisse, insbesondere dann zu der Frage, ob der Bittsteller sich im Besitz eines Gutes befinde. Da dies bei Ravenstein nicht der Fall war, wurde der ganze Antrag zurückgewiesen.12 Obwohl Ravensteins Argumentationsmuster grundsätzlich dasselbe war, wie früher bei Dellen oder Schmidt, reichte es in diesem Fall für die Adelsverleihung nicht.

Ravenstein gab jedoch nicht auf und stellte in den 50er Jahren einen neuen Nobilitierungsantrag, diesmal aber schon ganz anders formuliert. Er konzentrierte sich mehr auf die Frage des Grundeigentums, seine militärische Verdienste dabei ein wenig in den Hintergrund stellend. Er erwähnte, dass er zwar immer noch über keinen Grundbesitz verfüge, argumentierte jedoch, dass diese Voraussetzung sein Sohn erfülle. Im Unterschied zu dem ersten Nobilitierungsantrag betonte er nicht nur seine militärischen Verdienste, sondern ging auch ausführlicher auf seine allgemeine Vermögenslage ein und vergaβ auch nicht zu betonen, dass er, sobald wie möglich, einen Gutsbesitz zu erwerben beabsichtige:13

„Mich ermutigt zu dieser Bitte das Bewusstsein, dass die strengsten Erfüllung aller meinen Obliegenheiten als Soldat und Untertan mir stets ein heilige Pflicht war, und in Zuversicht glaube ich hierüber, so wie meine sonstigen persönlichen Verhältnisse die ehrendste Anerkennung der hohen Behörden erwarten zu dürfen. Zur Erläuterung meiner Vermögensverhältnisse erlaube ich mir anzufügen, dass ich zur Einkommensteuer in die sechzehnte Stufe, also entsprechend einem Einkommen von sechzehn bis zwanzig Tausend Taler eingeschätzt worden bin... Es wird jedoch bestimmt von mir beabsichtigt, eine Herrschaft in Schlesien zum dauerndem Familienbesitztum anzukaufen, sobald sich eine vorteilhafte Gelegenheit dazu darbietet.“

11 Das Oberpräsidium der Provinz Schlesien an den Ministerpräsident Manteuffel am 4. Februar 1857, GhStA, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. R., Nr. 19, fol. 2 – 3.

12 Ebenda, fol. 3.

13 Das Immediatsgesuch Johann Friedrich August Ravensteins vom 21. März 1857, Ebenda, fol. 4, 28

Das war auf jeden Fall neu. Während bei den im Laufe der napoleonischen Kriege und unmittelbar nachher beantragten Nobilitierungen den Offizieren zur überzeugenden Begründung nur der entsprechend lange und treue Armeedienst des Bewerbers beziehungsweise auch der breiteren Familie ausreichte, trat der Staat seit den 40er Jahren von dieser Praxis ab. Die staatlichen Stellen fingen auch im Falle Ravensteins an, sich mit dem Antrag erst dann mehr zu befassen, als er seine Vermögensverhältnisse als einen Grund für die mögliche Nobilitierung mit einbezogen hatte.

Erstaunlicherweise war aber sowohl für das schlesische Oberpräsidium als auch für die zentralen Stellen in Berlin nicht einmal das Vermögen des Bittstellers das Wichtigste, sondern der Gutsbesitz seines Sohnes. Als die entscheidende Information für die Erledigung des Gesuches waren von dem Moment an, als der familiäre Gutsbesitz ins Spiel kam, nicht die Verdienste oder die gesamte Vermögenslage des Ravensteins selbst betrachtet, sondern die Gröβe des einzelnen Grundbesitzes der Familie, sowie die allgemeine politische Haltung seines Inhabers.

Das schlesische Präsidium unternahm auf Anfrage aus Berlin eine ziemlich breite Ermittlungsaktion um festzustellen, wie der Sohn des Bittstellers sein Gut verwaltet und wie er sich in den unruhigen Zeiten der Revolution 1848 / 49 verhalten hatte. Teilweise mit Hilfe der Polizei konnte dann nach einigen Monaten das schlesische Oberpräsidium nach Berlin melden, dass der Sohn des Offiziers Ravenstein - Georg - seinen Gutsbesitz tatsächlich sehr verantwortlich bewirtschafte und sein Vermögen so befriedigend vergrößere. Einzige Zweifel bestanden dann nur bezüglich seiner politischen Haltung während der Revolution, welche dann aber letztendlich als nebensächlich betrachtet wurden:14

„Der Ravenstein hat eine liberale Richtung an den Tag gelegt, indem er sich vom Anfang an zur konstitutionellen Partei bekannte. Er tadelte aber gleichwohl im Jahre 1848 das exaltierte Benehmen der Partei und sprach sich entschieden dafür aus, dass gegen das ungesetzliche Gebaren des Volkes mit Kraft eingeschritten werden müsse. An öffentlichen Zusammenkünften hat er sich nicht beteiligt.“

