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2 Literaturübersicht

2.5 Epidemiologie

2.5.2 Campylobacteriose des Menschen

2.5.2.2 Erkrankung und Therapie

Die Infektionsdosis von C. jejuni wird vielfach mit ≥ 500 Zellen als sehr gering angegeben (ROBINSON 1981, WALLIS 1994). Untersuchungen zur Bestimmung der Infektionsdosis von BLACK et al. (1988) ergaben einen Bereich von 8 x 102 bis 2 x 109 Organismen, die zum Ausbruch einer Erkrankung führten. Dies bestätigte einerseits die mögliche Erkrankung mit einer niedrigen Dosis, zeigte aber auch, dass es keine klare Beziehung zwischen aufgenommener Dosis und einer möglichen Erkrankung gab.

Die Inkubationszeit der Campylobacteriose beträgt in der Regel zwei bis fünf Tage, in Ausnahmefällen ein bis zehn Tage (RKI 2005). SKIRROW und BLASER (2000) gaben eine mittlere Inkubationszeit von drei Tagen an und einen vertrauenswürdigen Bereich von ein bis sieben Tagen, der sich aus der Analyse verschiedener Ausbrüche ableiten ließ. Neben asymptomatischen Verlaufsformen ist die Erkrankung des Menschen in erster Linie durch eine inflammatorische Diarrhö mit Fieber und Bauchkrämpfen gekennzeichnet, die häufig selbstlimitierend ist und auf ein kurzes Prodromalstadium mit Fieber, Müdigkeit und Kopfschmerzen folgt. In der Regel hält die Symptomatik bis zu einer Woche an. Die Campylobacteriose ist nur schwer von akuten Gastroenteritiden durch andere Erreger wie Salmonella, Shigella oder Yersinia abgrenzbar.

Es können auch schwerere Verlaufsformen vorkommen sowie weitere extra-intestinale Folgeerkrankungen. Das Krankheitsbild kann bei Ausbleiben der Diarrhö ähnlich einer akuten Appendicitis erscheinen und somit unnötige chirurgische Eingriffe nach sich ziehen (ALLOS 2001, CRUSHELL et al. 2004, NACHAMKIN 2001). Eine Bakteriämie tritt selten auf (1,5 von 1.000 Fällen) und betrifft vornehmlich ältere Menschen (SKIRROW et al. 1993). Die bedeutendste Komplikation nach einer

Infektion mit C. jejuni stellt das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) dar. Das GBS ist eine Autoimmunerkrankung des peripheren Nervensystems, die üblicherweise zeitlich begrenzt ist. Allerdings können in einigen Fällen auch dauerhafte Nerven-schädigungen bleiben. Für den Zusammenhang der Entwicklung eines GBS in Folge einer C. jejuni-Infektion wurden insbesondere Gangliosid-ähnliche Strukturen in der Zellhülle von Campylobacter verantwortlich gemacht (NACHAMKIN et al. 1998).

Nach der Falldefinition des RKI (Robert-Koch-Institut) muss bei einer akuten Campylobacter-Enteritis mindestens eines der drei folgenden Symptome vorliegen:

Durchfall, krampfartige Bauchschmerzen und Fieber. Weiterhin sind ein labor-diagnostischer Nachweis sowie eine epidemiologische Bestätigung anzustreben, die gemäß IfSG (Infektionsschutzgesetz) zu melden sind (RKI 2004).

Für die Behandlung von Patienten mit einer Campylobacteriose ist die Zufuhr von Flüssigkeit zum Ausgleich der Verluste von höchster Bedeutung. Eine Behandlung mit Antibiotika spielt nur eine untergeordnete Rolle. Einerseits liegt dies an der hohen Selbstheilungsrate und zum anderen daran, dass sich Patienten in der Regel erst nach vier bis sechs Krankheitstagen einem Arzt vorstellen und somit bereits erste Zeichen einer Besserung erkennbar sind. Des Weiteren kann ein vorschneller Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von infektiösen Darmerkrankungen die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen fördern (SKIRROW u. BUTZLER 2000, OLDFIELD u. WALLACE 2001). Die Behandlung mit Antibiotika ist daher nur bei immunsuprimierten Patienten, hohem Fieber, Verdacht auf septische Streuung und schweren klinischen Verläufen üblich. Die Mittel der Wahl sind Erythromycin und Chinolone (RKI 2005).

