• Keine Ergebnisse gefunden

Magier in der Bibel

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 45-75)

An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass in der griechischen Version der Bibel drei Männer, Caspar, Melchior und Balthasar, die mit Gaben zum Jesuskind kamen, „Magoi“

genannt wurden. Erst später wurde diese Bezeichnung geändert und lautete „Könige“.

Darüber berichtet das zweite Kapitel des Matthäusevangeliums: „Μάγοι ἀπό ἀνατολών”

(griech. Magier aus dem Osten).

Magoi wird im Griechischen allgemein für Magier verwendet, aber auch konkret für die sabzevarisch–medische zoroastrische Priesterkaste aus dem medischen Priesterstamm der

115 Vgl. Adams Paul, The Scottish roots of Merlin the Welsh wizard.

116 Vgl. Monmouth, Gottfried`s von, Historia regum Britanniae, Übersetzung Brut Tysylio, Herausgeber San-Marte, Albert Schulz ,Verlag Eduard Anton, Halle 1854.

117 Würzburg, Johann von, Österreich, Wilhelm von , Deutsche Texte des Mittelalters, Band III, Herausgeber Ernst Regel, Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1906, S. 153-189 .

46

Meder, die bei Herodot, Strabon und Philo von Alexandria erwähnt sind. Aus diesem Grund wurde wahrscheinlich an persische oder auch chaldäische Sterndeuter gedacht.

Später wurde immer wieder darüber diskutiert, wer die Magier der Bibel waren.

[…]Es kamen Magier aus dem Morgenlande, um Christum anzubeten. Die Männer, von denen hier die Rede ist, waren doch weder Schwarzkünstler noch Verbündete des Teufels. Die Weisheit Gottes war in ihnen lebendig, und sie kamen zu dem, der alles Bösen Gegner und aller Teufelsgeister feind war. Und aus diesem Grunde erachte ich es für nützlich, daß alle Gläubigen den wahren Sinn der Bezeichnung Magier erfassen.118 Pico verteidigt die Magier und damit auch sich selbst. Es ist verankert in den von der Kirche vorgegebenen Vorstellungen, dass derjenige Magier ist, der mit dem Teufel wirkt, sonst sei dem Menschen diese Macht nicht zugänglich. Gegen diese Vorstellung versuchten die Renaissance Magier zu kämpfen, meistens erfolglos.

7.Bedürfnis des Renaissancemenschen nach magischer Welterklärung Beeinflussende Lehren und spezifische Charakteristika des Renaissance Magus

Jüdisch-kabbalistische Prägung des Renaissance Magiers als neue Qualität

Naturgemäß stellte die Kabbala bis ins späte Mittelalter hinein eine religiöse Erkenntnisweise und Wissenschaft dar, die sich auf dafür aufgeschlossene und gebildete Kreise im Judentum beschränkte. Und weil die spirituelle Interpretation der Hebräischen Bibel u. a. ein besonderes Maß an philologischen Fähigkeiten erforderte, waren Nichtjuden in der Regel ausgeschlossen.

Die direkte Mitteilung der kabbalistischen Erfahrung, die von Mensch zu Mensch, in einer Elite, ging, und persönlich weitergegeben wurde, garantierte die Kontinuität der Kabbala in einer der nicht-jüdischen Welt verschlossenen Überlieferungskette -Schalschelet ha-Kabbala.

Das änderte sich erst, als gegen Ende des 15. Jahrhunderts das Interesse an der hebräischen Sprache in Europa zunahm und das humanistische Bildungsideal mit der Forderung

118 Pico, Ausgewählte Schriften, Apologia, S.228.

47

verbunden war, ein Dreisprachler (trilinguis) zu werden, d.h. neben der zeitüblichen lateinischen Wissenschaftssprache sowohl das Griechische als auch das Hebräische bis zu einem gewissen Grad zu beherrschen. Laut geworden war der Ruf „Ad fontes!“, “Zu den Quellen!“

Zitat nach Moshe Idel aus „Geschichte der Kabbalah“, verfasst von Rabbi Elijah Menadem Halfan: „Jewish Theological Seminary (JTS) MS 1822, f.154v.

