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Der Preis. Adlige Vorrechte im bürgerlichen Zeitalter

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 46-49)

2. Arenen des Aufstiegs

2.1 Schlesien

2.1.4 Der Preis. Adlige Vorrechte im bürgerlichen Zeitalter

Während sich die rechtlichen Möglichkeiten des Adelserwerbs und Adelsverlustes und auch der eigentliche Verfahrensgang der Adelsverleihungen im Untersuchungszeitraum kaum veränderten und die Spielregeln in der Breslauer Arena zusammen mit dem Schiedsrichter in dieser Hinsicht ziemlich stabil blieben, wandelte sich der Preis, um den in der Arena gekämpft wurde, in den Jahren 1806 – 1871 einigermaβen, wobei vor allem die Revolution 1848/9 als eine Zäsur betrachtet werden muss.

Die adligen Vorrechte im Preuβen des 19. Jahrhunderts sind grundsätzlich in zwei Gruppen zu unterscheiden. Erstens handelte es sich um Vorrechte, welche der Adlige aufgrund seiner unmittelbaren Zugehörigkeit zum rechtlich definierten Stand genieβen konnte, und zweitens um diejenigen Vorrechte, die mehr oder weniger an den Bodenbesitz gebunden waren. Diese Trennung wurde schon von dem Allgemeinen Landrecht aus dem Jahre 1794 festgelegt und wurde im 19. Jahrhundert kaum überwunden.60

Die an Bodenbesitz gebundenen Vorrechte hörten aber nach dem Jahr 1807 auf, ausschlieβlich adlig zu sein. Der nach dem Jahr 1807 ermöglichte Zugang zu den Rittergütern auch für die Bürgerlichen brachte die Aufhebung des adligen Monopols zu diesen Rechten mit sich. Es war danach möglich, die mit dem Rittergutsbesitz verbundenen Rechte zu genieβen, ohne dem Adelsstand rechtlich überhaupt angehören zu müssen. Die Schaffung eines neu definierten Ritterstandes aufgrund eines groβen, mindestens fünfjährigen Grundbesitzes in den Jahren 1823 – 1826, nicht aber aufgrund der Adelszugehörigkeit, bedeutete schon eine klare Trennung konkreter Vorrechte von der rechtlichen Kategorie des Adelsstandes und ihre Anknüpfung an den nicht mehr nur den Adligen zugänglichen Bodenbesitz.61

60 Zum folgenden im Wesentlichen: Hans HATTENHAUER (Ed.), Allgemeines Landrecht für die Preuβischen Staaten von 1794. Textausgabe, Frankfurt am Main – Berlin 1970, S. 535-536, Teil IX, § 34 – 50.

61 Herbert OBENAUS, Anfänge des Parlamentarismus in Preuβen, Düsseldorf 1984, S. 151 – 188.

Reinhart KOSELLECK, Preuβen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Stuttgart 1975, S. 370 – 376.

Der neu geschaffene Ritterstand setzte sich aus einer Mischung von adligen und bürgerlichen Rittergutsbesitzer zusammen. Weiterhin machte der Adel in der Regel die Mehrheit aus, die rechtlichen Systemvoraussetzungen für seine Dominanz gab es jedoch nicht mehr.62

Die wichtigsten von diesen aus dem Grundbesitz abgeleiteten Vorrechten blieben bis zum Jahr 1848 den bürgerlichen sowie den adligen Rittergutsbesitzer erhalten. Es handelte sich vor allem um die Patrimonialgerichtsbarkeit, die Polizeiverwaltung oder das Kirchen-und Schulpatronat.63 Weiter wurden die Rittergutsbesitzer durch verschiedene Vorzüge in den Kreis- und Gemeindeordnungen privilegiert, konnten ihre Jagdprivilegien ausüben, günstiger ihren Besitz durch Fideikommisse und Majorate sichern und bekamen gewisse Steuerprivilegien.64 Ein kleiner Teil dieser Privilegien überdauerte in bestimmten Teilen Preuβens in verschiedener Form sogar das Jahr 1848, spielte aber in Schlesien nach der Revolution keine bedeutende Rolle mehr.

Diese direkt aus dem Grundbesitz abgeleiteten Vorrechte waren zwar ziemlich umfangreich, hatten aber vermutlich nur ein kleines Potential, die Nobilitierung mit einer beträchtlichen gesellschaftlichen Attraktivität aufzuladen und wurden noch dazu in den Jahren 1848/9 gröβtenteils aufgehoben.65 Ein bürgerlicher Rittergutsbesitzer hätte auch ohne eine Adelsverleihung alle diese Vorrechte genieβen können, wobei einem nobilitierten Neuadligen ohne Grundbesitz sie ohne Ansicht seiner Adelszugehörigkeit versperrt blieben.