2.5.2.2.1 Antibiotikaresistenzen

Der Einsatz von Antibiotika in der Behandlung von Campylobacteriose-Kranken beschränkt sich in der Regel auf besonders schwere Erkrankungsfälle, bei denen keine Besserung der Symptomatik eintritt, die systemische Verläufe der Erkrankung zeigen und an einer besonderen Anfälligkeit für Infektionskrankheiten oder einer Immundefizienz leiden (SKIRROW u. BUTZLER 2000).

Der vorschnelle Einsatz von Antibiotika auf einer breiten Basis birgt immer die Risiken von Resistenzentwicklungen, insbesondere wenn sich nicht an die Ein-nahmeschemata der behandelnden Ärzte gehalten wird. Auch dem Einsatz von Antibiotika in der Tierproduktion wird eine wichtige Rolle für Resistenzentwicklungen zugesprochen, wenn Antibiotika in großem Umfang zur Leistungsförderung, Gesund-erhaltung und Krankheitsvorbeugung eingesetzt werden (AARESTRUP u.

WEGENER 1999, WEGENER et al. 1999, WHITE et al. 2002).

Für die Behandlung der Campylobacteriose durch C. jejuni und C. coli war Erythromycin lange Zeit das Mittel der Wahl, und auch Ciprofloxacin aus der Gruppe der Fluoroquinolone wurde erfolgreich eingesetzt (NACHAMKIN et al. 2000, BUTZLER 2004). Seit den 90er Jahren gibt es jedoch vermehrt Berichte über steigende Resistenzentwicklungen in Europa und dem Rest der Welt, besonders im Bereich Fluoroquinolon-resistenter Campylobacter. Eine Studie von NACHAMKIN et al. (2002) zeigte den Anstieg Fluoroquinolon-resistenter Campylobacter-Human-isolate von 8,3 auf 40,5 % über einen Zeitraum von fünf Jahren. In einer Studie aus Finnland wurden C. jejuni-Isolate auf ihre Antibiotikaresistenz überprüft. 49 % waren resistent gegenüber Ciprofloxacin. 33 % dieser Isolate zeigten eine Multiresistenz, so dass eine signifikante Verbindung der Ciprofloxacin-Resistenz mit der Ausprägung einer Mulitiresistenz aufgezeigt werden konnte. Die Makrolid-Resistenz war mit 2 % allerdings sehr gering, so dass diese Antibiotikagruppe weiter als wirksames Therapeutikum eingestuft werden kann (ENGBERG et al. 2001). In Spanien waren 98,7 % der untersuchten C. jejuni-Isolate aus Broilern und 75 % der Isolate humaner Herkunft resistent gegenüber Ciprofloxacin (SAENZ et al. 2000).

Nachweise der epidemiologischen Zusammenhänge für die Übertragung von resistenten Campylobacter tierischer Herkunft auf den Menschen sind häufig schwierig, jedoch wird besonders der Einsatz von Enrofloxacin in der Veterinärpraxis für die Entstehung Ciprofloxacin-resistenter Humanisolate verantwortlich gemacht (GAUNT u. PIDDOCK 1996). SMITH et al. (1999) wiesen mittels molekularer Typisierung dieselben DNA-Fingerprints bei Isolaten aus Geflügelfleischprodukten und Humaninfektionen nach. BECKMANN et al. (2004) untersuchten 182 C. jejuni-Isolate auf ihre Nalidixinsäureresistenz zum Nachweis von Resistenzen gegen

Chinolone. 143 der Isolate, die aus Lebensmitteln von Geflügel und von Human-erkrankungen stammten, waren resistent gegen das getestete Antibiotikum.

Untersuchungen des für die Resistenz verantworlichen gyrA-Gens zeigten acht verschiedene Mutationstypen, wobei nur zwei das Gros der resistenten Stämme ausmachten. Beide Typen waren sowohl bei den Isolaten humaner Herkunft als auch von Broilern vertreten. Ein epidemiologischer Zusammenhang für die Häufigkeits-verteilungen wurde jedoch nicht nachgewiesen. Die steigende Resistenzsituation in der Tierproduktion und der Nachweis von dort stammenden Resistenzen bei Humaninfektionen geben Grund zur Sorge und sollten einen weltweit bedachteren Einsatz antimikrobieller Therapeutika nach sich ziehen. Denn neben dem möglichen Wegfall effektiver Behandlungsmaßnahmen zeigte sich auch eine Veränderung der Virulenzeigenschaften resistenter Campylobacter-Stämme. Untersuchungen von Erkrankungsfällen mit Fluoroquinolon- und Makrolid-resistenten Campylobacter-Stämmen ergaben, dass eine längere Erkrankungszeit und ein erhöhtes Risiko der Morbidität besteht als bei der Erkrankung an sensiblen Stämmen (MOLBAK 2005).

