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Der Schiedsrichter. Der Staat als Akteur

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 39-46)

2. Arenen des Aufstiegs

2.1 Schlesien

2.1.3 Der Schiedsrichter. Der Staat als Akteur

Wie schon gesagt, wurde das Vorrecht des Monarchen zum Nobilitieren nie ernsthaft in Zweifel gezogen. Der König gilt als das Staatsoberhaupt, und die Adelsverleihungen fielen in den Bereich seiner unmittelbaren Rechte. Es wäre jedoch zu vereinfachend, die Nobilitierungen als eine ausschließliche Tätigkeit einer Person zu sehen. Die fortschreitende Bürokratisierung der Staatsverwaltung beeinflusste auch die Adelsverleihungen, welche aus der ursprünglichen königlichen Gnade zu einer Art von Verwaltungsakt wurden.45 Das, was früher eher ein Akt der Bestätigung eines besonderen persönlichen Verhältnisses zwischen dem König und dem Nobilitierten war, hat im 19. Jahrhundert schon die Form einer streng formalisierten und unpersönlichen Prozedur gewonnen, was am deutlichsten wahrscheinlich an dem eigentlichen Akt der Adelsverleihung absehbar ist. Während im Mittelalter und in vielen Fällen noch in der frühen Neuzeit die Adelsverleihung mit klar definierten Ritualen verknüpft war, welche die persönliche Dimension des Aktes symbolisch demonstrierten, wurden im 19. Jahrhundert diese Rituale durch eine schlichte amtliche Übergabe oder sogar postalische Zusendung der entsprechenden Urkunden ersetzt. 46

45 Siehe die allgemeinen Instruktionen zum Nobilitierungsverfahren in: GhStA, HA I., Rep 77, Ministerium des Innern, Nr. 1108, unfoliiert.

46 Vgl.:Karl-Heinz SPIESS, Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im Spätmittelalter, in: Kurt Andermann – Peter Johanek, Zwischen Nicht-Adel und Adel, Stuttgart 2001, S. 1 – 26.

Die steigende Zahl der Bewerber erforderte immer mehr eine Systematisierung und Verstaatlichung der ganzen Agenda. Die Beurteilung der einzelnen Anträge beanspruchte besondere rechtliche und manchmal auch historische Fachkenntnisse, und viele Einzelheiten des Verwaltungsvorganges waren nur entsprechenden Experten verständlich.

Die ersten Pläne für eine systematische Auffassung der Nobilitierungsagenda sind so in Preußen schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu spüren. Die damals gegründete Institution – das Oberheraldsamt – hatte aber viel mehr den Interessen des Adels als der systematischen Auffassung der Adelsagenda gedient und wurde kurz nach dem Tode seines Gründers Friedrich I. aufgelöst.47 Die Nobilitierungen wurden dann vornehmlich von dem König vorgenommen, ohne dass er sich dafür auf eine spezielle Behörde gestützt hätte, welche mit der Betreuung der Nobilitierungsagenda beauftragt gewesen wäre.

Die Überlegungen über die Notwendigkeit von solcher Behörde tauchten erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder auf, als die fehlenden Adelsmatrikeln eine systematische Kenntnis des Adels verhinderten, was zu wesentlichen Problemen vor allem bei den Anerkennungen der früher verliehenen Adelstitel führte. Die erste systematische Auffassung der Adelssachen fiel also in die Zeit der groβen Preuβischen Verwaltungsreformen, als der Adel zum Gegenstand der staatlichen Verwaltung gemacht wurde, ohne jedoch einer strengen staatlichen Aufsicht unterworfen zu werden.48

Die Adelsagenda, und damit die Nobilitierungen, wurde in dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts dem Staatskanzleramt zugewiesen, wo sie bis zum Ende dieses Amtes im Jahre 1822 blieben, um dann an das neu gegründete Ministerium des Königlichen Hauses übertragen zu werden. Der Wechsel der Zuständigkeiten ging nach der Revolution 1848/9 weiter, als sie nach der Auflösung des Ministeriums des königlichen Hauses dem Innen- und Justizministerium zugewiesen wurden.49 Erst nach den letzten revolutionären Ereignissen der Jahre 1848/9 erneuerte der König Friedrich Wilhelm IV. das Nachdenken über eine besondere Institution, die aber diesmal ihren Schwerpunkt schon klar in den Adelsverleihungen haben sollte. Die Nobilitierungen sollten weitgehend standardisiert und formalisiert werden, wozu die neu geschaffene Institution, das Heroldsamt, diente. Seine Rolle sollte, der offiziellen

47 Vgl.: Gustav A. SEYLER, Geschichte der Heraldik, Neustadt an der Aisch 1970, S. 633 – 634.

48 Vgl.: Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Zweiter Band. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815 – 1848/9, München 1987, S.