Ein anderer Fall trat aber bei denjenigen adligen Vorrechten ein, welche nach der Nobilitierung jeder Adlige unbeachtet seiner Bodenbesitzverhältnisse gewann, und welche konsequenterweise die Lage aller Nobilitierten betrafen. Die wesentlichen Rechte, welche die Nobilitierten durch die Adelsverleihung bis 1848 unmittelbar erwarben und die zumeist auch nach dem Jahr 1848 erhalten wurden, war der starke Schutz der adligen Namen, Titel und

62 Vgl. dazu: Heinz REIF, Westfälischer Adel 1770 – 1860. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite. Göttingen 1979, S. 186 – 195.

63 Vgl.: Monika WIENFORT, Patrimonialgerichte in Preuβen. Ländliche Gesellschaft und bürgerliches Recht 1770 - 1848/49, Göttingen 2001. Aus der rechtsgeschichtlichen Perspektive:

Sabine WERTHMANN, Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit. Ein Beitrag zur deutschen Justizgeschichte des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1995, S. 17 – 34, 75 – 140.

64 Heinz REIF, Adelspolitik in Preuβen zwischen Reformzeit und Revolution 1848, in: Hans Peter Ullmann – Clemens Zimmermann (Hrsg.), Restaurationssystem und Reformpolitik. Süddeutschland und Preuβen im Vergleich, München 1996, S. 199 – 224. Hans Wilhelm ECKARDT, Herrschaftliche Jagd, bäuerliche Not und bürgerliche Kritik. Zur Geschichte der fürstlichen und adligen Jagdprivilegien vornehmlich im südwestdeutschen Raum, Göttingen 1976, S. 195 – 255.

65 Vgl.: Monika WIENFORT, Patrimonialgerichte in Preuβen. Ländliche Gesellschaft und bürgerliches Recht 1770 - 1848/49, Göttingen 2001, S. 322 – 352.

Wappen und der privilegierte Gerichtsstand.66 Der Adel hatte auβerdem das Vorrecht des Hofzugangs, konnte bestimmte Hofwürden erlangen, zum Mitglied bestimmter Erziehungsanstalten und Akademien werden, und einzelne Adelsstiftungen zählten die Adelszugehörigkeit zu den wichtigen Kriterien für die Erteilung von verschiedenen Formen ihrer Förderung.67

Es waren gerade die letzterwähnten Vorrechte, welche den Adelsstand nicht nur vor, sondern auch nach dem Jahr 1848 für alle potentielle Adelsadepten mit einer gewissen gesellschaftlichen Attraktivität aufluden. Für die Nobilitierten eröffnete der Zugang zu verschiedenen adligen Stiftungen und Anstalten eine oft erstrebenswerte Möglichkeit, ihren Nachkommen eine höher geschätzte Ausbildung und Erziehung zu gönnen und somit den sozioökonomischen Status der Familie zu verbessern. Die Adelsverleihung verstärkte im Kontext einzelner Familien ein auf lange Sicht sich akkumulierendes symbolisches und kulturelles Kapital, welches in den vorherigen Generationen mit groβem Aufwand gesammelt wurde. Das Recht des Hofzugangs oder der Erlangung der Hofwürden kam für die nobilitierten Personen in der Regel kaum in Betracht, die formelle Zugehörigkeit zum Adel erhöhte aber Chancen der zukünftigen Familiengenerationen, irgendwann in die höchsten gesellschaftlichen Kreise aufzusteigen, und das sowohl in den zivilen als auch in den militärischen Laufbahnen.

Der Preis, um den in der Breslauer Aufstiegsarena gekämpft wurde, war also vielleicht auf den ersten Blick nicht besonders reizvoll, in der längeren Perspektive konnte er aber den Gewinnern erhebliche Erträge bringen. Die Adelsverleihung beinhaltete einen zwar sehr schwer messbaren, aber nicht unbedeutenden Vorteil. Das symbolische Kapital, welches durch die Adelsverleihung erworben werden konnte, war in einer Gesellschaft, wo der Adel durch das ganze 19. Jahrhundert eine der prominentesten Rollen spielte, besonders attraktiv, auch wenn daraus keine unmittelbaren Begünstigungen hervorgehen mussten. Einen Adelstitel zu haben, bedeutete unzweifelhaft die Erreichung eines markanten Punktes auf dem gesellschaftlichen Weg nach oben.

66 Konrad BORNHAK, Deutsches Adelsrecht, Leipzig 1929, S. 54 - 66.

67 Hans BEHA, Die geschichtliche Entwicklung des Adelungswesens in Deutschland, Der Deutsche Roland 13 (1925), S. 505 – 557.

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