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Dauerhafte Ergebenheit… die Offiziere

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 196-0)

3. Innere Struktur des neuen Adels

3.2 Österreich

4.2.1 Dauerhafte Ergebenheit… die Offiziere

Auch in dem böhmischen Fall darf erwartet werden, dass die Offiziere unter den nobilitierten Gesellschaftssegmenten an erster Stelle stehen, und auch hier ist prinzipiell gültig, dass die aus dem Militärdienst abgeleiteten Argumente für eine Nobilitierung v.a. von der Offiziersschicht hervorgebracht wurden. Im Unterschied zu Schlesien kann aber gesagt werden, dass der militärische Dienst und die sich daraus ergebenden Qualifikationen für den Adelsstand sehr selten um andere Argumente bereichert wurden und in der Regel so für die Nachweisung des Adelsanspruches der Offiziere alleine ausreichten.

Die Hauptursache dafür ist in der schon früher behandelten österreichischen Institution des „systemmäβigen Adels“ zu sehen, in dem ein entsprechend langer Militärdienst einen automatischen Nobilitierungsanspruch stiftete. In vielen Fällen der böhmischen Offiziersnobilitierungen beruhten so die Argumentationen gerade auf der langen Dienstzeit, ohne dass irgendwelche anderen Qualifikationen nötig gewesen wären.

Als ein typisches Beispiel kann die im Jahre 1811 erfolgte Adelsverleihung an den Militärhauptmann Karl Hausenblase dienen. Zur Zeit der Einreichung seines Nobilitierungsantrags handelte es sich um einen langjährigen Offizier der österreichischen Armee, der während seines mehr als dreiβigjährigen Militärdienstes keinen Feldzug verpasste.

Trotz seiner häufigen Kriegseinsätze - zwischen den Jahren 1778 und 1805 befand er sich insgesamt elf mal auf dem Schlachtfeld - wurde er aber in den Augen seiner Vorgesetzten keineswegs als ein auβerordentlicher Soldat betrachtet. Die Armee bezeichnete ihn als einen

„mittelmäβig“ talentierten Offizier, dessen positives Bild eigentlich nur darin bestand, dass er nicht dem „Trunke“ und dem „Spielen“ ergeben sei und kein „Zänker“ und „Schuldmacher“

sei.176

Bei der Ausformulierung seines Adelsgesuches bezog sich Hausenblase auch auf keine konkreten Verdienste, sondern argumentierte nur mit der Länge und dem Ablauf seines Militärdienstes:177

176 Conduitt Liste von Karl Hausenblase, ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Karl Hausenblase von Ehrenhelm, fol. 8.

177 Nobilitierungsantrag von Karl Hausenblase, ebenda, fol. 5.

„Ich habe das Glück, bereits über 30 Jahren zu allerhöchsten K.K. Kriegsdiensten zu sehen zu welchen ich die Ränge eines Grenadiers, Cadetts, Unterlieutnants, Lieutnants, Capitains und Hauptmanns erreicht habe.“

Solche Argumentation wurde auch seitens des Staates vorbehaltlos aufgenommen. Im Rahmen der „systemmäβigen“ Adelsverleihungen beschränkten sich alle staatlichen Stellen nur auf die Beibringung und Überprüfung der wichtigen Beweise über die Dauer des Militärdienstes des Kandidaten. Sobald es dann klar war, dass der jeweilige Adelsanwärter tatsächlich in der Armee der kaiserlichen Majestät lang genug gedient hatte, wurde die Nobilitierung automatisch empfohlen und konsequenterweise auch durchgeführt.178

Diese Praxis zeigte dabei, im Unterschied zu Schlesien, durch die ganze Zeit hindurch keine Veränderung. Während die schlichte Betonung der Militärkarrieren in Schlesien seitens des Staates als ausreichender Nobilitierungsgrund nur in den ersten dreiβig Jahren des 19.

Jahrhunderts beachtet wurde, war das in Böhmen eigentlich in dem ganzen untersuchten Zeitraum der Fall. Bei einem genügend langen Militärdienst wurden weder der Besitz, noch die gesellschaftlichen Kontakte und die Anerkennung seitens des hohen Adels oder andere Qualifikationen in Betracht genommen, manche äuβerst negativen Umstände der militärischen Adelsanwärter wurden sogar übergangen.179

So war es zum Beispiel im Jahr 1856 für den in Prag lebenden Armeehauptmann Leonard Hammer möglich, den österreichischen Ritterstand zu erwerben, auch wenn er zur Zeit der Adelverleihung zwar ledig war, aber zwei uneheliche Söhne hatte.180 Diese Tatsache versuchte er bei dem ganzen Verfahren auch gar nicht zu verheimlichen, eher im Gegenteil.

178 ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Karl Hausenblase von Ehrenhelm, fol. 9 – 25.

179 Die Aufzählung einzelner Beispiele wäre hier äuβerst lang und eintönig. Ganz typisch für den ganzen Zeitraum 1806 - 1871 z. B. die in dem Jahre 1810 erfolgte Adelsverleihung an den Infanterie-Hauptmann Franz Xavier Mayer, im Jahr 1845 an den Infanterie-Hauptmann Joseph Jäger oder im Jahr 1856 an den Hauptmann Wenzel Pappelberg: ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Franz Xavier Mayer, fol. 1 – 8. ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Joseph Jäger, fol. 9 – 28. ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Wenzel Pappelberg, fol. 1 – 10.