151 – 153.

49 Vgl.: JESERICH Kurt – POHL Hans – UNRUHH Georg-Christoph v., Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 2., Vom Reichsdeputationshauptschluβ bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, Stuttgart 1983, S. 399 – 469. Walter HUBATSCH – Friedrich Wilhelm WERSTEDT, Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815 – 1945, Bd. 12, Preuβen, Marburg 1978, S. 125 – 132, 154 - 155.

Verlautbarung nach, „…bei den Nobilitierungsverfahren in der Beschaffung des Materials bestehen, das zur Beurteilung der Nobilitierungsgesuche erforderlich war, sowie in der Abgabe eines Gutachtens, sowohl über die Sache selbst als auch über die Modalitäten, das zu verleihende Wappen usw.“50

Das Heroldsamt hat von Anfang an in dem Verwaltungssystem ziemlich breite Kompetenzen erhalten, indem es zwar unter der formellen Aufsicht des Hausministers stand, im Rahmen des Nobilitierungsverfahrens jedoch eigenständig handelte und seine eigene Verwaltungsregeln für die Adelssachen konzipieren konnte. Es handelte sich im Wesentlichen schon um eine moderne Verwaltungsbehörde, die mit den geeigneten Fachexperten ausgestattet wurde, welche den Adel erfassen und kontrollierten sollten.

Die immer wechselnde Verwaltungszuständigkeit der Adelsverleihungen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spiegelt zwar eine gewisse Konzeptlosigkeit, es wäre jedoch inkorrekt, sie als ein Mangel der Staatsverwaltungskompetenz zu sehen. Die formelle Zuständigkeit der Adelssachen zu den jeweiligen Behörden bildete nur eine Art von äuβerlicher Schale, unter der sich aber schon vor dem Jahre 1848 eine spezialisierte Gruppe von Fachleuten entwickelte, die bei den Adelsverleihungen über die ganze Zeit eine persönliche Kontinuität gewährleistete. So können schon in dem Ministerium des königlichen Hauses vor dem Jahre 1848 viele Personen gefunden werden, die für die Standesangelegenheiten zuständig waren, die sich mit dem selben Gegenstand auch nach der Revolution befassten und die nach der Gründung des Heroldsamtes im Jahre 1854 ihren Platz gerade hier fanden. Zum Beispiel war das wahrscheinlich erheblichste Mitglied des Heroldsamtes, Theodor Sulzer, für die Adelssachen schon in dem vorrevolutionären Ministerium des königlichen Hauses zuständig, um nach der Revolution übergangslos in den zuständigen Bereich des Innenministerium überzugehen und seine Karriere in dem neuen Heroldsamt zu krönen, ohne aber in der ganzen Zeit den Gegenstand seiner Verwaltungstätigkeit beträchtlich verändern zu müssen.51

Wenn wir also ein kollektives Bild der Repräsentanten des Staates zu erstellen versuchen, die bei den Adelsverleihungen die Rolle des Schiedsrichters spielten, kommt das Mosaik einer fachlich qualifizierten Verwaltungselite heraus, welche über weitgehende Expertenkompetenzen verfügte, sich dem staatlichen Dienst verpflichtet fühlte und die Adelsverleihungen (nicht aber immer den Adel selbst) als einen reinen Gegenstand der

50 Zit. nach: Harald v. KALM, Das preuβische Heroldsamt (1855 – 1920). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preuβischen Verfassungsentwicklung, Berlin 1994, S. 28.