In the last twenty years, knowledge has increased and people have been seeking everywhere for instruction in Hebrew. Especially after the rise of the sect of Luther, many of the nobles and scholars of the land sought to have thorough knowledge of this glorious science (Kabbalah). They have exhausted themselves in this search, because among our people there are but a small number of men learned in this wisdom, for after the great number of troubles and expulsions, but a few remain.

So seven learned men grasp a Jewish man by the hem of his garment and say:”Be our master in this science!”119

Viele Christliche Denker wurden von jüdischen Gelehrten belehrt. Von Platon beeinflusst, suchten viele der Humanisten, z.B. in Florenz, nach der verlorenen gemeinsamen Urtradition aller Weltreligionen und meinten, diese in der Kabbala zu finden. Zu diesen gehören der Italiener Pico della Mirandola und Egidio da Viterbo, der Deutsche Reuchlin sowie der Franzose Tissard.

Christliche Gelehrte selbst waren die Initiatoren für die Kontakte zu jüdischen Kabbalisten.

Viele der Humanisten oder vom Humanismus beeinflusste Männer waren bereit, große Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, um nur die Geheimnisse der Kabbala zu erlernen, und auch um jemanden zu finden, der bereit wäre, seine Kenntnisse an die Christen weiterzureichen, weil es den Juden streng verboten war, Nichtjuden kabbalistische Kenntnisse beizubringen.

Wir sehen, dass es viele Hindernisse auf diesem Wege gab. Abraham aus Worms, einer der berühmteren Magier, schreibt, dass er sich auf die jahrelange Suche begeben habe, die ihn bis zur Arabischen Wüste, Ägypten und auch Palästina brachte, bis er seinen Lehrer, den weisen Abramelin, den er als einen frommen Gelehrten bezeichnet, gefunden hatte.

Bei Abraham aus Worms im I. Buch über seinen Lehrer lesen wir: “I found out the reason through the wise Abramelin, who told me that is to say, from the Qabalah, and that without

119Idel Moshe, The Magical and Neoplatonic Interpretations of the Kabbalah in the Renaissance. Aus Essential papers on Jewisch culture in Renaissance and Baroque Italy. Edited by David B.Ruderman, 1992 New York University, pp.1o8.

48

that, one could not succeed.”120 “Afterwards he did manifest unto me the regimen of the mystery of that Sacred Magic which was exercised and put into practice by our forefathers and progenitors Noah, Abraham, Jacob, Moses, David, and Solomon[…]”121

Die Kabbalisten behaupten, dass die kabbalistische Erfahrung nicht übertragbar ist. Wer diese (mystische) Erfahrung gemacht hat, kann sie nur teilweise dem Nächsten übermitteln.

„Halblaut flüstert man ihm es zu, gibt ihm nur die Hauptsätze, denn er findet sich in ihnen zurecht.“122 Dieser wird darin den Weg entdecken, den er selbst einschlagen kann. Niemand kann ihm behilflich sein.

Auch die Werke von Pico della Mirandola tragen den Einfluss seines Lehrers Rabbi Yohanan Alemanno. Es ist uns bekannt, dass diese zwei Renaissance Gelehrten sich in Florenz im Jahr 1488 trafen, obwohl man vermutet, dass das Kennenlernen dieser beiden Gelehrten auch im Jahr 1486 stattgefunden haben könnte.