2.6 Campylobacter: Vorkommen bei Wirtschaftsgeflügel

Die vorhergehende Betrachtung zum Vorkommen von Campylobacter bei warmblütigen Wirbeltieren zeigt eine weite Verbreitung sowohl bei Wildvögeln als auch bei Wirtschaftstieren und Haustieren (Kapitel 2.5.1).

Obwohl für frisch geschlüpfte Hühner und Puten eine transiente wässrige Diarrhö nach Erstkontakt mit C. jejuni beschrieben worden ist (SHANE 1992), erkranken die Tiere in der Regel nicht, weshalb Campylobacter auch als gewöhnlicher Kommensale der Darmflora von Wildvögeln und Wirtschaftsgeflügel angesehen wird (ANNAN-PRAH u. JANC 1988, STERN et al. 1988, PARK 2002, LEE u. NEWELL 2006).

Nach experimenteller Inokulation von Geflügel können Campylobacter im Darm, hauptsächlich im Blinddarm und Dickdarm, sowie in der Kloake nachgewiesen werden. Insbesondere für den Blinddarminhalt sind Isolierungsraten zwischen 105 bis 109 KbE/g beschrieben worden (GRANT et al. 1980, STERN et al. 1995,

CAWTHRAW et al. 1996). Dort kommt es zu einer Ansiedlung in den Krypten und in der Mukusschicht (BEERY et al. 1988). Mit der optimalen Wachstumstemperatur von 42 °C, der Möglichkeit, sich in Mukus fortzubewegen, sowie der mikroaerophilen Eigenschaft sind thermophile Campylobacter gut an die Bedingungen im Darmtrakt von Vögeln angepasst (PARK 2002). Diese Adaptation thermophiler Campylobacter an den Verdauungstrakt von Vögeln bringt besonders für das Wirtschaftsgeflügel Probleme mit sich, da es ein großes Reservoir für Campylobacter bildet und Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von kontaminiertem Geflügelfleisch und humanen Campylobacteriosen ergeben haben (HARRIS et al.

1986, SKIRROW 1991, ALTEKRUSE et al. 1999, FIELDS u. SWERDLOW 1999, ALLOS 2001, FRIEDMAN et al. 2004).

Die Verbreitung bei Wirtschaftsgeflügel ist sehr unterschiedlich. Je nach Land werden verschiedene Prävalenzraten angegeben. In Europa wurden für 2004 im Rahmen von Monitoring-Programmen Raten zwischen 3 und 91 % bei Broilerherden beschrieben, dabei sind die Raten in Nordeuropa (Finnland, Norwegen, Schweden) mit Werten unter 20 % deutlich niedriger als die der südlichen Länder und Mittel-europas (Italien, Österreich) mit 91 und 65 %. Ähnlich hohe Isolierungsraten von Campylobacter werden auch bei Putenherden gefunden (EFSA 2006). Jüngere Untersuchungen aus den USA zeigen ebenfalls hohe Prävalenzen bei Broilerherden von nahezu 90 % (STERN et al. 2001). Für domestizierte Gänse existieren bisher nur wenige Informationen hinsichtlich der Prävalenz in den Beständen. AYDIN et al.

(2001) wiesen bei 100 % der untersuchten Gänse C. jejuni nach. In einer anderen Untersuchung wurden nur bei 15 % der Gänse Campylobacter festgestellt (WIELICZKO 1994).

Die Prävalenz von Broilerherden zeigt saisonale Veränderungen mit höheren Nachweisraten im Sommer und Herbst gegenüber Winter und Frühjahr (KAPPERUD et al. 1993, JACOBS-REITSMA et al. 1994, WALLACE et al. 1997, WEDDERKOPP et al. 2001). Untersuchungen von HUMPHREY et al. (1993) konnten dagegen diese Saisonalität nicht feststellen. HINTON et al. (2004) beschrieben, dass solche lokalen Abweichungen mit den klimatischen Bedingungen zusammenhängen können. Wenn

das Wetter im Herbst besonders mild ist, dann kann mit höheren Campylobacter-Isolierungsraten gerechnet werden.

Neben der Jahreszeit zeigt auch die Art des Haltungssystems einen Einfluss auf die Isolierungsrate von Campylobacter aus Broilerherden. So ist bei Freilandhaltung und ökologischer Haltung von höheren Prävalenzraten auszugehen, bedingt durch die besondere Exposition der Tiere. In diesen Systemen haben die Broiler ständigen Zugang zu einem freien Auslauf und damit zu der kontaminierten Umwelt (HEUER et al. 2001).