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Von den Offizieren zu den Bürgern. Entwicklung der österreichischen

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 90-96)

3. Innere Struktur des neuen Adels

3.2 Österreich

3.2.1 Von den Offizieren zu den Bürgern. Entwicklung der österreichischen

3.2.1 Von den Offizieren zu den Bürgern. Entwicklung der österreichischen Nobilitierungen zwischen Militär- und Zivilpersonen

Vergleicht man die Trends der preuβischen Adelsverleihungen mit Österreich, fallen die wesentlichen Unterschiede schon auf den ersten Blick auf. Falls die Menge der preuβischen Adelsverleihungen als ziemlich mäβig, nicht jedoch äuβerst restriktiv betrachtet werden darf, war die Adelsverleihungspraxis in Österreich deutlich umfangreicher. In den Jahren 1806 – 1871 wurde einer der österreichischen Adelstitel an mehr als viertausend Personen verliehen, was die Anzahl der in derselben Zeit erfolgten preuβischen Adelsverleihungen mehr als sechsmal überstieg.49 Der Unterschied kommt am deutlichsten hervor, wenn die allgemeinen Zahlen ins Verhältnis mit der gesamten Einwohnerzahl gebracht werden. Während es in Preuβen im Durchschnitt jeder 25000ste Einwohner war, der auf eine Adelsverleihung hoffen konnte, war in Österreich die allgemeine statistische Wahrscheinlichkeit viel gröβer - eine Adelsverleihung kam auf etwa 5000 Personen.50

47 GhStA PK, HA I., Rep. 176, Heroldsamt, VI. R, Nr. 67, fol. 3.

48 Helmut BERDING, Leopold von Ranke, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Deutsche Historiker, Göttingen 1971, S. 18-19. Hans F. HELMOLT, Leopold Rankes Leben und Wirken. Nach den Quellen dargestellt. Mit achtzehn bisher ungedruckten Briefen Rankes, seinem Bildnis und der Stammtafel seines Geschlechts, Leipzig 1921, S. 115. Otto DIETHER, Leopold von Ranke als Politiker. Historisch-psychologische Studie über das Verhältnis des reinen Historikers zur praktischen Politik, Leipzig 1911, S. 499 – 534.

49 Hanns JÄGER-SUNSTENAU, Statistik der Nobilitierungen in Österreich 1701 – 1918, Österreichisches Familienarchiv, Neustadt an der Aisch 1962, S. 6 – 12.

50 Rudolf KUČERA, Állam, Nemesség és Civiltársadalom. Nemesi címadományozások Csehországban és Sziléziában, 1806-1871, Korall. Társadalomtörténeti folyóirat 28-29 (September 2007), S. 38.

Österreich galt im 19. Jahrhundert im europäischen Kontext als ein Land, das eine sehr großzügige Nobilitierungspolitik praktizierte und damit versuchte, aus dem Adel eine verhältnismäβig breite, mit dem Staat verbundene Elite zu schaffen. Die Nobilitierungen fanden manchmal sogar so häufig statt, dass es selbst den hohen Staatsbürokraten verdächtig war, wie die folgende Äuβerung aus der Korrespondenz des Ministerialstellvertreters für Kultus und Unterricht aus der Mitte der 50er Jahre illustriert:51

“Hier geht es Ekelhaft zu mit der Ordens- und Adeljagd – Jeder Lump ist nun bester Christ, Armenfreund etc. etc. Es ist zum Speien… Wie soll dann Adeln noch Auszeichnung sein?“

Die allgemeine Offenheit der Möglichkeiten in der Habsburgermonarchie einen Adelstitel zu erwerben, lässt sich auch am Beispiel der Bewerbermigration demonstrieren. Es ist eine Menge von Fällen dokumentiert, in denen Personen aus dem Ausland nach Österreich kamen, um nobilitiert zu werden. Die Herkunftsländer solcher Bewerber waren vor allem natürlich diejenigen, wo es überhaupt unmöglich oder nur sehr unwahrscheinlich war, einen Adelstitel zu bekommen, wie zum Beispiel die Schweiz oder Griechenland.52

Wenn wir aber auf die herkömmlichen Adelsverleihungen zurückkommen und ähnlich wie in Preuβen die Proportion zwischen den Militär- und Ziviladelsverleihungen verfolgen, wie es die folgende Graphik macht, zeigen sich auch weitere Unterschiede als nur die bloβe Menge der Nobilitierungen:53

51 Brief von Heinrich Fügner an Josef Alexander Helfert vom 20. 5. 1854, in: Othmar Feyl (Hrsg.), Die Entwicklung des Sokol-Gründers Heinrich Fügner im Lichte seiner Prager Briefe an den böhmendeutschen Konservativen Joseph Alexander von Helfert in den Jahren 1848–1865, in:

Deutsch-Slawische Wechselseitigkeiten in sieben Jahrhunderten. Berlin 1956, S. 555.