51 Vgl.: Ebenda, S. 27 – 34, 50 – 57.

Staatsverwaltung und deren Mechanismen auffasste.52 Die relative Eigenständigkeit des Heroldsamtes innerhalb der Staatsverwaltung nach dem Jahre 1854 und das unmittelbare Interesse der Könige an den Adelssachen in der vorherigen Zeit machten aus den zuständigen Beamten einen eigenständigen Körper, der in vielen Hinsichten die Ergebnisse seiner Arbeit direkt dem König zur endgültigen Sanktionierung vorlegte.53 Auch wenn es immer erst der König war, der das letzte Wort hatte, musste er sich doch in der entscheidenden Mehrheit der Adelsverleihungen auf die Unterlagen und Stellungnahmen der Beamten stützen, die nach dem Jahre 1854 in dem Heroldsamt ihre Arbeit institutionell gesichert fanden.

Diese bildeten dabei eine ziemlich homogene Einheit nicht nur bezüglich ihrer Verwaltungspraxis und Kompetenzen, sondern auch in Bezug auf sozialgeschichtliche Aspekte. Für die Frage der Adelsverleihungen ist natürlich besonders interessant, inwieweit die Akteure, welche sich in den Schlüsselpositionen befanden, selbst zum Adel gehörten.

Soweit es die Quellenlage ermöglicht, wird dieser Aspekt in der folgenden Tabelle erfasst54:

52 Vgl.: Hans HATTENHAUER, Geschichte des Beamtentums, Köln – Berlin 1980, S. 210 – 216.

Reinhart KOSELLECK, Preuβen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Stuttgart 1975, S. 217 – 283. Willerd R.

FANN, The Rise of the Prussian Ministry 1806 – 1827, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Sozialgeschichte Heute. Festschrift für Hans Rosenberg zum 70. Geburtstag, Göttingen 1974, S. 119 – 129. John R. GILLIS, The Prussian Bureaucracy in Crisis 1840 – 1860. Origins of an Administrative Ethos, Stanford 1971. Ders., Aristocracy and Bureaucracy in Nineteenth-Century Prussia, Past and Present 41 (1968), S. 105 – 129. Wilhelm BLEEK, Von der Kammeralausbildung zum Juristenprivileg. Studium, Prüfung und Ausbildung der höheren Beamten des allgemeinen Verwaltungsdienstes in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert, Berlin 1971, S. 25 – 193. Hans ROSENBERG, Bureaucracy, Aristocracy and Autocracy. The Prussian Experience 1660 – 1815, Cambridge 1958, S. 137 – 228.

53 Vgl.: Harald v. KALM, Das preuβische Heroldsamt (1855 – 1920). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preuβischen Verfassungsentwicklung, Berlin 1994, S. 135 – 140.

54 Die Quellenlage ermöglicht leider nicht, diese Angaben auch für die Zeit nach 1854 zuverlässig zu erheben, als für die Adelsverleihungen schon das Heroldsamt zuständig gemacht wurde.

Zusammengestellt nach den Namenangaben in den zuständigen Quellen und nach: Handbuch über den Königlich-Preuβischen Hof und Staat für das Jahr 1820, 1831. Königlich Preuβischer Staatskalender für das Jahr 1851.

Die Zusammensetzung der über die Nobilitierungen entscheidenden Organen in Preuβen

Herzöge, Fürsten Grafen Freiherren Einfacher Adel Nicht-Adlige Gesamtzahl

1820 5 6 2 10 7 30

1831 4 5 5 12 10 36

1851 4 4 4 13 10 35

Aus den Zahlen geht hervor, dass über die Verteilung der Nobilitierungen für die ganze Zeit, für welche die Angaben rekonstruierbar sind, in der Mehrheit die schon nobilitierten Staatsbeamten entschieden, ohne jedoch nicht-adelige Entscheidungsträger auszublenden.

Ein Übergewicht ist auf der Seite des einfachen Adels vorhanden, welcher in allen Stichjahren etwa ein Drittel der für die Erteilung von Adelstiteln zuständigen Personen ausmachte. Wenn die höheren adligen Ränge zugerechnet werden, kann man konstatieren, dass der Adel an den Nobilitierungsentscheidungen ungefähr mit drei Viertel aller Entscheidungsträger repräsentiert wurde.

