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2 Literaturübersicht

2.5 Epidemiologie

2.5.2 Campylobacteriose des Menschen

2.5.2.1 Virulenzfaktoren

Zur Induktion einer Erkrankung ist ein Bakterium auf Eigenschaften angewiesen, die ihm das Überleben im fremden Organismus ermöglichen. Weiter sind verschiedene Eigenschaften von Bedeutung, die eine Interaktion mit den Zellen des umliegenden Gewebes oder aber die Bildung toxischer Substanzen erlauben. Diese verschie-denen Eigenschaften werden auch als Virulenzfaktoren bezeichnet. Für die Induktion einer Erkrankung mit Campylobacter spp. können nach HU und KOPECKO (2000) mindestens drei verschiedene Mechanismen angenommen werden. Als Erstes ist dies die intestinale Adhäsion aufgenommener Organismen und die Produktion von Enterotoxinen mit der Folge einer sekretorischen Diarrhö. An zweiter Stelle steht die bakterielle Invasion von Zellen der intestinalen Mucosa, gefolgt von intrazellulärem Bakterienwachstum mit Wirtszellschädigung. Die klinische Folge ist eine inflammatorische Diarrhö. Die dritte Form ist der Übertritt in das lymphatische System mit der Folge einer weiten Ausbreitung in andere Organe und verschiedener Krankheitserscheinungen. Dennoch sind die genauen Vorgänge und molekularen Mechanismen der Pathogenese noch weitgehend unbekannt, da sie vielfach multifaktorielle Eigenschaften aufweisen (KETLEY 1997).

Für die Ansiedlung von Campylobacter im Darm sind verschiedene Mechanismen von Bedeutung. Zuerst muss das Bakterium sein Umfeld auf der Darmschleimhaut erreichen und in die Muzinschicht eindringen. Dies erfordert die Fähigkeit zur Chemotaxis sowie Motilität. Das Bakterium muss bestimmte chemische Gradienten erkennen und sie durch Eigenbewegung erreichen können. TAKATA et al. (1992) konnten die Bedeutung der Chemotaxis bei Untersuchungen nicht-chemotaktischer Mutanten aufzeigen. Diese Mutanten waren nicht in der Lage, junge Mäuse zu kolonisieren, obwohl sie beweglich waren, gut ausgebildete Flagellen und eine normale Zellmorphologie hatten. Als wichtige chemotaktisch wirkende Substanzen

wurden Muzin, L-Serin und L-Fucose sowie Gallensalze nachgewiesen.

Gallensäuren hatten eine gegensätzliche Wirkung. Das Vorhandensein von L-Fucose sowohl in der Gallenflüssigkeit als auch in Muzin scheint von großer Bedeutung für die Affinität von Campylobacter zur Besiedlung des Darmtraktes zu sein (HUGDAHL et al. 1988). Campylobacter haben aufgrund ihrer gewundenen Form und der Flagellen gute Vorraussetzungen, sich in unterschiedlich stark viskösen Medien fortzubewegen. In der Tat ist diese Fähigkeit besser ausgeprägt als bei anderen Stäbchen-Bakterien, zudem erfolgt eine Anpassung der Zellform an veränderte Viskositätsbedingungen. Das Eindringungsvermögen in die Mukusschicht ermöglicht es Campylobacter, auf der Darmschleimhaut zu verbleiben, ohne gezwungener-maßen eine Adhäsion an Wirtszellen durchführen zu müssen. Das Bakterium kann in den Darmkrypten verweilen, das Muzin als Substrat verwerten und sich dort vermehren (LEE et al. 1986, BEERY et al. 1988, FERRERO u. LEE 1988).

Neben dem Eindringen in die Muzinschicht ist Campylobacter auch in der Lage, sich an Darmzellen zu binden. Die Anbindung an Zellen ist wichtig für die Koloniserung des Wirtes, da sie ein mechanisches Fortspülen der Bakterien verhindert. Diese Adhäsion geschieht über so genannte Adhäsine und ermöglicht eine Zell-zu-Zell-Verbindung auf molekularer Ebene. DOIG et al. (1996) konnten bei C. coli und C. jejuni ein Wachstum Pili-ähnlicher Strukturen bei Anwesenheit von Desoxycholat beobachten. Ein C. jejuni-Mutant ohne Pili zeigte zwar gleiche Adhäsions- und Invasionseigenschaften, rief aber deutlich geringere Krankheitssymptome bei Versuchen mit Frettchen hervor, was eine Bedeutung dieser Strukturen für die Virulenz von Campylobacter zeigt.