52 Vgl.: Renate KOMANOVITSCH, Der Wirtschaftsadel unter Kaiser Franz II. (I.) in der Zeit von 1792 bis 1815, Diss. Univ. Wien 1974, S. 87 – 95.

53 Da der soziale Hintergrund der Adelserwerber vor allem zwischen den Jahren 1822 – 1851 in Österreich nicht immer festzustellen versucht wurde, müssen die Daten in dieser Graphik mit gewisser Vorsicht behandelt werden. Für die Jahre, wo es Nobilitierte ohne festgestellten sozialen Hintergrund gibt, handelt es sich um eine errechnete Schätzung, die je nach den vorhandenen Daten eine statistische Abweichung von bis zu zehn Prozent ergeben kann. Zusammengestellt nach: Hanns JÄGER-SUNSTENAU, Statistik der Nobilitierungen in Österreich 1701 – 1918, Österreichisches Familienarchiv, Neustadt an der Aisch 1962, S. 4 – 13. Johann Baptist Witting, Statistik der Standeserhöhungen während der Regierung Seiner Majestät des Kaisers Franz Josephs I., in:

Festschrift zum fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum Seiner kaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät Franz Josef I., Wien 1898, S. 59 – 91. Albert Heilmann, Standeserhöhungen und Gnadenakte unter der Regierung Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I., in: Adler. Jahrbuch des heraldisch-genealogischen Vereins Adler in Wien, Jg. 1 (1874), S. 217 – 232, Jg. 3 (1877), S. 1 – 28, Jg. 5 (1878), S. 29 – 34, 99 – 103. Karl Friedrich FRANK, Standeserhebungen und Gnadenakte für das Deutsche Reich und die österreichischen Erblande bis 1806 sowie kaiserlich österreichische bis

Proportion zwischen der militarischen und zivilen Adelsverleihungen in Österreich 1806 - 1871

0%

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1806 1809 1812 1815 1818 1821 1824 1827 1830 1833 1836 1839 1842 1845 1848 1851 1854 1857 1860 1863 1866 1869

Militäradel Ziviladel

Wie aus der Grafik ersichtlich wird, entwickelte sich in Österreich das Verhältnis zwischen den zivilen und militärischen Adelsverleihungen im Vergleich zu Preuβen unterschiedlich. Die zivil-militärische Verteilung verlief sehr unregelmäβig mit Schwankungen auf beide Seiten, trotzdem lässt sich aber ungefähr ab der zweiten Hälfte der 40er Jahre eine mäβige, aber doch kontinuierliche Zunahme der zivilen Adelsverleihungen feststellen. Wenn für Preuβen der zivile Anteil der Adelsverleihungen in den ersten vierzig Jahren mit Ausnahmen um fünfzig Prozent oszillierte, lag diese Quote in Österreich um circa zehn Prozent niedriger und die zivilen Adelserwerber begannen in Österreich eine mäβige Mehrheit erst nach dem Jahre 1848 zu gewinnen. Mit Ausnahme der Jahre 1851, 1852 und 1853, als der Anteil der zivilen Adelsverleihungen nach der Revolution 1848 / 49 deutlich abnahm, machten die zivilen Nobilitierungen schon rund die Hälfte aller verliehenen Adelstitel aus, und seit den 60er Jahren zeigt sich schon eine mäβige, aber andauernde Mehrheit der zivilen Adelserwerber.

Die Ursachen solcher Entwicklung waren dabei zum Teil ähnlich wie in Preuβen, teilweise aber auch unterschiedlich. Analog zu Preuβen spielten bei den Adelsverleihungen ungefähr in den ersten zwanzig Jahren des verfolgten Zeitraums die Koalitionskriege gegen Frankreich eine wichtige Rolle. Österreich erlebte während des ersten Jahrzehntes des 19.

