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Der Einfluss der Gnostischen Lehre

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 141-144)

Nach der gnostischen Lehre ging der Weg der Seele durch die sieben Sphären der Planetenengel, die ihr feindlich sind. Sehr ähnliche Vorstellungen haben sich in der jüdischen

398 Paracelsus,Theophrastus, Werke, Band V, Pansophische, magische und gabalische Schriften, besorgt von Will-Erich Peuckert, Schwabe

& Co Verlag, Basel/Stuttgart, S.9-10.

399 Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, Walter de Gruyter & Co.Berlin 1962.S 18.

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Merkaba-Mystik verfestigt: die Seele geht durch die sieben Tore der sieben himmlischen Paläste, und die Archonten treten ihr feindlich entgegen. Um den Weg zu öffnen, muss die Seele des Exstatikers das magische „Cachet“ vorweisen und die Archonten durch Rezitation von Hymnen und Gebeten überwinden. Erst dann gelangt die Seele in ihre Heimat - zum Thron Gottes. Hier beim Thron endet der Aufstieg des Mystikers. Und die Seele „steigt“

wieder in die Welt der Merkawa „hinab“, die eine enge Verwandtschaft mit der Welt des Pleroma der griechisch-gnostischen Texte zeigt. Hier treten an die Stelle abstrakter Begriffe, die zu Äonen personifiziert werden, die Objekte der Thronwelt, wie sie aus der Vision Ezechiels in diese Überlieferung eingegangen sind. Die Ofanaim (Räder) des Thronwagens sind von vier Gestalten Chayot ha-kodesch (heilige Tiere) Mensch, Stier, Löwe und Adler umgeben. Diese Wesen tragen den Thron. Sie sind engelartig und sind gleichzeitig auch Diener des Thrones.400 Diese Vision des Ezechiel aus Ezechiel 1 wird im Mischnatraktat Chagiga Ma‘ase Merkawa genannt.401 Das Ziel des Mystikers ist zum Thron zu gelangen. Der Weg ist gefahrvoll, führt durch sieben Paläste oder Hallen, die „Hechal“(Hechalot) gennant werden. Die Hechalot–Texte erzählen vom „Abstieg zur Merkawa“, darunter wird der Aufstieg des Mystikers zu Gott bezeichnet. Zur Merkawa herabzusteigen kommt aus der Durchführungsweise der „Übung“. Man nimmt den Kopf zwischen die Knie und rezitiert eine genau vorgegebene Anzahl der Gottesnamen. Der Mystiker soll die „richtigen Siegel“

vorweisen können, um weiter emporsteigen zu dürfen.402 Somit traten zu den traditionellen jüdischen Elementen des Gebets und des Lernens der Tora Himmelsreise und magische Beschwörung hinzu; den zentralen Platz nahm die Lehre von den Gottesnamen und der Engel ein.403

Die Handschriften dieser anonymen Texte waren im Orient, aber ebenso in Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland nach dem 5. Jahrhundert404 bekannt. Im 12. Jahrhundert liefen solche Texte und die mit ihnen zusammenhängende theurgische Literatur, mit den magisch wirkenden hebräischen Buchstaben, die Gottes- und Engelsnamen bilden, in gelehrten Kreisen als authentische Dokumente der alten Geheimlehren um. Geniza aus Kairo enthält solche Passagen. Die Tora spekuliert über die Buchstaben als Schöpfungsinstrument.

400 Vgl. Davidowicz, K., Kabbala, geheime Traditionen im Judentum, Eisenstadt 1999, S.10.

401 Ebd.S.10.

402 Grözinger, K.E., Jüdisches Denken: Vom Gott Abrahams zum Gott des Aristoteles, Campus Verlag, Frankfurt, New York 2004, S. 322.

403 Davidowicz, K., Kabbala, geheime Traditionen im Judentum, Eisenstadt 1999, S.11.

404 Ebd. S.12.

143 Gnosis beeinflusste diese Lehren.405

Es wäre falsch zu behaupten, dass der Einfluss nur seitens der Gnosis stattfand, man darf nicht ausschliessen, dass es durchaus möglich wäre, dass die Kabbala, oder besser gesagt die kabbalistische Lehre, in ihren Anfängen auf die Gnosis Einfluss ausgeübt habe. Die Gnosis ist jedoch keine in sich geschlossene Religion, sondern ein Interpretationsmuster, das auf die unterschiedlichsten Religionen angewandt wurde oder aber deren Kern ausmacht.406