Ein weiteres mögliches Adhäsin stellt das Flagellum dar. Es zeigte sich, dass Zellen ohne diese Struktur ein deutlich geringeres Anhaftungsvermögen haben als Zellen mit Flagellum (MCSWEEGAN u. WALKER 1986). Das Flagellum besteht aus den Proteinen FlaA und FlaB. YAO et al. (1994) untersuchten Mutanten von C. jejuni mit unterschiedlichen Veränderungen in den Flagellen. Sowohl Veränderungen in der Struktur der Flagellen als auch ihre Paralysierung führten zu einer Herabesetzung der Adhäsionseigenschaften. Die Autoren sahen diese Struktur als sekundäres Adhäsin an, da es zwar eine Anbindung ermöglicht, aber diese keine Invasion

induziert. Weitere Adhäsine stellen eine Reihe von Outer-Membrane-Proteinen (OMP) dar (DE MELO u. PECHERE 1990, KERVELLA et al. 1993). Eines dieser Proteine ist PEB1, das an eukaryotische Zellen binden kann (PEI u. BLASER 1993).

LPS haben bei Campylobacter, wie bei anderen Gram-negativen Bakterien auch, eine Bedeutung als Adhäsine (MCSWEEGAN u. WALKER 1986). Diese Komponenten sind die hauptsächlichen Oberflächenantigene. Sie haben Immun-system-stimulierende und starke Lymphozyten- und Granulozyten-aktivierende Eigenschaften sowie ein breites Spektrum an Endotoxin-Aktivität. Die Syalinisierung der Oligosaccharide einiger C. jejuni-Serotypen zeigt eine ähnliche Struktur wie die menschlicher Ganglioside. Daher wird angenommen, dass Antikörper gegen diese Moleküle eine Rolle bei der Ausprägung des Guillain-Barré-Syndroms spielen (HU u.

KOPECKO 2000).

Die Invasion in epitheliale Mukosazellen wird als bedeutender Pathogenese-mechanismus bezeichnet, wie sich durch Entzündungsreaktionen und Bakteriämie vermuten lässt. Jedoch sind bisher in-vivo-Fälle epithelialer Invasionen nur vereinzelt beschrieben (KETLEY 1997). Die Fähigkeit von Campylobacter, in Zellen ein-zudringen, scheint stammabhängig zu sein. Zudem sind klinische Isolate invasiver als nichtklinische (KONKEL u. JOENS 1989). Ein wichtiger Faktor für die Invasion ist die vorhandene Motilität. WASSENAAR et al. (1991) zeigten, dass unbewegliche Stämme von C. jejuni in vitro nicht in der Lage waren, in Zellen zu penetrieren.

Campylobacter können in verschiedene Zelllinien eindringen. Diese Fähigkeit scheint bei humanen Zelllinien effektiver zu erfolgen als bei tierischen Zellen (FAUCHERE et al. 1986, DE MELO u. PECHERE 1988, EVEREST et al. 1992, HU u. KOPECKO 2000). Nach der Invasion in Wirtszellen muss ein Bakterium in der Lage sein, innerhalb der Zelle zu überleben oder sich in ihr zu vermehren. KIEHLBAUCH et al.

(1985) untersuchten die Überlebensfähigkeit von C. jejuni in Phagozyten. Obwohl es innerhalb von 96 Stunden zu einer Zelldegradation der spiraligen Morphologie hin zu kokkoiden Formen von Campylobacter kam, war der Organismus bis zu sechs Tagen intrazellulär überlebensfähig. DE MELO et al. (1989) hingegen konnten in HEp-2-Zellen eine Degradation bereits nach 9 Stunden sowie einen starken Abfall der intrazellulären Campylobacter innerhalb von 36 Stunden feststellen und folgerten

daher, dass dieser Zelltyp ein schlechteres Milieu für das Überleben von Campylobacter darstellt. Untersuchungen zum Überleben von C. jejuni in Monozyten und Makrophagen zeigten, dass die Bakterien in der Regel innerhalb von 24 bis 48 Stunden abgetötet werden. In 10 % der Fälle erfolgte jedoch keine Abtötung. Dies lässt folgern, dass Patienten mit einer Campylobacter-Infektion und zur Tötung phagozytierter Bakterien unfähiger Makrophagen ein erhöhtes Risiko der Bakteriämie haben (WASSENAAR et al. 1997).

Für das Überleben innerhalb der Wirtszelle werden unter anderem Mechanismen gegen die zur Abtötung intrazellulärer Bakterien eingesetzten Sauerstoffver-bindungen und Superoxide vermutet (PESCI et al. 1994, DAY, Jr. et al. 2000). Neben der Invasion in Zellen scheinen Campylobacter auch zur Transzytose befähigt zu sein, ohne ein Aufbrechen der Tight-Junctions zur Folge zu haben (EVEREST et al.

