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Verwendbarkeit der Weltseele

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 91-95)

Plato, Aristoteles, Plotinus und andere sprachen alle von der Weltseele, aber in ihren Werken gibt es kein Wort, wie und ob diese Gegenwart und Macht anzuwenden sei, um Führung, Harmonie, Wohlstand, Erfolg oder Heilung zu erlangen. Sie kamen zweifelsohne zu interessanten und zufrieden stellenden intellektuellen Schlussfolgerungen, sagten jedoch nichts über ihre praktische Anwendung im täglichen Leben. Leider ist auch vieles im Laufe der Jahrtausende verlorengegangen. Das wussten die Magier und versuchten uns unverschlüsselt, in vielen Fällen aber in symbolischer Darstellung, davon in Kenntnis zu setzen.

Plato versuchte herauszufinden, wo genau sich die Seele befindet. Am Beispiel der Sonne und ihrer Bewegung will er die Frage beantworten, wo genau die Seele ihren Sitz hat und wie die Lenkung des Körpers abläuft. Wohnt sie innerhalb des Körpers, gemeint sind die himmlischen Körper, ist sie irgendwo außerhalb und treibt den Körper wie einen Wagen?

Oder ist sie vielleicht eine Einheit für sich und besitzt Kräfte, die den Gang der Sonne und der Gestirne leiten?

Wenn die Sonne durch ihre Seele in Umlauf gesetzt wird, so werden wir nicht fehlen wenn wir behaupten, daß dies nur auf Eine von drei Arten denkbar sei.

Entweder wohnt diese Seele innerhalb dieses ihres runden Körpers der unseren Sinnen erscheint, und lenkt denselben so nach allen Richtungen herum, gerade wie unsere Seele uns nach allen Seiten hin leitet, oder sie treibt, wie Einige glauben, irgend woher von außen mit einem Körper von Licht oder auch von Luft den sie angezogen hat, [899 St.]

den Sonnenkörper gewaltsam fort, oder endlich drittens sie steht rein für sich ohne allen Körper da, besitzt aber andere über die Maßen wunderbare Kräfte um dennoch den Gang der Sonne zu leiten […].In jedem Falle nun aber, mag diese Seele der Sonne die letztere ähnlich wie einen Wagen lenken und so mit ihr Licht durch das Weltall verbreiten oder sie von außen her oder endlich auf jede andere beliebige Art und Weise fortbewegen, so ist sie doch nicht bloß ein weit höheres Wesen als die Sonne, sondern Jedermann wird sie auch für eine Gottheit anerkennen müssen.236

Wie kommen nun ähnliche Vorstellungen in der Renaissancezeit zum Vorschein? Wie wurde es möglich, dass sie von hellen Köpfen der Renaissance größtenteils angenommen werden?

Man wollte jedenfalls in vielen Bereichen der Antike nacheifern. Als Folge davon bildet sich unter dem Protektorat des Cosimo Medici 1440 in Florenz eine Platonische Akademie mit

236 Nomoi 896e–897b.

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ihrem bedeutendsten Lehrer Marsilio Ficino (1433-99), dem Übersetzer der Schriften Platons, der selbst den Platonismus in neuplatonischer Fassung vertritt, ohne diese zwei Lehren zu differenzieren.

Die Idee der Weltseele, die unmittelbar an der Erzeugung der Formen und Ideen teilnimmt, war selbstverständlich. Die Weltseele ist allumfassend, in ihr sind alle Ideen und Formen, die es gab und geben wird, geprägt worden; sie ist ein Medium zwischen allem Lebenden auf der Welt. Die Weltseele selbst ist auch lebendig. Der große Florentiner hat folgendermaßen versucht, diese Idee „logisch“ zu begründen.

[…]da der Weltkörper aus den vier Elementen besteht und die Teilchen der Welt die Körper aller Lebewesen sind. Das Körperchen eines jeden Lebewesens ist also ein Teilchen des Weltkörpers. […]Soviel nun das Ganze vollkommener ist als der Teil, um so viel ist der Körper der Welt vollkommener als der jedes einzelnen Lebewesens.

Demnach wäre es widersinnig, wenn ein unvollkommener Körper beseelt sein, der vollkommene hingegen weder eine Seele noch Leben haben sollte. Wer ist wohl so einfältig zu sagen, daß der Teil lebt, das Ganze aber nicht? Es lebt also der Gesamtkörper der Welt, da die Körper der Lebewesen leben, die Teile des Ganzen sind.

Die Seele des Weltalls muß eine sein, so wie die Materie eine ist und das Weltgebäude eines ist. 237

Es ist also von Anfang an klar, dass der menschliche Körper eine Seele hat, das ist ein Axiom, das angenommen werden muss. Und aus dieser „selbstverständlichen“ Feststellung ergibt sich eine „logische“.

Die Eros- Theorie Ficinos ist in die Idee der Weltseele eingebracht. Die Legende der Erosgeburt besagt: Eros geht aus Poros-Überfluss238 und Penia-Mangel hervor, und ist deswegen „einerseits reich, andererseits dürftig“239(Anspielung auf Platons Menon240), die Weltseele wendet sich zu den höheren Wesenheiten hin, empfängt den Lichtsrahl, flammt auf und erzeugt den Eros.241 Er befindet sich nicht nur in der Weltseele, sondern auch in den Seelen der Sphären, Gestirne, Dämonen und Menschen.242 Das ist eine enge Wirkgemeinschaft, die der Allseele nachgebildet wurde.

Die Weltseele, wie der Geist, entsteht aus Gott und bildet den Mittelpunkt der Schöpfung.