405 Vgl. Grözinger K.E. Jüdisches Denken,Band 2,Campus Verlag Frankfurt/ New York 2005, S.108-113. Nach K.E. Grözinger, soll es nun versucht werden, das Wesen und die Struktur des Gnostischen bzw. Kabbalistischen aus folgenden Themen herauszukristallisieren:

1. Gnosis / Kabbala als Heilwissen

Die Gnostische Lehre hat die Erkenntnis, wer der Mensch ist, woher er stammt und wo er hin soll und wovon er erlöst werden soll und wodurch es ihm glücken kann. Im Gegensatz dazu sucht die Kabbala den Weg zu Gott. Ob es eine Möglichkeit gibt, mit Gott in Kontakt zu treten und auf welche Weise. Der Ausgangspunkt des Kabbalisten ist die Möglichkeit der Gottesnähe in dieser Welt. Der Gnostiker aber findet die Gottesnähe erst, wenn er diese Welt verneint.

2. Dualismus. Sowohl die Kabbala, als auch die Gnosis sind dualistisch, sie suchen den Ursprung des Bösen in der transzendentalen Welt. Sohar beschreibt uns die Geburt der anderen Seite, Sitra achra, während der Selbstentfaltung des Göttlichen. Sitra achra wird zum verzerrten und unwahrhaftigen Spiegelbild des heiligen göttlichen Pleroma.

3. Theologie-Theogonie

Die Theologie der Kabbalisten und die der Gnostiker weisen viele Parallelen auf. Im Gegensatz zu einem Gott der jüdischen Tradition wird es von dem göttlichen Pleroma mit der Lehre von zehn Sefirot gesprochen. Oben, jenseits der Sefirot, steht Èn Sof (Unendliches). Dieses Pleroma ist durch die Zeugung entstanden, genau wie in der Gnosis. Als Vater ist die Sefira Hochma (Weisheit) genannt und als Mutter die dritte Sefira Bina. Es gibt hier zwei Frauengestalten. Im Gegensatz zu der Gnosis, die nur eine weibliche Gestalt, die der Sophia kennt, gibt es in der Kabbala zwei weibliche Gestalten: der Schechina und der Tochter.

Die andere Gemeinsamkeit dieser Lehren ist der Weltenbaum, in der Kabbala: der Sefirotbaum Adam Kadmon oder der Urmensch.

4. In der Kosmogonie gibt es große Unterschiede. In der Kabbala ist die Welt nach dem Willen Gottes durch die Schechina entstanden.

Das Böse versucht die gute Schöpfung zu beschränken, das verläuft erfolglos.

5. Auch in der Kosmologie gibt es Unterschiede: Die Schöpfung, die durch die Liebe des Schöpfers entstanden ist, befreit sich von dem Bösen und die heile Welt 'Olam ha-Tikkun wird wiederhergestellt.

6. Anthropologie- Anthropogonie. Im Gegensatz zur Gnosis skizziert die Kabbala ein positives Menschenbild. Die Seele und der Körper des Menschen sind Ebenbild des göttlichen Pleroma. Ein Mensch kann nur durch seinen Körper, dem Gott Seele einhauchte und dadurch lebendig machte, die Gebote Gottes erfüllen und so auf das Pleroma ihrerseits eine Wirkung ausüben. Auch die Seelenwanderung hat ihren Platz in beiden Lehren gefunden. In der Kabbala sind alle Seelen aus der Allseele des Adam Kadmons enstanden.

7. Erlösungslehre- Soteriologie. Die lurianische Kabbala bietet eine Paralelle zur gnostischen Erlösungslehre an: Die Seele kann aus der Seelenwanderung befreit werden, durch seine Taten kann der Mensch göttliche Gebote einhalten und in die Seele des Adam Kadmon zurückkehren. Auch der Aufstieg der Seele nach dem Tod weist Unterschiede auf. In der Kabbala muss die Seele durch himmlische und pleromatische Instanzen durchwandern, in der Gnosis sind das gottfeindliche Planetensphären.

Die Schechina ist das Licht und die Erlöserin, die gleichzeitig auch sich selbst erlöst.

8. Ähnlichkeiten: Religiöses Handeln, Kult. Ritus. Gebotserfüllung, Gebet; der eheliche Beischlaf bewirkt die Verbindung zwischen zwei Menschen, die ein Paar geworden sind, die zur Entstehung der Einheit führt, die für Gott von großer Bedeutung ist.

Der Ritus des Speisens spielt auch eine große Rolle, um den Lichtfunken der Seele aus der Welt zu nehmen und zu Gott emporzuheben.

406 Grözinger K.E. Jüdisches Denken,Band 2,Campus Verlag Frankfurt/ New York 2005,S.93

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