1823. 5 Bde. Senftenegg 1967–1974. Peter FRANK – DÖFERING, Adelslexikon des österreichischen Kaisertums 1804–1918, Wien-Freiburg-Basel 1989. August von DOERR, Der Adel der Böhmischen Kronländer. Ein Verzeichnis derjenigen Wappenbriefe und Adelsdiplome welche in den böhmischen Saalbüchern des Adelsarchives im K. K. Ministerium des Innern in Wien eingetragen sind, Prag 1900.

Adalbert KRÁL, Der Adel von Böhmen, Mähren und Schlesien. Genealogisch-heraldisches Repertorium sämtlicher Standeserhebungen, Prädikate, Beförderungen, Incolats-Erteilungen, Wappen und Wappenverbesserungen des gesamten Adels der Böhmischen Krone mit Quellen und Wappen-Nachweisen, Prag 1904. Anton SCHIMON, Der Adel von Böhmen, Mähren und Schlesien. Ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis der sämtlichen böhmischen, mährischen und schlesischen Adelsfamilien aller Grade, mit Daten ihrer ursprünglichen Standeserhebung, Beförderung in die höheren Adelsstufen, Charaktere, Würden und Prädikate, dann sonstigen Auszeichnungen, Böhm.

Leipa 1859.

Jahrhunderts ebenso eine vernichtende Niederlage, welche dann eine tiefgehende Reform der Armee verursachte. In diesem Kontext erfüllten die Nobilitierungen die gleiche Aufgabe wie in Preuβen. Es handelte sich einerseits um die Belohnung der besonderen Kriegsverdienste, andererseits aber auch um eine Motivierungsmaβnahme, um die jüngeren Offiziere zum weiteren Dienst und Durchlaufen der Karriere zu motivieren.

Die Dominanz der militärischen Personen unter den Neuadligen in den ersten fünfzig Jahren ist gröβtenteils, ebenso wie in Preuβen, nicht überraschend und auch der eigenartigen gesellschaftlichen Position der österreichischen Armee zuzuschreiben. Wie schon erwähnt, besaβen die österreichischen Offiziere nach einer bestimmten Dienstfrist ein automatisches Nobilitierungsrecht, das auch häufig genutzt wurde. Es ist gerade dieser automatische Mechanismus, bei dem der Adelsanwärter während des Verfahrens keine besonderen Verdienste und Argumente vorzuweisen brauchte, der den Hintergrund für den gröβeren Anteil von Offizieren innerhalb des österreichischen neuen Adels bildet. Was in Österreich jedoch bemerkenswert ist, ist die Zäsur, die in der zweiten Hälfte der 40er Jahre erfolgte und die am Anfang eines allmählichen Wandels zugunsten der Zivilpersonen stand.

Ebenso wie in Preuβen erwies sich auch in Österreich die Armee in der Revolution 1848 / 49 in der Tat als die festeste Stütze des Staates und blieb, was wichtiger ist, auch von der einsetzenden nationalen Agitation lange Zeit unangetastet. Selbst die Offiziere

„…konnten das beruhigende Gefühl haben, durch ihren Kampf gegen die Revolutionäre und die Ungarn für den Frieden im eigenen Land, für das Ende des ethnischen Konflikts und des Klassenkrieges gefochten zu haben. Und da sowohl die Aristokratie als auch die Mittelschicht, ob deutsch, magyarisch, polnisch oder italienisch, sich als unverlässliche erwiesen hatte, konnten sie auch das beruhigende Gefühl haben, dass sie, die Offiziere, die einzigen Angehörigen der gesellschaftlichen Elite gewesen waren, die sich der Dynastie für würdig erwiesen hatten.“54

Das war für die Verteilung der Adelsverleihungen nicht unwichtig. Auch nach der Revolution 1848 / 49 blieb in der österreichischen Armee eine groβe Mehrheit des Offizierkorps deutschsprachig, so dass die Gefahr einer nationalen Aufspaltung ziemlich gering war.55 Die Armee war in Österreich während und nach der Revolution wahrscheinlich der ruhigste Teil der ganzen Gesellschaft, auf der anderen Seite hörte sie im Kontext der

54 István DEÁK, Der K. (u.) K. Offizier 1848 – 1918, Wien – Köln 1991, S. 56.

55 István DEÁK., The Ethnic Question in the Multinational Habsburg Army, 1848 - 1918, in: Nandor F. Dreisziger (Hrsg.), Ethnic Armies. Polyethnic Armed Forces From the Time of the Habsburgs to the Age of the Superpowers, Waterloo 1990, S. 21 – 49. Gunther ROTHENBERG, The Habsburg Army and the Nationality Problem in the Nineteenth Century 1815 – 1914, Austrian History Yearbook 3 / 1 (1967), S. 70 – 87.