Zusammenfassend: Jan ŽUPANIČ, Systematizované šlechtictví v podunajské monarchii, in: František Stellner – Martin Kovář (Hrsg.), Staletí objevů, diplomacie a válek. Sborník k 60. narozeninám profesora Aleše Skřivana, Praha 2005, S. 525 – 533. Tomáš KREJČÍK, Výzkum nobilitovaných osob z Českých zemí v letech 1806 – 1918, in: Petr VOREL (Ed.), Heraldica Viva II. Sborník příspěvků z konference českých, moravských a slezských heraldiků konané ve dnech 21. – 22. října 1999 v Pardubicích, Pardubice 2002, S. 95 – 96.

180 Abschrift der Conduit Liste von Leonard Hammer, ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Leonard Hammer, fol. 12

Er beantragte die Verleihung des Ritterstandes nicht nur für sich selbst, sondern gerade auch für die Söhne:181

Die Gewährung dieser tief ergebendsten Bitte würde den Gefertigten als Familienvater um so mehr beglücken, wenn zugleich seinen beiden schon legitimierten Söhne – welche auch schon das Glück genieβen, in der allerhöchsten Armee als Unteroffiziere zu dienen und wovon der ältere bereits den Feldzug 1849 in Italien mitmachte – der Adel des Vaters verliehen würde.

Auch diese Tatsache, dass der Adelsanwärter zwei zwar rechtlich legitimierte, aber uneheliche Söhne hatte und den Adelstitel sogar für sie verlangte, stellte für die staatlichen Stellen kein Hindernis für die Adelsverleihung dar. Hammer diente in der Armee mehr als dreißig Jahre und daher wurde er problemlos, vollständig und auch mit seinen Söhnen nobilitiert.182

Wie dieses Beispiel zeigt, gab es für die Offiziere nach dem entsprechend langen Dienst kaum andere Kriterien für die Nobilitierung. Der lange aktive Dienst fungierte selbst als die einzige Adelsqualifikation und hatte dabei das Potential, eigentlich alle anderen negativen und positiven Argumente für die Adelsverleihung zu überdecken. Die

„systemmäβige“ Adelsverleihung war aber nicht der einzige Fall, in dem die Adelsanwärter ihre militärischen Verdienste für ihren Adelsanspruch instrumentalisierten. Nicht jeder Offizier, der sich für den Adelstand qualifiziert fühlte, konnte eine so lange Armeezeit vorweisen, und einige mussten daher auch durch das übliche Nobilitierungsverfahren durchgehen, in dem andere Qualifikationen vorgewiesen werden mussten.

Die Begründung ihres Adelsanspruches wurde zwar in der Regel ebenso aus ihrem Militärdienst abgeleitet, durfte aber nicht auf einer schlichten Betonung von dessen Länge beruhen. Eine besonders günstige Situation ergab sich für solche Offiziere dabei, ähnlich wie in Schlesien, im Zusammenhang mit den napoleonischen Kriegen. Der aktive Kriegseinsatz lieferte zahlreiche Argumente, die den Adelsanspruch auch bei unzureichender Dienstlänge untermauern konnten.

In der Mehrheit nahmen für solche Adelsverleihungen konkrete Heldentaten und Auszeichnungen auf dem Schlachtfeld die Rolle des Hauptargumentes ein. So argumentierte

181 Antrag von Leonard Hammer auf die Verleihung des österreichischen Ritterstandes vom 27. Juni 1856, Ebenda, fol. 18 – 20.

182 Ritterstandsdiplom für Leonard Hammer, Ebenda, fol. 3 – 8.

zum Beispiel der im Jahr 1811 nobilitierte Hauptmann Franz Linder mit seiner aktiven Teilnahme an der Schlacht mit den französischen Truppen bei Bienenwalde im Oktober 1793, wo er sich durch „vorbildliches Verhalten“ auch mehrere militärischen Auszeichnungen erwarb.183 Der Militärhauptmann Friedrich Hoffmann betonte dann bei der Begründung seines Adelsanspruches seine kriegerische Erfahrungen und Heldentaten aus sogar fünf Schlachten zwischen den Jahren 1793 und 1805.184

Ähnlich wie in Schlesien wurden bei Bedarf und Möglichkeit die aus den militärischen Verdiensten abgeleiteten Argumentationsstrategien für die Erreichung des Adelstandes auch um das militärische Engagement der breiteren Familie, am ehesten der männlichen Nachkommenschaft, erweitert. Ein typisches Beispiel liefert die im Jahre 1810 erfolgte Adelsverleihung an den Hauptmann Johann Hermany. Hermany war ein verarmter Offizier, der zu der Zeit, als er um die Adelsverleihung zu streben begann, zwar in der Armee ziemlich lange gedient hatte, jedoch seine eigenen Militärverdienste für die Adelsverleihung als nicht ausreichend betrachtete. Die Tatsache, dass er in den meisten Feldzügen gegen Frankreich nicht direkt eingesetzt wurde und daher keine konkreten Heldentaten auf dem Schlachtfeld vorweisen konnte, versuchte er vor den staatlichen Stellen durch die militärische Ergebenheit seiner zwei Söhne zu mildern. Nach der Vorstellung seiner zwar langen, jedoch nicht besonders reichen Militärkarriere und der Schilderung seiner materiellen Not, aufgrund der er um die Erlassung der entsprechenden Gebühren bat, trug er noch nach:185