Was den eigentlichen Nobilitierungsverfahrensgang anbelangt, handelte es sich im verfolgten Zeitraum um eine streng formalisierte Verwaltungsprozedur, welche immer einem ähnlichen Muster folgte. Um die Verteilung der Kompetenzen, die wichtigen staatlichen Akteure und so auch die Position der zentralen Behörden identifizieren zu können, ist es hier notwendig, dieses Muster näher darzustellen. In der Regel wurden die bürokratischen Verfahren durch einen Nobilitierungsantrag in Bewegung gesetzt, der meistens von unten, von dem Adelsanwärter selbst erging. Wenn auch solche erste Initiative groβenteils von dem die Adelsverleihung Begehrenden ausging, war es keine vorgeschriebene Regel, und der entsprechende Antrag konnte auch von einem dem Adepten Nahestehenden eingegeben werden, wobei es sich sogar nicht unbedingt um eine physische Person handeln musste. In wenigen Fällen wurde der den ganzen Prozess initiierende Antrag sogar von juristischen Personen ausformuliert, die zu dem Bittsteller in einem engen Verhältnis standen.55

Die Dauer des ganzen Verfahrens betrug bei einem unkomplizierten Verfahren nicht mehr als ein Jahr, es gab aber Ausnahmen, wenn bestimmte Nobilitierungen zu einem wichtigen Zeitpunkt, wie etwa Regierungsantritt oder Huldigung, gesammelt wurden. In

55 Vgl.: GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. G, Nr. 65, unfoliiert.

solchem Falle konnte der jeweilige Bittsteller nach einer positiven Behandlung seines Gesuches auf die Aushändigung des Adelsbriefes mehrere Monate warten.56

Nach dem Empfang des Nobilitierungsgesuchs, das in der Regel direkt an den König adressiert wurde, wurde die ganze Sache sofort den zuständigen Beamten, je nach der Zeit entweder im Staatskanzleramt, in dem zuständigen Ministerium oder nach dem Jahre 1854 im Heroldsamt, weitergeleitet, welche dann die eigentliche Verwaltungsprozedur steuerten. Die Beamten holten die von ihnen als für die Entscheidung wichtig erachteten Informationen ein, wozu zumeist die Oberpräsidien der jeweiligen Provinz benutzt wurden, bei komplizierteren Fällen die Kreispräsidenten oder andere zuständige Behörden. Die Anfragen an die zuständigen Landesstellen waren sehr genau formuliert und an sehr konkreten Informationen interessiert, so dass der Spielraum der Präsidien ziemlich begrenzt war. Das Amt konnte jedoch noch weitere seiner Ansicht nach wichtige Informationen zufügen. Der Zweck bestand bei diesen Anfragen darin, die in dem ursprünglichen Gesuch angeführten Nobilitierungsargumente des Bittstellers inhaltlich zu überprüfen und, falls nötig, noch weitere Informationen anzufordern.

Gleichzeitig informierten die staatlichen Stellen den Kandidaten über den Empfang des Gesuches und machten die erste Anfrage, ob der Kandidat im Falle einer positiven Erledigung seines Gesuches zur Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühren bereit sei. Ohne diese erste, unbedingt persönliche Zustimmung des Kandidaten konnte nicht weiter fortgeschritten werden, und so wurde spätesten an diesem Punkt des Verfahrens gewährleistet, dass der Kandidat von dem Antrag, der nicht unbedingt direkt von ihm eingereicht sein musste, tatsächlich weiβ und mit seiner möglichen Nobilitierung einverstanden ist.

Nach der positiven Äuβerung des Kandidaten konnte in dem jeweiligen Nobilitierungsfall weiter fortgefahren werden. Aufgrund der vorhandenen Vorlagen innerhalb der zuständigen Behörde wurde ein Votum getroffen. War es positiv, wurde eine umfangreiche Zusammenfassung des ganzen Falles erstellt, die zusammen mit der ausdrücklichen Empfehlung dem König vorgelegt wurde. Seine Zustimmung bestätigte die Nobilitierung, und die zuständige Behörde war verpflichtet, ein entsprechendes Adelsdiplom zu erstellen und dieses dem Nobilitierten nach der Entrichtung der angefallenen Gebühren zu überreichen.57 Die ganze Prozedur wurde dann mit einer amtlichen Veröffentlichung beendet.