Erst nach dieser Ermittlung der Vermögensverhältnisse und politischer Haltung des einzigen Gutsbesitzers in der Familie war es für die zuständigen Beamten möglich, das

14 Das Oberpräsidium der Provinz Schlesien an das Heroldsamt am 22. Juni 1857, Ebenda, fol. 17 – 18.

Nobilitierungsgesuch positiv zu erledigen. Johann Friedrich Ravenstein wurde dann tatsächlich im August 1857, neunzehn Jahren nach seinem ersten Antrag, in den preuβischen Adelstand nobilitiert.15

Durch das ganze Verfahren ging es dabei fast gar nicht um die eigentliche Person des Bittstellers, sondern nur um das Vermögen der Familie, wo ein Grundbesitz als unumgängliche Nobilitierungsvoraussetzung betrachtet wurde. Der lange Armeedienst des Adelskandidaten sowie seines Sohnes waren nur von einer Randbedeutung. Mit Blick auf ein ausreichendes Besitzvermögen des Sohnes war es bei der Nobilitierung sogar möglich, das unerwünschte politische Bekenntnis des Sohnes zu übergehen. Dass sich der Sohn des Nobilitierten am Anfang der Revolution 1848 / 49 in den umfangreichen Breslauer liberalen Aktivitäten engagierte, stellte angesichts des Grundbesitzeigentums und seiner beispielhaften Verwaltung kein Hindernis für die Nobilitierung dar.16

Dieses Beispiel illustriert den Positionswandel der militärischen Verhaltensmuster innerhalb des staatlich applizierten Adelstugendkataloges ganz deutlich. Die rein militärischen Verdienste hörten ungefähr ab den 40er Jahren auf, alleine für eine Adelsverleihung auszureichen, und seitens des Staates wurden von den um die Adelsverleihung suchenden Offizieren zunehmend andere Adelsqualifikationen verlangt. Die prominente Stellung unter diesen neuen Qualifikationen nahm dann das Argument des Vermögens ein. Wie wir am Beispiel der Nobilitierung Ravensteins sehen konnten, konnte ein Grundbesitz in den 40er und 50er Jahren auch gewisse kleine „Schandmale“, wie etwa ein mäβiges liberales Revolutionsengagement des Kandidaten, überdecken.

Die steigende Bedeutung des Vermögenskriteriums bei den militärischen Nobilitierungen lässt sich an vielen Beispielen demonstrieren. Dementsprechend wurde zum Beispiel der in den 50er Jahren gestellte Nobilitierungsantrag von Wilhelm Hufeland bearbeitet. Hufeland war ein langjähriger schlesischer Offizier, der nach einem langen Militärdienst seine Lebenslage und die seiner Kinder durch eine Nobilitierung zu verbessern suchte. Im Jahre 1853 reichte er also den entsprechenden Nobilitierungsantrag ein.

15 Der Adelsbrief der Familie Ravenstein vom 1. August 1857, Ebenda, fol. 25 – 26.

16 Vgl.: Manfred HETTLING, Politische Bürgerlichkeit. Der Bürger zwischen Individualität und Vergesellschaftung in Deutschland und in der Schweiz von 1860 bis 1918, Göttingen 1999, S. 123 – 125.

Für eine Nobilitierung sah er sich durch seinen Militärdienst qualifiziert, erwähnte jedoch auch die Verdienste seines Groβvaters, dessen Karriere eines langjährigen königlichen Leibarztes seine Adelsansprüche auch unterstützen sollten.17

Sein Antrag fand aber bei den zuständigen Stellen kein Verständnis. Schon das Provinzpräsidium Schlesiens konstatierte im Februar 1853 bei der Überprüfung seines Gesuchs ein paar von für den Bittsteller sehr unangenehmen Tatsachen:18

„Er fand bei seinen Nachbarn und Standesgenossen keinen besonderen Anklang und bewegt sich daher mehr in niederen Regionen, ohne das ihm ein Vorwurf von Anschicklichkeiten hätte gemacht werden können. Als Folge seines seitherigen Umgangs hat er ein Mädchen aus niederem Stande geheiratet. Seine gegenwärtige Frau ist die Tochter eines Wächters aus Kammendorf, Kreis Neumarkt, welche er vor seiner Verheiratung bei dem Rentmeister des Grafen Burghaufs in Künau hat erziehen lassen. Nach den schon mehrfach eingegangenen Erkundigungen soll diese Frau, der man übrigens nicht den geringsten Vorwurf machen kann, sich sehr gut und richtig benehmen und hat ihren Untergebenen gegenüber die richtige Stellung zu bewahren bewusst…Gegenwärtig sind die Vermögensverhältnisse von Hufeland nicht besonders, doch kommt er nach dem Tode der Mutter in eine bedeutend bessere Lage.“

Diese Feststellung führte dann das Oberpräsidium zu der Schlussfolgerung, dass Hufelands gesellschaftliche Stellung, die aus niederen Schichten kommende Frau, sowie seine nicht gerade glänzende Vermögenslage die Nobilitierung eindeutig verhindere. Seine militärischen Verdienste, sowie die Verdienste seines Groβvaters seien in diesem Fall von keiner Bedeutung. Mit dieser Ansicht fand sich auch die Ministerialbehörde in Berlin in Übereinstimmung, und der Antrag Hufelands wurde daher schnell und kompromisslos abgelehnt.19 Die militärischen Verdienste mussten sich hier vor der niedrigen gesellschaftlichen Stellung des Kandidaten, seiner Frau und vor seinem Vermögensmangel beugen.