ansetzenden Nationalbewegungen, welche in ihr nicht genug repräsentiert waren, aber auf, als die am stärksten integrierende staatliche Institution zu wirken.56 Der Staat konnte sich, wie die Revolution klar zeigte, auf die Armee völlig verlassen, auf der anderen Seite genügte sie aber nicht mehr allein als stärkste Identifizierungsfaktors der gesamtösterreichischen Idee. Die politische und nationale Aktivierung der österreichischen Öffentlichkeit hatte zur Folge, dass der Staat auch zu anderen gesellschaftlichen Mitteln greifen musste, welche unter den Umständen eines Vielvölkerstaates die langsam einsetzenden nationalen Bewegungen unter einer gemeinsamen Staatsidee vereinigen konnten. Der Adel und damit auch die Nobilitierungen boten sich hier als einer der Identifizierungsfaktoren deutlich an.

Das aus der Sicht des Staates äuβerst gelungene Engagement des österreichischen Heers in der Revolution bewirkte daher, ähnlich wie in Preuβen, keinen Zuwachs der nobilitierten Offiziere und hatte paradoxerweise auf längere Sicht sogar eine mäβige Abnahme der militärischen Nobilitierungen zur Folge. Die Nobilitierungen zielten nach der niedergeschlagenen Revolution mehr auf die zivilen Gesellschaftsschichten, welche viel mehr beunruhigt waren und bei denen es aus der Sicht des Staates eher notwendig war, eine übergreifende Loyalität zu dem österreichischen Staat zu fördern.57 Diese Loyalität sollte unter den Umständen des Habsburger Vielvölkerstaates bekanntlich auf dem Verhältnis zu der herrschenden Dynastie beruhen und somit eine supranationale Identität unterstützen,58 wozu gerade die Adelsverleihungen, welche eine direkte von dem Kaiser gebilligte Auszeichnung für konkrete Verdienste darstellten, sehr gut geeignet waren.

56 Johann Christoph ALLMAYER-BECK, Die bewaffnete Macht in Staat und Gesellschaft, in: Adam Wandruzska – Peter Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918. Bd. V., Die Bewaffnete Macht, Wien 1987, S. 23 – 35.

57 Ernst BRUCKMÜLLER – Hannes STEKL, Zur Geschichte des Bürgertums in Östereich, in: Jürgen Kocka (Hrsg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Bd. I., Göttingen 1988, S. 178.

58 Aus der zu diesem Themenfeld äuβerst breiten Literatur siehe vor allem: Peter URBANITSCH, Mýtus pluralismu a realita nacionalismu. Dynastický mýtus habsburské monarchie – zbytečná snaha o vytvoření identity? Kuděj. Časopis pro kulturní dějiny 1 / 2006, S. 46–68, 2 / 2006, S. 35–53. Gerald STOURZH, Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848 - 1918, Wien 1985, S. 29-52. Manfred RAUCHENSTEINER, Österreichbewusstsein und österreichische Staatsidee im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus und im Vormärz, in: Erich Zöllner (Hrsg.), Volk, Land und Staat. Landesbewusstsein, Staatsidee und nationale Fragen in der Geschichte Österreichs, Wien 1984, S. 42 – 53. Ernst BRUCKMÜLLER, Nation Österreich.

Sozialhistorische Aspekte ihrer Entwicklung, Wien 1984, S. 75 – 98. Friedrich HEER, Der Kampf um die österreichische Identität, Wien – Köln – Graz 1981, S. 211 – 261. Ders., Die Gleichberechtigung der Volksstämme als Verfassungsprinzip 1848 – 1918, in: Adam Wandruszka – Peter Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918, Bd. III. Die Völker des Reiches, Teilband 2., Wien 1980, S. 975 – 1206. Alphons LHOTSKY, Der österreichische Staatsgedanke, in: Ders., Aufsätze und Vorträge, Bd. I., München Wien 1970, S. 365 – 388.