„Noch widmen sich jedoch zwei Söhne als Oberoffiziers dem Dienste des Vaterlands, der eine als Lieutnant des Infanterie Regiments…, der andere als Adjutant.“

Genau diese Tatsache, dass neben dem Vater sich auch die Söhne für eine Militärkarriere entschlossen, spielte bei der Beurteilung Hermanys’ Nobilitierungsantrages eine sehr wichtige Rolle. Ähnlich wie in Schlesien bei der Nobilitierung des Majors Dellen, war ein Bild der breiten Familie, die ihr ganzes Leben dem Staatsdienst in der Armee weihte, für den Staat überzeugend genug, um einen Adelstitel verleihen zu können. Die Ergänzung der nicht gerade überzeugenden Militärkarriere des Bittstellers mit der Militärergebenheit

183 Vgl.: Herder Institut Marburg, Quellensammlung, Sig. DSHI 140, Schlesien 230, Lindner

184 Vgl.: Herder Institut Marburg, Quellensammlung, Sig. DSHI 140, Schlesien 230, Hoffmann. ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Friedrich Hoffmann, fol. 12

185 Vgl. z. B.: ÖStA Wien, AVA, Adelsarchiv, Nobilitierungsakten, Johann Richard Hermany von Heldenberg, fol. 15- 16

seiner ganzen Familie bewirkte unübersehbar die positive Erledigung des Adelsgesuches.186 Der Adelstand wurde dem Hauptmann Hermany vorbehaltlos verliehen und das auch mit der erbetenen Erlassung der Gebühren.

Wie schon angemerkt wurde, spielten auch in Böhmen am Anfang des 19.

Jahrhunderts die Kriege gegen Frankreich bei den Adelsverleihungen an die Offiziere und somit auch bei der Instrumentalisierung von militärischen Argumenten eine wichtige Rolle.

Die Mehrheit der böhmischen militärischen Nobilitierungen, welche nicht „systemmäβig“

verliehen wurden, konzentriert sich gerade im ersten Drittel des Jahrhunderts, als eine gröβere Anzahl von Soldaten einen direkten militärischen Einsatz und damit auch direkte militärische Verdienste erwerben konnte. Nach dem Ausklang dieser mit den Kriegen direkt verknüpften Adelsverleihungen wurde schon eine große Mehrheit der Offiziere aufgrund des

„systemmäβigen“ Adels nobilitiert, also eigentlich ohne irgendwelche Argumente für die Adelsverleihung vorlegen zu müssen und auch ohne Abwägung solcher Argumente seitens des Staates.187 Gerade das Phänomen dieser automatisch verliehenen Nobilitierungen macht den wesentlichen Unterschied zu Schlesien aus und erschwert damit auch den Vergleich.

Wenn wir aber trotzdem den vergleichenden Blick auf die von den Offizieren benutzten Argumentationsstrategien der Adelszugehörigkeit werfen, überrascht nicht, dass die aus dem militärischen Dienst abgeleiteten Argumente in beiden Fällen fast vollständig gerade von den Offizieren instrumentalisiert wurden und seitens des Staates im Groβen und Ganzen auch angenommen wurden. Sowohl in Böhmen als auch in Schlesien bildeten die militärischen Verdienste in den ersten dreiβig Jahren des 19. Jahrhunderts den Kern der Argumente, welche die Offiziere für die Begründung ihrer Adelsansprüche benutzten.

In beiden Fällen wurden diese persönlichen Verdienste bei Bedarf und Möglichkeit seitens der Adelsadepten noch um den militärischen Dienst weiterer Mitglieder der Familie ersetzt, in der Regel der Söhne, und auch diese Argumentation fand bei dem Staat eine volle Aufnahme. Die militärische Karriere und die damit verknüpften Argumentationsstrategien zur Erreichung des Adelsstandes wurden in beiden Fällen in den ersten dreiβig Jahren des 19.

Jahrhunderts seitens des Staates eindeutig als für den Adelsstand genügende Qualifikation betrachtet, was grundsätzlich dem Engagement Preuβens und Österreichs in den Kriegen gegen Frankreich zu verdanken war.

Nach dem Ausklang der Kriege und somit auch nach dem Ausklang der mit den Kriegen einhergehenden Adelsverleihungen können aber Unterschiede beobachtet werden.

186 Ebenda, fol. 2 – 5.

187 Jan ŽUPANIČ, Nová šlechta rakouského císařství, Praha 2006, S. 119 – 123.

Im Dokument Staat, Adel und Elitenwandel. (Seite 196-0)