17 Maximilian Hufeland an das Heroldsamt am 9. Oktober. 1859, GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. H., Nr. 37, fol. 1 - 2. Klaus PFEIFER, Medizin der Goethezeit. Christoph Wilhelm Hufeland und die Heilkunst des 18. Jahrhunderts, Köln – Wien 2000. Wolfgang U. ECKART, Geschichte der Medizin, Heidelberg 2005, S. 158 – 161.

18 Das Oberpräsidium der Provinz Schlesien an das Heroldsamt am 13. Februar 1853, GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. H., Nr. 37, fol. 19 - 20.

19 Der Vortrag auf die Nobilitierung vom Maximilian Wilhelm Hufeland vom 12. November 1859, Ebenda, fol. 4.

Hufeland ließ sich jedoch nicht abschrecken und nach sieben Jahren stellte er seinen Antrag wieder, diesmal aber schon anders formuliert. Er erwähnte, dass er sein erstes Gesuch mit seinen einunddreiβig Jahren nur als „unmündiges Kind“ einreichte ohne zu wissen, was für so ein kompliziertes Verfahren nötig sei. Zu den Zeiten seines ersten Versuches war er frisch verheiratet und zwar mit einem armen aber „makellosen“ Mädchen und wollte der jungen Familie eine bessere Zukunft gewährleisten. Nach seinen Wörtern war er damals fast besitzlos und konnte sich für die Nobilitierung nur mit seinem Militärdienst qualifizieren.

Diese Situation habe sich aber zur Zeit der zweiten Antragsstellung wesentlich geändert.

Hufeland argumentierte, dass sich an seinen Militärverdiensten zwar nichts Wesentliches geändert habe, er habe jedoch seit dem letzten Gesuch ein beträchtliches Vermögen gewonnen, indem er einen Gutsbesitz erwarb. Er fügte auch zu, dass, trotzdem seine Frau aus armen Verhältnissen komme, sie gut erzogen wurde und in seinem gesellschaftlichen Umfeld ein hohes Ansehen genieβe.20

So ein ausformulierter Antrag, der sein neu gewonnenes Vermögen und das gesellschaftliche Prestige seiner Familie betonte und das eigene Militärdienst nicht mehr als das Hauptargument in den Vordergrund rückte, zwang das schlesische Oberpräsidium und das Berliner Heroldsamt an der Wende der 50er und 60er Jahren, den ganzen Fall neu zu bedenken. Das Oberpräsidium überprüfte auf Anfrage des Heroldsamts die neu angeführten Argumente des Bittstellers nochmals, kam aber diesmal zu wesentlich anderer Meinung als sieben Jahren zuvor:21

„Wenn ich damals glaubte raten zu müssen, den Gegenstand zur Zeit nicht weiter zu verfolgen, so haben sich im Laufe von so vielen Jahren die Verhältnisse wesentlich günstiger gestaltet. Der Hufeland hat sich durch ein stilles und bescheidenes Leben für sich und seine Frau Achtung zu gewinnen gewusst. Die Frau selbst aus den niederen Ständen entsprossen hat es verstanden, sich eine angemessene Bildung zu verschaffen und erfreut sich der allgemeinen Anerkennung. Hufeland ist Vater von drei Kindern, besitzt das Rittergut Maxdorf und zahlt den höchsten Klassensteuersatz… Meines Erachtens dürfte gegen die Standeserhöhung des Lieutnants Hufeland ein Bedenken nicht mehr obwalten, bei welcher Äuβerung mir besonders die hohen Verdienste helfen, welche sein Groβvater, der königliche

„Wenn ich damals glaubte raten zu müssen, den Gegenstand zur Zeit nicht weiter zu verfolgen, so haben sich im Laufe von so vielen Jahren die Verhältnisse wesentlich günstiger gestaltet. Der Hufeland hat sich durch ein stilles und bescheidenes Leben für sich und seine Frau Achtung zu gewinnen gewusst. Die Frau selbst aus den niederen Ständen entsprossen hat es verstanden, sich eine angemessene Bildung zu verschaffen und erfreut sich der allgemeinen Anerkennung. Hufeland ist Vater von drei Kindern, besitzt das Rittergut Maxdorf und zahlt den höchsten Klassensteuersatz… Meines Erachtens dürfte gegen die Standeserhöhung des Lieutnants Hufeland ein Bedenken nicht mehr obwalten, bei welcher Äuβerung mir besonders die hohen Verdienste helfen, welche sein Groβvater, der königliche

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