237 Ficino, Marsilio, Über die Liebe oder Platons Gastmahl, Hrsg. P.R. Blum, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2014, S. 93.

238 Poros ist der Lichtfunke des höchsten Gottes (Ficino, Über die Liebe, übers. Hasse, S.145).

239 Ficino, Über die Liebe, Hersg. Blum, S.103.

240 Platon, Menon, 80D6- 86C4.

241 Ficino, Über die Liebe, übers. Hasse, S. 147.

242 Ficino, Über die Liebe, Hersg. Blum, S. 105., Vgl. Hasses Übersetzung S. 148.

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Die Weltseele ist eine Wesenheit, die sich dem Geist und der Materie gleichermaßen zuneigt.

Sie bewegt die Himmelssphären.243 Sie ist formlos entstanden und wendet sich zu Geist und Gott, die ihr Ursprung sind und empfängt die Formen.244 Mit der Natur als Werkzeug wendet sie sich der Materie zu und teilt Leben und Bewegung mit245.

„Die erste Materie des Weltalls ist formlos“, „hier herrscht ein Schweigen, eine Finsternis, ein Sterben.“246 „Die Bestimmung des Geistes ist, kunstvolle Gestaltung und Ordnung zu verleihen. Die Bestimmung der Seele besteht darin, Leben und Bewegung mitzuteilen.“247

Warum war die Frage der Weltseele wichtig? Warum gerade in der Renaissance? Sicherlich wissen wir, dass in dieser Zeit die Werke der Platoniker und Neuplatoniker übersetzt wurden, die von der Weltseele sprachen, die eine zentrale Rolle in den Ansichten übernahm und einige Eigenschaften der Seele aufweist. Die Magier „stärken“ ihre medialen Fähigkeiten. Sie (die Seele) schafft es, überall zu sein, sie ist nahe, mit dem Menschen, in dem Menschen. Das ist eine Art Hochintelligenz. Diese Intelligenz beobachtet menschliche Handlungen und Leidenschaften, und wie wir sie behandeln, werden wir wiederum behandelt. Bruno nennt das die Art von Gott, die in jedem ist, aber nicht so bekannt ist. Er meint, dass es nicht anders zu erklären möglich wäre, wenn nicht als Liebe.248

Der Magier greift zu dieser „Verwendbarkeit“ der Weltseele, dass sie überall anwesend ist und alle Gedanken tragen, vermitteln und ihnen auch Form und Gestalt verleihen kann. Sie ist lebendig.

Somit wurde die Weltseele zum allumfassenden und allmächtigen Instrument. Sie funktioniert nach eigenen Gesetzen und Regeln, die immer und überall dieselben sind, und ist der eigentliche Zauberstab des Magiers. Bis dahin sprach man selten von diesen mächtigen

„Instrumenten“ der Magie, sie blieben eher im Verborgenen. Jetzt schreiben die Magier über die Wirkungsweise und Fähigkeiten der Weltseele, und in vielen Fällen sind auch ganz genaue Anweisungen dabei.

Die Weltseele, die genauso ist und wirkt wie die menschliche Seele, ist vor allem eines:

schöpferisch. Sie ist Medium und Mittlerin, mit deren Hilfe ein Mensch, ein Magier, Großes

243 Ebd. S.32.

244 Ebd. S.16.

245 Ebd. Über die Liebe, übers. v. Hasse, S. 216.

246 Ficino, Über die Liebe, übers. v. Hasse, S.179.

247 Ebd. S. 179.

248 Vgl. Bruno, The Heroic Frenzies.

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vollbringt. Das Denken, abseits davon, was man denkt, ist schöpferisch und erschafft Formen, erschafft Dinge, das ist die Rolle der Weltseele, die für unsere Untersuchung wichtig ist.

Der kosmische Geist übernimmt die Mittlerfunktion zwischen Weltseele und Weltkörper:

[…] this spirit of the word above all, for by this as an intermediary you will gain certain natural benefits not only from the world’s body but from its soul, and even from the stars and the daemons. For this spirit is an intermediary between the gross body of the world and its soul; and the stars and daemons exist in it and by means of it. For whether the world`s body and mundane things have their being directly from the World-soul (as Plotinus and Porphyry think) or whether the world`s body just like its soul has its being directly from God, as is the opinion of our theologians and perhaps Timaeus the Pythagorean, the world does wholly live and breathe, and we are permitted to absorb its spirit. This is absorbed by man in particular through his own spirit which is by its own nature similar to it, especially if it is made more akin to it by art, that is, if it becomes in the highest degree celestial.249

Bei Ficino hat und verleiht der Geist Gestalt und Ordnung. Der Engelsgeist wendet sich Gott hin und empfängt von dort die Formen. Genauso wendet sich die Weltseele zu Gott und zu dem Geist hin und empfängt vom Engelsgeist die Formen. In gleicher Weise wandte sich die Materie der Weltseele zu und bot sich zur Gestaltung dar. Sie war ursprünglich Chaos,

„empfing aber von der Weltseele die Wohlgestalt aller Formen, welche in dieser Welt zu sehen sind“.250Hiermit wird sie aus Chaos zu Kosmos. Somit gibt es drei Welten und drei Chaos. „Bei allen dreien aber ist, mit einem Wort, der Eros gleichzeitig mit dem Chaos und geht dem Kosmos voraus; er erweckt das in Starrheit schlummernde, erleuchtet das Finstere, belebt das Leblose, gestaltet das Gestaltlose und gibt dem Unvollkommenen Vollendung.“251

249 Ficino, Three books on life, S. 259.

250Ficino, Platons Gastmahl, übers. von Hasse, S.52.

251 Ebd.

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12.2.Die Seele

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