Alemanno war um zwanzig Jahre älter als Pico und hatte schon vor dem Jahr 1470 begonnen, seine Gedanken niederzuschreiben.123 Er war vom Neoplatonismus, der in Florenz vorherrschte, beeinflusst. Das florentinische Interesse an der Magie hat deutliche Spuren in Alemannos Werken hinterlassen. Alemannos Wirkung auf seine kulturelle Umgebung ist in seinen Neuplatonischen und magischen Interpretationen der Kabbala zu sehen. Diese seine Werke haben nicht nur Pico della Mirandola beeinflusst. Es gibt viele Parallelen in den Werken von Alemanno und Pico.124 Die beiden Gelehrten sind der Ansicht, dass die Kabbala in zwei Teile geteilt werden sollte: die theoretische und die praktische Kabbala; man kann auch sehen, dass einige der Werke der Jüdischen Mystik Pico bekannt waren, z.B. Sefer Takhilt he-Hakham, was durch seinen Lehrer- Alemanno gut möglich war; aber auch jüdische Autoren des 15. Jahrhunderts beeinflussten ihn. In diesem Sinne schreibt Mosche Idel: “My discussion is limited to the similarity of their thought and this parallelism permits us to consider Alemanno a Renaissance personality in every respect. “125 Stephen Alan Farmer nennt in seinem Buch Syncretism in the West noch einige Namen der jüdischen Gelehrten, die

120 Siehe The Sacred Magic of Abramelin the Mage, edited by S. Lidell MacGregor Mathers, digital edition by Joseph H. Peterson. Book 1, chapter 6.

121Ebd.

122 Werner, Helmut, Kabbala, Komet Verlag, (Rabbi Amis Worte) S. 218.

123 Mosche Idel Interpretations of the kabbalah. Essential papers on Jewish culture in Renaissance and Baroque Italy. Edited by David B.Ruderman, 1992 New York University, pp.111.

124 Ebd. Pp.109.

125 Mosche Idel Interpretations of the kabbalah. Essential papers on Jewish culture in Renaissance and Baroque Italy. Edited by David B.Ruderman, 1992 New York University, pp.111.

49

Picos Kenntnisse der Kabbala und kabbalistischen Texte beeinflusst haben: Flavius Mithridates, Elia del Medigo.126 Sie haben für ihn einige Texte übersetzt oder verschafft.

Einen ähnlichen Weg ging auch der deutsche Humanist Johannes Reuchlin (1455-1522). Er gilt als der „erste deutsche Humanist von europäischem Rang."127 Im Jahre 1486 nahm er den ersten Unterricht im Hebräischen, als 31-jähriger Nichtjude erlernte er die hebräische Sprache und Schrift. Dieser Spätbeginn hinderte ihn nicht daran, im Jahre 1506 sein De Rudimentis Hebraicis, die umfangreiche Grammatik des Hebräischen, mit vollständigem Wörterbuch, zu veröffentlichen. Ähnlich wie bei Pico, war Jacob Ben Jechiel Loans, der jüdische Leibarzt von Kaiser Friedrich III., der Hebräischlehrer von Reuchlin. Das Treffen von Reuchlin und J.

B. J. Loans ist „ein Moment von welthistorischer Bedeutung“.128

Das war kein selbstverständliches Beispiel der Toleranz, besonders für Reuchlins ungewöhnliche Schriften, in den Zeiten, wo auch die erhabenen, gelehrten Geister öfters kritiklos zu einer religiös bedingten Verachtung der Juden geneigt waren, oder sich offen dazu bekannt hatten. Im Jahre 1489 reist er nach Italien und erfährt dort durch den jungen Grafen Giovanni Pico della Mirandola von der Kabbala, die er in seinem Werk De arte cabbalistica bearbeitet.

Die andere Frage ist, außer, dass es verboten war, die Lehre weiterzureichen, sollten die Kabbalisten darauf achten, ob derjenige, dem es anvertraut sein kann, bestimmte, überlieferte Eigenschaften besitzt, man sollte an ihm „äußerlich die Zeichen der Würdigkeit wahrnehmen“.129 Offensichtlich haben christliche Kabbalisten die Voraussetzungen erfüllt.

8.Der Christliche Magier

Die Eigenschaften, die König Salomon, Merlin und anderen heidnischen Magiern zugeschrieben sind, waren auch für Renaissance Magier begehrenswert. Der vorchristliche Magier konnte weissagen und wahrsagen, er war ein guter Redner, der bei den Divinationen

126 Siehe Syncretism in the West: Pico´s 900 Theses(1486). The Evolution of Traditional Religious and Philosophical Systems. With Text, Translation, and Commentary by S. A. Farmer, Medieval& Renaissance Text & Studies Tempe, Arizona 1998 Arizona Board of Regents for Arizona State University second Printing 2003, pp. 11.