Unter dem Vorbehalt der allgemeinen politischen Übereinstimmung der ausgezeichneten Personen mit der von dem Staat verlangten politischen Orientierung, bot sich nach der Revolution 1848 / 49 eine sehr verlockende Möglichkeit, auch diejenigen Personen auszuzeichnen, welche zwar als Mitglieder der ansetzenden Nationalbewegungen zu bezeichnen wären, die aber dem konservativen Staatsideal grundsätzlich entsprachen und daher einen Beweis der gleichen Behandlung der erwachenden Nationalbewegungen liefern konnten.

Auf die Einzelheiten der Nationalitätsaspekte der Adelsverleihungen wird später noch eingegangen werden, prinzipiell kann man aber sagen, dass die Nobilitierungen gerade aufgrund der Nationalitätenfrage spätestens nach dem Jahre 1848 in Österreich im Unterschied zu Preuβen noch eine Zusatzrolle gewonnen haben - als eines der möglichen Mittel zum Umgang mit der sich ausprägenden schwierigen Nationalitätenstruktur des Staates. Fast alle Nationalbewegungen beinhalteten in den 50er und zum Teil auch in den 60er Jahren eine politisch konservative Komponente, die sich keineswegs negativ gegen den auf eine dynastische Politik und Loyalität gestützten Habsburgerstaat positionierte und die so anscheinend eine Möglichkeit bot, die Nationalbewegungen mit dem Vielvölkerstaat in Einklang zu bringen.59

Die entstehenden nationalen Bewegungen bewegten den Staat bei der Verteilung der Nobilitierungen dazu, die zivilen Personen, welche in den jeweiligen Nationalbewegungen eine deutliche Mehrheit ausmachten, in erhöhtem Masse zu berücksichtigen. Spätesten ab der Mitte der 50er Jahren kann man so eine kontinuierliche Zunahme der zivilen Adelsverleihungen beobachten, welche sogar nicht einmal durch das militärische Engagement Österreichs in den Jahren 1859 und 1866 beeinflusst wurde. Während es in Preuβen das staatliche Kriegsengagement war, das bei den Adelverleihungen die im Kampf eingesetzten Offiziere mehr in den Mittelpunkt stellte, war das in Österreich nicht der Fall. Die Tatsache, dass Österreich, unterschiedlich von Preuβen in dem Jahr 1866, aus den zwei Kriegen in den Jahren 1859 und 1866 als Verlierer hervorging, spielte dabei kaum eine Rolle. Die militärischen Adelsverleihungen waren immer an konkrete Personen als Belohnung für konkrete Verdienste gerichtet, welche mit dem allgemeinen Erfolg der Kriegsoperationen nicht zusammenhängen mussten. Die konkreten Heldentaten auf dem Schlachtfeld, die bei den Adelsverleihungen als ein stichhaltiges Argument am meisten in Betracht kamen, leiteten sich natürlich nicht von dem gesamten Sieg ab.

59 Dazu grundlegend.: Jiří KOŘALKA, Tschechen im Habsburgerreich und in Europa 1815 – 1914.

Sozialgeschichtliche Zusammenhänge der neuzeitlichen Nationsbildung und der Nationalitätenfrage in den Böhmischen Ländern, Wien 1991, S. 51 – 63.

Der zivile Bereich hatte also unter dem neuen Adel in Österreich einen etwas kleineren Anteil als in Preuβen, es ist aber nach dem Jahr 1848 eine klare Tendenz zu dessen Stärkung spürbar und dies auch trotz der zwei Kriege, die Österreich in den 50er und 60er Jahren führte, und auch trotz der automatischen Nobilitierungsmechanismen für die Offiziere.

Während das direkte militärische Engagement in dem dritten Viertel des 19.

Jahrhunderts die Aufstiegschancen der Offiziere in Preuβen spürbar beeinflusste, war es in Österreich nicht der Fall. Die moderate, trotzdem aber steigende Proportion der zivilen Personen unter den Nobilitierten deutet schlieβlich an, dass zusammen mit dem zivilen Neuadel auch die Akteure aus den Reihen des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums ihren Weg in den österreichischen Adel finden konnten, nicht aber automatisch finden mussten.

Wie wir am preuβischen Beispiel gesehen haben, heiβt die Steigerung der zivilen Adelsneulinge keineswegs auch eine automatische Durchsetzung aller für die Nobilitierung in Frage kommenden Gruppen. Wie die konkrete Situation im österreichischen Fall war, ist jetzt in dem nächsten Abschnitt zu überprüfen.

3.2.2 Industrielle, Kaufmänner, Professoren und Andere. Die Struktur des

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