Aus diesem kurz skizzierten Verfahrensgang geht ziemlich klar hervor, wie die Kompetenzverteilung in den staatlichen Behörden war. Die einzige Stelle, welche die

56 Vgl. z. B.: GhStA PK, HA I., Rep. 100, Ministerium des königlichen Hauses, Nr. 4381, fol. 1 – 64.

57 Vgl.: GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI P, Nr. 38.

Befugnis hatte, die ganze Nobilitierung de facto zu jeder Zeit zu stoppen, waren die Beamten des zuständigen Ministeriums, gegebenenfalls nach dem Jahre 1854 des Heroldsamtes. Sie legten fest, welche Informationen über den Bewerber gesammelt werden sollten, wie sie beurteilt werden und wie der ganze Fall dem König geschildert wird. Der Blick auf die Handlungspraxis der in den Jahren 1806 – 1871 regierenden preuβischen Königen bestätigt ihre Schlüsselrolle noch wesentlicher. Alle Könige griffen in die Nobilitierungsverfahren nur in wenigen Ausnahmefällen ein, und selbst dann handelte sich in der Regel nie um eine vollständige Verneinung des von der zuständigen Behörde gemachten Vorschlags, sondern um eher kosmetische Veränderungen, wie etwa volles oder partielles Erlassen der Taxen.58

Der einzige Fall, in dem der König eine eigene Initiative deutlich entwickelte, war bei denjenigen Nobilitierungen, deren ursprünglicher Vorschlag schon direkt von ihm oder seiner Umgebung ausging. In solchen Fällen wurde die ganze oben geschilderte amtliche Prozedur übersprungen, und der ausgewählte Kandidat wurde in einem möglichst kurzen Zeitraum nobilitiert. Bei einer aus königlichen Initiative vorgenommenen Nobilitierung entfiel die Pflicht zur Entrichtung der Taxen, und so beschränkte sich die Rolle der je nach der Zeit zuständigen Behörden nur auf die formale Vermittlung, indem sie den Kandidaten über die königliche Absicht informierten, seine Zustimmung abforderten und die technischen Details, wie etwa die Form des Wappens oder des genauen Namens, in Verbindung mit ihm lösten.59 Als ein erheblicher königlicher Eingriff in die üblichen Nobilitierungsverfahren war auch diese Variante selten und beschränkte sich nur auf ein paar Adelsverleihungen, zumeist auf hohe staatliche Beamte oder deren Nachkommenschaft.

In der großen Mehrheit mussten die einzelnen Nobilitierungsfälle durch die zuständigen bürokratischen Instanzen gehen, welche ihren Machtbereich in der Regel sehr wachsam hüteten und die ihnen zugesprochenen Kompetenzen anwendeten. Der Staat handelte also bei den Adelsverleihungen in Schlesien durch zwei Hauptakteure, und zwar durch die dafür zuständigen Ämter in Berlin und letztlich durch den König. In die ganze Prozedur konnten noch andere Akteure eintreten, regelmäβig waren das vor allem die zuständigen Oberprovinzpräsidien, welche bei den konkreten Fällen auch berücksichtigt

58 Diese eher für die Zeit vor der Reichsgründung geltende Praxis erfuhr aber später, vor allem während der Regierung Wilhelm II. einige Veränderungen, wann der König sein Recht zum Nobilitieren nicht nur formell sondern auch inhaltlich mehr auszuüben versuchte, über einen qualitativen Wandel lässt es sich jedoch nicht sprechen. Vgl.: Dieter HERTZ-EICHENRODE, Wilhelminischer Neuadel? Zur Praxis der Adelsverleihung in Preußen vor 1914, Historische Zeitschrift 282 (2006), S. 645–679. Alastair THOMPSON, Honours Uneven: Decorations, the State and Bourgeois Society in Imperial Germany, Past and Present 144 (1994), S. 171 – 204.

59 Vgl.: GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. E, Nr. 3.

werden müssen. Die Hauptentscheidungskompetenzen konzentrierten sich aber bei den entsprechenden Stellen im Zentrum. Es scheint daher sinnvoll zu sein, von der Prämisse auszugehen, dass die staatlichen Präferenzen am deutlichsten gerade durch die sich in Berlin befindenden Behörden und in einzelnen Fällen durch den jeweiligen König zum Ausdruck kamen.

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 39-46)