127 Oberman, Heiko A, Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation. Berlin 1981, S. 215.

128 Geiger, Dr. Ludwig, Johann Reuchlin sein Leben und seine Werke, Verlag Duncker & Humblot, Leipzig 1871, S. 105.

129 Vgl. Werner, H., Kabbala, S. 218-219.

50

auf die Abschwörformeln zurückgriff. Seine übernatürlichen Fähigkeiten waren enorm. Er trat als Heilkünstler und Wundertäter auf. Aber auch die Übeltaten, vor allem gegen die Mächtigen der Welt, wurden ihm zugeschrieben.

Obwohl wir behaupten können, dass die Magie, die in christlicher Zeit ausgeübt wurde, in sich die ganze vorchristliche Magie übernommen hatte, sollen wir auch die

„Christianisierung“ des Magiers miteinbeziehen. Die Magie der vorchristlichen und christlichen Zeit zeigt große Unterschiede. Valerie I. J. Flint nennt als ein wichtiges Attribut des Magiers „die Hoffnung“, wobei die Hoffnung auf bessere als die gegenwärtigen Zeiten gemeint ist: „als übernatürlich empfundene Fähigkeit ist, angesichts von wirklichen oder vermeintlichen Katastrophen Hoffnung zu erzeugen.“130 Und obgleich hier die gesellschaftlichen Katastrophen gemeint sind, lässt sich feststellen, dass auch persönliche Katastrophen nicht nur Personen aus dem „gemeinen“ Volk betreffend, sondern genauso auch diejenigen angesehener Persönlichkeiten, die dringend „psychologische (und nicht nur) Unterstützung“ brauchten, angesprochen werden. Man könnte sagen, dass beides das Tätigkeitsgebiet des Magiers ausmachte.

Mit dem Aufkommen des Christentums kam auch ein Verbot gegen magische Manipulationen. Sie wurden als Schmälerung der Gottesmacht und -vorsehung gesehen, da die Zukunft nur in der Hand Gottes liegen und alles nach seiner Vorsehung geschehen sollte.

In verschiedenen Legenden werden die Eigenschaften der christlichen Magier dargestellt. Die christliche Zeit beginnt natürlich mit drei Magiern, die in der Bibel zu den Heiligen Drei Königen umbenannt wurden. Auch Jesus selbst besitzt magische Eigenschaften, wie zum Beispiel: er verwandelt Wasser in Wein oder geht über das Wasser, exorziert Geister, erweckt Tote zum Leben, heilt Kranke etc.

Folgende Eigenschaften werden den christlichen Magiern zugeschrieben, wie: Prophetie oder die Gabe des Hellsehens, Zukunftsvorhersage, Exorzismus und Heilung.

Die „common opinion“ zum Wort „Magier“ ist, dass es auf Persisch zwei Dinge bezeichnet (so Porphyrius und Apuleius): den Priester oder den Weisen bzw. Philosophen, so die Magie, die ganze Philosophie, Physik und Mathematik erfassend, ergänzend dazu die Macht der

130 Vgl. Grafton, A., Idel M., Der Magus, Hrsg. A.Grafton, M.Idel Akademie Verlag, Berlin 2001, S.68.

51 Religionen.131

Die Synonyme des Wortes sind jedoch zahlreich: Astrologe, falscher Prophet, Gaukler, Geisterseher, Hellseher, Hexenmeister, Hexer, Hypnotiseur, Illusionist, Medizinmann, Schamane, Schwarzkünstler, Taschenspieler, Verwandlungskünstler, Wahrsager, Wunderdoktor, Wunderheiler, Wundertäter.

Mit dem Wort verbindet man sowohl Positives, als auch Negatives. Daher empfiehlt sich ein Blick darauf, was die Magier der Renaissance konkret charakterisiert.