1992).

2.5.2.1.1 Toxine

Außer der direkten invasiven Wirkung von Bakterien sind für Erkrankungen häufig auch Toxine von Bedeutung, die entweder den Stoffwechsel der umgebenden Zellen beeinflussen (Enterotoxine) oder aber direkte zellschädigende Wirkungen haben können (Zytotoxine).

Enterotoxine wie die Toxine von Vibrio cholerae (CT) und das ähnliche hitzelabile Toxin (LT) von E. coli sind sekretierte Proteine. Sie binden an Rezeptoren von intestinalen Epithelzellen und führen über eine Modifizierung des G-Proteins zu einer Anhebung des zyklischen AMP (cAMP) und weiterer Faktoren mit der Folge einer erhöhten Sekretion von Flüssigkeit und Elektrolyten in das Darmlumen (SPANGLER 1992). Im Gegensatz dazu führen Zytotoxine zur Zerstörung der Zielzelle, wobei verschiedene Mechanismen der Zellschädigung vorkommen. Einerseits ist die Wirkung auf die Zellmembran mit Lysis und Porenbildung beschrieben, andererseits gibt es auch Toxine, die die Proteinsynthese der Zielzelle hemmen und damit zu ihrem Untergang führen (SCHMITT et al. 1999).

In einer Veröffentlichung von WASSENAAR (1997) wurde der aktuelle Wissensstand zur Toxinproduktion von Campylobacter diskutiert. Für Campylobacter wurde die Produktion eines Enterotoxins sowie von Zytotoxinen beschrieben. Bei Unter-suchungen zur Enterotoxinbildung stellte sich heraus, dass einige Stämme zu deren Bildung fähig sind, andere wiederum nicht. Das macht eine generelle Aussage über das Enterotoxin-Bildungsvermögen schwierig. Ebenso erschwert es eine Einschät-zung seiner Bedeutung im Zusammenhang mit einer Erkrankung. Bei den Zytotoxinen von Campylobacter handelt es sich um ein 70-kDa-Zytotoxin mit Wirkung auf HeLa-, CHO-, HEp-2- und INT407-Zellen, nicht aber gegen Vero-Zellen. Es ist hitzelabil und Trypsin-empfindlich. Ein weiteres Toxin mit höherer Wirkung gegen Vero- gegenüber HeLa-Zellen wird als Vero/HeLa-Zytotoxin bezeichnet. Das Cytolethal-distending-Toxin (CDT) wirkt gegen CHO-, Vero-, HeLa- und HEp-2-Zellen und führt zu einem Anstieg des intrazellulären cAMP-Levels in CHO-Zellen, ähnlich der Wirkung von Enterotoxinen. Erst bei einer längeren Einwirkzeit kam es zum Zelltod (JOHNSON u. LIOR 1988). WHITEHOUSE et al. (1998) beschrieben die Wirkung des CDT mit einer Blockierung des Zellzyklus von HeLa-Zellen in der G2 -Phase, was zum Untergang der Zellen führte. Als weitere Zytotoxine wurden ein Hämolysin und ein Hepatotoxin beschrieben (WASSENAAR 1997).

MOORE et al. (1988) beschrieben ein Toxin mit Shiga-like-Wirkung, wenn es durch mononukleare Antikörper gegen das Shiga-like-Toxin 1 neutralisiert werden konnte und bezeichneten es daher als Shiga-like-Toxin. Jedoch wurde das Toxin nur in geringen Mengen von einigen Campylobacter-Stämmen gebildet. HÄNEL et al.

(1998) beschrieben zwei Zytotoxine. Eins stellte sich als äquivalent zu CDT heraus, während das andere als CLRT bezeichnet wurde (Cytolethal-rounding-Toxin), das zu einer Abrundung von CHO-Zellen führte.

Einen zytotoxischen Effekt assoziiert mit einem Porin-Lipopolysaccharid stellten BACON et al. (1999) fest. Eine weiterführende Untersuchung dieses auch als PorA bezeichneten Proteins erbrachte, dass es keine zytotoxische Wirkung hat und daher nicht als Zytotoxin bezeichnet werden kann (KHAN et al. 2005). Das derzeitige Wissen über die Toxine von Campylobacter spp. und deren Rolle für die in-vivo-Pathogenität sind noch nicht vollständig geklärt. Wenn auch viele Aspekte über die

Wirkungsmechanismen insbesondere von CDT in den letzten Jahren bekannt geworden sind, so bedarf es doch weiterführender Untersuchungen, um die noch offenen Fragen zu klären (WASSENAAR 1997, PICKETT 2000, CRUSHELL et al.

2004).