Das Buch Arbatel: „[…][es] soll der Magier ein gottesfürchtiger, frommer Mann sein, standhaft in Worten und Werken, eines starken und festen Vertrauens zu Gott, vorsichtig und keines Dinges zuviel begehrend, außer der Weisheit in göttlichen Dingen.“132

Starker Glaube und Vertrauen sollen nicht neu sein, es ist uns vom Mittelalter schon bekannt, es wird aber nicht nur passiv geglaubt und vertraut und nur gehofft, nein, jetzt wird es agiert, gehandelt, jetzt wird der Magier aktiv. Er verändert sich selbst, die Welt, das Gottesbild. Jetzt ist Gott ihm sogar behilflich bei allem: bei magischen Operationen, bei den Prophezeiungen, im Schlaf133. Gott ist der Vater des Wortes, welches dem Magier den Zugang zum Vater ermöglicht134.

Diese Art der Frömmigkeit ist nicht mehr wie die mittelalterlich-priesterliche, bei der die Frommen „vor der verschlossenen Türe Gottes“ als Außenstehende bzw. Kniende beteten, ohne zu wissen, ob sie erhört werden oder nicht. Nun weiß der Renaissance Magier, wie er, sei es durch Sprüche oder durch seine Gedanken, mit den geheimen Namen Gottes, die Zeremonie durchführen soll, um die Unterstützung Gottes einzufordern. Er erhob sich als bewusster, stärkerer und kenntnisreicherer Zauberer, der in seiner Größe bewundert werden will. Einer, der Veränderungen vornehmen und schöpferisch tätig werden will. Er wartet nicht auf Erlaubnis, er weiß, dass er imstande ist, alles zu tun. Der Zauberer weiß, dass er sich an

131Agrippa von Nettesheim, Heinrich Cornelius, De incertitudine et vanitate scientiarum liber, Frankfurt 1693,Ch. XLI, S.162 : “Communis opinion est nomen esse persicum, cui adstipulantur Prphyrius et Apuleius, et cignificare eorum lingua idem, quod sacerdotem, sapientem sive philosophum. Magia itaque omnem philosophiam, physicam et mathematicam complexa, etiam vires religionum illis adiungit: hinc et goetiam et theurgiam in se quoque continent. Qua de causa magiam plerique bifariam dividunt, in naturalem videlicet et caeremonialen.”

132 Arbatel,in:Magie der Renaissance, Hrsg. Kurt Benesch, Fourier, Poseidon Press1985, S.220.

133 Siehe Picos 7.1. These, Farmer.

134 Siehe Pico 27.3. These, Ebd.

52

Gott oder an den Teufel wenden kann und sein Leben selbst in die Hand nehmen muss. Er ist sich aller Gefahren bewusst, geht aber seine eigenen Wege.

Über das „Märtyrertum“ der Magier sei an dieser Stelle angeführt, dass die Magier ganz genau wussten, was sie erwartete; es war daher in diesem Sinne keine Überheblichkeit oder Dummheit, wenn sie die Grenzen des Erlaubten überschritten, um Neues zu gestalten. Ein Leben ihren Überzeugungen folgend war existenziell für sie, die Überzeugung war ihr Werk, ihre Philosophie; das Wichtige in der Philosophie der Magier der Renaissance ist ihr Leben, sie lebten ihr Werk (man denke an Sokrates oder an Pythagoras). Ihre tiefste Überzeugung war die wesentlichste Komponente ihres Lebens.135

In diesem Sinne schreibt auch Paola Zambelli, dass sowohl Ficino als auch Pico sich zweifellos von den einfachen Bäuerinnen unterschieden, die in derselben Zeit der Hexerei beschuldigt waren. „Nontheless, these two scholars aimed at establishing a natural theory of magic urgently needed in a period when more and more witches were being burned at the stake. It is impossible to see all this as a mere coincidence.”136

Es ist denkbar, dass sich in der Renaissance auch Frauen mit Magie beschäftigt haben, es gab sehr gut ausgebildete Frauen aus den höheren Kreisen der Gesellschaft, aber wir haben keine Werke oder Quellen, die es belegen könnten, dass es sich auch um Magierinnen handelte.

Deswegen müssen wir uns auf das Bild des männlichen Magiers beschränken. „The Renaissance magus, a learned and otherwise distinctly male go-between, matchmaker or panderer, cements hierarchic relationships between men and women,[…]. “137

Als erstes müssen wir die große Gelehrsamkeit des Magiers nennen.

„Ihr Götter! Welche Fülle an Schönheit, welche Gelehrsamkeit, welchen Adel und welche Erhabenheit lernten wir in Ihnen kennen[…]. Du schreibst fürwahr ein Latein von klassischer Reinheit, deine Ausdrücke strahlen vor Glanz und vor Pracht.“ So schreibt der Philippo Beroaldo an seinen Freund Pico della Mirandola.138

135 Culianu, S.124.

136 Zambelli, White magic, Black magic, S. 22.

137 Kodera, Sergius, Disreputable Bodies, Explorations into Renaissance Natural Philosophy 1460- 1600, Habilitationsschrift, Wien 2003, p.266.

138 Pico della Mirandola,Giovanni, Ausgewählte Schriften, übersetzt und eingeleitet von Arthur Liebert, Eugen Diderichs, Jena & Leibzig 1905,S.137.

53

In der Antike und im Mittelalter gab es schillernde Figuren, deren Berühmtheit als Magier bis heute noch nicht verloschen ist. Aber erst die Renaissance bringt Magier hervor, die andere qualitativen Höhen erreichen. Der Renaissance Magier vereinte in sich alle Attribute des vorchristlichen und des mittelalterlichen Zauberers. Die Magier sind zwar genauso bewandert in allem, was den Zauber betrifft, aber in der Renaissance sind es meistens Adelige, die an den besten und berühmtesten Universitäten Europas studierten, meistens sind das Genies, die als 9-bis 10-jährige in die Universitäten eintraten und in einigen Jahren mit Auszeichnung ihr Studium abschlossen. Einige bekleideten die höchstmöglichen Ämter und/oder unterrichteten an den Universitäten, schrieben Bücher, vollbrachten Wunder, kritisierten die Kirche139, bewunderten andere Kulturen, lernten Sprachen, reisten, knüpften Freundschaften.

Der Magier der Renaissance ist Philosoph, (und) Arzt, Astrologe, Kabballist, Politiker, Spion im Dienste der Könige, von denen er respektiert wird; er steht den Mächtigen der Welt sehr nahe und sie suchen oft seinen Rat. Er hat geniale Ideen, die er umzusetzen versucht. Und vor allem ist er ein Handelnder, ein Mensch, der aktiv die Welt verändern möchte, er lebt seine Gedanken. Er ist nicht nur Denker und Autor, er ist ein Veränderer.

In seinem Werk Ognenniy Angel spricht Brjusov durch Agrippa und liefert uns folgende

„Selbstbeschreibung“ des Magiers:

I stated clearly in the preface, that a Magus should be neither superstitious, nor an intriguer, or demoniacal, but should instead be a wise man, a priest, a prophet. I consider to be a true Magus the Sibyl who prophesied the coming of Christ in an era of paganism, or those three kings, who having come to know of the birth of the Saviour from the marvellous mysteries of the universe, set out with gifts to the cradle of the manger. Whereas in magic you (as the greater part of men) evidently look not for the hidden knowledge of the Universe, but for the many forms of trickery with which to harm one’s neighbour, or to obtain riches, or to know the future; but for this sort of information there is no need to turn to philosophers, but to conjurers or charlatans. My book De Philosophia occulta was written in my youth and contains many mistakes, but it is nevertheless an attempt to inquire into all that has been said of magic, so that an intellect that is curious to understand can examine all the branches of this science:

but I have never induced anyone to throw themselves into experimenting with the goeteia, which is obscure and not deserving of any approval.140

139 Vgl. Borchardt, F. L., The Magus as Renaissance Man, S 70.

140Brjusows Zitat Zambelli Paola, White Magic, Black Magic in the European Renaissance, Brill, Leiden-Boston, 2007, S.118.

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 45-75)